04.02.09
Mahntafel an Villa Springorum vorerst abgelehnt
Vorschlag für eine Mahntafel
zur Ruhrlade-Tagung vom 7.1.1933 wurde im Rathaus Dortmund erörtert
Aus einer Antragsbegründung von Ulrich Sander (VVN-BdA)
gegenüber dem zuständigen Ausschuss des Rates der Stadt Dortmund,
die Anregung zu einer Mahntafel zur Tagung der Ruhrlade vom 7.1.1933
betreffend:
"In Form einer Anregung an den Rat der Stadt Dortmund
(§24 GO) beantragten wir, die VVN-BdA, im Namen der Teilnehmerinnen
und Teilnehmer an Mahngängen am 7. Januar 2008 und am 8. November
2008, an der Grünanlage Hainallee eine Mahntafel anzubringen mit
dem Text: "Hier an der Ecke Eintrachtstraße/Hainallee, in der
Villa Springorum trafen sich am 7. Januar 1933 Franz v. Papen und
führende Ruhrindustrielle, um die Machtübertragung an Hitler
herbeizuführen. Viele Ruhrindustrielle unterstützten bereits vor
1933 die Ziele der Nazis. Sie profitierten von Krieg, Faschismus und
Holocaust."
Unsere Mahngänge führten uns an jenen Tagen zu den
Stolpersteinen für die Opfer des NS-Regimes. Wir sind der Meinung,
dass es auch Erinnerungstafeln an die Täter geben sollte. Darunter
jene aus der Wirtschaft."
Dem Antrag wurde nicht zugestimmt. Zugestimmt wurde einem
Vorschlag des Stadtrates der Stadt Dortmund Jörg Stüdemann, der
besagt: Der genannte Textvorschlag eigne sich "eher für ein
wissenschaftliches Diskussionsforum (Kolloquium), ... denn für die
Verstetigung in Form einer 'Mahntafel' oder auch Informationstafel.
Wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse über den lokalhistorischen
Zusammenhang (Ruhr)Industrie und Machtergreifung Hitlers -
Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet und Ausbeutung von Zwangsarbeitern
- sollten perspektivisch betrachtet in die ständige,
wissenschaftlich fundierte Ausstellung 'Widerstand und Verfolgung in
Dortmund 1933-1945', dem zentralen Gedenk- und Erinnerungsort der
Stadt Dortmund, einfließen."
Ausführungen von Ulrich Sander
(VVN-BdA) am 3. 2. 2009 im Dortmunder Rathaus vor dem Ausschuss für
Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden.
Betr. Antrag für eine Mahntafel an
der Eintrachtstraße/Hainallee
In Form einer Anregung an den Rat der Stadt Dortmund (§24 GO)
beantragten wir, die VVN-BdA, im Namen der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer an Mahngängen am 7. Januar 2008 und am 8. November 2008,
an der Grünanlage Hainallee eine Mahntafel anzubringen mit dem
Text: "Hier an der Ecke Eintrachtstraße/Hainallee, in der
Villa Springorum trafen sich am 7. Januar 1933 Franz v. Papen und
führende Ruhrindustrielle, um die Machtübertragung an Hitler
herbeizuführen. Viele Ruhrindustrielle unterstützten bereits vor
1933 die Ziele der Nazis. Sie profitierten von Krieg, Faschismus und
Holocaust."
Unsere Mahngänge führten uns an jenen Tagen zu den
Stolpersteinen für die Opfer des NS-Regimes. Wir sind der Meinung,
dass es auch Erinnerungstafeln an die Täter geben sollte. Darunter
jene aus der Wirtschaft.
Zunächst lassen Sie mich betonen: Die Meldungen über die
Dortmunder Kirdorf-Siedlung - um ein regionales Beispiel der Ehrung
für einen finanzkräftigen Förderer des Nationalsozialismus zu
nennen - und die alarmierenden Berichte über die starke
unkontrollierte Stellung der Großbanken, die derzeit eine
ohnmächtige Öffentlichkeit bis ins Mark trifft, mögen uns alle
auf eine Lücke in der Erinnerungsarbeit aufmerksam machen. Es sei
daran erinnert, wie Anfang der dreißiger Jahre große Teile der
Wirtschaft die Krise mit einer Hinwendung zur Diktatur lösten - als
Mahnung für das Heute.
