27.06.09
Vorkämpfer der Menschenrechte
Zum 100. Geburtstag des
Widerstandskämpfers und VVN-Mitbegründers Kurt Bachmann
In diesen Tagen jährt sich zum hundertsten Mal der Geburtstages
eines Mannes, der Zeit seines Lebens ein aktiver Kämpfer für eine
humanistische Gesellschaft, für den Sozialismus war. Als Journalist
und Politiker hat er Spuren hinterlassen. Kurt Bachmann, der 1968
einer der Initiatoren der Gründung der DKP und seit deren erstem
Parteitag bis 1973 ihr Vorsitzender war.
Kurt
Bachmann wird am 22. Juni 1909 in Düren geboren. Sein Vater ist
Handgerber, Gewerkschafter und Kriegsgegner. Sohn Kurt orientiert
sich sowohl beruflich wie gesellschaftlich an der Haltung seines
Vaters. Er geht 1924 nach Köln, wo er eine Lehre als Ledersortierer
beginnt, ab 1928 in einer Gerberei in Luxemburg arbeitet. Als
aktiver Gewerkschafter, der sich der Revolutionären
Gewerkschaftsopposition (RGO) angeschlossen hat, wird er fristlos
entlassen. 1932 wird er Mitglied der Kommunistischen Partei
Deutschlands (KPD) und leitet dort die Straßenzelle “Opernhaus“
in Köln. Hier wirkt er an der Herstellung und Verteilung von
Flugblättern mit, in denen gegen den immer stärker werdenden
Faschismus Position bezogen wird.
Ab 1933 im Widerstand
Nach der Machtübertragung an die Faschisten 1933 arbeitet er im
Widerstand, übernimmt im Rheinhafen in Neuss von holländischen
Rheinschiffern Druckschriften der Amsterdamer Exilleitung der KPD,
verteilt Flugblätter, malt Parolen, organisiert marxistische
Schulungskurse. 1936 heiratet er seine jüdische Frau Alice, mit der
er 1938 nach Südfrankreich emigriert. 1939 wird Kurt Bachmann von
der französischen Polizei zusammen mit Spanienkämpfern in einem
Lager inhaftiert, aus dem er 1940 fliehen kann. Danach wird er für
die illegale Leitung der KPD in Toulouse tätig und 1942 erneut
verhaftet. Kurt und Alice Bachmann werden der Gestapo überstellt
und Richtung Osten deportiert. Alice Bachmann wird im
Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Für Kurt beginnt eine Odyssee
durch die KZs Johannsdorf, Ratibor, Blechhammer und schließlich
Buchenwald. Überall arbeitet er für die jeweiligen illegalen
Häftlingsorganisationen der KPD.
Nach der Befreiung 1945 kehrt Kurt Bachmann nach Köln zurück,
baut die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) mit auf,
ist zeitweise als Sekretär der KPD-Bezirksleitung Mittelrhein
tätig und arbeitet von 1950 bis zum widerrechtlichen Verbot seiner
Partei durch die Adenauerregierung im KPD-Parteivorstand. Später
wirkt er als Journalist und Bonner Korrespondent der
antifaschistischen Wochenzeitung Die Tat. 1968 ist Kurt Bachmann
einer der Initiatoren der Gründung der DKP und wird auf deren
ersten Parteitag zum Vorsitzenden gewählt (bis 1973). Danach ist er
Mitglied des Präsidiums des DKP-Parteivorstandes und wird Anfang
der 90er Jahre zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Er gehört dem
Präsidium der VVN/Bund der Antifaschisten und dem Generalrat der
Fédération Internationale des Résistants (FIR) (Internationale
Föderation der Widerstandskämpfer) an. Kurt Bachmann hat
unzählige Publikationen, Broschüren und Artikel verfasst. Bekannt
sind seine Bücher wie "Die Wahrheit über Hitler" (1978),
"Das Jahr 1933" (1983) und "Tatort Buchenwald"
(1987). Als ehemaliger Widerstandskämpfer und Überlebender des
NS-Terrors war er bemüht, seine Erfahrungen vor allem an junge
Menschen zu vermitteln. In der Friedensbewegung, in Initiativen
gegen Rassismus und Neonazismus wurde er als Partner und Ratgeber
geachtet.
