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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

12.12.08

Bei der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit liegt der Schwerpunkt auf "militärisch"

Reservisten in allen Städten und Landkreisen für den Einsatz im Innern formiert

Von Ulrich Sander *)

Die Bundeskanzlerin betont immer wieder – gemeinsam mit ihrem Innen- wie auch dem Verteidigungsminister: Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit sind von gestern. Und das sieht so aus: Wir müssen Marschbefehle der Militärs gegen Demonstranten hinnehmen, wie 2007 erstmals beim G8-Gipfel in Heiligendamm geschehen. Da ist es auch sinnlos auf die Beschwichtigungen der SPD zu bauen, sie habe es sich hinsichtlich einer Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren noch einmal anders überlegt. Der Bundeswehr als Polizeitruppe im Innern ist seit den Struck’schen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ und seit dem Kommando eines SPD-CDU-Innenministers von MV 2007 Realität. Es wird nur gestritten, ob das im Grundgesetz drinstehen soll oder nicht.

Unstrittig ist, das die Bundeswehr bei ihren Einsätzen, ob im In- oder Ausland, polizeiähnlicher wird. Bisher berief man sich bei Inneneinsätzen auf das Grundgesetz, Artikel 35, doch dieser gibt beim schlechtesten Willen keine Zustimmung zum bewaffneten oder polizeiähnlichen Einsatz der Bundeswehr im Innern her. In Heiligendamm wurde die „Amtshilfe“ zur Hilfe genommen, die aus dem ursprünglichen Text des Artikels 35 aus der Zeit der Schaffung des Grundgesetzes stammt, als es noch keine Bundeswehr gab. Die Leistungen der Bundeswehr nach Artikel 35 betrafen bis Heiligendamm nur „Naturkatastrophen“ oder „besonders schwere“ Unglücksfälle.

Auf allen Ebenen der Republik fallen die Grenzen zwischen Bundeswehr, Geheimdiensten und Polizei. Dies findet seinen sinnfälligen Niederschlag in GTAZ, dem neuen Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin. Zudem werden massenweise Reservisten in die Zivilmilitärische Zusammenarbeit im Innern wie im Äußeren einbezogen. Wer heute einsatzfähiger und ausgebildeter Reservist ist, und das sind mindestens eine Million Männer im Alter bis zu 60 Jahren, der muss nicht nur – wie früher – mit Einberufungen zu Übungen rechnen, sondern mit Einsätzen wie in Heiligendamm und am Hindukusch. (Die CDU nennt es in ihren Papieren: „Einsätze in Hindelang und am Hindukusch.“) Und sollte es mal wieder zu einem Oder-Hochwassen kommen, dann werden Reservisten die Sandsäcke stapeln und keine Rekruten.

Das wurde im Rahmen von parlamentarischen Anfragen in Großstädten bekannt, so am 1. September im Rat der Stadt Bochum. Dort wurde auch ein Gutachten der Arbeitsgemeinschaft der Leiter von Berufsfeuerwehren in Nordrhein-Westfalen vorgelegt, die sich dagegen verwahren, dass die Bundeswehr Führungsfunktionen im Katastrophenschutz übernehmen. Die Bundeswehr könne „nicht für die Primärphase von Katastrophenlagen vorgesehen werden“, schrieben der Feuerwehr-Leiter, die im übrigen im Rahmen der Gefahrenabwehr der „Einbindung der Reservistenverbände“, die ja „e.V.“ seien, eine Abfuhr erteilen. Es komme nur die Zusammenarbeit auf der Basis der Befehlslage der Bundeswehr in Frage.

Die Befehlshaber der Wehrbereichskommandos der Bundeswehr kommandieren als Landeskommandeure der jeweiligen Bundesländer die Beauftragten der Bundeswehr für zivilmilitärische Zusammenarbeit (BeaBwZMZ) nunmehr in allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Oberstes Befehlsinstanz ist das Bundesverteidigungsministerium. Ohne viel Aufhebens zu machen, eroberte somit die Bundeswehr Positionen in Rathäusern und Landratsämtern. Die letzten Verteidigungsbezirkskommandos der Bundeswehr aus der Zeit der Blockkonfrontation sind in den westlichen Bundesländern in den letzten zwölf Monaten aufgelöst worden.

Ein Oberst vermittelt nun den Regierungspräsidenten, Landräten und Oberbürgermeistern den sogenannten militärischen Service. „Das ist die militärische Kompetenz, auf die sie sich bei Katastrophen und besonders schweren Unglücksfällen stützen können,“ wird seitens der Bundeswehr den zivilen Stellen bestätigt. Dazu gehören auch „Großschadensereignisse“ – aber was ist damit gemeint? Die Urkunden für die ZMZ Inneres wurden in der Regel Oberstleutnants der Reserve, möglichst solchen, die im öffentlichen Dienst tätig und somit innerhalb einer Stunde abkömmlich sind, überreicht. Praktischerweise beziehen sie Büros in Rathäusern und Landratsämtern. Die einzelnen Verbindungskommandos bestehen aus jeweils zwölf Soldaten, die in der Region leben und die zivilen Verwaltungen in militärischen Fragen beratend unterstützen, wie es heißt.