Zur Vorgeschichte der Geschehnisse an der Hainallee: Um sich im
engsten Kreise vertraulich über wichtige Fragen abzustimmen,
schlossen sich im Januar 1928 zwölf Industrielle zusammen, die sich
selbst als die "maßgebenden Herren der westlichen
Industrie" bezeichneten. Ihre Vereinigung nannten sie die
"Ruhrlade". Mit ihr und ihrem "engeren Kreis",
dem Krupp, Klöckner, Reusch, Springorum, Thyssen, Vögler und
Poensgen angehörten, hat sich der langjährige Dortmunder
Stadtarchivar Gustav Luntowski in seinem Buch "Hitler und die
Herren an der Ruhr - Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten
Reich" befasst. Er konnte aus bisher ungenutzten Quellen,
darunter den Privatarchiven der Herren der Ruhrlade, schöpfen und
kam nicht umhin festzustellen, dass "eine Mitverantwortung der
Industriellen für das nationalsozialistische Unrechtssystem"
nicht zu verneinen sei. Stärkere Urteile wären aufgrund des
zusammengetragenen Materials möglich gewesen, erschienen dem
Historiker aber wohl nicht opportun.
Das wirtschaftspolitische und allgemeinpolitische Programm der
Ruhrlade, die am 7. Januar 1933 in der Springorum-Villa an der
Hainallee tagte, schrie geradezu nach einem Mann wie Hitler. Das
belegt das Buch.
Großindustrie rief schon vor 1933
nach Hitler als Kanzler
Zur Entlastung des Großkapitals wird heute gern angeführt: Die
Zahl derer aus der Wirtschaft, die schon vor 1933 Hitler und seine
Partei förderten, sei gering gewesen. Und auch die
Industrielleneingabe von 1932 an Reichspräsident Hindenburg
zugunsten Hitlers sei ohne Wirkung geblieben, erst nach dem 30.
Januar 1933 seien die Industriellen auf die Gegebenheiten
eingeschwenkt, vorher hätten sie die Zusammenarbeit mit der NSDAP
verweigert. Tatsächlich aber standen für die Nazipartei wie für
einzelne Nazis schon Jahre vor 1933 unzählige Finanztöpfe bereit.
Von der Eingabe an Hindenburg veröffentlichte das Stadtarchiv
Dortmunds in einer Ausstellung in der Gedenkstätte Steinwache ein
Begleitschreiben, mit dem die Herren Albert Vögler, Paul Reusch und
Fritz Springorum unter dem Eingangsstempeldatum des Büros des
Reichspräsidenten vom 22. 11. 32 mitteilen, daß sie "voll und
ganz auf dem Boden der Eingabe stehen".
Auf die "nationalsozialistischen Wirtschaftsideen" mit
all ihrer antikapitalistischen Demagogie mußten sie jedoch noch mit
"Vernunft" Einfluß nehmen. Reusch, Schacht und Vögler
vereinbarten 1932, "erprobte Herren" einzustellen und zu
bezahlen, um die Wirtschaftspolitik der Nazis "zu formen".
