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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

09.09.09

"Der Frieden ist der Ernstfall"

Stukenbrock mahnt: Es darf nicht wieder "zurückgeschossen" werden!

Der Kranz der VVN/BdA NRW (Bild Jochen Vogler)

Der Kranz der VVN/BdA NRW (Bild Jochen Vogler)

Das Publikum (Bild Jochen Vogler)

Das Publikum (Bild Jochen Vogler)

Arno Klönne (Bild Jochen Vogler)

Arno Klönne (Bild Jochen Vogler)

Jochen Vogler (Bild Uwe Koopmann)

Jochen Vogler (Bild Uwe Koopmann)

Drei Tage nach dem 60. Jahrestag des Überfalls auf Polen ließen deutsche Militärs wieder "zurückschießen": diesmal schneller und "robuster" durch einen bestellten Luftangriff bei Kundus. Vor diesem Hintergrund wurde am vergangenen Samstag auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock der Opfer des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Faschismus gedacht - und Frieden eingefordert.

Prof. Dr. Arno Klönne konnte aus eigenem Erleben und aus dem reichen Spektrum seiner wissenschaftlichen Lebensleistung die Entwicklung Deutschlands vom letzten Weltkrieg hin zu neuen "Stabilisierungseinsätzen" und "Kampfhandlungen" skizzieren. Darin nimmt auch die Senne - immer noch - ihren Platz ein. Diese weitläufige Landschaft in Ostwestfalen, in der Stukenbrock liegt, hat eine lange militärische Tradition. Hier wird seit mehr 1888 für den Krieg geübt. Aktuell in der Diskussion sind "Attrappen", mit denen der Häuserkampf gegen "Aufständische" geübt werden kann.

Schon im Ersten Weltkrieg gab es hier Gefangenenlager. Erinnert wurde an die kurze friedliche "Zwischennutzung" des Lagers Staumühle durch den Pädagogen Richard Schirrmann, den "Erfinder" der Jugendherbergen, der hier ein Kinderdorf betreute. Klönne und auch Werner Höner, der engagierte Sprecher der Initiative "Blumen für Stukenbrock" erinnerten daran, dass die Geschichte des Stammlagers VI K (326) immer noch verdrängt und instrumentalisiert wird: Die rote Fahne auf dem Obelisken, die die sowjetischen Gefangenen gleich nach ihrer Befreiung dort angebracht hatten, wurde entfernt und fehlt immer noch. Der Wunsch der Überlebenden, sie wieder anzubringen, wird unterlaufen.

Dimitri Orlow (101) und Prof. Dr. Wladimir I. Naumov aus Moskau, die beide an der Einweihung des Obelisken am 2. April 1945 beteiligt waren, riefen insbesondere die jüngeren Teilnehmer auf: "Seid wachsam! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!" Verlesen wurde ihr Grußwort von Walborg Schröder, der Vorsitzenden der "Deutsch-Russischen Gesellschaft Rhein-Ruhr".

NRW-Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers ließ sich entschuldigen und einen Kranz am Obelisken ablegen. Vertreten waren die Konsulate der Russischen Föderation, Kasachstan Frankreich und Italien, MdB Inge Höger, Anneliese Buntenbach (DGB-Vorstand) sowie Vertreter der Gemeinde und des Kreises Gütersloh.

Die Umsetzung dieser Forderungen wird nicht nur von der Initiative "Blumen für Stukenbrock" angestrebt. Sprecher der VVN/BdA und von Pax Christi unterstützten in ihren Grußworten dieses Anliegen. Die Bedeutung des Sowjetischen Friedhofes und seiner Geschichte für die jüngere Generation betonte Chris Kuhlpeter vom Vorstand der LandesschülerInnenvertretung NRW.

Einen praktischen Beitrag, um die Geschichte dem Vergessen zu entreißen, leistete wieder eine Delegation der Schülervertretung der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule Dormagen. Sie rekonstruierte den Hauptweg des benachbarten "Italiener-Friedhofes" und legten dort als "Wegmarken" Steine vom Rhein ab, die sie vorher mit Motiven aus der Verfolgung der NS-Opfer gestaltet hatten. Dr. Gabriele Galipò vom italienischen Konsulat Dortmund dankte ihnen für dieses Engagement.

