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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

12.04.09

"Gegen Nazis politisch kämpfen"

Gedenkfeier auf dem Ausländerfriedhof in Brackel am Karfreitag

Brackel. (wma) "Wir tun alles für die Versöhnung." Das sagte am Karfreitag Dr. Efim E. Korolov während der Gedenkfeier mit Kranzniederlegungen auf dem Ausländerfriedhof. Rund 50 Teilnehmer folgten der Einladung vom Internationalen Rombergpark Komitee und dem Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN) sowie der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung (Dortmund-)Brackel. Dr. Korolov vertrat das Komitee der russischen Kriegsveteranen. "Wir pflegen auch die Gräber der in Russland gestorbenen deutschen Soldaten und Kriegsgefangenen." Den Zuhörern aus Politik, sozialen Einrichtungen und Verbänden gab Korolov, der kurz nachdem Zweiten Weltkrieg zur Welt kam, mit auf den Weg: "Den Faschismus besiegen wir nur, wenn wir die antifaschistische Tradition an unsere Kinder und Enkel weitergeben." Zuvor hatte Professor Wolfgang Richter gesprochen: "Gegen Provokationen der neuen Nationalsozialisten hilft nur die Aufnahme des politischen Kampfes." Auch er mahnte, um den "Erhalt der antifaschistischen Tradition zu ringen." Das Internationale Rombergpark Komitee wird jetzt verstärkt mit dem Komitee der russischen Kriegsveteranen zusammen arbeiten, hieß es nach der Gedenkfeier.

Aus: Westdeutsche Allgemeine und Westfälische Rundschau vom 11.04.09 

Siehe auch: 

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/luenen/2009/4/10/news-116863425/detail.html

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/dortmund/2009/4/6/news-116485427/detail.html

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/dortmund/2009/4/10/news-116863675/detail.html

"Da hilft weder Wegschauen noch Verharmlosen, sondern nur die Aufnahme des politischen Kampfes gegen jedes Auftreten und Festsetzen von Faschismus, Rassismus und Antisemitismus in unserer Stadt und überall"

Rede am Karfreitag 2009 auf dem Internationalen und Jüdischen Friedhof von Wolfgang Richter, Ratsmitglied für "Linkes Bündnis Dortmund – Parteilose Linke, DKP und SDAJ"

Wir haben uns versammelt, um der Toten zu gedenken, die das verbrecherische Regime des Hitler-Faschismus an diesem Ort wie an so vielen anderen zu verantworten hat. Die Verbrechen der Nationalsozialisten sind unfassbar, sie sind im Kern ungesühnt und sie sind trotz aller Wissenschaft ungezählt. Allein an diesem Ort wird an 6.000 sowjetische, an polnische und an jugoslawische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen und an jüdische Opfer gemahnt. Sie kamen in der Zwangsarbeit im Kohleabbau, in Stahlwerken und in kriegswichtiger Produktion um oder sie wurden von Bomben zerrissen, da ihnen während der Angriffe auf die große Industrie keine Bunkerplätze zustanden. SS und GeStaPo trieben mit Hilfe von Militär, Polizei und Justiz die politischen Gegnerinnen und Gegner des Faschismus in die berüchtigten Folterwachen wie die Dortmunder Steinwache, in die "politischen Abteilungen" der Gefängnisse, in die Arbeitslager der Industriellen oder in die Vernichtungslager - in allen Fällen war ihr Tod eingeplant.

In den letzten Wochen und Tagen des Krieges hieß der Auftrag an die uniformierten Mörder, Zeugnisse, Zeugen und Zeuginnen der Verbrechen zu beseitigen und vorsorglich die politische Ausgangslage für die Nachkriegszeit zu säubern: "Den Fehler von 1918 machen wir nicht noch einmal!" war der zynische Tagesbefehl. Noch in den letzten Kriegstagen des Frühjahrs 1945 wurden in Dortmunds Wäldern 300 Frauen und Männer ermordet.

Das ist lange her, sagen manche in Deutschland. Euch und Ihnen sind die Verbrechen auch nach 64 und mehr Jahren so nahe, als wären sie im vergangenen verübt worden. Sie und wir wissen – es wird und darf niemals vergessen sein, was der Faschismus von Deutschland aus in die Welt getragen hat und was Faschisten überall vor Ort verbrochen haben. Es ist vor allem Euch und Ihnen – den antifaschistischen Komitees und Verfolgtenvereinigungen - zu danken, dass die Mahnung bis heute reicht. Sie wird weiter getragen werden, von Euch und Ihnen, von uns und von den Nachwachsenden.

