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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

06.11.08

Für die Wiederherstellung des Konsenses

"Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus"

Von Ulrich Sander

Zum 3. Oktober 2008, da das vereinte Deutschland mit 18 Jahren volljährig geworden war - so die allgemeine Lesart -, da erfuhren wir alle möglichen Zahlen über den Zustand und das Wollen der Deutschen, vom Verbrauch an Bier im ganzen Leben bis zu erotischen Vorlieben. Völlig untergegangen ist leider eine Umfrage, die zum 3. Oktober veröffentlicht wurde und die Frage nach Krieg und Frieden beinhaltete - ein Thema, das die Deutschen in beiden deutschen Staaten Jahrzehnte lang umtrieb. Geteilt nach Ost und West wurde in einer repräsentativen Studie von Prof. Dr. Elmar Brähler, dem Leiter der Selbständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und Soziologie der Universität Leipzig, ermittelt:

Die Ostdeutschen stehen Krieg und Militär skeptischer gegenüber als ihre westdeutschen Landsleute - auch 18 Jahre nach der Wiedervereinigung. 75 Prozent der befragten Ostdeutschen gaben an, Krieg sei grundsätzlich moralisch verwerflich, während im Westen Deutschlands nur 63 Prozent dieser Aussage zustimmten. Alles Militärische als abstoßend empfinden nach eigener Aussage 55 Prozent der Ostdeutschen, im Westen sagten dies nur 48 Prozent der Befragten. Dass die Bundesrepublik weniger Geld für Rüstung ausgeben sollte, meinten 64 Prozent der Menschen in Ostdeutschland und 41 Prozent im Westen. Sehr deutlich wurde in der Studie zudem, dass vor allem Frauen allem Militärischen kritisch gegenüberstehen.

Die Deutschen und der Krieg heute

Für die Studie hatten Prof. Brähler und Dr. Christopher Cohrs von der nordirischen Queen's University Belfast 2.524 repräsentativ ausgewählte Personen in Deutschland befragen lassen. In persönlichen Interviews wurden ihnen Aussagen zu ethischen Aspekten von Krieg und Militär vorgelegt, zu denen sie sich zustimmend, ablehnend oder auch unentschieden äußern sollten. Dabei stimmte die Hälfte der im Westen Befragten der Aussage nicht zu, wonach Krieg auf Grund der Natur des Menschen unvermeidlich sei. Noch stärker auf Ablehnung stieß die Aussage im Osten, wo 63 Prozent der Befragten diese Annahme zurückwies. 69 Prozent der Ostdeutschen meinte, dass eine Welt ohne Kriege im Prinzip möglich sei. Dem schlossen sich auch 58 Prozent der Befragten im Westen an. Nicht zustimmen mochte rund die Hälfte aller Befragten der Aussage, sie könne es nachempfinden, wenn jemand militärische Werte und Tugenden bewundere (Ostdeutschland: 50 Prozent / Westdeutschland: 53 Prozent). Dass schon die Androhung militärischer Gewalt großen Schaden anrichtet, glauben 62 Prozent der Ostdeutschen und 45 Prozent der Westdeutschen.

Es wäre interessant zu erfahren, wie die Umfragewerte aussähen, wenn sie für Gesamtdeutschland erfragt worden wären. Darüber gibt es nur eine Zahl, die immer wieder genannt wird, seit Forsa im Februar 2007 damit begann, nach der Haltung der Deutschen zum Krieg in Afghanistan zu fragen. 75 bis 85 Prozent werden genannt, die den Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan und keine neuen deutschen Truppen dorthin wünschen. Doch so erfreut sich die Friedensbewegung über diese Umfragewerte äußert, so bleiben doch Zweifel, ob damit eine ausreichende allgemeine Ablehnung von Kriegen seitens der Deutschen gegeben ist. Vor allem ergibt sich daraus noch keine Bereitschaft, für den Frieden auf die Straße zu gehen, aktiv zu werden. Die Friedensdemonstrationen in Berlin und Stuttgart am 20. September hätten sonst viel größer und mächtiger ausfallen müssen als sie es waren.

