04.04.09
...denn die US-Truppen machen es doch auch so...
Kameradenkreis der Gebirgstruppe
fordert Straffreiheit für Kriegsverbrechen?
Kameradenkreis Gebirgstruppe hält
Wiederholung der Wehrmachts-Kriegsverbrechen durch die Bundeswehr
und Alliierte heute für zulässig? - Ex-Bundeswehrgeneral: „Überreagieren“
auch heute möglich und sollte straffrei bleiben, denn die
US-Truppen machen es doch auch so – Appell: Zusammenarbeit
Bundeswehr mit Kameradenkreis Gebirgstruppe beenden - Brief an
Verteidigungsausschuss-Vorsitzende Ulrike Merten (SPD-Mdb)
übergeben
Die VVN-BdA NRW hat schwere Vorwürfe gegen die
Bundeswehrführung erhoben, weil diese noch immer an der engen
Zusammenarbeit mit dem völkisch-nationalistischen Kameradenkreis
Gebirgstruppe e.V. festhält und diese Organisation unterstützt,
die (so meinen wir) an der NS-Wehrmachtstradition festhält und
immer wieder Kriegsverbrechen gedeckt hat. Jetzt hat sie sich an die
Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses Ulrike Merten
(SPD) gewandt, um Abhilfe zu erreichen. Anläßlich der Eröffnung
der Ausstellung über die Wehrmachtsjustiz wurde Frau Mertens am 3.
4. in Dortmund ein entsprechender Brief der VVN-BdA übergeben. Es
wird darauf hingewiesen, dass der Kameradenkreis nicht nur die
Kriegsverbrechen der NS-Gebirgstruppe verharmlost und die Täter
schützt, er ist nun auch dazu übergegangen, die Nichtverfolgung
der Untaten als erforderlich für die heutige Kriegsführung der
Bundeswehr und der NATO-Alliierten zu bewerten. Bitte lesen Sie
auch die zwei Anhänge am Ende des Dokuments.
Sehr geehrte Frau Merten,
der deutsche Bundestag hat im Jahre 1997 den Zweiten Weltkrieg
als Angriffs- und Vernichtungskrieg geächtet. Schon zwei Jahre
zuvor hatte der Bundesgerichtshof die Wehrmachtsjustiz als
"Blutjustiz" bezeichnet, deren allesamt unbestraften
Richter sich eigentlich hätten verantworten müssen. 2002 hob der
Bundestag die Urteile gegen die meisten der verurteilten Opfer der
Wehrmachtsjustiz auf. Kürzlich wurde im Bundestag eine Initiative
gestartet, auch die sog. "Kriegsverräter" zu
rehabilitieren. Heute eröffnen Sie, Frau Mertens, die Ausstellung
"Was damals Recht war... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten
der Wehrmacht". Wir hoffen sehr dass damit ein weiterer Schritt
zur öffentlichen Anerkennung aller Opfer der Wehrmachtsjustiz getan
wird, denn sie haben sich dem Krieg entgegengestellt oder entzogen.
Sie haben sich um Frieden und Demokratie verdient gemacht.
Die Widerständler in Uniform werden somit spät anerkannt. Die
Täter in Uniform blieben vielfach unbestraft, dies besonders, wenn
sie nach 1955 wieder der Bundeswehr beitraten. Gegen rund 1.000
Bundeswehrsoldaten, die zuvor der Wehrmacht angehörten, wurden
Ermittlungsverfahren durchgeführt, es kam jedoch zu keiner
Verurteilung. Unsere Organisation hat sich hier in Dortmund
besonders der Täter aus Bundeswehr und Wehrmacht angenommen, die
1943 bis 1945 in Südeuropa schwere Verbrechen gegen die
Zivilbevölkerung und gegen Kriegsgefangene, so im Fall Kefalonia,
begingen. Die diesbezüglichen Bemühungen der Zentralstelle im
Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von
nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft
Dortmund wurden von uns mit Recherchen, Informationen und
öffentlicher Aufklärung begleitet. Zudem klärten wir über das
Wirken des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V. auf, der aus dem
Kreis der NS-Wehrmachtsangehörigen heraus gegründet wurde und
zahlreiche Kriegsverbrecher in seinen Reihen hatte, (....).
