23.05.09
Peinlicher Teilerfolg für Gebirgsjäger
"Heute" nur noch wenige Kriegsverbrecher im
Kameradenkreis. Gericht bestätigt, daß man dem Verein
Verharmlosung und Täterschutz vorwerfen kann
Frank Brendle
Wir dokumentieren hier einen Artikel der
Jungen Welt vom 23.05.2009 über den Prozess gegen Ulrich
Sander. |
Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe legt Wert auf die
Feststellung, daß er "heute" nicht mehr
"zahlreiche" Kriegsverbrecher in seinen Reihen hat. Das
hat der Verein, der alljährlich eine revisionistische
Veteranenfeier bei Mittenwald/Bayern durchführt, am Mittwoch dieser
Woche vor dem Landgericht Nürnberg durchgesetzt. Anlaß dafür
waren Äußerungen von Ulrich Sander, Sprecher der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) Nordrhein-Westfalen.
Sander hatte im Internet darauf hingewiesen, "daß der
Kameradenkreis nicht nur die Kriegsverbrechen der NS-Gebirgstruppe
verharmlost und die Täter schützt", sondern daß er
"zahlreiche Kriegsverbrecher in seinen Reihen hatte, zum Teil
bis heute." Der Kameradenkreis forderte von Sander eine
Unterlassungserklärung. Der Antifaschist erklärte nun vor Gericht,
künftig auf die letzten vier Worte zu verzichten ("zum Teil
bis heute"). Alle anderen Äußerungen wertete das Gericht als
zulässige Meinungsäußerung.
Es war nicht der erste Versuch der "Kameraden", Ulrich
Sander zum Schweigen zu bringen. Bereits im Vorjahr war der Verein
gegen seine Feststellung vorgegangen, die "(NS-)Gebirgstruppe"
veranstalte in Mittenwald das "größte
Kriegsverbrechertreffen". Im September 2008 hatte Sander
zugesichert, diese Äußerungen nicht zu wiederholen, aber zugleich
klargestellt, daß dem Kameradenkreis Kriegsverbrecher angehörten.
Der erneute Vorstoß des Kameradenkreises hat diesem nun einen
zweifelhaften Erfolg eingebracht: Wenn er "heute" nicht
mehr so viele Kriegsverbrecher als Mitglieder hat, geht das
schließlich in erster Linie auf den Umstand zurück, daß die
meisten verstorben sind. Und bestätigt hat das Gericht nun
immerhin, daß man dem Traditionsverein die Verharmlosung von
Kriegsverbrechen vorwerfen darf.
Die Prozeßlust des Kameradenkreises hat Sander indes konstruktiv
genutzt und die Vereinszeitschrift Gebirgstruppe aus den vergangenen
Jahrzehnten durchgearbeitet. Ergebnis ist eine 32seitige
Dokumentation, in der Sander Dutzende von Vereinsmitgliedern nennt,
die als Wehrmachtsoffiziere für Kriegsverbrechen verantwortlich
waren. Beispielsweise Theodor Oberländer, der schon Teilnehmer am
Hitler-Putsch 1923 war und vom Kameradenkreis das "Goldene
Ehrenzeichen" erhielt. Ebenfalls ausgezeichnet wurde Alois
Eisl, unter dessen Kommando die Gebirgstruppe im Oktober 1943
blutige "Sühneaktionen" in Griechenland durchgeführt
hatte. Noch vor vier Jahren trat der Verein mit einer
"Ehrenserenade" vor der Wohnung des SS-Angehörigen und
Chefs einer "Traditionsgemeinschaft" Karl Staudacher an;
auch SS-Brigadeführer Hermann Franz war Mitglied.
"Ehrenpräsident" war ab Mitte der 50er Jahre der in
Nürnberg verurteilte General Hubert Lanz. Die Dokumentation läßt
keinen Zweifel daran, daß Sanders Kritik am Kameradenkreis mehr als
berechtigt ist.
Mit freundlicher Genehmigung der Jungen Welt vom 23.05.2009.
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