10.04.09
Gedenkkundgebung am Mahnmal in der Dortmunder
Bittermark am Karfreitag, 2009
Redebeitrag von Gisa
Marschefski, Generalsekretärin des Internationalen Rombergpark
Komitees
Sehr verehrte Angehörige der Mordopfer des Karfreitag 1945
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Jörder,
sehr geehrte Teilnehmererinnen und Teilnehmer an dieser
Kundgebung,
es ist insbesondere für uns Angehörige immer noch unfassbar,
was vor nunmehr 64 Jahre um den Karfreitag 1945 hier in der
Bittermark, im Rombergpark und an anderen Orten in unserer Stadt
geschah.
An die 300 Frauen und Männer aus 7 Ländern Europas wurden durch
Genickschuß von den Mordbanden der nazistischen Gestapo ermordet.
Und das zu einem Zeitpunkt zu dem US-amerikanische Truppen
bereits die Dortmunder Stadtgrenze erreicht hatten und klar war,
daß der vernichtende Krieg kurz vor seinem Ende stand.
War es reine Mordlust der Bestien aus der Hörder Gestapohölle,
oder waren diese Morde Teil eines umfassenden Planes der
Naziführung?
Das letztere scheint der Fall zu sein.
Denn entsprechende Forschungen in der letzten Zeit haben ergeben,
daß kurz vor der Befreiung von Krieg und Naziregime 1945 nicht
allein hier in Dortmund, sondern an zahlreichen Orten unseres Landes
viele Tausend Antifaschistinnen und Antifaschisten sowie Gegner des
Raubkrieges Hitlers ermordet wurden.
Sie stammten wie unsere Ermordeten, derer wir heute gedenken, aus
den von der Hitler-Wehrmacht überfallenen und besetzten Ländern
Europas.
Das IRPK weist in einem Buch, das wir im vorigen Jahr vorlegten
nach, daß es mindestens 150 weiter Tatorte gibt, an denen sich
Gleiches ereignete wie hier in der Bittermark.
Die Nazis befürchteten wohl, diese Nazigegner könnten nach
Beendigung des Krieges Einfluß nehmen auf die Gestaltung eines
demokratischen, antifaschistischen Deutschlands und Europas.
Der oberste Gestapochef Heinrich Müller wollte das mit dem
Mittel des Mordes verhindern.
Er sagte:" Wir werden nicht den gleichen Fehler machen, der
1918 begangen wurde; wir werden unsere innerdeutschen Feinde nicht
am Leben lassen."
Und der "Reichsführer SS" Heinrich Himmler drohte im
März 1945:" sie werden mit uns verrecken."
Diese menschenverachtenden Drohungen wurden von den willigen
Henkern der Gestapo verwirklicht.
Die Naziführung befürchtete, die Ermordeten könnten sich nach
dem Krieg einsetzen für eine Welt ohne Krieg, für die Gestaltung
eines demokratischen und friedlichen Deutschland.
Und ganz sicher hatten die Nazimörder Angst vor einer echten
Entnazifizierung und der Beseitigung der Wurzeln des
Nationalsozialismus.
In der Tat, für solche Ziele hat sich mein Vater, haben sich die
Ermordeten derer wir hier gedenken, eingesetzt.
Diese Ziele waren und sind auch heute die Wünsche der großen Mehrheit unseres Volkes.
Aber wie sieht demgegenüber die Welt 64 Jahre nach Rombergpark
und Bittermark aus?
Monat für Monat werden neue Kontingente von deutschen Soldaten
in alle Welt geschickt, wirken auf vielen Kriegsschauplätzen und in
so genannten Krisengebieten mit.
So als ob wieder einmal die Welt am deutschen Wesen genesen
solle.
Eine solche Politik entspricht ganz sicher nicht dem, was die
Ermordeten wollten und wofür sie ihr Leben gaben.
