06.11.08
Für die Wiederherstellung des Konsenses
"Nie wieder Krieg und nie
wieder Faschismus"
Von Ulrich Sander
Zum 3. Oktober 2008, da das vereinte Deutschland mit 18 Jahren
volljährig geworden war - so die allgemeine Lesart -, da erfuhren
wir alle möglichen Zahlen über den Zustand und das Wollen der
Deutschen, vom Verbrauch an Bier im ganzen Leben bis zu erotischen
Vorlieben. Völlig untergegangen ist leider eine Umfrage, die zum 3.
Oktober veröffentlicht wurde und die Frage nach Krieg und Frieden
beinhaltete - ein Thema, das die Deutschen in beiden deutschen
Staaten Jahrzehnte lang umtrieb. Geteilt nach Ost und West wurde in
einer repräsentativen Studie von Prof. Dr. Elmar Brähler, dem
Leiter der Selbständigen Abteilung für Medizinische Psychologie
und Soziologie der Universität Leipzig, ermittelt:
Die Ostdeutschen stehen Krieg und Militär skeptischer gegenüber
als ihre westdeutschen Landsleute - auch 18 Jahre nach der
Wiedervereinigung. 75 Prozent der befragten Ostdeutschen gaben an,
Krieg sei grundsätzlich moralisch verwerflich, während im Westen
Deutschlands nur 63 Prozent dieser Aussage zustimmten. Alles
Militärische als abstoßend empfinden nach eigener Aussage 55
Prozent der Ostdeutschen, im Westen sagten dies nur 48 Prozent der
Befragten. Dass die Bundesrepublik weniger Geld für Rüstung
ausgeben sollte, meinten 64 Prozent der Menschen in Ostdeutschland
und 41 Prozent im Westen. Sehr deutlich wurde in der Studie zudem,
dass vor allem Frauen allem Militärischen kritisch
gegenüberstehen.
Die Deutschen und der Krieg heute
Für die Studie hatten Prof. Brähler und Dr. Christopher Cohrs
von der nordirischen Queen's University Belfast 2.524 repräsentativ
ausgewählte Personen in Deutschland befragen lassen. In
persönlichen Interviews wurden ihnen Aussagen zu ethischen Aspekten
von Krieg und Militär vorgelegt, zu denen sie sich zustimmend,
ablehnend oder auch unentschieden äußern sollten. Dabei stimmte
die Hälfte der im Westen Befragten der Aussage nicht zu, wonach
Krieg auf Grund der Natur des Menschen unvermeidlich sei. Noch
stärker auf Ablehnung stieß die Aussage im Osten, wo 63 Prozent
der Befragten diese Annahme zurückwies. 69 Prozent der Ostdeutschen
meinte, dass eine Welt ohne Kriege im Prinzip möglich sei. Dem
schlossen sich auch 58 Prozent der Befragten im Westen an. Nicht
zustimmen mochte rund die Hälfte aller Befragten der Aussage, sie
könne es nachempfinden, wenn jemand militärische Werte und
Tugenden bewundere (Ostdeutschland: 50 Prozent / Westdeutschland: 53
Prozent). Dass schon die Androhung militärischer Gewalt großen
Schaden anrichtet, glauben 62 Prozent der Ostdeutschen und 45
Prozent der Westdeutschen.
Es wäre interessant zu erfahren, wie die Umfragewerte aussähen,
wenn sie für Gesamtdeutschland erfragt worden wären. Darüber gibt
es nur eine Zahl, die immer wieder genannt wird, seit Forsa im
Februar 2007 damit begann, nach der Haltung der Deutschen zum Krieg
in Afghanistan zu fragen. 75 bis 85 Prozent werden genannt, die den
Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan und keine neuen
deutschen Truppen dorthin wünschen. Doch so erfreut sich die
Friedensbewegung über diese Umfragewerte äußert, so bleiben doch
Zweifel, ob damit eine ausreichende allgemeine Ablehnung von Kriegen
seitens der Deutschen gegeben ist. Vor allem ergibt sich daraus noch
keine Bereitschaft, für den Frieden auf die Straße zu gehen, aktiv
zu werden. Die Friedensdemonstrationen in Berlin und Stuttgart am
20. September hätten sonst viel größer und mächtiger ausfallen
müssen als sie es waren.