Aktivitäten in Köln
Obwohl bundesweit tätig, blieb er dennoch seiner Stadt Köln und
den örtlichen demokratischen Bewegungen aktiv verbunden. Manche
Aktion in Köln, wo er mit seiner zweiten Frau Marianne bis zu
seinem Tod lebte, ist mit seinem Namen und seinen Aktivitäten
verbunden - so u.a. die Errichtung einer Gedenktafel für die
Deportierten am Köln-Deutzer Bahnhof 1981 oder die Errichtung einer
Erinnerungstafel anlässlich des 6. Weltkongresses der IPPNW
(Internationale Ärzte gegen Atomkrieg) im Mai/Juni 1986.
Über seine Motive für den Kampf für Frieden, gegen Krieg und
Faschismus befragt, erklärte Kurt Bachmann später: „Die Art und
Weise, wie sich Faschismus gab, zwang mich nachzulesen: woher kommt
diese Ideologie... Ich habe also versucht, an die Quellen zu gehen.
Und da habe ich gemerkt, dass der Faschismus – Italien war für
mich das grausame Vorbild – und seine Methoden einen Rückfall
hinter die große Französische Revolution bedeuteten. Und das war
mich ein roter Faden durch die Gespräche, die ich in dieser Zeit
mit Menschen führte, die sich wegen des Faschismus noch keine
Sorgen machten. Ich habe davor gewarnt: wenn uns Rechte wie in
Italien genommen werden, dann sind das Bürgerrechte, wie sie vom
französischen Volk erkämpft worden sind. Dagegen müssen sich
nicht nur Kommunisten wehren, dagegen müssen sich alle Menschen
wehren, die davon betroffen sind. Solche Vorstellungen hatte ich.
Und als Ernst Thälmann im April 1932 in Köln-Ehrenfeld in der
Rheinlandhalle sprach, habe ich Flugblätter verteilt. Die zentrale
Aussage darin war: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, und wer
Hitler wählt, wählt den Krieg.“
“Volksgenossen“
Kurt Bachmann, der ja dann auch seine persönlichen, konkreten
Erfahrungen mit dem Faschismus machen musste, wirkte nach der
Befreiung weiter auf der Grundlage dieser Erkenntnisse. Das konnte
man auch im März 1985 im WDR-Fernsehen in einer Geschichtsstunde
der besonderen Art feststellen. Im Film “Volksgenossen“
vermittelte der ehemalige Buchenwald-Häftling vor der Kulisse des
ehemaligen Konzentrationslagers historische Erkenntnisse, die auch
zu aktuellen Schlussfolgerungen anregten. Zumal auf der anderen
Seite ein “Volksgenosse“ dargestellt wurde, der vor einer
Hitler-Büste von Arno Breker sitzend , stolz bekannte, als
Unternehmer beim Hitler-Vortrag im Industrieclub am 27.Januar 1932
in Düsseldorf dabei gewesen zu sein, der das “Führerprinzip“
für richtig erachtete und den Nazis außerordentlich zu getan war.
In der Sendung wird deutlich: anders als der Unternehmer Paul
Kleinewefers aus Krefeld, tritt der ehemalige Buchenwald-Häftling
und Kommunist aus Köln für eine humane Gesellschaft ein. Diese
Orientierung schloß für Kurt Bachmann auch selbstkritische
Betrachtungen ein.
„Antifaschistische Aktion? Ja,
aber ganz breit, nicht rot“
In der Weiterführung des oben erwähnten Gespräches stellte er
über die Aussagen von Ernst Thälmann 1932 in Köln fest: „Und
dann schilderte Thälmann, man muß eine rote antifaschistische
Aktion machen. Rot? Das habe ich später im Verlauf des
Faschisierungsprozesses erkannt: das war falsch. Antifaschistische
Aktion? Ja, aber demokratisch, ganz breit, nicht rot. Wenn
bürgerliche Freiheiten gefährdet sind,...dann muß man sich
dagegen wehren.“
Im Nachruf der VVN/Bund der Antifaschisten und der FIR für den
am 23. Februar1997 Verstorbenen heißt es: „Der jungen Generation
vermittelte er wie kaum ein zweiter die Hintergründe faschistischer
Herrschaft und die Lehren des Damals für das Heute im Kampf gegen
Reaktion und Militarismus, für die demokratische Republik und für
den Internationalismus.“
Auch zu weiteren Fehlern in der Politik der KPD, nahm Kurt
Bachmann selbstkritisch Stellung. „Wenn wir“, heißt es 1974 in
einem Manuskript von ihm, „die großen Verdienste und Leistungen
der Partei Ernst Thälmanns um die Aktionseinheit würdigen, so
verschweigen wir nicht ihre Fehler und Schwächen! Falsch war z.B.
die Theorie des 'Sozialfaschismus', die Auffassung, die rechte
Sozialdemokratie sei die Hauptstütze der Macht des Finanzkapitals.
