19.03.09
Die Bundeswehr am rechten Rand
Beste Wirkungsmöglichkeiten für
die Rechten beim Militär
Ulrich Sander
Elf Jahre ist es her, seit der Verteidigungsausschuss des
Bundestages rechtsextremistische Umtriebe in der Bundeswehr
untersuchte. Ein Jahr später, 1999, warfen deutsche Soldaten Bomben
auf Serbien und halfen so, tausende Zivilisten zu töten.
Kollateralschäden nannten Militärs und Politiker beschönigend die
dabei in Kauf genommenen Toten. Vergessen waren - und sind - die
1945 gefassten Vorsätze "Nie wieder Krieg!" und "Nie
wieder Faschismus!"
Nur die Spitze eines Eisbergs
BILD und der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister
der Verteidigung, Christian Schmidt (*1957, CSU), haben jetzt
geholfen, einen 25 Jahre alten Skandal aufzudecken - der
Bundeswehrkritikern lange bekannt war. Schmidt, seit 1990 MdB und
seit 1977 Reservist der Bundeswehr, kam 1984 zu einem neuen
Kameraden: Den Hauptmann a.D. und Vorsitzenden der NPD, Udo Voigt.
Der brüstet sich seit Jahren damit, Reservist der Bundeswehr zu
sein. Noch im November verlautete die NPD auf ihrer Homepage, Voigt
dürfe im Bundeswehrverband bleiben. Das rief Schmidt - selber
Mitglied des Kameradenkreises der Gebirgstruppe und Kämpfer für
die Rehabilitierung von Werner Mölders, der als Jagdflieger in der
Legion Condor für die spanischen Faschisten flog und den Nazis
nahestand - und BILD auf den Plan. Sie forderten, Voigt müsse aus
dem Verband entfernt werden. Vergeblich. Anfang März 2009
berichtete die "Westfälische Rundschau" unter Berufung
auf Sprecher des Verteidigungsministeriums und des
Bundeswehrverbandes, Voigt sei nach wie vor als Reserveoffizier und
Mitglied des Bundeswehrverbandes, also Teil der Truppe.
Der "Marsch durch die
Institutionen" von Rechts
Der Neonazi Voigt tat bereits in früher Jugend das, wozu die
Braunen im Jahr 1995 aufriefen: "Junge Kameraden und
Kameradinnen, die vor der Berufswahl stehen, unbelastet, intelligent
und sportlich sind," sollten sich unauffällig zu "einer
Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei" melden, "mit dem
Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige
Wissen und Können anzueignen" (aus: "Umbruch" von S.
Hupka, 1995). Der Aufruf schließt mit den Worten: "Widerstand,
der auf die Beseitigung eines volksfeindlichen Systems zielt, muss
professionell geplant sein."
Im Untersuchungsbericht zum Bundeswehrskandal um
"rechtsextreme Vorkommnisse" ist 1998 ausgeführt worden,
im Jahr 1995 sei bei den Fallschirmjägern eine erhöhte Zahl von
entsprechenden "Verdachtspersonen" festgestellt worden. In
mehreren Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestags wurde von der großen Anziehungskraft der
Fallschirmtruppe für Rechtsextremisten gesprochen. Dazu erklärte
Oberstleutnant Jochen Krauss, der Dienststellenleiter der Stelle 22
des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in Wilhelmshaven:
"Problematisch ist die Erkennung von Soldaten mit
rechtsextremistischem Gedankengut, die nicht durch ihr äußeres
Erscheinungsbild auffallen. Sie gehören im Dienst häufig zum
ersten Leistungsdrittel ihrer Einheit und wollen möglichst lange in
der Bundeswehr bleiben, um dort führen zu lernen und um später
möglicherweise in einer Wehrsportgruppe eine Führungsrolle
übernehmen zu können" (Seite 228/229 des Bundestagsberichts).
Oder in der NPD. Und so ist Voigt gleich vielen anderen Neonazis
ein Reservist - nicht nur gut ausgebildet, sondern auch
einsatzbereit. Denn während Reservisten bis 2005 allenfalls zu
Übungen geholt werden konnten, werden sie seit Inkrafttreten des
neuen Reservistengesetzes vom Februar 2005 sogar eingesetzt - am
Hindukusch wie in Hindelang, in aller Welt wie daheim in
Heiligendamm.