Was sind die Gründe? Offenbar engagieren sich weit weniger
Menschen heute in ganz Deutschland für den Frieden als es vor 1989
der Fall war. Bemerkenswert ist gar die mangelnde Bereitschaft, die
wirklich ernsten sozialen Probleme mit der Abrüstungsfrage in
Verbindung zu bringen. So erklärten in der Leipziger Studie trotz
der grundsätzlichen Ablehnung von Kriegen 44 Prozent der
Ostdeutschen, die Bundeswehr solle mit besserer Technik ausgerüstet
werden, was lediglich 23 Prozent rundweg ablehnten (Westdeutschland:
36 zu 25 Prozent). Die Arbeitsplatzsicherheit in der
Rüstungsindustrie - Deutschland ist viertgrößter Exporteur von
Kriegswaffen - scheint vielen wichtiger zu sein als die Bewahrung
und Schaffung sozialer Standards durch Abrüstung. Die Haltung
"Das beste für unsere Soldaten" und "Deutschland
vorn" spiegelt sich da ebenfalls wider.
Ein Drittel der Menschen in Ostdeutschland (35 Prozent) meinte
zudem, dass Krieg ethisch gerechtfertigt sein könne, um Freiheit
und Menschenrechte zu schützen. Dieser Aussage stimmten nur 27
Prozent der befragten Westdeutschen zu. Das bedenkliche Verhältnis
zum Militär wurde auch darin deutlich, dass 40 Prozent der
Ostdeutschen meinen, der Staat müsse über militärische Stärke
verfügen, um bei internationalen Konflikten glaubhaft verhandeln zu
können. Im Westen schlossen sich nur 33 Prozent dieser Aussage an.
Die Befürwortung des militärisch starken Staates, der
Menschenrechtskriege und der Außenpolitik der Stärke - dies alles
sind nationalistische und rechte Positionen, die sich in der
Leipziger Studie äußern. Sie müssen in Beziehung gesetzt werden
zu den rund 20 Prozent Deutschen, die ein mehr oder weniger
geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben.
Mehr Antifaschismus als
Antimilitarismus im Lande?
Es ergab sich, dass am 20. September nicht nur in Stuttgart und
Berlin für den Frieden und den Abzug der deutschen Truppen aus
Afghanistan demonstriert wurde, sondern auch in Köln gegen ein
internationales Treffen von Rassisten und Ausländerfeinden, die
sich auf Einladung der rechtsextremen "pro NRW"-Bewegung
eingefunden hatten, um sich unter dem Vorwand der Islamkritik und
der Ablehnung von Moscheebauten für die nächsten Wahlen zu
positionieren. Über 50.000 Menschen aus Nordrhein-Westfalen
bereiteten dem rechten Treffen eine schwere Niederlage.
Antifaschistischer Protest wird also stärker,
antimilitaristischer schwächer? Das könnte man meinen. Es muss
aber zu Köln auch beachtet werden, dass "pro NRW" auf
einer Welle mit jenen kriegshetzerischen Positionen aus der Mitte
schwimmt, die unter dem Vorwand des Kampfes gegen den "islamistischen
Terrorismus" für den Krieg agieren. Insofern waren die Kölner
antifaschistischen Demonstranten auch friedenspolitisch engagiert.
Die Militärdoktrin des Neonazismus und der anderen Kräfte der
Rechten bleibt zumeist unbeachtet. Selbst wenn die Nazis in Dortmund
nun schon im vierten Jahr am Antikriegstag Anfang September ihren
bundesweiten "nationalen Antikriegstag" begehen, so
begegnen dem die Antifaschisten zumeist nur mit den Losungen wie
"Nazis raus aus unserer Stadt" oder mit Äußerungen gegen
die Gewalt der Faschisten, nicht gegen die Gewalt der Faschisten,
die sich in ihrer Kriegsbereitschaft und Kriegshetze äußert.
Jetzt haben sich ältere Dortmunder Antifaschistinnen und
Antifaschisten diesem rechten Treiben mit sowohl antifaschistischen
als auch antimilitaristischen Argumenten entgegengestellt. Eine
"Aktion 65 plus" führte am 6. September in Dortmund einen
700köpfigen spontanen Demonstrationszug an. Ihre Erklärung lautete
u.a.:
"Aktion 65 plus - Wir haben es erlebt. Nie wieder.