Es wird gesagt, und auch Herr Stüdemann schrieb uns dies: Die
Großwirtschaft habe noch im Januar 1933 eine Regierung Papen
gewollt, keine Regierung Hitler. Bereits im Dezember 1932 war aber
in einem vertraulichen Bericht aus dem "Verein zur Wahrung der
gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und
Westfalen" (Langnamverein) konstatiert worden, "daß fast
die gesamte Industrie die Berufung Hitlers, gleichgültig unter
welchen Umständen, wünscht". (Aufgefunden im Bundesarchiv,
bei Luntowski S. 80)
Eine Gedenktafel der Stadt Köln befindet sich seit 1996 vor dem
Hause Stadtwaldgürtel 35. Sie trägt im Stile der Stolpersteine die
Inschrift: "Hier, im Haus des Privatbankiers Kurt Freiherr von
Schröder, trafen sich am 4. Januar 1933 Adolf Hitler und Franz von
Papen, um über eine Regierungsbildung zwischen Nationalsozialisten
und Rechtskonservativen zu beraten. In einem Gespräch wurden die
Weichen für Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933
gestellt und die Voraussetzungen für die menschenverachtende
Diktatur der Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder
unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des Nationalsozialismus und
organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen der deutschen
Wirtschaft an die SS."
Zu unserem Antrag hier in Dortmund hat uns die Tafel aus Köln
ebenso angeregt wie die Erkenntnis, dass eine Lücke der
Geschichtsdarstellung zu schließen ist. Herr Stüdemann hat uns
dazu in einem Brief geantwortet.
Es wird darin gesagt, das Engagement der Großunternehmen beim
Aufstieg des NS werde von der Geschichtswissenschaft der letzten
Jahre als gering eingestuft. In den allerletzten Jahren ist das
nicht mehr so. Ich verweise auf Adam Tooze. Dieser britische
Historiker schrieb das Buch "Ökonomie der Zerstörung"
über die enge Kooperation der deutschen Industrie mit Hitler. Das
entlockte dem Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler eine
begeisterte Rezension ("außergewöhnliche Forschungs- und
Interpretationsleistung", über Adam Tooze: Ökonomie der
Zerstörung. Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus,
Siedler Verlag, München 2007, 927 S., 44 Euro) Wehler: "Die
westdeutsche Zeitgeschichte hatte bisher ebenso wenig wie die
westeuropäische oder amerikanische Forschung ein solches Werk
hervorgebracht, das sich auf der Höhe des gegenwärtigen
Kenntnisstandes und Reflexionsniveaus bewegt."
Die Schwerindustrie wollte die
Abschaffung der Demokratie und der Linken
Ich verweise auf Seite 129 bei Tooze über das wenig bekannte
"Spenden-Rendezvous" Hitlers mit der Schwerindustrie drei
Wochen nach der Machtübergabe in Görings
Reichtagspräsidentenpalais: "Einmal ganz abgesehen von den
Folgen, zählt dieses Treffen vom 20. Februar [1933] zu den
berüchtigtsten Beispielen für die Bereitschaft des deutschen
Großunternehmertums, Hitler bei der Aufstellung seines
diktatorischen Regimes beizustehen." ... "Krupp und
Konsorten (wurden) von Hitler nie gezwungen, sich seinem
gewalttätigen Antisemitismus oder sich seinen Eroberungsplänen
anzuschließen." Entscheidend war das, was Hitler den
Industriellen versprochen und schließlich auch durchgesetzt hatte:
"das Ende der parlamentarischen Demokratie und die Vernichtung
der deutschen Linken" (S. 129).
Die "gesunden Profite"
lockten
Tooze eindeutig: "Und für genau dieses Versprechen leistete
ein hoher Prozentsatz der deutschen Großindustrie gerne eine
gehörige Anzahlung" (ebd.). Allein bei diesem Treffen waren es
drei Millionen Reichsmark für den Fonds zur Wahl im März, die -
das war korrekt versprochen - nun wirklich die letzte sein sollte.
Der britische Historiker: "Krupp und Konsorten waren willige
Partner bei der Vernichtung des politischen Pluralismus in
Deutschland" (ebd.). Tooze: "Faktisch aber waren es die
Spenden vom Februar und März 1933 gewesen, die einen wirklich
entscheidenden Beitrag leisteten. Denn sie waren für die Partei
just in dem Moment eine kräftige Finanzspritze, als die ungemein
knapp bei Kasse war und, wie Göring so richtig vorausgesagt hatte,
vor der letzten Wahl ihrer Geschichte stand."