Was sind die Gründe? Offenbar engagieren sich weit weniger Menschen heute in ganz Deutschland für den Frieden als es vor 1989 der Fall war. Bemerkenswert ist gar die mangelnde Bereitschaft, die wirklich ernsten sozialen Probleme mit der Abrüstungsfrage in Verbindung zu bringen. So erklärten in der Leipziger Studie trotz der grundsätzlichen Ablehnung von Kriegen 44 Prozent der Ostdeutschen, die Bundeswehr solle mit besserer Technik ausgerüstet werden, was lediglich 23 Prozent rundweg ablehnten (Westdeutschland: 36 zu 25 Prozent). Die Arbeitsplatzsicherheit in der Rüstungsindustrie - Deutschland ist viertgrößter Exporteur von Kriegswaffen - scheint vielen wichtiger zu sein als die Bewahrung und Schaffung sozialer Standards durch Abrüstung. Die Haltung "Das beste für unsere Soldaten" und "Deutschland vorn" spiegelt sich da ebenfalls wider.

Ein Drittel der Menschen in Ostdeutschland (35 Prozent) meinte zudem, dass Krieg ethisch gerechtfertigt sein könne, um Freiheit und Menschenrechte zu schützen. Dieser Aussage stimmten nur 27 Prozent der befragten Westdeutschen zu. Das bedenkliche Verhältnis zum Militär wurde auch darin deutlich, dass 40 Prozent der Ostdeutschen meinen, der Staat müsse über militärische Stärke verfügen, um bei internationalen Konflikten glaubhaft verhandeln zu können. Im Westen schlossen sich nur 33 Prozent dieser Aussage an. Die Befürwortung des militärisch starken Staates, der Menschenrechtskriege und der Außenpolitik der Stärke - dies alles sind nationalistische und rechte Positionen, die sich in der Leipziger Studie äußern. Sie müssen in Beziehung gesetzt werden zu den rund 20 Prozent Deutschen, die ein mehr oder weniger geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben.

Mehr Antifaschismus als Antimilitarismus im Lande?

Es ergab sich, dass am 20. September nicht nur in Stuttgart und Berlin für den Frieden und den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan demonstriert wurde, sondern auch in Köln gegen ein internationales Treffen von Rassisten und Ausländerfeinden, die sich auf Einladung der rechtsextremen "pro NRW"-Bewegung eingefunden hatten, um sich unter dem Vorwand der Islamkritik und der Ablehnung von Moscheebauten für die nächsten Wahlen zu positionieren. Über 50.000 Menschen aus Nordrhein-Westfalen bereiteten dem rechten Treffen eine schwere Niederlage.

Antifaschistischer Protest wird also stärker, antimilitaristischer schwächer? Das könnte man meinen. Es muss aber zu Köln auch beachtet werden, dass "pro NRW" auf einer Welle mit jenen kriegshetzerischen Positionen aus der Mitte schwimmt, die unter dem Vorwand des Kampfes gegen den "islamistischen Terrorismus" für den Krieg agieren. Insofern waren die Kölner antifaschistischen Demonstranten auch friedenspolitisch engagiert.

Die Militärdoktrin des Neonazismus und der anderen Kräfte der Rechten bleibt zumeist unbeachtet. Selbst wenn die Nazis in Dortmund nun schon im vierten Jahr am Antikriegstag Anfang September ihren bundesweiten "nationalen Antikriegstag" begehen, so begegnen dem die Antifaschisten zumeist nur mit den Losungen wie "Nazis raus aus unserer Stadt" oder mit Äußerungen gegen die Gewalt der Faschisten, nicht gegen die Gewalt der Faschisten, die sich in ihrer Kriegsbereitschaft und Kriegshetze äußert.

Jetzt haben sich ältere Dortmunder Antifaschistinnen und Antifaschisten diesem rechten Treiben mit sowohl antifaschistischen als auch antimilitaristischen Argumenten entgegengestellt. Eine "Aktion 65 plus" führte am 6. September in Dortmund einen 700köpfigen spontanen Demonstrationszug an. Ihre Erklärung lautete u.a.:

"Aktion 65 plus - Wir haben es erlebt. Nie wieder.

