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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

26.02.09

Verbrecherische Truppe 

Ein Verbot der NPD ist überfällig 

Von Ulla Jelpke 

An der Spitze des »Trauermarsches« von 6000 Neonazis am vergangenen Samstag in Dresden marschierten der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und die Mitglieder der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Unbehelligt von der Polizei konnten die Neonazis ihre Parole vom »alliierten Bombenholocaust« auf Spruchbändern durch die Stadt tragen. »Hier gehört ihnen die Straße«, kommentierte Spiegel-online schon am Freitag abend nach dem gespenstischen Fackelmarsch der Rechten im Zentrum von Dresden. Das gesamte Auftreten der aus ganz Europa angereisten Neonazis bis hin zu dem Überfall auf Linke auf einem Autobahnparkplatz bei Jena war eine völlig inakzeptable Provokation für alle Demokraten und Antifaschisten. Im Zentrum dieser Aktivitäten stand die NPD. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß diese Partei auch den Bus organisiert hatte, in dem die Angreifer, die Linken und Gewerkschaftern schwere Verletzungen zufügten, unterwegs waren. Wenn es noch eines zusätzlichen Beweises bedurft hätte, daß die NPD verboten gehört, das Wochenende von Dresden hat ihn erbracht. 

Eindeutig verfassungswidrig 

Ohnehin ist seit langem klar, daß die NPD verfassungswidrig ist. Das Grundgesetz, dessen sechzigjähriges Bestehen am 23. Mai 2009 begangen wird, enthält zwar leider keine allgemeine Antifaschismus-Klausel, wie sie von der Fraktion Die Linke im Bundestag seit langem schon gefordert wird. Aber auch ohne eine solche ausdrückliche Bestimmung ist das Grundgesetz deutlich als Antwort auf den Hitler-Faschismus konzipiert. Anders als noch in der Weimarer Verfassung (die mit dem Kapitel über Staatsaufbau und Staatsaufgaben begann) stehen hier bewußt die Grundrechte an erster Stelle. Gerade wegen der Verbrechen des deutschen Faschismus beginnt das Grundgesetz mit dem Bekenntnis zur Würde jedes einzelnen Menschen. Die Politik der Neonazis steht dagegen absolut konträr zu den Werten dieser Verfassung.

Demgemäß ist auf die NPD ohne Wenn und Aber die Verbotsmöglichkeit des Artikels 21 Absatz 2 des Grundgesetzes anwendbar, der da lautet: »Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.« Es gibt keinen triftigen Grund, diese Grundgesetzbestimmung nicht gegen die NPD anzuwenden, aber viele politische Argumente, die auch jenseits der eindeutigen Rechtslage für ein Verbot sprechen. 

Zentrale Organisationsplattform 

Ein NPD-Verbot würde dem organisierten Neofaschismus die Grundlage entziehen. Die NPD ist die einzige faschistische Partei, die bundesweit mit ihren Strukturen präsent und kampagnenfähig ist. Dies leisten weder die Republikaner noch die DVU im selben Maße. Die Republikaner sind längst auf dem absteigenden Ast, und die Deutsche Volksunion (DVU) war in der Vergangenheit im wesentlichen eine Ein-Mann-Veranstaltung des Verlegers Gerhard Frey. Der Münchner Millionär war zugleich Vorsitzender und Finanzier der DVU. Frey hat sich mittlerweile zurückgezogen, und schon seit Jahren ist die Organisationskraft der DVU deutlich niedriger als die der NPD.

Somit ist die NPD diejenige Organisation aus dem faschistischen Spektrum, die am umfassendsten in der Lage ist, gerade Jugendliche mit rechtsextremen Einstellungen zu politisieren und ihnen Raum für politisches Agieren zu bieten. Dies zeigt sich deutlich an der organisierten Verteilung von CDs mit nazistischen Inhalten auf Schulhöfen.

