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Landesvereinigung NRW

 

29.11.08

Peinliche Prozess-Kette

Italiens Justiz erklärt Anspruch griechischer NS-Opfer für rechtens

Wieder erklärte ein hohes italienisches Gericht die Ansprüche von NS-Opfern an Deutschland für rechtens. Die VVN-BdA veröffentlicht die Meldungen dazu und begrüßte es, dass trotz der Verabredung der deutschen Bundeskanzlerin und des italienischen Ministerpräsidenten, gemeinsam vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen die Opfer und damit für die Täter zu handeln, sich mutige Richter finden, die da nicht mitmachen.

Italiens Justiz erklärt Anspruch griechischer NS-Opfer für rechtens +++ derNewsticker.de +++AFP-Meldung

vom 26.11.2008, 18:17 Uhr

Italiens Justiz erklärt Anspruch griechischer NS-Opfer für rechtens Rom (AFP) - Ein Berufungsgericht in Florenz hat das Urteil der griechischen Justiz aus dem Jahr 1997 für rechtens und vollstreckbar erklärt, wonach Überlebende eines SS-Massakers in dem griechischen Dorf Distomo in Italien Entschädigungsansprüche gegen Deutschland durchsetzen können. Wie der

Opferanwalt Joachim Lau am Dienstagabend der italienischen Nachrichtenagentur Ansa sagte, sind damit Pfändungen deutscher Liegenschaften in Italien möglich. Das entsprechende erstinstanzliche Urteil eines Gerichts in Florenz vom Juni 2006 hatte die Bundesregierung angefochten. Eine deutsche SS-Einheit hatte im Juni 1944 die Ortschaft Distomo bei Delphi überfallen und 218 Bewohner getötet, unter ihnen zahlreiche Kinder, Frauen und alte Menschen.

Urteil gegen Deutschland

Rom (Süddeutsche Zeitung, 27. 11. 08) – Im Streit um die Entschädigung von Nazi-Opfern ist in Italien erneut ein Urteil gegen die Bundesrepublik ergangen. Das Oberlandesgericht Florenz bestätigte, dass die Bundesrepublik von Opfern eines SS-Massakers aus dem griechischen Dorf Distomo in deutsches Vermögen in Italien vollstrecken können. SS-Soldaten hatten 1944 mehr als 200 Menschen in Distomo niedergemetzelt. Die Angehörigen erwirkten in Griechenland ein Urteil gegen Deutschland, das ihnen Schadensersatz zuspricht. Die griechische Regierung verhinderte jedoch die Vollstreckung. Seitdem versuchen die Familien, das Urteil in Italien durchzusetzen, wo die Rechtssprechung in Nazi-Fällen opferfreundlich ist. Der oberste Gerichtshof in Rom hat entschieden, Deutschland könne sich bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht auf Staatenimmunität berufen. Deutschland will dagegen vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ziehen.

Dazu Kommentar Süddeutsche Zeitung, 27. 11. 08

Peinliche Prozess-Kette

In deutschen Kinos läuft derzeit ein beeindruckender Dokumentarfilm. Er erzählt die Geschichte des Griechen Argyris Sfountouris aus dem Dorf Distomo, in dem 1944 deutsche SS-Leute 218 Menschen ermordet haben. Zuschauer reagierten meist betroffen, oft weil sie von den Massakern nie etwas gehört haben. Sfountouris hat seit 13 Jahren Gerichte in halb Europa bemüht, um auf das Urteil aufmerksam zu machen und um für die Opfer eine symbolische Entschädigung zu erhalten. Nun ist Deutschland in Florenz verurteilt worden, den Nachkommen aus dem griechischen Dorf 28 Millionen Euro zu zahlen. Dies wird mit Sicherheit zu neuen Prozessen führen. Der diplomatische Eiertanz zwischen Rom, Athen und Berlin geht weiter.

Die wechselnden deutschen Regierungen hätten sich diese peinlich lange Prozess-Kette ersparen können. Dazu hätte es – allerdings schon vor Jahren – im Fall Distomo wohl nur eindeutiger politischer und menschlicher Gesten bedurft. Statt dessen gab es kühl intonierte Behördenschreiben. Da wurde 1995 das Massaker als „Maßnahme im Rahmen der Kriegsführung“ bezeichnet. Erst danach gingen die Überlebenden vor Gericht.

Die Bundesregierung fürchtet, Distomo könnte zum Präzedenzfall für Tausende neuer Entschädigungsklagen werden. Die Sorge ist berechtigt. Aber Völkerrechtler halten es auch keineswegs für völlig gewiss, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag in diesem Fall Berlin als Schiedsrichter zu Hilfe kommen wird. Sollte das Gericht aber das Prinzip der Staatenimmunität durchlöchern, wird die Tür für neue Kläger erst wirklich geöffnet. Da wäre es doch besser, sich mit Sfountouris und den Leuten aus Distomo endlich zu einigen. csc