22.05.09
VVN-BdA und Ulrich Sander gegen Kameradenkreis der
Gebirgstruppe, worum ging es bei juristischen Auseinandersetzungen -
und was war das Ergebnis?
Rechtsanwalt Eberhard Reinecke
zum Prozess des Kameradenkreises der Gebirgsjäger gegen Ulrich
Sander
Als Rechtsanwalt, der Ulrich Sander in verschiedenen Verfahren
vertreten hat, möchte ich Inhalt und Zusammenhang der Verfahren und
Entscheidungen darstellen, da darüber teilweise unzutreffende
Behauptungen verbreitet werden, teilweise der Kameradenkreis auch
unangemessene Siegesfanfaren ertönen lässt.
Bevor ich im Folgenden auf die einzelnen Streitpunkte eingehe,
zunächst etwas Grundsätzliches: Im Presserecht macht sich seit
einigen Jahren eine neue Art von Prozessführung breit. Es wird oft
nicht mehr um den Kern von Artikeln und Aussagen gestritten, sondern
es wird um einzelne Formulierungen gestritten. Obwohl die Partei,
die die entsprechenden Prozesse anstrengt, damit in der Sache kaum
etwas gewinnen kann, kann sie für die Journalisten eine erhebliche
Kostenlast produzieren, oft verbunden mit einem
Einschüchterungseffekt.
Wenn einem an einem Artikel "die ganze Richtung nicht
passt", dann ist es meist aussichtslos, gegen die Richtung
selbst etwas unternehmen zu wollen, weil dies regelmäßig in den
Bereich der Meinungsfreiheit fällt. Es werden also meist einzelne
Äußerungen gesucht, die manchmal nur etwas flüchtig oder unscharf
formuliert sind, um daran einen Prozess aufzuhängen.
Dieses Verfahren hat eine Grundlage darin, dass nach der
Rechtsprechung eine Äußerung nicht so auszulegen ist, wie sie der
Äußernde, also der Journalist gemeint hat, sondern so auszulegen
ist, wie sie ein angeblicher Durchschnittsleser versteht. Das heißt
im Ergebnis, dass das Gericht selbst die Äußerungen interpretiert
und damit festlegt, wie sie zu verstehen sind. Hinzu kommt seit dem
sogenannten "Stolpe-Beschluss" des
Bundesverfassungsgerichtes, dass bei mehrdeutigen Aussagen
regelmäßig die für den Äußernden (Journallisten) ungünstigere
Auslegung zugrundegelegt wird.
Diese Rechtsprechung erfordert eine gewisse Vorsicht bei den
Formulierungen, während es in den allermeisten Fällen möglich
ist, den Inhalt, den man äußern will, bei einer geschickten
Formulierung auch tatsächlich zu äußern.
I.
Die Auseinandersetzung um den Artikel "Nach Gerichtsurteilen
aus Rom muss nun schnellstens gehandelt werden: Bestrafung der
Täter und Entschädigung der Opfer"
Im Rahmen einer Presseerklärung zu Gerichtsurteilen in Rom hatte
Ulrich Sander unter anderem formuliert:
"Seit 2002 protestiert eine bundesweite Bewegung Jahr für
Jahr in Mittenwald/Oberbayern gegen das größte Soldatentreffen,
das - indem es vom Kameradenkreis der "NS"-Gebirgstruppe
veranstaltet wird - auch das größte Kriegsverbrechertreffen
ist."
Dagegen und nicht gegen weitere Äußerungen aus der
entsprechenden Presseerklärung der VVN-BdA wandte sich der
Kameradenkreis der Gebirgsgruppe. Die erste Frage war, wie dies
Zitat zu verstehen ist.