Die ausgeprägten Organisationsstrukturen der NPD werden auch von Neonazis aus den »Kameradschaften« genutzt. Diese sind lediglich horizontal miteinander verbunden, während die NPD in der Lage ist, als Medium für Vernetzung, Austausch, Vorbereitung von Kampagnen zu dienen und dafür ihre Fähigkeiten anderen Rechten zur Verfügung zu stellen. Der NPD ist es auch gelungen, dafür zu sorgen, daß die Neonaziszene insgesamt geschlossener auftritt als in den achtziger und neunziger Jahren. Die NPD hat die »rechte Volksfront« mit DVU und Kameradschaften und den »Deutschlandpakt« mit der DVU zustande gebracht. Alt- und Neurechte, Skinheads und Intellektuelle wurden unter maßgeblicher Mitwirkung der NPD zusammengeführt. Ein Verbot der NPD entzöge dem organisierten Neofaschismus eine zentrale Organisationsplattform. Es würde auch das juristische Einschreiten gegen Neonaziaktivitäten erleichtern, die jetzt unter dem Schutz der Partei stattfinden. Beispielsweise fungieren Kader der NPD als Anmelder von Kundgebungen und Demonstrationen, die gerade deshalb, weil sie von einer Partei getragen werden, besonders schwer zu verbieten sind. Parteien genießen juristisch einen hervorgehobenen Status. Politisch hätte ein NPD-Verbot auch den Effekt, daß es zu einem Wiederaufbrechen alter Rivalitäten in der rechten Szene käme. Dies würde die Schlagkraft der Neonazis schwächen. 

Verbot gegen Scheinlegitimität 

Mit einem Verbot wäre der NPD die Aura der Legitimität entzogen, die sie in den Augen mancher Protestwähler bislang genießt. Es würde zur gesellschaftlichen Ächtung ihrer Ideologie und damit zur Isolierung der Neonazis beitragen. Ohne Verbot können Landtage und Kommunalparlamente als Plattform für die Selbstdarstellung der Rechten genutzt werden. Diese erlangen dadurch bei unkritischen Bevölkerungskreisen den Anschein der Seriosität. Deshalb muß der Staat seine Schutzpflicht erfüllen und ein Verbot der NPD durchsetzen.

Unerträglich ist besonders die Tatsache, daß sich die staatliche Parteienfinanzierung zur Hauptstütze des NPD-Haushalts entwickelt hat. Das bedeutet, daß mit Steuergeldern maßgeblich zur Verbreitung der rassistischen und menschenverachtenden Programmatik dieser Partei beigetragen wird, und daß jeder Steuerzahler unfreiwillig und zwangsweise die Aktivitäten der Neonazis mitfinanzieren muß. Beispielsweise machten nach dem Rechenschaftsbericht der NPD für 2006 staatliche Mittel in Höhe von 1,38 Millionen Euro 45 Prozent des NPD-Budgets aus, während aus Spenden 32 Prozent und aus Mitgliedsbeiträgen nur 18 Prozent aufgebracht wurden.

Zwischen 1998 und 2007 hat die NPD einen Betrag von 6,3 Millionen Euro aus Steuergeldern erhalten. Auch wenn eine Partei nicht in ein Parlament einzieht, aber trotzdem einen Stimmenanteil von mehr als einem Prozent erreicht hat, fließt ihr eine Wahlkampfkostenerstattung zu. So war es etwa in Bayern bei einem Wahlergebnis von 1,3 Prozent. Mit diesen Staatsgeldern kann die NPD ihren Aufbau vorantreiben. Wenn sie in einen Landtag gewählt wird, kommen noch die üblichen Mandatsträgerbeiträge hinzu, die von den Abgeordneten an die Partei gezahlt werden. Zudem haben die Landtagsfraktionen eigene, durchaus üppige Etats. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern kommt die NPD insgesamt auf Fraktionsgelder in Höhe von 1,9 Millionen Euro. Nicht zu vergessen: Spenden an die NPD sind steuerlich absetzbar.