Rechte in der Bundeswehr
Auch der Deutsche Bundeswehrverband sieht sich außerstande, sich
von dem Hauptmann der Reserve und NPD-Chef Udo Voigt zu trennen.
Hinter dieser Haltung vermuten Beobachter Methode: Rechte
Verbandsmitglieder sollen nicht verschreckt werden. Sogar die
Bildungsvereinigung des Bundeswehrverbandes, die Karl Theodor
Molinari Stiftung, ist nach einem hohen Nazi benannt. Dem in
Frankreich wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilten Generalmajor
a.D. Karl Theodor Molinari (1915-1993). Der tat sowohl in der
Wehrmacht wie auch in der Bundeswehr Dienst.
Die Traditionsverbände der NS-Wehrmacht gehen in der Bundeswehr
ein und aus. Sie dürfen dort ihre Mitglieder rekrutieren. Der
CSU-Politiker und Reservist Christian Schmidt hält seine
schützende Hand beispielsweise über den Kameradenkreis der
Gebirgstruppe. Die habe keine "verbrecherische
Vergangenheit". Das ist gelogen, wie dem Buch "Blutiges
Edelweiß" (Ch.Links-Verlag, Berlin, 2008) von Hermann Frank
Meyer über die 1. Gebirgs-Division der Wehrmacht zu entnehmen ist.
Der Wehrmachtstruppe folgte die Bundeswehrdivision nach. Sie ist die
einzige Division, die unter der Bezeichnung 1. Gebirgs-Division bei
der Bundeswehr weitermachen durfte. Sie bekennt sich zu den
Traditionen "derer unterm Edelweiß". Dieses Emblem an
einer Mütze löste soviel Entsetzen aus wie die SS-Runen an einer
Uniform.
Die der Bundeswehr seit 1982 per Traditionserlass verordnete
Distanz zur Wehrmacht ist seit 1999 geschwunden. Ein Indiz dafür
sind Attacken von Bundeswehr-Offizieren gegen die "Ausstellung
über die Verbrechen der Wehrmacht im Vernichtungskrieg 1941 -
1944". In Zeiten der Rechtfertigung des neuen Krieges gegen
Serbien 1999 war eine Dokumentation des militärischen Massenmords
an den Serben 1941 bis 1944 denkbar ungeeignet für die heutige
Truppe. Da störte eine Ausstellung, die eben auch dieses Kapitel
des Zweiten Weltkrieges aufblätterte. In der Zeitschrift "Der
Deutsche Fallschirmjäger" (Nr.4/99) stellte Brigadegeneral
a.D. Dr. Günter Roth (bis 1995 Leiter des Militärgeschichtlichen
Forschungsamtes) die bezeichnende Frage, "ob eine Einsatzarmee
- ohne auf die zeitgemäße Umsetzung der militärischen Erfahrungen
der Wehrmacht im Sinne kritisch auswählenden
Traditionsverständnisses zurückzugreifen - ihre Kampfaufträge
erfüllen kann." Zu einem "ganzheitlichen Bild von der
Wehrmacht" zu kommen, forderte dann auch Oberst Friedhelm
Klein, neuer Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes.
Es gelte, die "herrschenden Denkmuster" zu verlassen
(Information für die Truppe, 10/11-99).Die heutige Bundeswehr ist
mehr Quelle als Ergebnis der Rechtsentwicklung in der Gesellschaft,
wie die ZEIT 2003 in einer Studie veröffentlichte: "Neue, noch
nicht veröffentlichte Daten bestätigen einen zwar nicht
überraschenden, aber dennoch ernsten Verdacht: Dass
Offiziersstudenten - die künftige Führungselite der Bundeswehr -
deutlich weiter rechts stehen als ihre zivilen Kommilitonen."
Auf die Bitte, sich im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung
auf dem politischen Links-Rechts-Spektrum einzuordnen,
"wählten die meisten Offiziersstudenten einen Standort rechts
von der Mitte; 15 Prozent sogar orteten sich zwischen der
Beschreibung ‚etwas rechts' und der Wand. Aufgefordert, sich
selbst unter sechs politischen Grundkategorien zu platzieren,
stimmten ein Fünftel der Studenten einer Typisierung als ‚national-konservativ'
zu, rechts von ‚christlich-konservativ'; 11,5 Prozent beschrieben
sich als besonders überzeugte National-Konservative".