Bombennächte. Ständige Angst. Hausdurchsuchungen. Die Eltern
im KZ. Verwandte sterben im Krieg. Nachbarn mit dem gelben Stern
werden abgeholt.
Nachts träumen wir davon.
Die Nachfolger der Nazibande, die das verschuldete, erheben
wieder ihr Haupt.
Jahr für Jahr kommen sie nach Dortmund. Sie rufen "Nie
wieder Krieg" und fügen hinzu: " ... nach unserem Sieg,
dem Sieg des ‚nationalen Sozialismus'".
Das Maß ist voll.
Sie reden von Frieden, Antikapitalismus, ja Sozialismus. Das
taten Hitler und Goebbels auch. Es kam zum furchtbarsten aller
Kriege. Zur schlimmsten Form des Kapitalismus: Nicht nur Ausbeutung
durch Arbeit, sondern Vernichtung durch Arbeit. Es kam zur
Versklavung und zum Holocaust.
Wir sehen nicht mehr zu. Wir Älteren, die Aktion 65 plus,
werden den Nazis am 6. 9. entgegentreten. Wir werden sie blockieren.
(...)"
Die Kriegshetze der Neonazis heute
Die "Aktion 65 plus" forderte auf einer Pressekonferenz
- leider vergeblich - das Verbot des Nazi-Aufmarsches zum
"Nationalen Antikriegstag", der am 6. September stattfand.
Dabei wird von den Neonazis nicht der 1. September 1939, Tag des
Kriegsbeginns durch den Überfall auf Polen - das heißt in ihrer
Sprache des "Zurückschießens ab 5.45 Uhr" (so Hitler) -
als Anlass genannt, sondern der Tag des Kriegseintritts des mit
Polen verbündeten Großbritanniens und Frankreichs am 3. September
1939.
Sprecher der "Aktion 65 plus" dazu: "Am 1.
September 1939 überfiel Nazideutschland Polen. Die Nachfolger der
Nazis, die in ihren Programmen die Beseitigung der polnischen
Nachkriegsgrenzen und das Annektieren polnischen Gebietes fordern,
sie blasen erneut zum Feldzug gen Osten. Es wurde bereits wiederholt
der Antikriegstag 1. September von NS-Leuten missbraucht, indem sie
der Losung ‚Nie wieder Krieg...' die Worte hinzufügten ‚...
nach unserem Sieg, dem Sieg des nationalen Sozialismus.'" (So
geschehen im September 2005 in der Rede von Neonaziredner Siegfried
Borchardt.) Anstelle der Globalisierung verlangen die heutigen Nazis
den weltweiten Sieg des Nationalsozialismus, den sie
"nationalen Sozialismus" nennen; auf die Frage, was dann
aus dem jüdischen, dem "auserwählten" Volk werde, wird
geantwortet, ihm gehöre dann doch "das Himmelreich". Die
Staatsanwaltschaft Dortmund verfügt über Unterlagen, dass solche
Äußerungen u.a. im September 2005 in Dortmund gefallen sind. Doch
die Staatsanwaltschaft erklärte, derartiges ist "noch
nicht" Volksverhetzung. Offenbar ist in den Augen der deutschen
Justiz die Kriegshetze keine Volksverhetzung, nachdem Deutschland
wieder an Kriegen beteiligt ist.
Bei der 2007er Dortmunder "Antikriegskundgebung" der
Neonazis sagte ein ausländischer Redner: Er wolle nicht den
Holocaust leugnen, nein, er beglückwünsche die deutschen Kameraden
zu ihrer Geschichte, und dazu gehöre auch Auschwitz. Auch diese
Äußerung blieb ohne juristische Konsequenz.
Die "Aktion 65 plus" auf ihrer Pressekonferenz:
"Wir verweisen besonders darauf, dass die Ankündigung des
weltweiten Sieges des ‚nationalen Sozialismus' durch die heutigen
Nazis sich als die Drohung mit Krieg, Faschismus, Völkermord und
Massenmord an den Juden erweist." Bei der Gelegenheit wurde
auch angekündigt, dass sich die Senioren an die Orte der
Stolpersteine zum Gedenken an NS-Opfer begeben wollten, um den Nazis
das Betreten dieser Orte zu verweigern und sich ihnen in den Weg zu
stellen. Dies wurde der "Aktion 65 plus" von der Polizei
verboten.