Bombennächte. Ständige Angst. Hausdurchsuchungen. Die Eltern im KZ. Verwandte sterben im Krieg. Nachbarn mit dem gelben Stern werden abgeholt.

Nachts träumen wir davon.

Die Nachfolger der Nazibande, die das verschuldete, erheben wieder ihr Haupt.

Jahr für Jahr kommen sie nach Dortmund. Sie rufen "Nie wieder Krieg" und fügen hinzu: " ... nach unserem Sieg, dem Sieg des ‚nationalen Sozialismus'".

Das Maß ist voll.

Sie reden von Frieden, Antikapitalismus, ja Sozialismus. Das taten Hitler und Goebbels auch. Es kam zum furchtbarsten aller Kriege. Zur schlimmsten Form des Kapitalismus: Nicht nur Ausbeutung durch Arbeit, sondern Vernichtung durch Arbeit. Es kam zur Versklavung und zum Holocaust.

Wir sehen nicht mehr zu. Wir Älteren, die Aktion 65 plus, werden den Nazis am 6. 9. entgegentreten. Wir werden sie blockieren. (...)"

Die Kriegshetze der Neonazis heute

Die "Aktion 65 plus" forderte auf einer Pressekonferenz - leider vergeblich - das Verbot des Nazi-Aufmarsches zum "Nationalen Antikriegstag", der am 6. September stattfand. Dabei wird von den Neonazis nicht der 1. September 1939, Tag des Kriegsbeginns durch den Überfall auf Polen - das heißt in ihrer Sprache des "Zurückschießens ab 5.45 Uhr" (so Hitler) - als Anlass genannt, sondern der Tag des Kriegseintritts des mit Polen verbündeten Großbritanniens und Frankreichs am 3. September 1939.

Sprecher der "Aktion 65 plus" dazu: "Am 1. September 1939 überfiel Nazideutschland Polen. Die Nachfolger der Nazis, die in ihren Programmen die Beseitigung der polnischen Nachkriegsgrenzen und das Annektieren polnischen Gebietes fordern, sie blasen erneut zum Feldzug gen Osten. Es wurde bereits wiederholt der Antikriegstag 1. September von NS-Leuten missbraucht, indem sie der Losung ‚Nie wieder Krieg...' die Worte hinzufügten ‚... nach unserem Sieg, dem Sieg des nationalen Sozialismus.'" (So geschehen im September 2005 in der Rede von Neonaziredner Siegfried Borchardt.) Anstelle der Globalisierung verlangen die heutigen Nazis den weltweiten Sieg des Nationalsozialismus, den sie "nationalen Sozialismus" nennen; auf die Frage, was dann aus dem jüdischen, dem "auserwählten" Volk werde, wird geantwortet, ihm gehöre dann doch "das Himmelreich". Die Staatsanwaltschaft Dortmund verfügt über Unterlagen, dass solche Äußerungen u.a. im September 2005 in Dortmund gefallen sind. Doch die Staatsanwaltschaft erklärte, derartiges ist "noch nicht" Volksverhetzung. Offenbar ist in den Augen der deutschen Justiz die Kriegshetze keine Volksverhetzung, nachdem Deutschland wieder an Kriegen beteiligt ist.

Bei der 2007er Dortmunder "Antikriegskundgebung" der Neonazis sagte ein ausländischer Redner: Er wolle nicht den Holocaust leugnen, nein, er beglückwünsche die deutschen Kameraden zu ihrer Geschichte, und dazu gehöre auch Auschwitz. Auch diese Äußerung blieb ohne juristische Konsequenz.

Die "Aktion 65 plus" auf ihrer Pressekonferenz: "Wir verweisen besonders darauf, dass die Ankündigung des weltweiten Sieges des ‚nationalen Sozialismus' durch die heutigen Nazis sich als die Drohung mit Krieg, Faschismus, Völkermord und Massenmord an den Juden erweist." Bei der Gelegenheit wurde auch angekündigt, dass sich die Senioren an die Orte der Stolpersteine zum Gedenken an NS-Opfer begeben wollten, um den Nazis das Betreten dieser Orte zu verweigern und sich ihnen in den Weg zu stellen. Dies wurde der "Aktion 65 plus" von der Polizei verboten.

