27.12.08
"Kamerad Voigt – Warum der Vorsitzende der
NPD in Bundeswehr und Soldatengewerkschaft bleibt"
Bundeswehrverband hält an
Nazimitgliedern fest
Der Deutsche Bundeswehrverband sieht sich außerstande, sich von
Hauptmann d.R. und NPD-Chef Udo Voigt zu trennen. Hinter dieser
Haltung wird von Beobachtern Methode vermutet: Rechte
Verbandsmitglieder sollen nicht verschreckt werden. Die
Bildungsvereinigung des Bundeswehrverbandes, die Karl Theodor
Molinari Stiftung, ist nach einem in Frankreich wegen
Kriegsverbrechen zum Tode verurteilten Offizier benannt, der es in
der Bundeswehr zum Generalmajor brachte. Im Gegensatz zu linken
Soldaten, die an Friedens- und antifaschistischen
Gedenkveranstaltungen teilnehmen, bleiben rechte Offiziere und
Soldaten auch in der Bundeswehr unbehelligt. Dies deckt die neue
Ausgabe der „Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung“ (vom
24.12.08) auf.
In dem Blatt heißt es:
jüdische allgemeine wochenzeitung vom 24.12.08
Kamerad Voigt – Warum der Vorsitzende der NPD in Bundeswehr und
Soldatengewerkschaft bleibt
Von Martin Krauss und Katrin Richter
Es ist die Chronik eines sich fortsetzenden Skandals: Seit 1973
ist Udo Voigt, der amtierende Vorsitzende der NPD, Mitglied der
größten soldatischen Interessenvertretung hierzulande, des
Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV). Und seit 1984 ist Voigt auch
Reserveoffizier, genauer: Hauptmann der Reserve der deutschen
Bundeswehr.
„Dass der nicht zu uns passt und dass wir ihn loswerden wollen,
daran soll kein Zweifel bestehen“, hatte der DBwV-Chef, Oberst
Reinhard Gertz, im Mai dieses Jahres erklärt.
Doch aus dem angekündigten Vorhaben, Voigt hinauszuwerfen, wurde
bisher nichts. Verhindert wurde dies angeblich durch
Satzungsprobleme. Nur Beitragsrückstände oder „verbandsschädigendes
Verhalten“ seien als Ausschlussgründe „gerichtsfest“, heißt
es beim DBwV. In der Satzung steht, ein Mitglied müsse „den
Interessen oder der Satzung des Verbandes zuwiderhandeln oder das
Ansehen des Verbandes schädigen.“
Verbandsschädigung liegt aber nach Angaben des DBwV bei Voigt
nicht vor. Nicht, als er Hitler einen „großen deutschen
Staatsmann“ nannte. Nicht, als er den Friedensnobelpreis für
Hitlers Stellvertreter für Rudolf Hess forderte. Nicht, als er die
sechs Millionen ermordeten Juden auf 340.000 runterrechnen wollte.
Und nicht, als Voigt vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen
Volksverhetzung angeklagt wurde.
Kritik an der zurückhaltenden Praxis des DBwV übt Helmuth
Prieß, Oberstleutnant a.D. und Sprecher des „Darmstädter Signals“,
eines Arbeitskreises kritischer Soldaten: „Wenn jemand ein solches
Amt in so exponierter Stellung ausübt, dann ist das doch wohl
verbandsschädigend.“ Ähnlich äußert sich Michael Berger,
Hauptmann und Vorsitzender des Bundes jüdischer Soldaten (RjF). „Unerträglich“,
findet DBwV-Mitglied Berger die Vorstellung, mit Voigt im selben
Verband zu sein.
Schon seit März 2008 hat der Justiziar des DBwV, Christian Sieh,
einen „Prüfauftrag“, um zu ermitteln, ob und wie man Voigt
ausschließen kann. Erteilt hat ihn Bernhard Gertz, der den DBwV
jahrelang führte und ab dem 1. Januar 2009 von seinem bisherigen
Stellvertreter, Oberstleutnant Ulrich Kirsch, abgelöst wird. Gertz
hat einen guten Ruf: Er trat für die Umbenennung der Füssener
Generaloberst Dietl-Kaserne und des Jagdgeschwaders 74 „Mölders“
in Neuburg an der Donau ein, was ihm innerhalb des 200.000
Mitglieder starken Verbandes auch viel Kritik einbrachte. Nachfolger
Kirsch will sich derzeit zum Fall Udo Voigt nicht äußern. Und vom
Justiziar ist zu hören, dass die Sache immer noch nicht
entscheidungsreif sei.