Doch die „Beratung“ ist höchst verbindlich. In den Krisenstäben der Städte und Kreise haben die Verbindungskommandeure auf ihre militärischen Vorgesetzen zu hören, nicht aber auf die Bürgermeister und Landräte. „Übergeordnete Stellen sind der Kommandeur des Landeskommandos, der Befehlsheber des Wehrbereichskommandos, der Befehlshaber des Streitkräfteunterstützungskommandos Köln und der Bundesverteidigungsminister in Berlin,“ teilte der Göttinger Landrat Reinhard Schermann den fragenden Abgeordneten der Linken im Kreistag mit (Brief vom 26.11.2007).

Nach dem neuen Reservistengesetz – am 17. Februar 2005 ohne Aussprache im Bundestag beschlossen - haben die Verbindungskommandeure durchaus auf weit mehr Reservisten Zugriff als auf die zwölf, die zum Stab des Kommandos gehören. Alle männlichen Reservisten bis zum 60. Lebensjahr können gezogen werden. Im Unklaren gelassen wird die Öffentlichkeit noch, auf welche Ausrüstung die Kommandos zurückgreifen dürfen. Immerhin ist bemerkenswert, dass die Mehrzahl der Reservistenübungen auf Feldjägerschulen, aber auch bei den Pionieren abgehalten wird. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm konnte ja besichtigt werden, welche Mittel zur Verfügung standen: Tornados, Panzer, Hubschrauber, Schnellboote gehörten dazu. Es wurde dort auch ein Eindruck davon vermittelt, was unter schweren Unglücksfällen und Katastrophen auch zu verstehen ist: Die Ausübung des Demonstrationsrechts der Bürgerinnen und Bürger, das ist der Ernstfall.

In Dortmund ist man nun daran gegangen, ganz offen die Infrastruktur für die militarisierte Kommunalpolitik zu schaffen. Während in anderen Städten und Landkreisen (so ein Brief des Landrates von Göttingen und so die Auskunft der Stadt Bochum) fragenden Abgeordneten im Stadtrat gesagt wird: Das alles kostet die Stadt und den Landkreis keinen Cent, rückte die Stadt Dortmund nun mit der Wahrheit heraus und ließ sich 695 000 Euro für die Herrichtung eines Krisenzentrums von den Stadtratsmitgliedern bewilligen. Reservisten – darunter vor allem bewaffnete Feldpolizisten - können in kürzester Zeit in großer Zahl mobilisiert werden. In Dortmund leitet ein Oberstleutnant, im Zivilberuf Pfarrer und Klinikseelsorger, diese sog. „ehrenamtliche“ Reserve-Territorialarmee. Das Landeskommando ist ständig hauptamtlich besetzt. In Kreisen, Städten und Regierungsbezirken können die Landeskommandos und ZMZ-Beauftragten lt. Bundeswehr-WebSite und Bundeswehrzeitschrift „Y“ blitzartig auf den Reservistenkader zurückgreifen.

Einige linke Abgeordneten fanden diese Vorgehensweise skandalös. Sie sagten z.B. in Dortmund: „Hier soll eine Notstandszentrale entstehen, ohne dass den Bürgern erklärt wird, für welche Krisen und welche Aufgaben welche Krisenstäbe ein solches Zentrum brauchen.“

In den Zentren der ZMZ sind erstmals seit 1945 Bundeswehr und die Polizei integriert. Mit ZMZ und dem neuen Reservistengesetz werden zusätzlich Hunderttausende Soldaten – auch über ihre Dienstzeit hinaus – zum Einsatz im Innern und Äußeren verpflichtet. Der Reservistenverband und der Bundeswehrverband – durchsetzt mit rechtsextremen Kadern, die laut Satzung nicht so ohne weiteres entfernt werden können - bekommen somit größeren Einfluss.

Die Umwandlung der Truppe zur Einsatzarmee im Inneren wie im Äußern ist Teil der Transformation der Bundeswehr. Gesteuert wird diese Transformation von einem Zentrum der Bundeswehr für Transformation. Vorher nannte sich dieses Zentrum ZAS, Zentrum für Analysen und Studien der Bundeswehr. Das schreibt die Verteidigungspolitischen Richtlinien von morgen und übermorgen. Sein Chef, der Oberst Ralph Thiele, hat uns in den „Informationen für die Truppe“ schon mal angekündigt, welche weiteren Pläne die Generalität mit uns hat. „Neue Einsätze sind geprägt von Interventionen mit offensivem Charakter und einer verstärkten Internationalisierung.“ Man macht Feinde in aller Welt aus - und reiht neben die Terroristen und die internationale Kriminalität auch gleich „Chaosgruppen wie z.B. die Gruppe der Globalisierungsgegner“ in die Liste der Feinde ein. (Information für die Truppe/IfdT 3/2002)

*) Unser Autor ist Journalist und Bundessprecher der VVN-BdA

Erschienen in Friedensforum