Im benachbarten Workcamp leisteten junge Antifaschisten Informationsarbeit über die aktuellen Ausprägungen des Neofaschismus. Vor dem Hintergrund des zeitgleichen Auflaufs von Neonazis in Dortmund, der höchstrichterlich erlaubt worden war, bekam dieser Diskurs einen ganz besonderen Stellenwert. Als Zeitzeugin und Historikerin gab Dr. Giesela Schwarze den Opfern der NS-Zeit eine Stimme: Sie hat sich insbesondere für die aus der Sowjetunion nach Deutschland verschleppte Zivilbevölkerung eingesetzt, die hier als Arbeitssklaven ausgepresst wurde.

Im folgenden das Grußwort von Landessprecher Jochen Vogler am 05.09.2009 auf der Gedenkveranstaltung auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock:

"Der Frieden ist der Ernstfall"

Ich überbringe die Grüße der Landesvereinigung von Nordrhein Westfalen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Von einem früheren Bundespräsidenten ist der Satz überliefert: Der Frieden ist der Ernstfall.

Gustav Heinemann mußte nicht mehr erleben, wie die politisch Verantwortlichen Begriffe einem Bedeutungswandel unterziehen, um gegenteilige Ziele verfolgen zu können.

In zahlreichen Ländern der Welt sind inzwischen Bundeswehrsoldaten als Friedensmissionare im robusten Einsatz.

Ebenso wie Hitler 1939 lange Zeit das Wort "Krieg" nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen vermied; so drückt man sich auch heute so lange wie möglich um diesen Begriff herum.

Wir müssen diese Tradition hier auf diesem Friedhof zum Antikriegstag behaupten. Diese Tradition ist wichtig, ist richtig und gut!

Ebenso wichtig und richtig und bitter notwendig ist es, die Absicht der neuen Nazis zu blockieren, den Antikriegstag für ihre Zwecke zu schänden.

Zum 5. mal rufen sie für heute zum nationalen Antikriegstag auf. Und das Bundesverfassungsgericht hat ihnen das wieder erlaubt. Nie wieder Krieg - ergänzen sie: nach unserem Sieg.

Es ist nur schwer vorstellbar, wie die Welt heute aussähe, wären die Nazis mit ihrem Eroberungskrieg erfolgreich gewesen.

Die Nazi-Provokationen in Dortmund und die politischen Auseinandersetzungen um die Deutung der geschichtlichen Abläufe zeigen, wie wichtig und notwendig die Anstrengungen bleiben, den antifaschistischen Charakter des Antikriegstages zu behaupten.

Im Schatten medial organisierter Aufregungen über geklaute Dienstwagen, ständig steigende Rekordsummen bei den Millionentransfers in der Fußball-Bundesliga oder ob der Autorennfahrer Michael Schumacher wieder Autorennen fährt oder doch nicht wird weitgehend unbeachtet die zivil-militärische Zusammenarbeit organisiert und bei Großereignissen wie in Heiligendamm geprobt. - Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren steht auf der politischen Agenda und die organisatorischen Schritte dazu passieren weitgehend unbeachtet.

Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus - das ist die zentrale Losung unserer Vereinigung. Dabei berufen wir uns immer wieder auf die noch gültigen Grundgesetzartikel 26 und 139.

Die Einhaltung dieser Artikel erfordert unsere Selbsthilfe.

Ein geplanter Bombenanschlag von NPD-Kadern in Südbaden konnte nur durch die Aufmerksamkeit von aktiven Antifaschisten verhindert werden. Die politisch Verantwortlichen zeigten sich dazu überrascht.

Unsere nonpd-Kampagne für ein Verbot der NPD und insbesondere für den Abzug der NPD-Vertrauensleute beim Verfassungsschutz benötigt deshalb weiterhin Unterstützung.

Der Frieden ist der Ernstfall

deshalb sind wir hier und deshalb arbeiten wir in diesem Sinne weiter!

Vielen Dank

Jochen Vogler