Allzu viel Engagement, den Hauptmann der Reserve Udo Voigt
endlich loszuwerden, ist auch im Verteidigungsministerium (BMVg)
nicht zu spüren. Von 1972 bis 1984 diente der heutige NPD-Chef als
Zeitsoldat in der Luftwaffe, zuletzt im Rang eines Hauptmanns. Als
Berufssoldat wurde er wegen „aktiver NPD-Mitgliedschaft“ nicht
übernommen, wie Voigt auf seiner Website mitteilt. Seine Klage wies
das Bundesverwaltungsgericht ab. Wie jeder andere frühere
Zeitsoldat bleibt Voigt aber Reservist.
Das BMVg teilt nun auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen mit,
dass Voigt zwar den Status des Reserveoffiziers besitzt, dass er
aber nicht zu Wehrübungen einberufen werde, „da Voraussetzungen
hierfür das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen
Grundordnung“ sei, das „bei Voigt erkennbar nicht vorliegt“.
Ihm könne jedoch sein Dienstgrad wegen des Soldatengesetzes und der
Wehrdisziplinarordnung nicht aberkannt werden. Gleichzeitig jedoch
lässt das BMVg wissen: „Eine extremistische Grundhaltung eines
aktiven oder ehemaligen Angehörigen der Streitkräfte kann und darf
unter keinen Umständen toleriert werden.“ Im Klartext: Man
toleriert es nicht, unternimmt aber auch nichts dagegen.
„Bei linken Soldaten war das anders“, erinnert sich Ulrich
Sander, Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA). „Da gab es oft
unehrenhafte Entlassungen aus der Truppe.“ In der Regel sei das
passiert, wenn ein Soldat in Uniform an einer Friedensdemonstration
oder einer Gedenkfeier teilgenommen habe, sagt Sander. In Westfalen
findet zum Beispiel regelmäßig das Gedenken „Blumen für
Stukenbrock“ statt, mit dem an ein deutsches
Kriegsgefangenenlager, Stalag 326 (VI K), erinnert werden soll, in
dem 65.000 sowjetische Soldaten während der Naziherrschaft zu Tode
kamen. Als in den 80er Jahren ein Bundeswehroffizier aus Unna in
Uniform teilnahm, wurde er entlassen. „Über 100 vergleichbare
Fälle gab es in den 70er und 80er Jahren“, sagt Sander. Und
Helmuth Prieß ergänzt, dass der DBwV linken Soldaten des „Darmstädter
Signals“, die gegen Maßregelungen geklagt haben, nie Rechtsschutz
gewährt habe.
Es gibt schon Stimmen, die hinter der seit über einem halben
Jahr sich hinziehenden Prüfung der Causa Voigt eine Rücksichtnahme
des DBwV auf rechte Verbandsmitglieder vermuten. Die nahe liegende
Idee, eine Klausel zur Unvereinbarkeit von DBwV- und
NPD-Mitgliedschaft in die Satzung aufzunehmen – wie es etwa die
beiden deutschen Polizeigewerkschaften, GdP und DPG, getan haben –
wurde beim DBwV jedenfalls noch nicht verfolgt.
Stattdessen betreibt der DBwV seit 20 Jahren die
Karl-Theodor-Molinari-Stiftung als Bildungswerk. Über den
Namensgeber teilt der DBwV mit, dass er Generalmajor der Bundeswehr
und der erste Bundesvorsitzende des Verbandes war. Dass Molinari im
Juni 1944 als Kommandeur eines Panzerregiments in einem Wald nahe
Les Hauts Buttés in den Ardennen 106 französische
Resistance-Kämpfer erschießen ließ und deswegen 1951 in
Frankreich in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, erwähnt beim
DBwV niemand.
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