Ich gehe hier nicht auf die verschiedenen
Auslegungsmöglichkeiten ein, sondern nur darauf, wie das höchste
mit der Äußerung befasste Gericht, das Oberlandesgericht
Nürnberg, die Äußerung verstanden hat. Kern dieser Aussage sei
danach, dass es sich beim Kameradenkreis "um eine Organisation
handelt, die im Wesentlichen aus Mitgliedern besteht, die den
ehemaligen NS-Gebirgstruppen angehörten und deshalb das Treffen in
Mittenwald das größte Treffen von Kriegsverbrechern ist." Da
aber unstreitig sei, dass der weitaus überwiegende Teil der
Mitglieder des Kameradenkreises nicht (mehr) ehemalige Mitglieder
der NS-Gebirgstruppe seien, da schon am 15.07.2008 nur ca. 1/3 der
Mitglieder 80 Jahre alt und älter waren, handele es sich bei dieser
Äußerung um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Verbotswürdig ist
die Äusserung also deswegen, weil sie in einer Weise verstanden
wird, die nie gemeint war.
Bevor es zu dieser Entscheidung des OLG kam, war Folgendes
vorangegangen. Zunächst hatte der Kameradenkreis der Gebirgsgruppe
gegen die Äußerung eine einstweilige Verfügung erwirkt. Um ein
weiteres Verfahren (ein sogenanntes Hauptverfahren) mit weiteren
Kosten um dieselbe Äußerung zu vermeiden, hatte auf meinen Rat hin
Ulrich Sander eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben
(was in derartigen Fällen juristisch erforderlich ist). Wir haben
diese Unterlassungsverpflichtungserklärung gleichzeitig mit einer
Klarstellung verbunden. Ulrich Sander hat erklärt, er werde es
unterlassen, folgende Behauptung aufzustellen:
a) Das bundesweite Treffen des Kameradenkreises der
Gebirgstruppe e.V. "werde von der (NS)-Gebirgstruppe
veranstaltet", soweit nicht gleichzeitig darauf hingewiesen
wird, dass der Begriff der "(NS)-Gebirgstruppe" sich
ausschließlich auf die Gebirgstruppe der Wehrmacht bis zum Jahre
1945 bezieht, aus deren Reihen der Kameradenkreis gegründet
wurde,
b) Das genannte Treffen sei das "größte
Kriegsverbrechertreffen".
Klarstellend betont Ulrich Sander, dass er weiter die Meinung
vertreten werde, dass an dem genannten Treffen in jedem Jahr
Kriegsverbrecher teilgenommen haben."
Der Kameradenkreis hat diese
Unterlassungsverpflichtungserklärung akzeptiert. Ihm war bewusst,
dass er gegen die Klarstellungen selber nicht vorgehen könne. Wegen
desselben Zitates hat der Kameradenkreis sodann von Ulrich Sander
auch einen pauschalen Widerruf verlangt, der dann so hätte klingen
können, als nähmen an den Treffen des Kameradenkreises in
Mittenwald keine Kriegsverbrecher teil. Ulrich Sander hat keinen
Widerruf abgegeben, sondern auf der Seite der VVN-BdA eine
Richtigstellung veröffentlicht, die nach dem umstrittenen Zitat
folgende Erklärung enthielt:
"Ich stelle hierzu Folgendes richtig: Der Begriff "(NS)-Gebirgstruppe"
könnte so verstanden werden, dass damit auch Einheiten der
Bundeswehr gemeint sind, aus deren Reihen das Soldatentreffen
(mit) veranstaltet wird. Ich stelle ausdrücklich klar, dass ich
mit dem Begriff der "(NS)-Gebirgstruppe" ausschließlich
Einheiten der Nazi-Wehrmacht gemeint habe, also die
Gebirgsjägerdivisionen aus der Zeit bis 1945, aus deren Reihen
heraus im Jahre 1952 der Kameradenkreis gegründet wurde.
Ich stelle weiter richtig, dass der Begriff "größtes
Kriegsverbrechertreffen" insofern unzutreffend ist, als damit
der Eindruck erweckt werden könnte, als handele es sich bei der
Mehrheit der Teilnehmer in Mittenwald um Kriegsverbrecher. Richtig
bleibt aber weiterhin, dass regelmäßig am Treffen in Mittenwald
Kriegsverbrecher teilnehmen. Kriegsverbrecher sind für mich
Personen, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren, unabhängig
davon, ob sie für diese Taten je verurteilt wurden oder
nicht."
