10.02.09
"Das Gewicht unserer eigenen Erfahrung mit
Faschismus und Krieg in die Waagschale werfen"
Den Protest gegen
Justizbehörden und den Innenminister richten
Ursula Richter vom Bündnis Dortmund gegen Rechts, Mitglied der
VVN-BdA und Mitinitiatorin der antifaschistischen Seniorenaktion „65plus“,
hielt am 31.01.2009 auf der Protestdemonstration gegen den
Dortmunder Polizeipräsidenten Hans Schulze diese Rede:
"Wenn Nazis marschieren, ist Widerstand Pflicht!" Das
ist die Losung von uns AntifaschistInnen, jungen und alten, eine
Losung und ein Handeln, das nach den ungeheuren Verbrechen des
Hitlerfaschismus nur folgerichtig ist. Am 30. Januar 1933 begann mit
der Machtübergabe an Adolf Hitler und die NSDAP das dunkelste und
barbarischste Geschehen in der Geschichte der Menschheit.
"Wenn Nazis marschieren, müssen ihre Aufmärsche geschützt
werden!", dieser Auffassung ist die Justiz. Sie hält das
Demonstrations- und Versammlungsrecht für ein so hohes und
demokratisches Gut, dass auch die erklärten Feinde der Demokratie
davon profitieren sollen. Dafür schränkt sie dann die Bewegungs-
und Meinungsfreiheit von Antifaschisten gerne ein.
Den Artikel 139 GG, der alle Nachfolgeorganisationen der NSDAP
unter Strafe stellt und verbietet, ignoriert sie, wie auch andere
antifaschistische und antimilitaristische Artikel des Grundgesetzes.
Würde sie ihn anwenden, wäre auch das "Problem" des
NPD-Verbots längst vom Tisch.
Für unsere obersten Juristen ist aber die verbrecherische
Ideologie der Neonazis nur eine missliebige Meinung, die der
Rechtsstaat aushalten müsse.
So dürfen die Verbrecher mit der "missliebigen
Meinung", juristisch abgesegnet, ein um das andere mal
marschieren.
Und was tut die Polizei? Auftragsgemäß schützt sie die Nazis,
auch dann noch, wenn sie von denen tätlich angegriffen und ihre
Kollegen verletzt werden. Haben sie verdrängt, dass 3 Dortmunder
Polizeibeamte von dem Neonazi Berger erschossen worden sind? Oder
haben sie schlicht Angst vor der Aggressivität und Brutalität der
braunen Banden? Ihren Frust über ihre Einsätze lassen sie dann
lieber an den Antifas aus, besonders wenn diese jung und bunt b.z.w.
schwarz gewandet sind.
Sie sperrt ganze Stadtteile für die Neonazi-Aufmärsche ab und
macht sie für die Bewohner zu "demokratiefreien Zonen“. Die
SPD-Landtagsabgeordnete aus Dortmund Gerda Kieninger fragte empört
im Landtag nach der Rechtmäßigkeit solcher Maßnahme. Die Antwort
des Innenministers: Ja, die Polizei habe rechtmäßig gehandelt, es
sei in Zukunft bindend, die Durchführung von Nazi Demonstrationen
zu gewährleisten. Die Einschränkung der Grundrechte der Bürger
sollte zwar möglichst niedrig gehalten werden, aber sie wäre
generell hinzunehmen.
Was für eine Umkehrung aller demokratischen Normen! Ich denke,
es ist höchste Zeit, unseren Protest gegen die Justiz und besonders
gegen diesen Innenminister zu richten.
Die Polizei ist letztlich Ausführerin eines pervertierten
Demonstrationsrechts und dennoch hat sie Spielraum in ihrem Handeln
zugunsten der Bürger und Antifaschisten. Sie durfte zwar einen
ganzen Stadtteil absperren, sie musste das nicht. Auch den Gang zu
den Stopersteinen der "Aktion 65plus" hätte sie nicht
verbieten müssen, hat sie aber. Auch hätte sie mich nicht als
"Leiterin einer verbotenen Demonstration" am 6. 9.
anzeigen müssen.
Wenn ich die Ursache in der Duldung, Genehmigung und letztlich
Unterstützung der Nazi-Umtriebe bei der Justiz und den
Innenministern sehe, will ich das Handeln dieser Dortmunder
Polizeileitung keineswegs schön reden. Beispiele aus anderen
Städten zeigen, dass Polizei auch ganz anders handeln kann. Auch
wir in Dortmund hatten mal einen Polizeipräsidenten, der mit den
Demokraten und Antifaschisten zusammengearbeitet hat. Davon ist der
jetzige PP weit entfernt.
Ich gehe noch einmal kurz auf die" Aktion 65plus" und
das Verhalten der Polizeileitung ein:
Wir alten AntifaschistInnen wollten nicht mehr ertragen, dass
seit Jahren der Protest von tausenden Menschen gegen die
Naziaufmärsche am Verhalten der Polizeileitung scheiterte und junge
Menschen, die sich mit dem pervertierten Demonstrationsrecht nicht
abfinden wollen, verfolgt und kriminalisiert werden.
Wir wollten nicht nur das Gewicht unserer Lebensjahre, sondern
vor allem das Gewicht unserer eigenen Erfahrung mit Faschismus und
Krieg in die Waagschale werfen. Wir wollten und wir wollen das auch
weiterhin, uns im Wortsinne widersetzen!
Hier hätte die Polizeileitung die Chance gehabt, eine Aktion von
politischem und moralischem Gewicht, die schon im Vorhinein auf
große Zustimmung in der Öffentlichkeit verweisen konnte, zu
tolerieren, wenn nicht gar zu unterstützen. Hier hätte man dem
Nazi-Aufmarsch an den Stolpersteinen ein politisch begründetes Ende
bereiten können. Ihr wisst, wie die Geschichte ausging: Uns wurde
der Weg zu den Mahnmalen gegen die Hitlerbarbarei verboten, aber 700
Menschen, alte und junge ließen sich nicht davon abhalten, mit uns
diesen Gang zu machen.
Eine Blamage für das Verhalten der Polizeileitung, ein kleiner
Sieg in Sachen Zivilcourage und Bürgermut! (Das Verfahren gegen
mich wurde inzwischen eingestellt. Auch der Staatsanwalt schien mit
seiner Sympathie eher auf unserer Seite, es heißt aber, juristisch
musste er ein Bußgeld verhängen. Ich werde es dem Förderverein
Gedenkstätte Steinwache zukommen lassen.)
Wie untätig die Dortmunder Polizei sein kann, wenn
AntifaschistInnen von Nazis schikaniert und bedroht werden, auch
dazu kann ich Auskunft geben. Zum 3. Mal sind wir Opfer eines
Farbanschlags geworden, die offene Drohung "Wer sich uns in den
Weg stellt, muss mit den Konsequenzen rechnen!" Auch das
alarmiert die Polizei nicht, die "Nachforschungen" wurden
stets ohne Ergebnis eingestellt, das Beweismaterial nicht zur
Kenntnis genommen. Im jüngsten Fall mussten wir nach mehreren
Wochen, ohne das irgendetwas geschah, an den PP schreiben und
bekamen die Auskunft, dass die Sache noch in Bearbeitung sei. Auch
ein politischer Hintergrund werde geprüft.
Mein Resumee: dieser PP ist auf dem rechten Auge blind und kommt
seiner Verantwortung, die Bürger dieser Stadt vor rechten
Verbrechern und Kriminellen zu schützen, nicht nach!
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