NRW und die Finanzkrise
Verfassungsbruch durch „Privat
geht vor Staat“
Von Ulrich Sander
In Nordrhein-Westfalen haben CDU und FDP bei
Regierungsantritt eine Koalitionsvereinbarung verabschiedet,
die demonstrativ die Landesverfassung verletzt. Die Kurzform
der Koalitionsvereinbarung lautet: “Freiheit vor Gleichheit.
Privat vor Staat“. Das heißt: "Gier vor
Gemeinwohl". Die Verwerflichkeit dieses Prinzips wird uns
in der gegenwärtigen Finanzkrise plastisch vor Augen
geführt.
Als Lehre aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit und des
Faschismus erschien es allen Demokraten 1945 als notwendig,
für die sozialen Menschenrechte zu wirken, denn der
Kapitalismus sei den Lebensinteressen des deutschen Volkes
nicht gerecht geworden; so lautete damals die Programmatik
auch der CDU. Deshalb gibt es den Artikel 14 zur
Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Grundgesetz, und deshalb
heißt es in der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen im
Artikel 24: „Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das
Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den
Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein
Recht auf Arbeit.“
Arbeit für alle und Schutz der Arbeitskraft sind demnach
höchste Verfassungsaufgaben – und nicht das Recht auf
Profit einzelner Privater und ihre Freiheit, die höher als
die Gleichheit der Menschen rangiert. „Das Wohl des Menschen“
wird derzeit jedoch der Freiheit der Reichen geopfert: Weder
wurde ein Höchstlohn für Manager, noch ein Mindestlohn für
Zeitarbeiter eingeführt. Der herrschende Neoliberalismus
widerspricht dem Grundgesetz und der Landesverfassung. Das
wird jetzt besonders deutlich vor dem Hintergrund der Finanz-
und Wirtschaftskrise. Verstaatlichung der Banken – womit
gemeint ist: Verstaatlichung der Bankverluste. Das wird nun
plötzlich gefordert. Es geht aber um wirkliche
Verstaatlichung zum „Wohl des Menschen“. Auch die ist in
der Landesverfassung verankert. „Großbetriebe der
Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer
monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in
Gemeineigentum überführt werden. Zusammenschlüsse, die ihre
wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.“ Dies
steht in Artikel 27 der NRW-Landesverfassung.
Auch im Grundgesetz gibt es den Artikel 15 mit dem Titel
„Sozialisierung“. Artikel 14 sieht die Sozialpflichtigkeit
des Eigentums vor. Auch diese Artikel gehören auf die
Tagesordnung.
Grundgesetz und Landesverfassung müssen wieder Gültigkeit
erlangen. Darin steht nichts von „Privat vor Staat“, von
Profit vor Gemeinwohl, von Freiheit für die Reichen vor
Gleichheit aller. |