Dortmund hat eine sehr achtenswerte antifaschistische Tradition, die ihren politisch-künstlerischen Ausdruck 1960 im großen Mahnmal in der Bittermark gefunden hat. Es wurde seit 1953 geplant und gebaut und wurde Karfreitag 1960 eingeweiht. Im kommenden Jahr wird das 50 Jahre her sein. Politisch war das Mahnmal ein Gemeinschaftswerk der Verfolgten-Organisationen sowie der Sozialdemokraten und Kommunisten im Rat der Stadt. Baukünstlerisch war es eine internationale Gemeinschaftsarbeit des Bildhauers Karel Niestrath, des Architekten Will Schwarz und des Künstlers Léon Zack. So legt das Mahnmal nicht nur Zeugnis ab von den Morden im Rombergpark und in der Bittermark in der Endphase des Krieges, sondern auch von dem antifaschistischen Zusammengehen im Aufbauen eines demokratischen Neubeginns nach den Terrorjahren des Faschismus. Wer die Geschichte etwas genauer weiß, weiß allerdings um die Zerbrechlichkeit dieser Gemeinsamkeit. Mitten in die Planungen und Arbeiten für das Mahnmal schlug das KPD-Verbot in Westdeutschland, das bis heute nachwirkt.

Auf ganz ähnliche Weise ist die Geschichte dieses Internationalen und Jüdischen Friedhofs und ihrer Mahnmale und Gedenksteine für die Opfer des Faschismus mit der Entwicklung von Demokratie und mit dem Ringen um das Herstellen friedlicher internationaler Beziehungen zwischen Staaten und freundschaftlicher Partnerschaften zwischen Städten verbunden. Daran hat sich Dortmunder Politik konstruktiv beteiligt und auch in dieser Beziehung hat sie eine achtenswerte Tradition. Eine noch nicht geschriebene Geschichte des Internationalen und Jüdischen Friedhofs und der Gedenkveranstaltungen in ihm würde das widersprüchliche und wechselhaft erfolgreiche Ringen um Frieden und Völkerverständigung widerspiegeln können.

Heute gilt es, um Erhalt und Stärkung der antifaschistischen Tradition unserer Stadt zu ringen. Seit Jahren sind die Nachrichten und Berichte über neonazistische Umtriebe, Überfälle und Morde bei jedem Karfreitagsgedenken bedrohlicher geworden. Was man alle Jahre wieder hört, erregt vielleicht keine Aufmerksamkeit mehr und erfasst womöglich weder Kopf noch Herz. Aber die Provokationen der neuen und alten Nazis gegenüber Demokratie, Werte- und Rechtsbewusstsein, gegenüber der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung, gegenüber Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten, gegenüber Flüchtlingen und Ausgestoßenen, gegenüber dem ganzen verhassten "System" erinnern immer stärker an überwunden geglaubte Zeiten in der deutschen Geschichte.

Ich will das nicht weiter ausführen. Aber es soll doch gesagt werden, dass das Zusammenprallen von neofaschistischer Demagogie und bisher tiefster Krise der bürgerlichen Politik und Ökonomie in unserer Generation eine ungemein gefährliche Brisanz birgt. Der müssen wir uns gemeinsam stellen. Da hilft weder Wegschauen noch Verharmlosen, sondern nur die Aufnahme des politischen Kampfes gegen jedes Auftreten und Festsetzen von Faschismus, Rassismus und Antisemitismus in unserer Stadt und überall. Lassen Sie uns, lasst uns gemeinsam an die antifaschistische Tradition Dortmunds anknüpfen und sie neu beleben!

Die Fraktionen der SPD, der Grünen und "die Linken im Rat" haben 2007 einen "Aktionsplan für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" beschlossen und dafür eine Koordinierungsstelle im Rathaus eingerichtet. Das war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dabei darf es nicht bleiben. Dem Organisationsschritt müssen verstärkt aktiv handelnde Schritte folgen.

Die Erklärung der gestrigen Vollversammlung des Internationalen Rombergpark-Komitees hat dazu gute Vorschläge gemacht. Sie unterstreichen und ergänzen die Überlegungen der demokratischen und antifaschistischen Initiativen in der Stadt zum Widerstand gegen ein weiteres Ausbreiten des Nazismus. Stellvertretend für die Breite des Widerstands nenne ich den Dortmunder Jugendring, das Bündnis Dortmund gegen Rechts und die Aktion 65 plus. Dieser Widerstand soll die politische Hegemonie in der Gesellschaft erringen - sowohl in unserem Rathaus und in der Stadtverwaltung als auch auf unseren Straßen und Plätzen wie an unseren Mahnmalen und Gedenkstätten. Daran beteiligen Sie sich und beteiligt Ihr Euch heute hier auf dem Internationalen und Jüdischen Friedhof – dafür danke ich allen, die eine lange oder eine kurze Reise hierher gemacht haben.