Dieser Kameradenkreis wird von der Bundesregierung unterstützt, ihm
wird von Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) contrafaktisch
bestätigt, die Gebirgstruppe habe keine verbrecherische
Vergangenheit.
Schon lange wünschen wir uns, der Bundestag - Auftraggeber der
Parlamentsarmee, wie es heißt - möge sich des Skandals um die
Gebirgstruppe annehmen, der von angesehenen Publizisten bescheinigt
wird, sie stelle eine Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher dar.
Dafür wurde in letzter Zeit erneut ein Beleg erbracht, der eine
unerhörte Zuspitzung der Bemühungen um Geschichtsrevisionismus und
Strafvereitelung in der Truppe darstellt.
Die Rede ist vom Bundeswehrgeneralmajor a.D. Jürgen Reichardt,
der in dem Organ des Kameradenkreises "Gebirgstruppe"
unverblümt erkennen lässt, er halte die von den Massakern der
Wehrmachts-Gebirgstruppe betroffenen Zivilpersonen für selbst
schuld an ihrem Leid. Dieser Präsident des Bayerischen
Soldatenbundes bedauert jedenfalls nicht die Opfer, sondern diesen
Tatbestand: Wer im Krieg gegen Partisanen wie Zivilisten
"vorging, hat sich nach heute vorherrschender Auffassung eines
Verbrechens schuldig gemacht." Reichardt klagt: Fest
eingebürgert habe sich "im deutschen Sprachgebrauch der
Begriff ‚unschuldige Zivilisten', was ja wohl bedeuten soll, dass
Soldaten immer irgendwie schuldig sind." Reichardt stellt die
Frage, ob nicht die heutigen Bundeswehrsoldaten "in
Situationen" geraten könnten, in denen sie wie einst die
Gebirgstruppler "überreagieren". Sie müssten dann
befürchten, noch nach Jahrzehnten vor Gericht gestellt zu werden.
Die Opfer damaliger Kampfhandlungen gegen Zivilisten hießen heute
in USA "'rechtlose Kämpfer' und werden entsprechend
behandelt".
Reichardt springt in seinem Beitrag"
("Gebirgstruppe", Dez. 08) dem in München vor Gericht
stehenden Leutnant a.D. Joseph Scheungraber bei, der wegen des
Mordes von 14 italienischen Zivilisten angeklagt ist. Verurteilt
werden auch die entsprechenden Entscheidungen höchster griechischer
und italienischer Gerichte gegen die Wehrmachtsverbrecher und für
die Entschädigung der Opfer.
Reichardts Artikel ist nicht einfach der Ausrutscher eines nach
Rechtsaußen abgedrifteten Generals - von denen es ja einige gibt -,
sondern er spricht ausdrücklich für den Kameradenkreis, dessen
Präsident sich die Ausführungen Reichardts zueigen macht. Die
US-Truppen heute - man beachte - befolgen laut dem "Gebirgstruppen"-Autor
die Lehren der Wehrmacht. Und deshalb sollten die Verfahren gegen
Deutsche unterbleiben. Der ehemalige Bundeswehrgeneral weist auf den
Unterschied der Beurteilung der Taten der Wehrmachtssoldaten sowie
die der US-Truppen von heute hin: "In der öffentlichen Meinung
gilt heute bei uns jeder bereits als schuldig, dem eine Beteiligung
an der Partisanenbekämpfung im letzten Weltkrieg vorgeworfen wird,
während unsere Alliierten längst die Vorschriften und Erfahrungen
der Deutschen auswerten und zu Rate ziehen für ihren aktuellen ‚Kampf
gegen den Terror'."