Juristische Versuche, der NPD die Staatsgelder vorzuenthalten, blieben bislang erfolglos. Die Innenministerkonferenz hat im Herbst 2008 die Idee des Hannoveraner Staatsrechtlers Volker Epping diskutiert, durch eine Grundgesetzänderung (Ergänzung des Artikels 21) festzulegen, daß verfassungswidrige Parteien von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden. Ob dieser Gedanke trägt, ist aber fraglich, denn bisher herrschte bei den Verfassungsrechtlern die Meinung vor, daß alle nichtverbotenen Parteien gleich zu behandeln seien. Die von Epping empfohlene Grundgesetzänderung ist deshalb bislang nicht in den Bundestag eingebracht worden. Daher ist völlig klar: Nur ein Parteiverbot würde der NPD und damit der deutschen Neonaziszene ihre wichtigste finanzielle Stütze entziehen.

All diese triftigen Argumente waren auch schon stichhaltig, als Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat im Jahre 2001 das erste NPD-Verbotsverfahren in Gang setzten. Aufgrund des Versagens der Verfassungsschutzämter, die nicht in der Lage oder willens waren, sich untereinander zu koordinieren, und aufgrund der dilettantischen Prozeßführung vor allem der damaligen SPD/Grünen-Bundesregierung kam es aber gar nicht dazu, daß das Bundesverfassungsgericht die inhaltlichen Gesichtspunkte abschließend gewürdigt hätte. 

V-Leute in der Führung 

Am 18. März 2003 wurde das Verbotsverfahren aus formalen Gründen vom Bundesverfassungsgericht eingestellt, obwohl die Karlsruher Richter inhaltlich offenkundig von der Verfassungswidrigkeit der NPD überzeugt waren. V-Leute des Verfassungsschutzes von Bund und Ländern hatten sich so zahlreich an den NPD-Gremien beteiligt, daß nicht mehr unterscheidbar war, welche Handlungen und Beschlüsse der NPD noch »original« und welche in Wahrheit dem Staat zuzurechnen waren: »Geführte, Führende oder führende Geführte?« lautete bezeichnenderweise der Titel einer von der PDS im Jahre 2002 in Auftrag gegebenen Studie zur NPD.

Entscheidend für die Niederlage in Karlsruhe 2003 war das Chaos, welches das dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) unterstellte Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesverfassungsschützer angerichtet hatten. Die Richter rügten, in dem Verfahren sei das »Gebot strikter Staatsfreiheit rechtsstaatswidrig verfehlt« worden. Begründet wurde dies so: »Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor und während der Durchführung eines Parteiverbotsverfahrens ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren. Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflußnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar.« Man habe nicht mehr ausschließen können, »daß Personen mit ihren Äußerungen als Teil des Bildes einer verfassungswidrigen Partei präsentiert werden, die nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhalten oder unterhalten haben, ohne dies kenntlich zu machen und so die daraus folgenden Zurechnungsprobleme offenzulegen.«

Das Gericht stellte fest, daß schon nach den Angaben der Antragsteller in den Landesvorständen der NPD im Schnitt jeweils ein bis zwei V-Leute plaziert gewesen seien und daß der Bund auf der Ebene des Bundesvorstands der Partei »seine nachrichtendienstlichen Kontakte nach Antragstellung« fortgesetzt habe. Außerdem sei die NPD in dem Zeitraum von 1996 bis 2002 ständig Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzämter in Bayern, Berlin und Hessen gewesen. Die Antragsbegründungen seien zweifelsfrei »in nicht unerheblicher Weise« auf Äußerungen von Mitgliedern der NPD gestützt worden, die als V-Leute für staatliche Behörden tätig sind oder tätig waren, »ohne daß dies offen zu einem Gegenstand der Erörterung im Verfahren« gemacht worden sei.

Wenn man die Einstellungsentscheidung genau analysiert, so besagt sie im Klartext.: Die NPD ist verfassungswidrig. Die Bundesregierung und die anderen Antragsteller haben aber im Verfahren nicht mit offenen Karrten gespielt und zu großen Einfluß durch V-Leute auf die NPD-Führungsebene genommen.

