02.12.08
Zu "Die Macht im Hintergrund“ von Ulrich
Sander
Zu den Beziehungen von Militär
und Politik in der jüngsten deutschen Geschichte
Jahrestage wie der mit dem Jahr 1933 verbundene bieten Anlass, in
den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft Bilanz darüber zu
ziehen, wieweit in der Nachkriegszeit eine konsequente
Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit erfolgt ist.
Das bereits 2004 erschienene Buch des Dortmunder Journalisten
Ulrich Sander bietet noch immer Anlass zur Beachtung. Es ist nicht
überholt, werden doch Tendenzen angekündigt, die erst heute voll
wirken, wie z.B. die allgemeine Militarisierung. Er untersucht u.a.,
ob in der Bundesrepublik in Verbindung mit dem Aufbau der Bundeswehr
eine Aufdeckung der Rolle der Militärs im Dritten Reich, der
Mitschuld der Wehrmachtsführung an den Verbrechen im Zweiten
Weltkrieg und eine klare Trennung von Hitlers Generälen stattfand.
Die vorgelegte Analyse reduziert sich nicht auf die Zeit von 1933
bis 1945 und die unmittelbare Nachkriegszeit, sondern verfolgt den
Einfluss militärischer Eliten auf die deutsche Politik von der
Weimarer Republik bis in die Gegenwart. In 13 Kapiteln wird eine
Vielzahl von Problemen dargestellt. Es gelingt nachzuweisen, dass es
eine Kontinuität hinsichtlich des Einflusses der Militärs auf die
Politik gibt. Anhand von Tatsachen, belegt aus Angaben von
Schlüsseldokumenten der Militärführung, kann dies überzeugend
nachgewiesen werden. Der Bogen der Betrachtungen spannt sich von der
Reichswehr über die Wehrmacht bis zur Bundeswehr.
Besondere Beachtung findet, inwieweit nach 1945 in der
Bundesrepublik eine Verurteilung. der Verbrechen der Wehrmacht im
Zweiten Weltkrieg stattgefunden hat, und inwieweit die
Hauptverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen worden sind.
Die Antwort fällt negativ aus, Im Gegenteil, einflussreiche
Kreise aus dein Führungsstab der Wehrmacht konnten maßgeblichen
Einfluss auf die Nachkriegsentwicklung, insbesondere auf den Aufbau
der Bundeswehr und die Wiederbewaffnung Westdeutschlands nehmen.
Das Ergebnis ist bedrückend, denn es erfolgte keine ernsthafte
Abrechnung mit der Nazi-Vergangenheit. Die Verantwortung der
Generalität wurde oft verschleiert.
Eine Reihe der ehemaligen Generäle Hitlers traten schon bald
nach 1945 in den Dienst der US-Armee und wurden dann später von der
Adenauer-Regierung für die Wiederbewaffnung Westdeutschlands und
die Eingliederung der Bundesrepublik in das westeuropäische
Militärbündnis der Nato gebraucht, Für diese Entwicklung stehen
Namen wie Adolf Heusinger, Hans Speidel und Fritz Halder.
Sander belegt seine Thesen überzeugend am Beispiel von Adolf
Heusinger, dem zeitweiligen Leiter der Operationsabteilung im
Oberkommando des Heeres und seiner Tätigkeit als ranghöchster
General, als Generalinspekteur der Bundeswehr, von 1957 bis 1961.
Ein anderes Problem, das im Buch untersucht wird, ist die
Traditionspflege in der Bundeswehr. Der Verfasser kommt zu dem
Schluss, dass in der Bundeswehr eine kritische Distanz und
notwendige Auseinandersetzung mit der Rolle des deutschen Militärs
in den beiden Weltkriegen und unter den Bedingungen der NS-Diktatur
weitgehend fehlt. Im Gegenteil, vielerorts wird in Verbindung mit
den Namen von Kasernen und anderen Bundeswehrstützpunkten die Rolle
von Generälen der Hitlerwehrmacht nach wie vor glorifiziert. Dem
gegenüber werden mit Ausnahme der Männer des 20. Juli 1944
Kriegsgegner, wie Wehrmachtsdeserteure, weiter ausgegrenzt.
Wie schwierig es in der Gegenwart ist, Verbrechen von
Wehrmachtsangehörigen im Zweiten Weltkrieg aufzudecken, hat Ulrich
Sander unlängst selbst erfahren, als er sich mit der Beteiligung
von Gebirgsjägern an Kriegsverbrechern in Griechenland
beschäftigte.
Das Buch verdient eine weite Verbreitung, da es Wahrheiten offen
legt und zum Nachdenken anregt.
Ulrich Sander: Die Macht im Hintergrund.
Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis Struck.
Köln: Papy Rossa Verlag, 2004
Karl Heinz Jahnke
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