22.01.09
"Herr Biedermann hat die Brandstifter wieder
in seinem Dachstuhl einquartiert"
Die NPD ist keine Partei wie
jede andere
Martin Dietzsch
Die Innenminister der Länder und des Bundes haben sich im
Frühjahr 2008 mehrheitlich gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren
ausgesprochen. Das ist nicht überraschend, aber deshalb nicht
weniger fatal.
Die NPD ist keine Partei wie jede andere. Sie ist auch nicht
einfach nur "verfassungsfeindlich". Sie kombiniert eine
geschlossene, menschenverachtende Weltanschauung mit
Einschüchterung und Gewalt, und sie nutzt geschickt die Schwächen
des demokratischen Staates aus.
Die von ihr ausgehende Gefahr wird immer noch unterschätzt. Es
wächst so etwas heran, wie eine moderne NSDAP. Dass sie noch über
keine talentierte Führerfigur verfügt und noch weit von den
Schalthebeln der Macht entfernt ist, kann nur ein schwacher Trost
sein.
Die NPD ist nicht nur verfassungsfeindlich, sondern
verfassungswidrig, und man muss dem Bundesverfassungsgericht nur die
Chance geben, dies auch in einem Urteil festzustellen. Ein solches
Verbot würde das Problem des Rechtsextremismus nicht aus der Welt
schaffen. Es würde aber einer auch im europäischen Vergleich
ungewöhnlich gewalttätigen und radikalen Variante des
Rechtsextremismus die Flügel stutzen und den staatlichen Schutz
entziehen.
Erinnern wir uns. 2003 scheiterte der erste Anlauf zu einem
NPD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Klageschriften
führten öffentlich zugängliche Quellen gegen die NPD ins Feld,
vor allem Texte, die von der Partei selbst veröffentlicht worden
waren. Die Chancen für ein Verbot wurden damals als sehr hoch
eingeschätzt.
Es stellte sich aber heraus, dass einiges aus diesem
Belastungsmaterial von Autoren stammte, die über eine Nebeneinkunft
beim Staat verfügten und dass dies dem Gericht vorsätzlich
verschwiegen worden war. Das Bundesverfassungsgericht verlangte, ihm
gegenüber in Sachen V-Leute mit offenen Karten zu spielen. Dazu war
man nicht einmal ansatzweise bereit, und deshalb scheiterte das
Verfahren.
Hier ist nicht von Geheimagenten, von verdeckten Ermittlern, oder
von Aussteigern die Rede. V-Leute in der NPD und deren Umfeld sind
Rechtsextremisten, die Rechtsextremisten bleiben, die die
Organisation aktiv aufbauen und vorantreiben, und immer wieder kommt
es vor, dass sie auch an schweren Straftaten beteiligt sind. Sie
unterscheiden sich von ihren Kameraden nur durch eine kleine
Nebeneinkunft. Sie liefern auf konspirativem Wege Spitzelberichte an
ihren V-Mann-Führer. Die so erlangten Informationen haben
zweifelhafte Qualität, werden von den konkurrierenden
Geheimdiensten eifersüchtig gehütet, und sie sind so geheim, dass
sie nicht zu einer wirksamen Bekämpfung der NPD verwendet werden
können.
Die V-Mann-Dichte in der NPD ist sehr hoch. Jedes von der NPD
produzierte Material könnte durch die Mitwirkung von V-Leuten
"kontaminiert " sein. Man muss sich das einmal vorstellen:
Bei den Bundesvorstandssitzungen der NPD kommen die V-Männer des
Bundes und der Länder und der anderen Geheimdienste zusammen, die
alle von einander nichts wissen, und schreiben eifrig
Spitzelberichte über andere V-Männer. Und das Ganze nutzt der NPD
mehr als es ihr schadet.
Es sei nur daran erinnert, dass ein gewisser Adolf Hitler seine
politische Karriere als V-Mann der Reichswehr begann.
Von einer Kontrolle oder Steuerung der NPD durch die
Geheimdienste kann nicht die Rede sein, das gehört ins Reich der
Verschwörungsmythen und wird am eifrigsten von der NPD selbst als
Schutzbehauptung verwendet, wenn sich mal wieder einer der ihren bei
einer schweren Straftat hat erwischen lassen.
Geheimdienste entwickeln immer ein gewisses Eigenleben und werden
leicht zum Selbstzweck. Deshalb unterliegen sie auch der
demokratischen Kontrolle. Das sollte in demokratischen Staaten
jedenfalls so sein. Vielleicht fehlt es ja an tapferen Politikern,
die diese unpopuläre Kontrollfunktion auch wirksam ausüben? Liebe
Politiker, verschont uns bitte mit weiteren Verbotsdiskussionen,
wenn Ihr nicht die den Mut habt, das V-Mann Unwesen einzuschränken!
So wird die NPD also weiter als das gelten, was sie nicht ist:
als eine ganz normale Partei. Sie wird gefördert durch staatliche
Parteienfinanzierung und V-Mann-Gehälter; Spenden sind steuerlich
absetzbar. Sie bemüht die Gerichte, um Aufmärsche und Kundgebungen
zu erzwingen und Kritiker mundtot zu machen. Aus Polizeiperspektive
werden diejenigen zu "Störern", die mit bewundernswerter
Courage gewaltfrei Neonazi-Aufmärsche blockieren, um denen nicht
den öffentlichen Raum zu überlassen.
Schlagstöcke und Wasserwerfer gegen Demokraten, damit Neonazis
marschieren können.
Herr Biedermann hat die Brandstifter wieder in seinem Dachstuhl
einquartiert, und das einzige, was ihn stört, sind die nörgelnden
Nachbarn, die etwas von "Feuergefahr" faseln.
Martin Dietzsch ist Mitarbeiter des Duisburger Instituts für
Sprach- und Sozialforschung (www.diss-duisburg.de). Zusammen mit
Alfred Schobert verfasste er 2002 die Studie "V-Leute bei der
NPD. Geführte Führende oder führende Geführte."
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