12.01.09
Die vergessene Kommunistenhatz
»Der Spiegel« entdeckt ein
dunkles Kapitel der westdeutschen Nachkriegsgeschichte
Von Fabian Lambeck
In den bleiernen Jahren der Adenauer-Ära richteten westdeutsche
Gerichte ihren ganzen Ehrgeiz auf die Verfolgung von Kommunisten,
während viele Naziverbrecher ungeschoren davonkamen. Sogar dem
»Spiegel« war dieses im Westen lange tabuisierte Thema nun eine
kurze Meldung wert.
In der Rubrik Panorama des Hamburger Nachrichtenmagazins »Der
Spiegel« fand sich am Montag ein kurzer Beitrag mit dem Titel
»Politische Justiz« . Er bezog sich auf die Forschungen des
Freiburger Historikers Joseph Foschepoth. Dessen Studie »Rolle und
Bedeutung der KPD im deutsch-deutschen Systemkonflikt« wurde
jüngst in der »Zeitschrift für Geschichtswissenschaft«
veröffentlicht und bestätigt die Vermutungen vieler Linker: Die
westdeutsche Justiz verfolgte in den 50er und 60er Jahren
vornehmlich Kommunisten.
So seien zwischen 1951 und 1968 rund 125 000 Ermittlungsverfahren
gegen vermeintliche Kommunisten eingeleitet worden, von denen man
fast 7000 rechtskräftig verurteilte. Foschepoth weist darauf hin,
dass nur eine Minderheit der Beklagten tatsächlich auch Mitglied in
der KPD war.
Bei der Jagd auf Kommunisten war den Strafverfolgern anfänglich
das noch jungfräuliche Grundgesetz im Weg. Der Prozessboom gegen
die politische Linke setzte erst nach dem 1. September 1951 ein.
Damals wurden zahlreiche Straftatbestände aus der Weimarer- und
NS-Zeit wieder eingeführt. So konnte man Kommunisten wegen »Hoch-
und Landesverrates oder gar Staatsgefährdung« den Prozess machen.
»Weitere speziell gegen Kommunisten gerichtete Gesetze« folgten.
Zudem richtete die Polizei »politische Abteilungen« ein. Auch
Zoll-, Post- und Bahnangestellte machte man zu »Hilfsbeamten der
Staatsanwaltschaft«.
Durch Einführung eines »Verfolgungszwangs« bei politischen
Straftaten erhöhte man den Druck auf Kommunisten und Menschen, die
man dafür hielt. Den Verdächtigten drohten »hohe Gefängnis- und
Zuchthausstrafen« ebenso wie der Verlust staatsbürgerlicher Rechte
oder des Arbeitsplatzes. Ein erstes Berufsverbot gegen
kommunistische Beamte wurde bereits im Jahre 1950 erlassen. Eine
weitere schmerzhafte Sanktion war die Streichung von
Wiedergutmachungsleistungen für im Dritten Reich politisch
Verfolgte. Somit riskierten Kommunisten bei politischer Betätigung
den Verlust ihrer Opferrente.
Weitaus weniger Eifer zeigte die deutsche Justiz hingegen bei der
Strafverfolgung von NS-Verbrechen. In dem ungleich längeren
Zeitraum zwischen 1945 und 2006 wurde gegen 106 000 mutmaßliche
Nazi-Straftäter ermittelt. Und das, wie Foschepoth schreibt,
»obwohl sie sich hinsichtlich der Schwere der Tat deutlich
unterscheiden«. Natürlich war das Verteilen kommunistischer
Flugblätter nicht zu vergleichen mit den Taten ehemaliger
Obersturmbannführer und KZ-Aufseher. Dabei geht Foschepoth von weit
mehr als einer Million NS-Täter aus, die von großzügigen
Amnestieregelungen der Bundesregierung profitierten. Darunter fiel
auch das umstrittene »Straffreiheitsgesetz« von 1954, das »Taten
während des Zusammenbruchs« straffrei stellte. Diese Amnestie galt
ausdrücklich auch für »Totschlagsverbrechen«. Kaum
verwunderlich, dass nicht einmal 6500 NS-Verbrecher rechtskräftig
verurteilt wurden.
Hätten die »Spiegel«-Redakteure einen Blick in die aktuelle
Beilage der Zeitschrift »Das Parlament« geworfen, wäre aus ihrer
kleinen Meldung vielleicht ein lesenswerter Artikel geworden. In
besagter Beilage beschäftigen sich Historiker mit der »politischen
Kultur des Kalten Krieges« und beleuchten dabei interessante
Aspekte des »Wettstreits der Systeme«. Dazu zählt auch die Arbeit
einer bundesdeutschen Regierungskommission, die mit der politischen
Zensur von Filmen beauftragt war. Dieser »Interministerielle
Ausschuss für Ost-West-Filmfragen« existierte bis in die späten
60er Jahre und setzte sich aus Vertretern verschiedener Ministerien
zusammen. Der Leipziger Historiker Andreas Kötzing erinnert in
seinem Beitrag an das längst vergessene Wirken dieses
Zensurausschusses.
Aufgabe des Gremiums war es, »alle Filme, die aus den
sozialistischen Ländern importiert (...) werden sollten, vorab zu
sichten«. Diese Begutachtung sollte sicherstellen, dass importierte
Filme »inhaltlich politisch einwandfrei sind«. Der
Interministerielle Ausschuss begutachtete mehr als 3100 Filme aus
dem Ostblock und verweigerte 130 von ihnen die Zulassung. Trauriger
Höhepunkt des Zensurwahns war das Verbot des DEFA-Kinderfilms »Das
tapfere Schneiderlein« im Jahre 1957. In der Verfilmung des
Grimmschen Klassikers verjagen die Märchenlandbewohner ihren König
und der Schneider besteigt den Thron. Dass er dann klassenbewusst
heiratet und statt der Königstochter die Magd zur Frau nimmt, war
offenbar zuviel für die Zensoren: Der Film erhielt keine
Einfuhrgenehmigung. Mit freundlicher Genehmigung des Neuen
Deutschland; ND vom 08.01.2009, Seite: 6, Ressort: Inland
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