Am Ende seines Buches stellte Tooze die Frage, warum die Lobby
der deutschen "Privatwirtschaft" dann den
"drastischen Eingriff der Staatsmacht nach 1933"
überhaupt tolerierte, immerhin habe doch das Großunternehmertum
zuvor das "Reformstreben" der Weimarer Republik noch
massiv behindert (S. 757). Tooze: Zwar widersprach die
"autokratische nationalsozialistische Wende" deutlich der
"internationalen Agenda" - den Exportinteressen -, die die
deutsche Privatwirtschaft pflegte, doch der "autoritäre
Stil", den Hitlers Koalition in der Innenpolitik pflegte,
"gefiel ihr dafür ausnehmend gut, nicht weniger gut als die
gesunden Profite, die seit Mitte der dreißiger Jahre auf sie
zurollten" (ebd.).
Wer an das Dogma glaubt, das auch aus dem Brief von Herrn
Stüdemann spricht, daß die Unterstützung der Großindustrie für
Hitler ein "Mythos" sei, dem macht Tooze deutlich, daß
sie sich 1933 "dem politischen Wandel nicht entgegen [stellte],
wie während der ersten Revolution in Deutschland 1918/19, sondern
sich Hitlers ›Nationaler Revolution‹ in vielen entscheidenden
Punkten als willfähriger Partner" anbot (S. 166). Selbst an
privatwirtschaftlichen Schauplätzen, wo man eigentlich "etwas
Widerstand" erwartet hätte, stießen die Vertreter der
Nazipolitik, schreibt der Autor in seiner "Ökonomie der
Zerstörung", auf "bereitwillige Kollaborateure". Ob
Autarkieprogramm, die Aufrüstung oder sogar die große Zahl neuer
Überwachungsbehörden - "alles fand den Beifall und die
tatkräftige Unterstützung von erfahrenen Firmenchefs, deren
Fachwissen dem Regime mit freundlicher Genehmigung der gesamten
deutschen Industrie zur Verfügung gestellt wurde" (ebd.).
Es trifft zu, dass in der historischen Literatur die Treffen
Hitlers und seiner Leute, wozu ab Dezember 1932 zweifellos auch
Papen gehörte, mit der Großindustrie, vernachlässigt werden. Das
Treffen im Februar 1933 weniger, das Treffen am 7. Januar in
Dortmund mehr. Die Teilnehmer dieser Treffen waren zumeist nach 1945
wieder aufgestiegen und es war nicht üblich, ihnen Vorhaltungen zu
machen. Aber das ändert nichts an den Tatsachen.
Schon im Januar sammelte die
"Ruhrlade" für Hitlers Wahlkampf
Einige Tage nach dem Zusammentreffen in Köln vom 4. Januar 1933
zur Machtübertragung an Hitler trafen sich die Teilnehmer des
Treffens in Dortmund und Mülheim (hier auch mit Kirdorf!). Papen
informierte über das geheime Konferenzergebnis von Köln. Bei
diesen Gesprächen wurde eine Million Reichsmark für die NSDAP
bewilligt. (lt. Hallgarten S. 116). Dies Aussicht, dass es auf lange
Zeit keine Wahlen mehr geben sollte, verlockte schon vor dem 30.
Januar viele der großen Finanz- und Industriemänner zur Zustimmung
zur Hitlerkanzlerschaft. Diese Zahlungen waren gegen die letzte
Weimarer Reichsregierung und für die Diktatur bewilligt worden.
Zitiert sei aus dem Buch Hallgarten/Radkau "Deutsche
Industrie und Politik", Reinbek/Hamburg 1981: "Am 7.