Die Nazis von heute ergehen sich in einer Friedenspropaganda, die
von vielen Antifaschisten als Friedensdemagogie erkannt wird. Das
ist ungenau definiert. Die Nazis sind nämlich wirklich gegen diesen
Imperialismus, wie er sich heute darstellt, gegen diese Kriege unter
deutscher Beteiligung, wie wir sie erleben. Man könnte es
zusammenfassend so sehen: Sie sind gegen den Krieg, weil er Israel
und den USA dient. Sie wollen ihre eigenen deutschen Kriege.
Christian Worch (Demonstrationsleiter unzähliger
Naziaufmärsche) fasste die Erfahrungen seiner Naziclique am 6. 9.
in Dortmund so zusammen: "Der wohl älteste Teilnehmer und
zugleich der mit der persönlich größten militärischen Erfahrung
wird Herbert Schweiger gewesen sein: Als Kriegsfreiwilliger der
Waffen-SS und letztlich im Range eines Untersturmführers (Leutnant)
war er vom April 1941 bis zur Niederlage 1945 im Einsatz. Sein Fazit
der vierten Demonstration zum Antikriegstag in Dortmund am 6.
September: 'Damals beim Militär hätten wir gesagt: Manöverziel
erreicht!'" Das sind gewiss keine Friedenspositionen.
Deutschland soll wieder als
militärische Großmacht agieren
Die Neonazis sind - und da unterscheiden sie sich nicht von der
offiziellen deutschen Militärpolitik, dem deutschen Militarismus -
für eine starke Bundeswehr, gegen Abrüstung, für den Kampf um
"deutsche Interessen". Sie drängen in die Bundeswehr,
allein schon um das "Waffenhandwerk" zu erlernen. Sie sind
zahlreich in den Reservistenverbänden vertreten. Sie stehen in der
Tradition der Wehrmacht. Ihre Militärpolitik ist auf Revanche
gerichtet.
"Gegen eine von der extremen Rechten imaginierte Funktion
der Einkreisung als Mittel der Schwächung und Niederhaltung
Deutschlands fordert sie Deutschlands ‚Lebensrecht' und
Mission," schreibt Fabian Virchow in seiner Studie über
"Internationale Beziehungen und Militär in den politischen
Konzeptionen der extremen Rechten", die der Mitarbeiter des
Marburger Universitätszentrums für Konfliktforschung unter dem
Titel "Gegen den Zivilismus" herausbrachte (Wiesbaden
2006). Die mit der "kleinstdeutschen Einheit vom Rhein zur
Oder" verbundenen Gebietsverluste werden von den Rechten
beklagt: "Was ist schon ein Deutschland ohne Schlesien,
Ostpreußen, Österreich oder Südtirol?" (S. 112 bei Virchow)
Die extreme Rechte, so Virchow, strebt mit ihrer Friedensrhetorik
die Durchsetzung eines völkisch-arrondierten und mit umfassenden
Gewaltmitteln ausgestatteten Groß-Deutschland an. "Dieses soll
nach weitreichender Militarisierung von Militär und Gesellschaft
als imperiale europäische Ordnungsmacht und weltpolitisch als
Gegenpol gegenüber den USA auftreten."
Ultrarechte sind keine Verbündeten
der Friedensbewegung
Die faktische Zweiteilung der antimilitaristischen und der
antifaschistischen Bewegung in der Gegenwart muss überwunden
werden. Ultrarechte sind im Friedenskampf keine Verbündeten, auch
wenn sie wie Peter Gauweiler von der CSU gegen den
Afghanistan-Einsatz wirken. Diese Leute wollen nicht die
Überwindung der Kriege, sondern andere Kriege.
Die VVN-BdA beschloss im Mai dieses Jahres auf ihrem
Bundeskongress in Berlin "die Wiederherstellung des
antifaschistischen und antimilitaristischen Konsenses." In der
Resolution heißt es:
"Der Einstieg der deutschen Politik in Kriegshandlungen
wurde damit begründet, man müsse Krieg führen, um ein Auschwitz
nicht wieder zuzulassen. Es gilt jedoch: Auschwitz wurde erst durch
Krieg möglich. Die Verpflichtung ‚Nie wieder Krieg - nie wieder
Faschismus' mit ihren beiden Seiten ist wiederherzustellen.
Das Völkerrecht verbietet, entsprechend der UNO-Charta
Artikel 53 und 107, Deutschland das Kriegführen. Das Grundgesetz
mit seinem Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen
(Artikel 26) und das Völkerrecht sind zu verteidigen und
anzuwenden.