Die Nazis von heute ergehen sich in einer Friedenspropaganda, die von vielen Antifaschisten als Friedensdemagogie erkannt wird. Das ist ungenau definiert. Die Nazis sind nämlich wirklich gegen diesen Imperialismus, wie er sich heute darstellt, gegen diese Kriege unter deutscher Beteiligung, wie wir sie erleben. Man könnte es zusammenfassend so sehen: Sie sind gegen den Krieg, weil er Israel und den USA dient. Sie wollen ihre eigenen deutschen Kriege.

Christian Worch (Demonstrationsleiter unzähliger Naziaufmärsche) fasste die Erfahrungen seiner Naziclique am 6. 9. in Dortmund so zusammen: "Der wohl älteste Teilnehmer und zugleich der mit der persönlich größten militärischen Erfahrung wird Herbert Schweiger gewesen sein: Als Kriegsfreiwilliger der Waffen-SS und letztlich im Range eines Untersturmführers (Leutnant) war er vom April 1941 bis zur Niederlage 1945 im Einsatz. Sein Fazit der vierten Demonstration zum Antikriegstag in Dortmund am 6. September: 'Damals beim Militär hätten wir gesagt: Manöverziel erreicht!'" Das sind gewiss keine Friedenspositionen.

Deutschland soll wieder als militärische Großmacht agieren

Die Neonazis sind - und da unterscheiden sie sich nicht von der offiziellen deutschen Militärpolitik, dem deutschen Militarismus - für eine starke Bundeswehr, gegen Abrüstung, für den Kampf um "deutsche Interessen". Sie drängen in die Bundeswehr, allein schon um das "Waffenhandwerk" zu erlernen. Sie sind zahlreich in den Reservistenverbänden vertreten. Sie stehen in der Tradition der Wehrmacht. Ihre Militärpolitik ist auf Revanche gerichtet.

"Gegen eine von der extremen Rechten imaginierte Funktion der Einkreisung als Mittel der Schwächung und Niederhaltung Deutschlands fordert sie Deutschlands ‚Lebensrecht' und Mission," schreibt Fabian Virchow in seiner Studie über "Internationale Beziehungen und Militär in den politischen Konzeptionen der extremen Rechten", die der Mitarbeiter des Marburger Universitätszentrums für Konfliktforschung unter dem Titel "Gegen den Zivilismus" herausbrachte (Wiesbaden 2006). Die mit der "kleinstdeutschen Einheit vom Rhein zur Oder" verbundenen Gebietsverluste werden von den Rechten beklagt: "Was ist schon ein Deutschland ohne Schlesien, Ostpreußen, Österreich oder Südtirol?" (S. 112 bei Virchow) Die extreme Rechte, so Virchow, strebt mit ihrer Friedensrhetorik die Durchsetzung eines völkisch-arrondierten und mit umfassenden Gewaltmitteln ausgestatteten Groß-Deutschland an. "Dieses soll nach weitreichender Militarisierung von Militär und Gesellschaft als imperiale europäische Ordnungsmacht und weltpolitisch als Gegenpol gegenüber den USA auftreten."

Ultrarechte sind keine Verbündeten der Friedensbewegung

Die faktische Zweiteilung der antimilitaristischen und der antifaschistischen Bewegung in der Gegenwart muss überwunden werden. Ultrarechte sind im Friedenskampf keine Verbündeten, auch wenn sie wie Peter Gauweiler von der CSU gegen den Afghanistan-Einsatz wirken. Diese Leute wollen nicht die Überwindung der Kriege, sondern andere Kriege.

Die VVN-BdA beschloss im Mai dieses Jahres auf ihrem Bundeskongress in Berlin "die Wiederherstellung des antifaschistischen und antimilitaristischen Konsenses." In der Resolution heißt es:

"Der Einstieg der deutschen Politik in Kriegshandlungen wurde damit begründet, man müsse Krieg führen, um ein Auschwitz nicht wieder zuzulassen. Es gilt jedoch: Auschwitz wurde erst durch Krieg möglich. Die Verpflichtung ‚Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus' mit ihren beiden Seiten ist wiederherzustellen.