Ein neuer Verbotsantrag hätte daher gute Aussicht auf Erfolg, wenn die Verfassungsschützer ihre unappetitliche Vermischung mit Neonazi-Führungsgremien beenden und den Umfang der Beobachtung von vornherein dem Gericht offenbaren würden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum man nicht sofort so verfahren könnte. Durch namhafte Verfassungsrichter wurde die Politik mittlerweile geradezu ermutigt, erneut den Gang nach Karlsruhe anzutreten. Berichterstatter im ersten NPD-Verbotsverfahren war der inzwischen pensionierte Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch. Er stellte schon in der Süddeutschen Zeitung vom 13. November 2006 klar, daß »ein Verbotsverfahren ohne Gesetzesänderung jederzeit wieder möglich ist«. Die Anforderungen seien nicht so hoch, wie oft behauptet werde. »Das Gericht hat keineswegs den Abzug sämtlicher staatlicher V-Leute aus der NPD verlangt, sondern nur aus deren Führungsebene«, wies Jentsch den Weg zu einem erfolgreichen neuen Verbotsprozeß. Ähnliche Hinweise gaben auch Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier und der das damalige Verfahren leitende Vizepräsident Winfried Hassemer. 

Gegenargumente stechen nicht 

Wenn es demnach juristisch durchaus erfolgversprechend ist, das Bundesverfassungsgericht erneut anzurufen, bleiben einige Gegenargumente, die man vor allem von CDU und FDP immer wieder hört. So wird behauptet, ein Verbot würde nur zu einer Neuformierung der Naziszene führen. Selbst wenn es so käme, wäre dies kein Ersatz für eine finanzkräftige, staatlich geförderte Partei wie die NPD, die zudem im Vorfeld von Wahlen einen garantierten Zugang zur Wahlwerbung in den Massenmedien hat. Diesen Vorteil könnte eine neuformierte außerparlamentarische und parteilose Neonaziszene nicht nutzen.

Es wird auch argumentiert, ein NPD-Verbot führte zu einer Radikalisierung der Mitglieder, die sich dann in den sogenannten Freien Kameradschaften und ähnlichen Gruppen reorganisieren würden. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: bereits heute haben die Kameradschaften, auf deren Unterstützung die NPD angewiesen ist, zu einer Radikalisierung der NPD beigetragen. Es bestehen schon jetzt so enge Verbindungen zwischen NPD und Kameradschaften, daß ein NPD-Verbot die Kameradschaften gleich mit schwächen würde.

Die Vorstellung, man solle die NPD gewähren lassen, weil sie als Sammelbecken für alte und neue Rechte kontrollierbar sei, geht an der Realität vorbei. Die NPD ist nicht kontrollierbar, sondern dient durch das Parteienprivileg als Schutzschild auch für Gewalttäter aus den Kameradschaften.

Längst widerlegt ist auch die Behauptung, man benötige die V-Leute, um Informationen über das Innenleben der NPD zu gewinnen und deren Verfassungswidrigkeit belegen zu können. Daher komme der vom Verfassungsgericht geforderte Rückzug der V-Leute nicht in Betracht. Tatsächlich ist die Verfassungswidrigkeit der NPD aus dem öffentlich zugänglichen Material, aus Reden und Artikeln ihrer Funktionäre etwa, mühelos nachweisbar. Daher benötigt man hierfür die V-Leute nicht. Nach eigenen Angaben beschafft sich z.B. der niedersächsische Verfassungsschutz seine Informationen nur zu zwanzig Prozent über nachrichtendienstliche Mittel und davon nur teilweise über V-Leute. Die offenen Erkenntnisquellen reichen also aus.

Die V-Leute dienen im übrigen ohnehin nicht der Aufklärung, sondern fungieren als staatlich bezahlte Nazihetzer, die teilweise sogar zur Radikalisierung der Partei beigetragen haben. So hat der V-Mann Wolfgang Frenz eine üble antisemitische Hetzschrift verfaßt, die im ersten Verfahren als Beweismittel herhalten sollte. Derselbe Wolfgang Frenz hat behauptet, nur mit Hilfe der Gelder vom Verfassungsschutz habe er den NPD-Landesverband NRW aufbauen können. Damit liegt sogar der Verdacht einer staatlichen Steuerung nahe!