"Abwehr von Fremden", "Abwehr von kultureller
Überfremdung", sind die am häufigsten genannten Aufgaben, die
diese Offiziere von morgen vor sich sehen. Zusammenfassend heißt es
in der Untersuchung: "Die Einstellungen dieser künftigen
Truppenführer tendieren zum rechten Rand" (aus: Die Zeit Nr.48
vom 20.11.2003). Fünf Jahre nach dieser Untersuchung dürften die
damals befragten Studenten nun Kommandeure im weltweiten Einsatz
sein und die Erziehung neuer Bundeswehrgenerationen prägen.
Wie die Wehrmachtsausstellung, so stören auch die überraschend
doch noch zustande kommenden Ermittlungen und Prozesse in Italien
und Deutschland gegen ehemalige deutsche Wehrmachtsoffiziere, die in
den Jahren 1943 und 1944 Massaker in Südeuropa begangen haben.
Bundeswehrgeneralmajor a.D. Jürgen Reichardt vom Bayerischen
Soldatenbund spricht diese Kriegsverbrecher frei
("Gebirgstruppe", Dez. 08). Er meint offenbar, die von den
Massakern der Wehrmachts-Gebirgstruppe betroffenen Zivilpersonen
seien selbst schuld an ihrem Leid. Und stellt die Frage, ob nicht
die heutigen Bundeswehrsoldaten "in Situationen" geraten
könnten, in denen sie wie einst die Gebirgstruppler
"überreagieren". Sie müssten dann befürchten, noch nach
Jahrzehnten vor Gericht gestellt zu werden. Heute haben demnach
US-Truppen laut "Gebirgstruppen"-Autor Reichardt ihre
Schlüsse aus dem Verhalten der Wehrmacht gezogen: "In der
öffentlichen Meinung gilt heute bei uns jeder bereits als schuldig,
dem eine Beteiligung an der Partisanenbekämpfung im letzten
Weltkrieg vorgeworfen wird, während unsere Alliierten längst die
Vorschriften und Erfahrungen der Deutschen auswerten und zu Rate
ziehen für ihren aktuellen ‚Kampf gegen den Terror'." Es
soll wohl endlich ein Schlussstrich gezogen werden, damit deutsche
Truppen und ihre Alliierten unbefangen im weltweiten Einsatz agieren
können.
Beste Wirkungsmöglichkeiten
Doch nicht nur Traditionsverbände und Elite-Einheiten wie
Fallschirmjäger und Gebirgsjäger sowie das Kommando
Spezialkräfte, auch die Zivilmilitärische Zusammenarbeit (ZMZ),
die Reservistenverbände und der Bundeswehrverband bieten den
Rechtsaußen beste Wirkungsmöglichkeiten. Bis zu eine Million
Soldaten stehen als Reservisten ständig zum Militäreinsatz im
Innern der Republik bereit - gegen das bestehende
Demonstrationsrecht, gegen Streiks und freie Meinungsäußerung. In
Bund und Land, in Stadt und Landkreis werden Polizei und Bundeswehr,
zum Teil auch Geheimdienste in der ZMZ zusammengefasst, um als
schwerbewaffneter Heimatschutz zu agieren. Der verfassungswidrige
Bundeswehreinsatz in Heiligendamm 2007 stellte einen weiteren
Schritt zur inneren Militarisierung dar. Dabei stets vorne weg: Die
äußerst rechten Kader - unter ihnen als ZMZ-Kommandeur z.B. der
Rassist Wolfgang Lütkemeyer vom thüringischen Reservistenverband
und den Nazi-Organisationen "Artgemeinschaft" und
"Familienwerk" (lt. Blog Braunzone und taz). Weitere
ähnliche Kader warten auf ihr Outing.
Ulrich Sander (* 1941) ist Journalist und Bundessprecher der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der
Antifaschisten, Autor von Büchern über die Rechtsentwicklung in
der Bundeswehr und Mitstreiter in der Kampagne gegen den
völkisch-militaristischen Kameradenkreis Gebirgstruppe, der gegen
ihn klagt.
Vorabdruck aus "FriedensForum",
ein Magazin der Friedensbewegung
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