Diese Richtigstellung und die vorangegangene
Unterlassungsverpflichtungserklärung hat der Kameradenkreis zum
Anlass genommen, um die Hauptsache für erledigt zu erklären. Das
heißt, er hat zum Ausdruck gebracht, dass diese Form der
Richtigstellung für ihn ausreichend sei, bzw. er hat eingesehen,
dass er mit weitergehenden Forderungen bei Gericht nicht durchkommen
würde. Bedauerlicherweise hat dann später das Oberlandesgericht
Nürnberg Ulrich Sander die Kosten des Verfahrens auferlegt mit der
bereits oben zitierten Begründung. Da also angeblich die Äußerung
dahingehend zu verstehen war, dass auch heute noch die Mehrheit der
Mitglieder aus der "NS-Gebirgstruppe" stammten und diese
Äußerung falsch sei, hätte sie widerrufen werden müssen.
Die in den Schriftsätzen vom Kameradenkreis geäußerte Meinung
wurde von den Gerichten teils explizit abgelehnt, teils nicht
entschieden. So etwa hatte der Kameradenkreis vorgetragen, es gäbe
überhaupt keine "NS-Gebirgstruppe", weil es nur
einerseits Wehrmachtseinheiten und andererseits SS-Einheiten gäbe.
Hier hat das Landgericht Nürnberg bereits festgestellt, dass es
eine zulässige Wertung sei, die Einheiten der Wehrmacht bis 1945
als "NS-Gebirgstruppe" zu bezeichnen, auch dem Ansinnen
des Kameradenkreises, dass man nur solche Personen als
Kriegsverbrecher bezeichnen dürfe, die rechtskräftig von einem
deutschen Gericht verurteilt worden seien, haben sich die Gerichte
weder damals noch (siehe unten) in der weiteren Verhandlung
angeschlossen.
II.
Auseinandersetzung um den offenen Brief der VVN-BdA an die
Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Frau Merten
(veröffentlicht am 04.04.2009)
Gegenstand dieser weiteren Auseinandersetzung waren ebenfalls
lediglich zwei Sätze aus der Einleitung bzw. dem offenen Brief
selbst. Ulrich Sander hatte unter anderem geschrieben:
"Es wird darauf hingewiesen, dass der Kameradenkreis nicht
nur die Kriegsverbrechen der "NS-Gebirgstruppe"
verharmlost und die Täter schützt, er ist nun auch dazu
übergegangen, die Nichtverfolgung der Untaten als erforderlich
für die heutige Kriegsführung der Bundeswehr und der
NATO-Alliierten zu bewerten."
Außerdem hatte Ulrich Sander geschrieben:
"Zudem klärten wir über das Wirken des Kameradenkreises
der Gebirgstruppe e.V. auf, der aus dem Kreis der
"NS-Wehrmachtsangehörigen" heraus gegründet wurde und
zahlreiche Kriegsverbrecher in seinen Reihen hatte, zum Teil bis
heute."
Gegen beide Äußerungen hat der Kameradenkreis versucht, eine
einstweilige Verfügung zu erwirken. Das Gericht hat diese
einstweilige Verfügung nicht im schriftlichen Verfahren erlassen,
so dass am 20.05.2009 eine mündliche Verhandlung beim Landgericht
Nürnberg statt fand. Bezüglich der ersten Äußerung ist zunächst
wichtig, was der Kameradenkreis dort für verbotswürdig hielt. Er
hielt für verbotswürdig, dass er die Kriegsverbrechen der
"NS-Gebirgstruppe" verharmlost, dass er Täter schützt
und dass er die Untaten als erforderlich für die heutige
Kriegsführung bewerte.