Und, statt der Vernichtung des Nazismus mit all seinen Wurzeln
können sich Nazis und rechtsextremistische Kräfte immer weiter
ausbreiten.
Die zunehmende Verbreitung und Gewalttätigkeit wird durch die
gegenwärtige Wirtschaftskrise noch befördert.
Fünf Prozent der Jugendlichen sehen sich als Mitglieder
neonazistischer Kameradschaften, wie jetzt durch eine Studie bekannt
wurde.
Obwohl bereits 150 Menschen in unserem Land tödliche Opfer
rechtsextremer und neonazistischer Gewalt geworden sind, können die
Feinde der Demokratie fast ungehindert ihre verbrecherische Politik
betreiben.
Wie Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zeigen, scheinen
die Regierenden in unserem Land sich mehr Sorgen um die
Demonstrationsfreiheit für die Neonazis zu machen, als um den
Schutz der Bevölkerung und der Demokratie vor ihren Feinden.
Mehr noch, Demokraten und Antifaschisten in unserer Stadt und in
unserem Land werden allzu oft massiv darin gehindert, den Nazis
wirkungsvoll entgegen zu treten.
Es ist gut zu wissen, daß es in Dortmund zahlreiche Kräfte
gibt, die den Feinden der Demokratie Einhalt gebieten und sich den
Neonazis entgegenstellen.
Ich erlaube mir, etwas zu zitieren:
Wir haben es erlebt.
Nie wieder.
Bombennächte. Ständige Angst. Hausdurchsuchungen. Die
Eltern im KZ. Verwandte sterben im Krieg. Nachbarn mit dem gelben
Stern werden abgeholt.
Nachts träumen wir davon.
Die Nachfolger der Nazibande, die das verschuldete, erheben
wieder ihr Haupt.
Jahr für Jahr kommen sie nach Dortmund. Sie rufen "Nie
wieder Krieg" und fügen hinzu: "... nach unserem Sieg,
dem Sieg des ‚nationalen Sozialismus'" Sie reden von
Frieden, Antikapitalismus, ja Sozialismus. Das taten Hitler und
Goebbels auch. Es kam zum furchtbarsten aller Kriege. Zur
schlimmsten Form des Kapitalismus: Nicht nur Ausbeutung durch
Arbeit, sondern Vernichtung durch Arbeit. Es kam zur Versklavung
und zum Holocaust.
Dies sind die Worte, mit denen sich rund 100 Menschen aus meiner
Generation vor einigen Monaten an die Öffentlichkeit wandten. Wir
fügten hinzu:
Das Maß ist voll. Wir sehen nicht mehr zu. Wir Älteren, die
Aktion 65 plus, werden den Nazis entgegentreten.
Ämter, Regierende, Justiz und Polizei rufe ich dazu auf,
antifaschistische Aktionen der Demokraten zu unterstützen.
Der Ministerpräsident unseres Landes, Herr Rüttgers, läßt
sich gerne als Landesvater bezeichnen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie, seien Sie
väterlich zu Ihren Bürgern, schalten Sie Ihre Spitzel in der NPD
ab, machen Sie so den Weg frei für ein Verbot der NPD!!
Und noch etwas Herr Ministerpräsident, weisen Sie Ihren
Innenminister, Herrn Wolf von der FDP, an, die Polizei und deren
Führungskräften bei der Verwirklichung des Demonstrationsrechtes
der Nazigegner aktiv zu unterstützen und nicht, wie geschehen,
massiv zu behindern.
Das aktive Zusammenwirken aller demokratischen Kräfte unserer
Stadt, der Polizei und Behörden ist der Schlüssel eines
erfolgreichen Wirkens gegen Rechtsextremismus und Neonazismus.
Ich rufe Ihnen zu:
Ehren wir die Toten indem wir uns gemeinsam gegen die braune Brut
zur Wehr setzen!
Das Gebot von 1945 ist nach wie vor gültig:
Nie wieder Faschismus!
Nie wieder Krieg!
|