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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

14.01.09

Spätes Platzen des Uniformkragens

25 Jahre alt ist der Skandal: Udo Voigt - NPD-Chef und Reserveoffizier

Von Ulrich Sander 

25 Jahre alt ist der Skandal. Nun haben ihn BILD und der Bundeswehr-Staatssekretär Christian Schmidt entdeckt. Schmidt ist seit 1977 Reservist der Bundeswehr, und 1984 bekam er gleich Tausenden einen Kollegen Reservisten hinzu: Den Hauptmann a.D. Udo Voigt. Schmidt ist CSU-Mitglied. Voigt ist NPD-Mitglied. Und derzeit NPD-Vorsitzender. In Interviews brüstet sich Voigt mit seinem Reservistenstatus. Der interessierte niemanden in der Truppe. Laut BILD ist Schmidt nun „der Kragen geplatzt“. BILD hatte auf den Reservistenkameraden Voigt aufmerksam gemacht. Andere Blätter liest Schmidt wohl nicht.

Nazi Voigt hatte in früher Jugend das getan, was 1995 in den Aufruf gekleidet wurde: „Junge Kameraden und Kameradinnen, die vor der Berufswahl stehen, unbelastet, intelligent und sportlich sind,“ sollen sich getarnt zu „einer Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei“ melden, „mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige Wissen und Können anzueignen.“ (Aus: „Umbruch“ von S. Hupka, 1995) Der Aufruf schließt mit den Worten: „Widerstand, der auf die Beseitigung eines volksfeindlichen Systems zielt, muss professionell geplant sein."

Und so ist Voigt gleich Tausenden Nazis ein Reservist – nicht nur gut ausgebildet, sondern auch einsatzbereit. Denn während Reservisten bis 2005 allenfalls zu Übungen geholt werden konnten, so werden sie seit Inkrafttreten des neuen Reservistengesetzes vom Februar 2005 auch zum Einsatz im In- wie Ausland geholt – am Hindukusch wie in Hindelang. Voigt ist also nach wie vor Bundeswehroffizier, räumte Schmidt ein. Und mit ihm gehören alle gedienten Männer im Alter bis zu 60 Jahren der Truppe an. Das steht im neuen Gesetz.

Auch der Deutsche Bundeswehrverband sieht sich außerstande, sich von Hauptmann d.R. und NPD-Chef Udo Voigt zu trennen. Die Satzung gäbe das nicht her, sagte ein Verbandssprecher. Hinter dieser Haltung wird nach Beobachtung von Mitgliedern des kritischen Soldatenverbandes „Darmstädter Signal“ Kalkül vermutet: Rechte Verbandsmitglieder sollen nicht verschreckt werden. Sogar die Bildungsvereinigung des Bundeswehrverbandes, die Karl Theodor Molinari Stiftung, ist nach einem hohen Nazi benannt. Es ist der in Frankreich wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilte Generalmajor a.D. Karl Theodor Molinari (1915-1993), der sowohl in der Wehrmacht wie auch in der Bundeswehr Dient tat.

Staatssekretär Christian Schmidt ist ebenfalls Reservist. Er gehört dem rechten Traditionsverband „Kameradenkreis der Gebirgstruppe e.V:“ an. Über den Verband, dem auch Veteranen angehören, die von griechischen und italienischen NS-Opfern als Kriegsverbrecher bezeichnet werden, hält Schmidt die schützende Hand. Er behauptet auf Anfragen der Linken im Bundestag: Die Gebirgstruppe hat keine „verbrecherische Vergangenheit“. Das ist dreist gelogen, wie dem Buch „Blutiges Edelweiß“ (Ch.Links-Verlag, Berlin, 2008) von Hermann Frank Meyer über die 1. Gebirgs-Division der Wehrmacht zu entnehmen ist, die einzige Division, die unter gleicher Bezeichnung 1. Gebirgs-Division bei der Bundeswehr weitermachen durfte. Und die lt. H.K.Frank solche Kriegsverbrecher in ihren Reihen hatte wie Hubert Lanz, Karl Wilhelm Thilo und Max Pemsel. Frank weist auf verlogene Darstellungen der Gebirgstruppe durch Kameradenkreispräsidenten Manfred Benkel hin: „Angesichts der zahlreichen Massaker, der Geiselerschießungen, der Zerstörung ganzer Ortschaften und Landstriche, der Ausplünderung der besetzten Länder, der Beteiligung an der Deportation der jüdischen Bevölkerung und vieler Grausamkeiten mehr fühlen sich die Angehörigen der Opfer durch Benkels Worte verhöhnt.“

Doch nicht nur die Bundeswehrreservisten-Offiziere Schmidt und Benkel schützen ihre „Kameraden unterm Edelweiß“, auch die Bundeskanzlerin hilft mit. Unterstützt vom römischen Kollegen Berlusconi klagt sie in Den Haag beim Internationalen Gerichtshof gegen Urteile höchster Gerichte Griechenlands und Italiens, mit denen den Opfern von SS und Gebirgstruppe Entschädigungen zugesprochen wurden. Die Urteile italienischer Strafgerichte gegen die deutschen Kriegsverbrecherveteranen werden ohnehin reihenweise von deutschen Staatsanwaltschaften kassiert – mit Ausnahme des Urteils gegen Gebirgsjäger-Leutnant a.D. Josef Scheungraber, der derzeit in München wegen 16fachen Mordes vor Gericht steht.

Im Falle Voigt ist Christian Schmidt nun der Kragen geplatzt, wie BILD schreibt. 25 Jahre zu spät. Bei linken Soldaten war das übrigens anders. Wer in Uniform gegen den Raketenbeschluss der Kanzler Schmidt (SPD) und Kohl (CDU) und gegen Nazikameraden protestierte – und das taten Hunderte, z.B. SDAJ-Mitglieder – wurde erst wochenlang eingesperrt und dann „unehrenhaft“ aus der Truppe entlassen. In Ostwestfalen findet zum Beispiel regelmäßig das Gedenken "Blumen für Stukenbrock" statt, mit dem an ein deutsches Kriegsgefangenenlager, Stalag 326 (VI K), erinnert wird, in dem 65.000 sowjetische Soldaten während der Naziherrschaft von der Wehrmacht umgebracht wurden. Als in den 80er Jahren Bundeswehroffiziere und –soldaten in Uniform teilnahmen, wurden sie entlassen. Da half es auch nicht, dass Minister an dem Gedenken teilnahmen, wie auch Soldaten aus anderen Armeen der Antihitlerkoalition.