Das Völkerrecht verbietet, entsprechend der UNO-Charta Artikel 53 und 107, Deutschland das Kriegführen. Das Grundgesetz mit seinem Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen (Artikel 26) und das Völkerrecht sind zu verteidigen und anzuwenden.

Von diesen Prinzipien gehen wir aus, wenn wir uns in die Aktionen der Friedenbewegung einbringen.

Vor allem in drei Bereichen gefährdet die Politik der Bundesregierung eine friedliche Entwicklung unseres Landes: Es sind die Auslandseinsätze der Bundeswehr, das Festhalten an der Teilhabe Deutschlands an Atomwaffen im Rahmen der NATO und die innerstaatliche Aufrüstung und Militarisierung."

Ausführlich wird gegen die "innerstaatliche Militarisierung" argumentiert: "Eine bedrohliche Entwicklung nimmt die Militarisierung im Innern unseres Landes. Bis zu eine Million Soldaten stehen als Reservisten ständig zum Militäreinsatz im Innern der Republik bereit - gegen unser Demonstrationsrecht, gegen Streiks und freie Meinungsäußerung. In Bund und Land, in Stadt und Landkreis werden Polizei und Bundeswehr, z. T. auch Geheimdienste zusammengefasst, um als schwerbewaffneter Heimatschutz zu agieren." (....) Der verfassungswidrige Bundeswehreinsatz in Heiligendamm 2007 stellte einen weiteren Schritt zur inneren Militarisierung dar. Mit der geschürten Anti-Terror-Hysterie werden an breiter Front in einem nie da gewesenen Maße demokratische Grundrechte ausgehöhlt." Statt "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - auch unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus" zuzulassen gelte es, so die VVN-BdA, "die Demokratie und die Menschenrechte" zu verteidigen. "Gegen die Militarisierung ist die Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht zu setzen, und jede neue Form von Zwangsdiensten ("Zivildienst durch alle") á la CSU) ist entschieden zurückzuweisen."

Unabdingbar: Aussagen zu Israel und zur EU

Im Entwurf zu der Resolution, vorgelegt von der Landesdelegiertenkonferenz Nordrhein-Westfalen der VVN-BdA, hieß es auch: "Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist trotz aktueller positiver Zeichen nach wie vor von Gewalt geprägt. Wir setzen uns ein für ein Ende der Besatzung des Iraks und für eine Verhandlungslösung des Iran-Atomkonflikts. Wir setzen uns ein für ein Ende der Gewalt im Nahost-Konflikt und für dessen politische Lösung, welche in der Beendigung der Besetzung der palästinensischen Gebiete durch Israel, die Bildung eines palästinensischen Staates und der gegenseitigen Anerkennung Israels und des palästinensischen Staates liegen muss."