Nicht richtig war die für eine gewisse Periode geltende
Orientierung auf eine Aktionseinheit 'von unten'. Falsch war auch
die später korrigierte Entscheidung, dass sich die KPD 1931 am
Volksentscheid der Rechtsparteien für die Auflösung des
Preußischen Landtages beteiligte. Eine der Hauptursachen für die
sektiererischen Auffassungen lag jedoch in dem reaktionären
Verhalten der rechten SPD-Führung selbst, die die
arbeiterfeindlichen Notstandspraktiken des Kabinetts Brüning, Papen
und Schleicher als 'kleineres Übel' tolerierte...“
Gegen Stalin-Kult und Dogmatismus
In einem Artikel in der Zeitung der DKP „Unsere Zeit“ vom
26.August 1988 kommt er auf die Frage des deutsch-sowjetischen
Nichtangriffspaktes zu sprechen, der, „so habe ich es 1939 gesagt
und davon bin auch heute zutiefst überzeugt, weder unter den
damaligen Bedingungen noch aus heutiger Sicht ein Fehler, sondern
kluge Einsicht in das damalige Notwendige (war) . Offen ist – und
das bereitet mir Sorge – die Politik Stalins vier Wochen nach dem
Nichtangriffspakt bis zum Überfall Hitlers am 22. Juni 1941 auf die
Sowjetunion.“
Bezogen auf die Frage eines Diskussionsteilnehmers am 18.April
1989 in Köln, ob die KPD nicht vom „Stalinismus geprägt und
dogmatisch“ gewesen sei, stellte er fest: „Das kann man so
pauschal keineswegs für alle Abschnitte in der Geschichte unserer
Partei sagen... Allerdings haben auch wir westdeutschen Kommunisten
Ende 1949 unter dem Druck des Kalten Krieges und der Gefahr eines
neuen „heißen“ Krieges die Stalinsche Variante eines aus
heutiger Sicht falschen 'Einheits'-Verständnisses akzeptiert....
Stalin-Kult, Dogmatismus, Mißtrauen gegen ganze Gruppen von
Genossinnen und Genossen, Mißachtung der innerparteilichen
Demokratie haben uns schwer geschadet. Aber schon im Dezember 1954
begann mit dem Hamburger Parteitag die Korrektur. Nach dem XX.
Parteitag der KPdSU begann mit der 23.Tagung der KPD im März 1956
die offene Aufdeckung dieser Fehler und eine breite Diskussion,
massiv unterbrochen durch das Parteiverbot.“
Sich mit dieser von Bachmann dargestellten Position auseinander
zu setzen, ist angesichts der verlogenen Kampagne zum 60. Jahrestag
der Bundesrepublik als Hort des Glücks und bester Staat aller
Zeiten bei gleichzeitiger Darstellung der DDR als Unrechtsstaat von
Anfang an hilfreich. Hilfreich sind dabei seine vielfältigen
Aufsätze und Reden, so auch im Kampf gegen die penetrante und
aufgeblähte Totalitarismustheorie, die ja nicht neu ist.
„Üble Geschichtsfälschung“
Bereits
am 19.Oktober 1979 setzte sich Kurt Bachmann in der DKP- Zeitung „Unsere
Zeit“ damit auseinander. Unter dem Titel. „Der Faschismus –
eine 'Variante des Sozialismus?'“ stellt er zu entsprechenden
Aussagen der CSU-Politiker F.J. Strauss und Edmund Stoiber fest: „Die
Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus ist eine üble
Geschichtsfälschung und im Grunde eine Neubelebung von Hitlers
Demagogie. Denn demagogisch war bereits die Bezeichnung NSDAP. Diese
Partei war weder national noch eine Arbeiterpartei. Sie hat das Rot
aus der Fahne der Arbeiterbewegung gestohlen und ihre Lieder mit
faschistischen Texten belegt, um sich zu tarnen.... Aber der
Faschismus redete mit zwei Zungen. Was man dem Volk sagte, war eine
Sache. Mit den Industriellen sprach man eine ganz andere Sprache.
