16.08.08
Gericht untersagt, Kameradenkreis der Gebirgstruppe als
"Kriegsverbrechertreffen" zu bezeichnen
Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V. äußert „Befremden und
Entsetzen“ über eine Gerichtsentscheidung
„Befremden und Entsetzen“ äußerte die Friedens- und
Zukunftswerkstatt e. V. - ein Zusammenschluss von friedens- und
gesellschaftspolitisch Engagierten - über eine Entscheidung des
Landgerichts Nürnberg-Fürth, die in der Konsequenz dazu führe,
„Kritik am Auftreten und Verhalten von Angehörigen der
Nazi-Wehrmacht und deren Verbrechen zu unterbinden“.
Das Gericht hatte auf Antrag des Sprechers eines „Kameradenkreises“
von Gebirgsjägern dem Journalisten und Sprecher der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Ulrich
Sander, bei Androhung hoher Geldstrafen im Rahmen einer
Einstweiligen Verfügung untersagt, dem „Kameradenkreis der
Gebirgstruppe“ vorzuwerfen, er veranstalte „Kriegsverbrechertreffen“.
Der „Kameradenkreis“ organisiert im bayerischen Mittenwald
jährlich Treffen von Gebirgsjägern, an denen sowohl ehemalige
Angehörige der Gebirgstruppe der Nazi-Wehrmacht als auch
Angehörige der Bundeswehr teilnehmen.
Unter den Teilnehmern der Treffen befinden sich unbestreitbar
auch ehemalige Gebirgsjäger aus der Nazizeit, denen die Teilnahme
an Kriegsverbrechen nicht nur vorgeworfen wird, sondern die wegen
Kriegsverbrechen zum Beispiel in Italien auch verurteilt wurden.
Gegen einen dieser Beschuldigten hat nach jahrzehntelangem Zögern
nunmehr die Staatsanwaltschaft in München Anklage wegen mehrfachen
Mordes erhoben. Langjähriger Ehrenvorsitzender des „Kameradenkreises“
war der ehemalige Gebirgstruppen-Kommandeur der Nazizeit, General
Hubert Lanz. Er war von einem Alliierten-Gericht wegen
Kriegsverbrechen zu einer langen Haftstrafe verurteilt, wie in
vielen ähnlichen Fällen jedoch vorzeitig freigelassen worden.
Zusammenkünfte von ehemaligen und heutigen Militärangehörigen,
an denen auch wegen Kriegsverbrechen beschuldigte oder verurteilte
Gebirgsjäger aus der Nazizeit teilnehmen, beziehungsweise wo deren
lobend gedacht wird, nicht „Kriegsverbrechertreffen“ nennen zu
dürfen, stellt nicht nur eine erhebliche Einschränkung der
Meinungsfreiheit dar.
Eine solche Gerichtsentscheidung läuft Gefahr, jede Kritik an
den Untaten der Nazi-Wehrmacht, an Kriegsverbrechen, ihrer
Verharmlosung und einer entsprechenden „Traditionspflege“,
erheblich einzuschränken, wenn nicht gar zu unterbinden. Ein
solches Urteil ermuntert diejenigen, die Kriegsverbrechen
verharmlosen oder gar leugnen und auch heute einem
völkerrechtswidrigen kriegerischen Vorgehen das Wort reden.
Im Interesse von Frieden und Demokratie ist zu hoffen und zu
fordern, dass die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth im
Hauptverfahren revidiert wird.
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