Januar - drei Tage nach dem Treffen mit Hitler bei von Schröder in
Köln - machte Papen auf der Fahrt nach Berlin, wo er Hindenburg zu
bearbeiten plante, in Dortmund halt und besprach seine Pläne mit
von ihm rasch zusammengerufenen Mitgliedern der 'Ruhrlade' - jenes
geheimen Kreises ganz weniger industrieller Potentaten, der seit
1928 faktisch die Geschicke der deutschen Schwerindustrie
leitete." ... "Die Ruhrlade wußte, daß Papen, den sie
als ihren politischen Sachwalter ansah, auf eine Diktatur mit
Hitlers Beteiligung hinsteuerte, wie auch immer das Kabinett im
einzelnen aussehen mochte." Berichtet wird, "daß die
Sitzung in Dortmund unter anderem von Vögler und von Springorum
(Hoesch) besucht war." Die Hitler-Partei wurde "damals
unmittelbar nach `Köln` von einem Konsortium unter Leitung der
beiden genannten Industriellen aus finanziellen Nöten
gerettet" (S. 217/218) Die Wertigkeit des Treffens vom 7.4.33
in der Villa Springorum war daher erheblich.
Bitte stimmen Sie unserem Antrag für eine Mahn- und
Erinnerungstafel zu.
(Die Ausführungen wurden gekürzt vorgetragen. Sie stützen
sich z.T. auf Untersuchungen von Otto Köhler, veröffentlicht in
der Jungen Welt.)
Brief Jörg Stüdemanns vom
14.01.2009 an die Mitglieder des Ausschusses für Bürgerdienste,
öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden zur Mahntafel an
der Eintrachtstraße/Hainallee
Eingabe des Herrn Ulrich Sander, VVN-BdA Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten in Dortmund zur Drucksache-Nr.:
13704-08
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Anregung des Petenten, Ulrich Sander, VVN-BdA Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten in Dortmund, an der Grünanlage
Hainallee eine Mahntafel anzubringen mit dem Text
"Hier an der Ecke Eintrachtstraße/Hainallee, in der Villa
Springorum, trafen sich am 7. Januar 1933 Franz v. Papen und
führende Ruhrindustrielle, um die Machtübertragung an Hitler
herbeizuführen. Viele Ruhrindustrielle unterstützten bereits vor
1933 die Ziele der Nazis. Sie profitierten von Krieg, Faschismus und
Holocaust."
kann nach wissenschaftlicher und historischer Überprüfung durch
das Stadtarchiv/Mahn- und Gedenkstätte Steinwache aufgrund der
fehlerhaft eingestuften historischen Wertigkeit des o.g. Treffens
und der daraus gezogenen pauschalierten Schlussfolgerungen in dem
vorgeschlagenen Text nicht befürwortet werden. Die vorgeschlagene
inhaltliche Form einer "Mahntafel" steht demnach weder
nachhaltig im Kontext der überregionalen, noch der lokalen
Rezeption der NS-Geschichte, was das damit verbundene Mahnen oder
Gedenken der Stadt Dortmund an unterschiedliche Opfergruppen des
NS-Regimes angeht.
Die im vorgeschlagenen Text bezeichneten "führenden
Ruhrindustriellen" oder "viele Ruhrindustriellen"
darunter assoziativ Fritz Springorum jun. (Generaldirektor der
Hoesch AG) als involvierte "Vorbereiter'' für die
Machtübertragung an Hitler und die NSDAP einerseits, als
"Profiteure" des Krieges, Faschismus und Holocaust
andererseits zu bezeichnen, ist historisch unzutreffend.
Das politische Engagement der deutschen Großunternehmen beim
Aufstieg des Nationalsozialismus wird in der Geschichtswissenschaft
in den letzten Jahren eher als gering eingestuft. Was das
spezifische Verhalten und Agieren der Dortmunder Wirtschaftsführer
und Generaldirektoren der Schwerindustrie Albert Vögler (Vereinigte
Stahlwerke) und Fritz Springorum jun. (Hoesch AG) während der
NS-Zeit anbetrifft, so liegen diesbezüglich nur fragmentarische
wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Dies gilt auch für die vom
Petenten angeführte Darstellung des Historikers und ehemaligen
Leiters des Stadtarchivs Dortmund (Luntowski, G., Hitler und die
Herren an der Ruhr. Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten
Reich, Frankfurt 2000, S. 84 ff.). In diversen Abhandlungen
renommierter Fachhistoriker mit dem Forschungsschwerpunkt
Nationalsozialismus (u. a. Henry A. Turner, Hans Mommsen, Ian
Kershaw, Heinrich August Winkler, Dietrich Bracher usw.) findet das
angeführte Gespräch zwischen Fritz Springorum jun. und dem mit ihm
befreundeten Franz von Papen vom 7. Januar 1933 überhaupt keine
Erwähnung, steht es doch ganz im Schatten der 3 Tage zuvor am 4.