Der Umgang mit dem Nahostkonflikt löst Irritationen in der Friedensbewegung wie auch in der antifaschistischen Bewegung aus. Hilfreich mag ein Bericht aus Berlin sein: Am 27. September fanden in Berlin und weltweit Demonstrationen von schiitischen islamischen Gruppen zum "Al-Quds-Tag" statt. Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Diese 1979 von Ajatollah Khomeini ausgerufenen antiisraelischen Demonstrationen kennen, zwar verbrämt mit Friedenslosungen in antiimperialistischer Diktion, nur eine Forderung - die Vertreibung der Juden und Jüdinnen aus Israel. Etwa 300 Demonstrantinnen und Demonstranten zogen durch die Berliner Innenstadt und trugen Transparente mit Aufschriften wie "Kein zweiter Holocaust an den Palästinensern", oder "Zionisten raus aus Jerusalem", ferner "Kindermörder Israel". In diesem Jahr hatte die Abgeordnete der Linken, Evrim Helim Baba, sie ist VVN-BdA-Mitglied, aufgerufen, sich trotz unterschiedlicher Meinung zu den Konflikten im Nahen Osten an einer Gegenkundgebung zu "Al-Quds" zu beteiligen. Die Jüdische Gemeinde, die Berliner VVN-BdA, zahlreiche Organisationen und Vertreter aller Parteien wandten sich gegen die Delegitimierung des Staates Israels, gegen die Menschenrechtsverletzungen durch das iranische Regime und gegen jeden Versuch, den Holocaust zu leugnen oder zu relativieren. Die Berliner VVN-BdA erinnerte daran, dass vor 60 Jahren die VVN mit der Jüdischen Gemeinde in einer ersten großen Veranstaltung die Gründung des Staates Israel begrüßt hatte. Bei allen Spannungen, Kriegen und Verbrechen im unruhigen Nahen Osten ist und bleibt für Antifaschistinnen und Antifaschisten das Existenzrecht Israels unverzichtbar. Sprecher der VVN-BdA erklärten: "Deshalb wenden wir uns gegen jeden, der dieses Recht in Frage stellt. Gleichzeitig sind wir mit der israelischen Friedensbewegung solidarisch. Sie tritt seit Jahrzehnten mutig, oftmals von vielen Seiten angefeindet, für einen Abbau der Spannungen, ein friedliches Miteinander aller Bürger Israels und eine Zweistaatenlösung ein. Wir wenden uns gegen jede Instrumentalisierung dieses Konfliktes. Kassam-Raketen und Selbstmordattentate auf die Bürger Israels machen jede Verständigung unmöglich, sie sind keine Instrumente politischer Kritik, sondern Mordinstrumente. Wir demonstrieren mit Muslimen gegen Nazis, die den Bau von Moscheen oder Hindu-Tempeln verhindern wollen. Wir dulden aber nicht, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen, wenn offen Antisemitismus propagiert und praktiziert wird. Hier darf es kein Verständnis, keine Ausreden und keine Toleranz geben. Öffentlich propagierter Judenhass und antisemitische Vernichtungsfantasien haben auf den Straßen Berlin nichts zu suchen."

Gegen die EU als Militärpakt

Die nordrhein-westfälische Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA im Februar 2008 hielt nicht nur eine Aussage zum Nahen Osten für unabdingbar, sondern auch eine Stellungnahme zur Aufrüstung und zur EU. "Statt der EU eine Verantwortung für eine friedliche Entwicklung in der Welt zuzuschreiben, legt der aktuelle EU-Reformvertrag eine ständige Aufrüstung fest, ferner den Einsatz von EU-Kampftruppen und einen eigenen Militärhaushalt. Zu diesem Vertrag sagen wir Nein! Ebenso lehnen wir die nach wie vor immens hohen Rüstungsausgaben in Deutschland und die damit finanzierte Umrüstung der Bundeswehr zur Interventionsarmee ab. Stattdessen unterstützen wir Maßnahmen ziviler Konfliktbearbeitung und fordern deren Ausbau." Zum inneren Zustand der Truppe heißt es: "Wir verurteilen die Traditionsarbeit in der Bundeswehr nach dem Muster der Hitler-Wehrmacht. Neben der rechten Haupttendenz der Truppe, existiert die neofaschistische Wühlarbeit in der Truppe weiter. Nazis wollen Einfluss in der Bundeswehr und in der Gesellschaft, und sie wollen Waffen und Waffenkunde. Dagegen ist Wachsamkeit geboten. Der Einfluss alter und neuer Nazis auf die Bundeswehr ist zu unterbinden."

Ein Fazit

Erforderlich ist die enge Verbindung von Antimilitarismus/Antifaschismus mit der Friedensbewegung. Wir brauchen eine Friedensbewegung, die auch eine Demokratiebewegung ist, eine Bewegung gegen Ausgrenzungen, Abschiebungen und Verweigerung des Asylrechtes. Dazu müsste an den Konsens von 1945 wieder angeknüpft werden, der besagt: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel." (Schwur von Buchenwald) Das bedeutet vor allem: Die Einhaltung der UNO-Charta und des Völkerrechts. In Potsdam wurde den Deutschen jede nazistische und militaristische Betätigung und Propaganda verboten. Deutschland hat sich aufgrund seiner Geschichte ganz aus Kriegen fernzuhalten. Es gelten die UNO-Charta-Artikel fort, die Deutschland das Kriegführen verbieten. Und es gilt das Grundgesetz, dessen Grundrechtekatalog und dessen antimilitaristische und demokratische Bestandteile zu verteidigen sind.