Wer auf die Verbrechen hinweist, Gerechtigkeit verlangt und gegen
die Strafbefreiung protestiert, wird von Reichardt und
Gebirgstruppen-Führung als Teilnehmer an "gezielten
Terrorakten kommunistischer Organisationen, wie ANTIFA und VVN"
bezeichnet, "zum Teil mit Steuergeldern für den ‚Kampf gegen
rechts' gefördert, die mit großem Propaganda-Aufwand und
bundesweiten Aufrufen im Internet" wirkten.
Der Kameradenkreis Gebirgstruppe bemühte sich kürzlich
vergeblich, einen Widerruf in einem Verfahren gegen die VVN-BdA zu
erzielen. Sie hatte die Gebirgstruppe als Organisation mit
NS-Tradition und mit Kriegsverbrechern als Mitglieder bezeichnet.
Dass dies berechtigt ist, zeigen weitere Beiträge in der
"Gebirgstruppe". Darin finden sich immer wieder Beispiele
der zynischen Trauerarbeit des Kameradenkreises für seine
ehemaligen Gegner und Opfer. In der Oktoberausgabe ´08 der
"Gebirgstruppe" berichtet ein Gebirgsgefreiter a.D. von
der 12./GJR91 aus einem besetzten Kaukasusgebiet im Mai '42:
"Den Herren der Regimentsführung wird unser Krieg zu
langweilig, also wird ein Unternehmen geplant, an dem der
Regimentskommandeur nicht teilnimmt, das eine russische Kleinstadt
zerstört, sechs Kameraden das Leben kostet und 50 Verwundete
hinterlässt. Zwanzig Gefangene brachten wir dabei ein", - die
Zahl der getöteten Zivilisten wird nicht genannt.
"Die Zusammenarbeit mit der aktiven Truppe stehe", so
der Präsident Oberst a.D. Manfred Benkel in der
"Gebirgstruppe", "auf soliden Beinen." Die
Kameraden können sich also auf die Bundeswehr verlassen.
Wir sind der Meinung, die Abgeordneten des Bundestages sollten
diese "Zusammenarbeit" endlich einmal durchleuchten. Sie
sollten die Vorgänge um die Gebirgstruppe und ihre Traditionsarbeit
einer Untersuchung unterziehen. Am 16./17. Mai wird sich der
Kameradenkreis wieder mit Hilfe der Bundeswehr auf dem Hohen
Brendten bei Mittenwald versammeln, um der verbrecherischen
"Helden" zu gedenken.
Wir bitten Sie, sehr geehrte Frau Merten, sich als Vorsitzende
des Bundestagsverteidigungsausschusses, sich der genannten Vorgänge
anzunehmen und für Abhilfe zu sorgen: Die Zusammenarbeit der
Bundeswehr mit dem Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V. muss beendet
werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass dieser Kameradenkreis
als enger Partner der Bundeswehr nicht nur die Untaten von gestern
bemäntelt und die Täter beschützt, sondern auch noch die
Wiederholung der Wehrmachts-Kriegsverbrechen durch die Bundeswehr
propagiert, indem er einen Bundeswehrgeneral a.D. sagen lässt,
derartiges "Überreagieren" sei auch heute möglich und
sollte straffrei bleiben, denn die US-Truppen machen es doch auch
so. Wenn selbst schwerste Kriegsverbrechen keine Haftung des
verantwortlichen Staates und der Täter zur Folge haben, ist das ein
Freibrief, auch zukünftig Kriegsverbrechen zu begehen.
Mit freundlichen Grüßen
(Ulrich Sander) Bundessprecher
Auszug Gebirgstruppe Okt. 2008
Auszug Gebirgstruppe Okt. 2008
(An dieser Stelle wollten wir eigentlich Texte aus der
"Gebirgstruppe" nachdrucken, damit alle Leser sich selbst
ein Bild machen können. Auf anwaltlichen Rat haben wir aus
urheberrechtlichen Gründen davon abgesehen. Wir haben den
Kameradenkreis aufgefordert, uns den Nachdruck zu gestatten. Wir
sind gespannt, ob der Kameradenkreis seine Veröffentlichungen für
so überzeugend hält, dass wir dies zur Meinungsbildung nachdrucken
können.)
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