Bereits im Oktober 1922 erläuterte Hitler in einer Denkschrift für
Industrielle, daß der Marxismus ausgerottet werden müsse. 1926
sagte er vor dem Hamburger 'Nationalclub': 'Die Frage der deutschen
Wiedererhebung ist eine Frage der Vernichtung der marxistischen
Weltanschauung in Deutschland'. Am 27. Januar 1932 erklärte Hitler
vor dem Industrieclub in Düsseldorf.: 'Wir haben den unerbittlichen
Entschluß gefaßt, den Marxismus bis zur letzten Wurzel in
Deutschland auszurotten.' Und dann soll der Nationalsozialismus eine
Variante des Sozialismus sein?“ In dem Artikel werden weitere
Beispiel aufgezeigt und auch die Äußerungen des DGB-Vorsitzenden
Heinz Oskar Vetter zitiert, der am 12.Oktober 1979 in München dazu
erklärt hatte: „Wer den Sozialismus in die Nähe des
Nationalsozialismus rückt, ist für mich auf dem Weg zu einem
demagogischen Geschichtsfälscher und ein gefährlicher Politiker“.
Verharmlosung der Nazivergangenheit
Kurt Bachmann warnte auch nach dem rechtsradikalen Attentat auf
dem Oktoberfest in München, wo am 26. September 1980 bei der
Explosion einer Bombe am Haupteingang 13 Menschen getötet und 211
zum Teil schwer verletzt wurden, vor der weiteren Untätigkeit der
Politik und Behörden gegen den Naziterrorismus. „Neonazistische
Provokateure“, so stellte er in einer Rede am 2. Oktober 1980 fest
„werden bei uns geschützt. Die Verharmlosung der
Nazivergangenheit kann in aller Offenheit betrieben werden. Zwar
wurde im Januar 1980 die 'Wehrsportgruppe Hoffmann' verboten, aber
alle übrigen im jüngsten sogenannten Verfassungsschutzbericht
genannten 88 neofaschistischen Organisationen wirken weiter! Artikel
139 des Grundgesetzes, der jede neonazistische Tätigkeit untersagt,
wird nicht praktiziert. Der Bundeswahlausschuss läßt zur Wahl die
neonazistische NPD... zu.... Im sogenannten Verfassungsschutzbericht
hieß es noch 1979 wörtlich: 'Der Rechtsextremismus stellt keine
Gefahr für die freie demokratische Grundordnung dar'. Wie in der
Weimarer Republik ist die Justiz auf dem rechten Auge blind. Wie oft
haben die Antifaschisten die Erfahrung machen müssen, da ihre
Anzeigen gegen faschistische Schläger im Sand verliefen. Wie oft
mußten sie erleben, daß Polizei und Justizorgane keine Neigung
zeigten, gegen überführte neonazistische Gewalttäter vorzugehen.“
Und wie auf die heutige Situation gemünzt, erscheint die Passage:
„Das Zusammenwirken von Sozialdemokraten, Christen und
Kommunisten, das Bündnis aller demokratischen Kräfte darf den
alten und neuen Nazis keinen Raum lassen. Die Geschichte darf sich
nicht wiederholen. Durch Verharmlosung, Schweigen und Wegsehen wird
nichts besser! Dem Terror von rechts müssen alle, die Demokratie
und Freiheit lieben, offensiv entgegentreten. Der Reaktion muß die
Grundlage für ihre soziale und nationalistische Demagogie entzogen
werden.“ (PK)
Manfred Demmer
Zum
Andenken an Kurt Bachmann hat die Kölner VVN 1999 ein Buch
mit seinen Reden und Schriften herausgegeben. Titel "Kurt
Bachmann - Wir müssen Vorkämpfer der Menschrechte
sein", Verlag: Pahl Rugenstein Nachfolger, Bestell-Nr.
0003, ISBN 3-89144-266-8, 264 Seiten, 15 Abbildungen,
gebunden, Preis: 14.90 Euro. |
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