04.02.09
Polizeichef soll Gestaltungsspielraum nutzen
Westfälische Rundschau vom 02.02.2009: Demonstranten für
Rücktritt des Dortmunder Polizeichefs Dortmund
Von Alexander Voelkel
Dortmund. Rund 200 Demonstranten haben am Samstag den Rücktritt
des Dortmunder Polizeipräsidenten Hans Schulze gefordert. Sie
kritisieren, dass dieser Neonazi-Aktivitäten ignoriert, geduldet
und verharmlost habe und Antifaschisten unter Repressalien zu leiden
hätten, so die Veranstalter.
Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Links-Partei) hatte die
Demo angemeldet, zu der das Bündnis gegen Rechts gemeinsam mit
anderen Organisationen aufgerufen hatte. Nicht die Polizei als
ganzes, sondern deren Führungsspitze hatten die Demonstranten im
Visier: „Hans Schulze zeichnet sich seit Jahren durch eine
beharrliche Blindheit auf dem rechten Auge aus und spielt den
Neonazis in die Hände“, so Jelpke. Er müsse endlich eingestehen,
dass Dortmund ein Naziproblem habe – selbst die Stadtspitze habe
dies mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Toleranz,
Vielfalt und Demokratie dokumentiert.
Polizeichef soll
Gestaltungsspielraum nutzen
Ursula Richter vom Bündnis gegen Rechts ging mit der Justiz und
der Polizeiführung hart ins Gericht: Zwar spreche die Justiz den
Neonazis als Feinden der Demokratie demokratische Rechte zu und
zwinge die Polizei, deren Aufmärsche zu schützen. Allerdings gebe
es dabei Spielräume: „Der Innenminister hat zwar bestätigt, dass
der Polizeipräsident beim letzten Neonazi-Aufmarsch einen ganzen
Stadtteil abriegeln durfte – er musste aber nicht“, betonte
Richter. „Auch den Gang zu den Stolpersteinen der „Aktion 65
plus“ hätte er nicht verbieten müssen. Hat er aber“, betonte
die engagierte Antifaschistin. Beispiele aus anderen Städten
zeigten, dass die Polizeiführung auch anders handeln könne. Gegen
Ursula Richter hatte die Behörde während des Aufmarschs wegen der
Leitung der untersagten Stolperstein-Demo ein Verfahren eingeleitet,
welches mit der Auflage von 250 Euro Geldbuße vom Gericht
eingestellt worden war.
Versuch der Solidarisierung mit den
Beamten
Helmut Manz – zuletzt Anmelder mehrer großer Demonstrationen -
versuchte, den Polizeibeamten eine Brücke der Solidarität zu
bauen. Natürlich wüssten die Antifaschisten, dass die Polizei die
Aufmärsche von Gesetz wegen schützen müssten. „Und ich weiß,
dass sie die Morde am liebsten verhindert hätten. Aber ihre Spitze
denkt da anders“, spielte Manz auf die Ermordung des Punkers
Thomas „Schmuddel“ Schulz durch einen 17-jährigen Neonazi im
Jahr 2005 und an die drei ermordeten Beamten durch den Neonazi
Michael Berger. Polizei und Justiz sprachen dabei von einer nicht
politisch motivierten Tat, obwohl sich die Szene in beiden Fällen
mit den Mördern solidarisiert hatte. „Wir sind die Einzigen, die
noch ihren Kollegen gedenken“, betont Manz.
Allerdings sei es nicht hinzunehmen, dass Antifaschisten in
Dortmund drangsaliert, bedroht und verletzt würden, ohne dass die
Staatsmacht durchgreife. Repressalien durch die Behörden hätten
dann oft die Opfer, nicht aber die Neonazis zu erleiden. Wenn Hans
Schulze daran nichts ändern wolle, sei er auf diesem Posten fehl am
Platz und solle als Polizeichef zurücktreten, forderten die
Demonstranten.
Quelle: Westfälische Rundschau, 02.02.2009
Halterner Zeitung vom
31.01.2009: Interview: Polizeipräsident zu Rücktrittsforderungen
von Demonstranten
Von Oliver Volmerich
DORTMUND Mittels einer Demonstration forderten linke Gruppen rund
um das Bündnis Dortmund gegen Rechts am Samstagmittag den
Rücktritt von Polizeipräsident Hans Schulze. Ihm wird vorgeworfen,
zu nachsichtig mit Neonazis in der Stadt umzugehen.
Herr Schulze, berührt Sie der Vorwurf?
Hans Schulze: Es ist ungewöhnlich, dass inhaltliche Differenzen
so personifiziert werden. Insofern berührt mich das.
Gibt es denn nicht Gespräche mit dem Bündnis gegen
Rechts?
Schulze: Wir haben mit dem Bündnis gegen Rechts schon viele
Gespräche geführt. Es ist allerdings nicht ganz einfach mit allen
Gruppen ins Gespräch zu kommen. Aber das Angebot ist immer da.
Einer der Vorwürfe lautet, Sie leugneten, dass Dortmund ein
Problem mit Neonazis habe und die Polizei unternehme zu wenig
dagegen.
Schulze: Es ist schwierig etwas zu Vorwürfen zu sagen, die
völlig haltlos sind. Wir haben zum Beispiel ein eigenes
Kommissariat, dass sich mit Rechtsextremismus beschäftigt, arbeiten
mit im Bereich Prävention. Und allein bei der letzten Demonstration
gab es 140 Strafanzeigen gegen Rechte.
Also gibt es ein Problem mit Neonazis in Dortmund?
Schulze: Ich habe das nie geleugnet. Das wäre abwegig. Wir gehen
damit offen um. Es gibt in Dortmund einen harten Kern von 60 bis 80
Leuten, die in der rechten Szene sehr aktiv sind.
Ein konkreter Vorwurf ist der Bustransport, der im Mai 2007
für Neonazis organisiert wurde.
Schulze: Da ging es um Sicherheit. Es wäre unmöglich gewesen,
die Rechten durch die Innenstadt marschieren zu lassen.
Die Polizeibehörde muss immer auf dem Boden des Rechtsstaates
stehen
Dann geht es um die Strafverfolgung für die „Aktion 65 plus“,
die bei der letzten Neonazi-Demo einen Protestzug vom Wasserturm am
Heiligen Weg bis zur Synagoge organisiert hat …
Schulze: Uns war als Ziel genannt worden, die rechte
Demonstration zu blockieren. Das konnten und durften wir nicht
zulassen.
Für den 5. September ist die nächste Neonazi-Demo
angekündigt. Sehen Sie nach dem aggressiven Auftreten der Rechten
im vergangenen Jahr Gründe für ein Verbot?
Schulze: Ich wüsste nicht, was das sein könnte. Man müsste
konkrete Straftaten nachweisen. Diese Prognose ist schwer zu
führen. Und das Bundesverfassungsgericht hat bislang immer
zugunsten der Demonstrationsfreiheit entschieden – auch wenn damit
die Bewegungsfreiheit vieler Bürger eingeschränkt wird. Mein Credo
ist: Die Polizeibehörde muss immer auf dem Boden des Rechtsstaates
stehen. Und das tun wir.
Aber Sie könnten persönlich ein Zeichen gegen Rechts
setzen.
Schulze: Es ist schwierig, Person und Behörde zu trennen. Als
neutraler Behördenleiter kann ich mich nicht auf irgendeine Seite
stellen.
Quelle: Halterner Zeitung, 31.01.2009
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