Der Nutzen der V-Leute ist oft gering. Im Prozeß gegen die Nazirockband »Weiße Wölfe« erhielt ein V-Mann keine Aussagegenehmigung durch das NRW-Innenministerium, so daß das Verfahren mit einem Freispruch endete. Polizeiliche Zugriffe auf Nazistrukturen unterbleiben oft, weil die Behörden ihre Spitzel schützen wollen, die im Falle einer Polizeiaktion »verbrannt« wären.

Das gesamte V-Mann-Unwesen darf kein Hindernis für ein NPD-Verbotsverfahren sein, sondern ist im Gegenteil zu beenden. Die Durchsetzung der NPD mit V-Leuten begann als Zusammenarbeit ehemaliger Funktionäre mit dem Verfassungsschutz und trägt eher Züge von Kumpanei als von Ausspähung. Ihre Informationen sind unzuverlässig, denn vielfach arbeiten sie mit Wissen anderer NPD-Funktionäre und geben gezielte Falschinformationen an die Behörden. V-Leute erhalten Straffreiheit für szenetypische Straftaten – dies ist rechtsstaatlich bedenklich. V-Leute sind oft Schwerkriminelle; der V-Mann-Führer Sebastian Seemann rüstete die NPD mit Waffen auf, handelte mit Drogen und verübte einen bewaffneten Raubüberfall. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) verhinderte Ermittlungen gegen seinen Verbindungsmann.

Dieser unwürdigen staatlichen Kumpanei mit zwielichtigen Figuren muß endlich ein Ende gesetzt werden. Die Linke fordert daher die Abschaltung und den Abzug aller V-Leute des Verfassungsschutzes aus den Gremien der NPD. Die Mehrheit im Innenausschuß und im Plenum des Bundestags lehnte einen entsprechenden Antrag leider am 29. Januar ab. 

Nachweisbare Aggressivität 

Bisweilen wird die Sorge geäußert, eine erneute Prozeßniederlage in Karlsruhe wäre für die Demokratie ein »Super-GAU«. Ein neuerliches Scheitern drohe vor allem deshalb, weil man nicht alle Verbotsvoraussetzungen nachweisen könne. Es reiche nämlich nicht aus, die inhaltliche Verfassungswidrigkeit der NPD festzustellen, sondern man müsse auch noch ihre Aggressivität darlegen. Dieser Hinweis ist richtig, und selbstverständlich muß ein Verbotsantrag sorgfältig begründet werden. Denn das Bundesverfassungsgericht hat im KPD-Urteil von 1956 den Artikel 21 Abs. 2 GG bezüglich der zu verbietenden Partei folgendermaßen ausgelegt: »Es muß eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen; sie muß planvoll das Funktionieren dieser Ordnung selbst beseitigen wollen.«Das KPD-Urteil war ein skandalöser Versuch, die politische Linke mit den Mitteln der Justiz zu diskreditieren. Es war Ausdruck des reaktionären Antikommunismus der »kalten Krieger« in der restaurativen Adenauer-Ära. So gesehen kann dieses abzulehnende Urteil kein Maßstab für die aktuelle Debatte sein. Dennoch ist seither in der Rechtswissenschaft anerkannt, daß bei einem Parteiverbot das Merkmal der »kämpferisch-aggressiven Haltung« zu prüfen ist. Es ist daher davon auszugehen, daß die Karlsruher Richter hierfür Beweise verlangen werden. Jedoch liegt dieses Merkmal bei der NPD zweifelsfrei vor. Das bedarf angesichts der ansteigenden rechtsextremistischen Gewalttaten, die im Jahre 2008 einen neuen Höchststand erreicht haben und für die eine Partei wie die NPD mitverantwortlich ist, keiner näheren Begründung mehr.Im übrigen hat der Deutsche Bundestag in seinem Verbotsantrag vom 29. März 2001 überzeugend nachgewiesen, daß sich aus der Selbstdarstellung der NPD deren aggressiv-kämpferische Haltung ergibt. In der Antragsschrift des Bundestags wird aus einer Rede des NPD-Funktionärs Holger Apfel (seit 2000 stellvertretender Parteivorsitzender, seit 2004 Landtagsabgeordneter in Sachsen) vom 7.2.1998 wörtlich wie folgt zitiert: »Wir, der nationale Widerstand, sind die einzige wirkliche Weltanschauungsbewegung in der bundesdeutschen Parteienlandschaft, mit der NPD als die organisierte Partei, die das politische System in der BRD bis auf die Wurzel bekämpft, auf die Wurzel ablehnt. (…) Jawohl, wir sind verfassungsfeindlich.« Die Bedrohungs- und Gewaltrhetorik sowie die gewalttätigen Übergriffe von NPD-Mitgliedern wurden in der damaligen Antragsschrift des Bundestags zu Recht angeführt. Seither hat sich die NPD bekanntlich noch weiter radikalisiert. Man darf daher sicher sein, daß sich die kämpferische Aggressivität dieser Partei vor Gericht nachweisen läßt. 