Von diesen Prinzipien gehen wir aus, wenn wir uns in die
Aktionen der Friedenbewegung einbringen.
Vor allem in drei Bereichen gefährdet die Politik der
Bundesregierung eine friedliche Entwicklung unseres Landes: Es sind
die Auslandseinsätze der Bundeswehr, das Festhalten an der Teilhabe
Deutschlands an Atomwaffen im Rahmen der NATO und die
innerstaatliche Aufrüstung und Militarisierung."
Ausführlich wird gegen die "innerstaatliche
Militarisierung" argumentiert: "Eine bedrohliche
Entwicklung nimmt die Militarisierung im Innern unseres Landes. Bis
zu eine Million Soldaten stehen als Reservisten ständig zum
Militäreinsatz im Innern der Republik bereit - gegen unser
Demonstrationsrecht, gegen Streiks und freie Meinungsäußerung. In
Bund und Land, in Stadt und Landkreis werden Polizei und Bundeswehr,
z. T. auch Geheimdienste zusammengefasst, um als schwerbewaffneter
Heimatschutz zu agieren." (....) Der verfassungswidrige
Bundeswehreinsatz in Heiligendamm 2007 stellte einen weiteren
Schritt zur inneren Militarisierung dar. Mit der geschürten
Anti-Terror-Hysterie werden an breiter Front in einem nie da
gewesenen Maße demokratische Grundrechte ausgehöhlt." Statt
"Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - auch unter dem Deckmantel
des Kampfes gegen den Terrorismus" zuzulassen gelte es, so die
VVN-BdA, "die Demokratie und die Menschenrechte" zu
verteidigen. "Gegen die Militarisierung ist die Forderung nach
Abschaffung der Wehrpflicht zu setzen, und jede neue Form von
Zwangsdiensten ("Zivildienst durch alle") á la CSU) ist
entschieden zurückzuweisen."
Unabdingbar: Aussagen zu Israel und
zur EU
Im Entwurf zu der Resolution, vorgelegt von der
Landesdelegiertenkonferenz Nordrhein-Westfalen der VVN-BdA, hieß es
auch: "Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist
trotz aktueller positiver Zeichen nach wie vor von Gewalt geprägt.
Wir setzen uns ein für ein Ende der Besatzung des Iraks und für
eine Verhandlungslösung des Iran-Atomkonflikts. Wir setzen uns ein
für ein Ende der Gewalt im Nahost-Konflikt und für dessen
politische Lösung, welche in der Beendigung der Besetzung der
palästinensischen Gebiete durch Israel, die Bildung eines
palästinensischen Staates und der gegenseitigen Anerkennung Israels
und des palästinensischen Staates liegen muss."
Der Umgang mit dem Nahostkonflikt löst Irritationen in der
Friedensbewegung wie auch in der antifaschistischen Bewegung aus.
Hilfreich mag ein Bericht aus Berlin sein: Am 27. September fanden
in Berlin und weltweit Demonstrationen von schiitischen islamischen
Gruppen zum "Al-Quds-Tag" statt. Al-Quds ist der arabische
Name für Jerusalem. Diese 1979 von Ajatollah Khomeini ausgerufenen
antiisraelischen Demonstrationen kennen, zwar verbrämt mit
Friedenslosungen in antiimperialistischer Diktion, nur eine
Forderung - die Vertreibung der Juden und Jüdinnen aus Israel. Etwa
300 Demonstrantinnen und Demonstranten zogen durch die Berliner
Innenstadt und trugen Transparente mit Aufschriften wie "Kein
zweiter Holocaust an den Palästinensern", oder "Zionisten
raus aus Jerusalem", ferner "Kindermörder Israel".
In diesem Jahr hatte die Abgeordnete der Linken, Evrim Helim Baba,
sie ist VVN-BdA-Mitglied, aufgerufen, sich trotz unterschiedlicher
Meinung zu den Konflikten im Nahen Osten an einer Gegenkundgebung zu
"Al-Quds" zu beteiligen. Die Jüdische Gemeinde, die
Berliner VVN-BdA, zahlreiche Organisationen und Vertreter aller
Parteien wandten sich gegen die Delegitimierung des Staates Israels,
gegen die Menschenrechtsverletzungen durch das iranische Regime und
gegen jeden Versuch, den Holocaust zu leugnen oder zu relativieren.