Januar 1933 erfolgten Zusammenkunft von Hitler und Franz von Papen
im Haus des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder (frühes NSDAP- und
späteres SS-Mitglied) in Köln. Hier sind da ist sich die
historische Forschung einig unter der aktiven Beteiligung Hitlers
die Weichen für die Machtübergabe an ihn und die NSDAP geschaffen
worden. Aber auch an diesem Treffen waren nicht die führenden
Industriellen des Reiches beteiligt.
Der Textvorschlag des Petenten rechtfertigt in Bezug auf die
Studie Luntowskis nur die faktische Erkenntnis des besagten Treffens
vom 7. Januar 1933. Die inhaltliche Erkenntnis daraus wäre, dass es
bei dem Treffen Papens mit den genannten "führenden
Ruhrindustriellen" am 7. Januar 1933 in der Villa Springorum
offensichtlich nicht darum gegangen ist, "die Machtübertragung
an Hitler herbeizuführen", also Hitler zur Reichskanzlerschaft
zu verhelfen. In der Hauptsache lag den bei Springorum versammelten
Industriellen zu diesem Zeitpunkt daran, den Ex-Reichskanzler Franz
von Papen (Zentrumspartei) zum Eintritt in die DNVP
(Deutschnationale Volkspartei) zu bewegen, da die meisten
Industriellen noch am 7. Januar 1933 glaubten, dass durch Papens
Mitwirkung in der Führung der DNVP eine Sammlung aller nationalen
Kräfte (außerhalb der NSDAP) möglich sein könnte.
Es besteht zwar kein Zweifel darüber, dass auch die
Großindustriellen der Schwerindustrie an Rhein und Ruhr darunter
auch die Dortmunder Wirtschaftsführer Albert Vögler (Vereinigte
Stahlwerke) und Fritz Springorum jun. (Hoesch AG) ihren Teil zur
Konsolidierung des Dritten Reiches beigetragen und "ihre"
Industrieunternehmen später im Zusammenhang mit dem von
Hitlerdeutschland entfachten Weltkrieg durch die Ausbeutung
ausländischer Zwangsarbeit "Profit" gemacht haben. Dies
trifft mehr oder weniger für die meisten Industrieunternehmen,
insbesondere aber für alle Rüstungsbetriebe des Dritten Reiches,
zu. Die Industriellen jedoch, rückwirkend betrachtet, schon 1933
für die Machtübertragung an Hitler und daraus schlussfolgernd für
die Verbrechen des Holocaust mitverantwortlich zu machen, entspricht
nicht dem aktuellen Forschungsstand der Geschichtswissenschaft.
Insgesamt lässt sich sagen, dass sich der komplizierte
historische Hintergrund des o. g. Textvorschlages eher für ein
wissenschaftliches Diskussionsforum (Kolloquium) eignen würde, denn
für die Verstetigung in Form einer "Mahntafel" oder auch
Informationstafel. Wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse über den
lokalhistorischen Zusammenhang (Ruhr)Industrie und Machtergreifung
Hitlers Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet und Ausbeutung von
Zwangsarbeitern sollten perspektivisch betrachtet, in die ständige,
wissenschaftlich fundierte Ausstellung "Widerstand und
Verfolgung in Dortmund 1933 1945", dem zentralen Gedenk- und
Erinnerungsort der Stadt Dortmund, einfließen.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Stüdemann
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