Keine Meinung, ein Verbrechen 

Als prinzipieller Einwand gegen jedes Parteiverbot bleibt die Frage, ob damit nicht in unzulässiger Weise die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt würde. Auch andere demokratische Staaten sehen daher vom Verbot rechtsextremistischer Parteien ab. Jedoch ist mit einem NPD-Verbot die Meinungsfreiheit in Wahrheit nicht tangiert. Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Neonazismus ist kein schutzwürdiges Gedankengut. Zudem verpflichtet uns die spezifische deutsche Geschichte zu dem NPD-Verbot, mögen auch andere Staaten mit einem anderen historischen Hintergrund insoweit »großzügiger« sein.

Allerdings führen CDU/CSU und SPD die Diskussion unter dem Stichwort »Kampf gegen Extremismus« in einer Weise, die erkennen läßt, daß infolge einer unzulässigen und ahistorischen Gleichsetzung von Rechts und Links Grundrechts­einschränkungen später auch gegen die Linke angewendet werden könnten. Deshalb ist die Beschneidung von Bürgerrechten wie durch das Versammlungsrecht in Bayern oder die Einschränkung der Befugnisse kleinerer Parlamentsfraktionen wie in Mecklenburg-Vorpommern abzulehnen, da diese Gesetzesverschärfungen als Bumerang auf die Linke zurückfallen würden. Aber ein NPD-Verbot wäre mit den heutigen Gesetzen längst durchführbar und kann daher keinen Vorwand für weitere Beschneidungen der Bürgerrechte liefern.

Richtig ist, daß wohl auch nach einem NPD-Verbot das faschistische Gedankengut weiterhin in den Köpfen bleiben würde. Studien belegen, daß zehn bis fünfzehn Prozent der Bevölkerung ein rechtsextremes Weltbild haben. Solche Einstellungen kommen aber erst dann zum Tragen, wenn sie eine organisatorische Entsprechung finden. Daher wäre ein NPD-Verbot sehr wohl nützlich, dürfte aber selbstverständlich nicht dazu führen, den Kampf gegen Rechts als abgeschlossen anzusehen. Ein NPD-Verbot ist nicht das Ende, sondern ein Teil des antifaschistischen Kampfes um die Köpfe.

Deshalb darf ein Verbotsverfahren auch nicht als rein staatliches Vorgehen betrachtet werden, mit dem sich am Ende Polizei und Justiz noch schmücken würden. Auch Bürgerrechtler wie der Jurist Rolf Gössner sehen die Gefahr, daß mit einem NPD-Verbot »der starke Staat demonstriert wird, hinter dem sich eine ziemlich schwache Demokratie verbirgt«. Daher muß die Verbotsforderung die Konsequenz aus einer antifaschistischen Massenaktivität sein und nicht der Ersatz für die Selbstaktivität der Bevölkerung gegen rechts.

Aus diesem Grund kommt der Fortsetzungskampagne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA) »NPD-Verbot jetzt!« so große Bedeutung zu. Mit 175000 Bürgerstimmen für ein NPD-Verbot wurde die erste Kampagne im November 2007 erfolgreich abgeschlossen. Die Fortsetzung wurde am 27. Januar 2009 gestartet. Es ist zu wünschen, daß sie diesmal zum dringend gebotenen Verbot der NPD führen wird.

siehe auch: www.npd-verbot-jetzt.de 

* Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke

Mit freundlicher Genehmigung von Junge Welt.