Die Berliner VVN-BdA erinnerte daran, dass vor 60 Jahren die VVN mit
der Jüdischen Gemeinde in einer ersten großen Veranstaltung die
Gründung des Staates Israel begrüßt hatte. Bei allen Spannungen,
Kriegen und Verbrechen im unruhigen Nahen Osten ist und bleibt für
Antifaschistinnen und Antifaschisten das Existenzrecht Israels
unverzichtbar. Sprecher der VVN-BdA erklärten: "Deshalb wenden
wir uns gegen jeden, der dieses Recht in Frage stellt. Gleichzeitig
sind wir mit der israelischen Friedensbewegung solidarisch. Sie
tritt seit Jahrzehnten mutig, oftmals von vielen Seiten angefeindet,
für einen Abbau der Spannungen, ein friedliches Miteinander aller
Bürger Israels und eine Zweistaatenlösung ein. Wir wenden uns
gegen jede Instrumentalisierung dieses Konfliktes. Kassam-Raketen
und Selbstmordattentate auf die Bürger Israels machen jede
Verständigung unmöglich, sie sind keine Instrumente politischer
Kritik, sondern Mordinstrumente. Wir demonstrieren mit Muslimen
gegen Nazis, die den Bau von Moscheen oder Hindu-Tempeln verhindern
wollen. Wir dulden aber nicht, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen,
wenn offen Antisemitismus propagiert und praktiziert wird. Hier darf
es kein Verständnis, keine Ausreden und keine Toleranz geben.
Öffentlich propagierter Judenhass und antisemitische
Vernichtungsfantasien haben auf den Straßen Berlin nichts zu
suchen."
Gegen die EU als Militärpakt
Die nordrhein-westfälische Landesdelegiertenkonferenz der
VVN-BdA im Februar 2008 hielt nicht nur eine Aussage zum Nahen Osten
für unabdingbar, sondern auch eine Stellungnahme zur Aufrüstung
und zur EU. "Statt der EU eine Verantwortung für eine
friedliche Entwicklung in der Welt zuzuschreiben, legt der aktuelle
EU-Reformvertrag eine ständige Aufrüstung fest, ferner den Einsatz
von EU-Kampftruppen und einen eigenen Militärhaushalt. Zu diesem
Vertrag sagen wir Nein! Ebenso lehnen wir die nach wie vor immens
hohen Rüstungsausgaben in Deutschland und die damit finanzierte
Umrüstung der Bundeswehr zur Interventionsarmee ab. Stattdessen
unterstützen wir Maßnahmen ziviler Konfliktbearbeitung und fordern
deren Ausbau." Zum inneren Zustand der Truppe heißt es:
"Wir verurteilen die Traditionsarbeit in der Bundeswehr nach
dem Muster der Hitler-Wehrmacht. Neben der rechten Haupttendenz der
Truppe, existiert die neofaschistische Wühlarbeit in der Truppe
weiter. Nazis wollen Einfluss in der Bundeswehr und in der
Gesellschaft, und sie wollen Waffen und Waffenkunde. Dagegen ist
Wachsamkeit geboten. Der Einfluss alter und neuer Nazis auf die
Bundeswehr ist zu unterbinden."
Ein Fazit
Erforderlich ist die enge Verbindung von
Antimilitarismus/Antifaschismus mit der Friedensbewegung. Wir
brauchen eine Friedensbewegung, die auch eine Demokratiebewegung
ist, eine Bewegung gegen Ausgrenzungen, Abschiebungen und
Verweigerung des Asylrechtes. Dazu müsste an den Konsens von 1945
wieder angeknüpft werden, der besagt: "Die Vernichtung des
Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer
neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."
(Schwur von Buchenwald) Das bedeutet vor allem: Die Einhaltung der
UNO-Charta und des Völkerrechts. In Potsdam wurde den Deutschen
jede nazistische und militaristische Betätigung und Propaganda
verboten. Deutschland hat sich aufgrund seiner Geschichte ganz aus
Kriegen fernzuhalten. Es gelten die UNO-Charta-Artikel fort, die
Deutschland das Kriegführen verbieten. Und es gilt das Grundgesetz,
dessen Grundrechtekatalog und dessen antimilitaristische und
demokratische Bestandteile zu verteidigen sind.
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