Bezüglich aller dieser drei Punkte haben die Richter in
Nürnberg sehr deutlich zu erkennen gebeben, dass sie dies als
Meinungsäußerungen ansähen, die nicht verboten werden könnte, da
sie fernab jeder Schmähkritik sei. Eine lediglich formale
Distanzierung des Kameradenkreises von dem Artikel von Generalmajor
a.D. Reichardt (den Ulrich Sander in seinem offenen Brief an Frau
Merten zitiert hatte) ließ das Gericht nicht gelten. Dies führte
dazu, dass der Kameradenkreis bezüglich der ersten umfassenden
Äußerung seinen Antrag zurückgenommen hat.
Bezüglich der zweiten Äußerung hat das Gericht zunächst
deutlich gemacht, dass es nicht die Auffassung des Kameradenkreises
teilt, dass Kriegsverbrecher nur solche Personen seien, die
rechtskräftig von deutschen Gerichten verurteilt wurden. Allerdings
war das Gericht der Auffassung, dass die Äußerung so verstanden
werden müsste, dass auch bis heute noch zahlreiche, also zu
mindestens deutlich mehr als zwei oder drei Kriegsverbrecher
Mitglieder des Kameradenkreises seien; das Gericht hat ausdrücklich
erklärt, dass es z. B. nicht ausreichend sei, dass solche Personen
bei Feiern teilgenommen hätten. Es hat uns vorgehalten, dass wir
ganz konkret hätten darstellen und beweisen müssen, welche
heutigen Mitglieder des Kameradenkreises an welchen Kriegsverbrechen
beteiligt gewesen seien und dass es dabei um mehr als ein oder zwei
gehen müsse.
Nun ergaben sich aus den ausgewerteten Vereinszeitungen durchaus
eine Reihe von Hinweisen aus den letzten 10 und 15 Jahren auf
Mitglieder des Kameradenkreises, die an Kriegsverbrechen beteiligt
waren. Ob diese Mitglieder allerdings noch heute leben oder nicht,
wussten wir natürlich nicht, wobei ja ohnehin fest steht, dass
spätestens in ca. 5 bis10 Jahren keiner der Kriegsverbrecher mehr
leben wird und daher auch nicht Mitglied im Kameradenkreis sein
kann. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, nicht um diesen
Punkt eine weitere juristische Auseinandersetzung zu führen und
eine Unterlassungserklärung dahin abgegeben, dass Ulrich Sander
nicht mehr behaupten wird:
"Der Kameradenkreis habe zum Teil bis heute zahlreiche
Kriegsverbrecher in seinen Reihen."
Dies sagt weder etwas über die Vergangenheit aus, schon gar
nicht aber etwas darüber, wie der Kameradenkreis mit der eigenen
Vergangenheit und der vieler seiner früheren Mitglieder und
Angehörigen umgeht. Es war etwas makaber, dass der Rechtsanwalt des
Kameradenkreises, Herr Thesen, der einer der Verteidiger des Herrn
Scheungraber vor dem Landgericht München ist, erklärt, der
Kameradenkreis werde natürlich auch Kriegsverbrecher in seinen
Reihen nicht dulden. Es würde interessant sein zu beobachten, wie
der Kameradenkreis reagiert, falls Herr Scheungraber verurteilt wird
oder wie er reagiert, wenn er z.B. deswegen freigesprochen wird,
weil es sich nicht um Mord, sondern "nur" um Totschlag
gehandelt hat und deswegen die Tat verjährt sei. Wir gehen davon
aus, dass wir dem Kameradenkreis in der nächsten Zeit durchaus
einige Hinweise für eine Selbstreinigung oder auch für eine
kritische Betrachtung der eigenen Vergangenheit geben können.
Köln, den 22.5.2009
Eberhard Reinecke, Rechtsanwalt
www.rechtsanwael.de
Die VVN/BdA NRW hat eine
Dokumentation zum Thema zusammengestellt: Zum Schutz für
Kriegsverbrecher und zur Verharmlosung ihrer Taten durch den
Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V.
Antworten
zur geschichtsrevisionistischen Tätigkeit des Kameradenkreises
Gebirgstruppe
(3,4 MB, )
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