15.08.08
Der Fall Lorenz Knorr: Die beleidigten
Kriegsverbrecher
Ein Beispiel, wie in der
Bundesrepublik Deutschland mit der Vergangenheit umgegangen wurde
Die ehemalige Schülerin Eva Plötze hat 2001 den "Fall
Lorenz Knorr" als Thema zu Ihrer Facharbeit an der Gesamtschule
Waldbröl gemacht. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin
veröffentlichen wir hier ihre Arbeit:
Der Fall Lorenz Knorr: Die
beleidigten Kriegsverbrecher
Ein Beispiel, wie in der
Bundesrepublik Deutschland mit der Vergangenheit umgegangen wurde
Einleitung
Ich habe mir das Thema dieser Facharbeit ‚Der Fall Lorenz
Knorr; ein Beispiel wie in der Bundesrepublik Deutschland mit der
Vergangenheit umgegangen wurde` ausgesucht, weil hier die
Problematik der Vergangenheitsbewältigung behandelt wird.
Dieser bestimmte Gerichtsfall ist zwar nicht so bekannt, ist aber
ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die NS-Vergangenheit nach 1945
noch große Probleme und sehr unterschiedliches Denken hervorgerufen
hat.
Es soll in dieser Arbeit verdeutlicht werden, dass kurz nach
Kriegsende die alten Wehrmachtsgeneräle und Admiräle wieder hohe
Posten in der Bundeswehr erhielten. Außerdem wurden viele dieser
Kriegsverbrecher gar nicht für ihre Verbrechen vor Gericht gestellt
und bestraft. Sie sind niemals für ihre Verbrechen zur Rechenschaft
gezogen worden, sondern haben direkt wieder Macht bekommen, dadurch,
dass sie die Möglichkeit erhalten haben, in der Bundeswehr hohe
Funktionen zu übernehmen. Das ist das empörende.
Weiterhin behandele ich in dieser Facharbeit die Wiederbewaffnung
durch Adenauer, insbesondere die Himmeroder Denkschrift, weil diese
die Grundlage für die neue Bundeswehr war. Ausgearbeitet worden ist
diese Denkschrift auch wieder von einigen der alten
Wehrmachtsgeneräle. Diese Themen werden in meiner Facharbeit genau
erarbeitet und erläutert.
Der Fall Lorenz Knorr: Die
beleidigten Kriegsverbrecher
In diesem Kapitel geht es um Prozesse, die Lorenz Knorr gemacht
wurden, weil er bestimmte namentlich genannte Generäle der
Bundeswehr als Nazi-Generäle und Massenmörder; bezeichnet hat.
Diesem vorausgegangen war, dass man in den fünfziger Jahren wieder
deutsche
Soldaten brauchte und zwar im Kampf gegen den Weltkommunismus.
Viele von ihnen waren schon von den Gerichten der Siegermächte zu
hohen Strafen verurteilt worden, aber vorzeitig entlassen bekamen
sie ihre Ehre, ihre Gehälter und Pensionen jetzt wieder. Dafür war
besonders die regierende konservative Mehrheitsfraktion
verantwortlich, denn sie förderten dies ganz erheblich und
verhinderten die Aufklärung und die Offenlegung der Verbrechen der
deutschen Soldaten insbesondere die der Wehrmachtsoffiziere. Denn
ihr Ziel war die Wiederbewaffnung. Dafür brauchten sie aber
erfahrene Offiziere und Generäle und da galten Wehrmachtsoffiziere
nun mal als die geeignetsten und besten.
Schon im Jahre 1948 beauftragte der erste Bundeskanzler der CDU
Dr. Konrad Adenauer den Generalleutnant Dr. H. Speidel zusammen mit
dem General der Infanterie H. Foertsch und dem Generalleutnant A.
Heusinger eine Denkschrift zur äußeren Sicherheit des Landes zu
verfassen. Alle drei waren bekannte Kriegsverbrecher. Aber das war
erst der Anfang.
1950 wurde die Himmeroder Denkschrift verfasst. Das war sozusagen
die Geburtsurkunde der Bundeswehr. Und auch diesmal hatte Adenauer
den Auftrag an Generäle und Admirale der Wehrmacht übergeben und
sie hatten diese Denkschrift ausgearbeitet und verfasst.
Kriegsverbrecher hatten also die Voraussetzungen für die
Aufstellung „eines Deutschen Kontingents im Rahmen einer
übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“;
verfasst. Sie hatten diese Aufgabe für die BRD übernommen.
Außerdem wurde jetzt die Rehabilitierung des deutschen Soldaten
gefordert und damit verbunden die Freilassung der Soldaten, die für
ihre Verbrechen verurteilt waren, eine weitere Forderung war, dass
die Bundesregierung eine Ehrenerklärung abgeben müsse.
Damit wurde die Wiederherstellung der Ehre ein Anliegen für
einige deutsche Politiker, und manche Publizisten. Aber es gab auch
einige Gegner. Diese konnten selbst durch die Gerichten nicht zum
Schweigen gebracht werden.
Von einem der Gegner handelt dieser Fall. Lorenz Knorr war von
Jugend auf Antifaschist und Antimilitarist. Er war Politiker und
hielt am 22. Juli 1961 in Solingen eine Rede, in der er einige
namentlich genannte Generäle der Bundeswehr als „Nazi-Generäle“;
und als „Massenmörder“ bezeichnet hatte. Darunter waren die
Generäle Heusinger, Speidel, Foertsch und Kammhuber, und der
Admiral Ruge!
Alle fünf waren nachweisliche NS-Verbrecher. Ihre Schuld war
bekannt und bewiesen. Aber gegen diese Männer wurde nichts
unternommen. Im Gegenteil. Nachdem Lorenz Knorr sie so bezeichnet
hatte, fühlten sie sich beleidigt und erstatteten Strafanzeige
gegen ihn.
„Ein Staatsanwalt, der an faschistischer Terrorjustiz beteiligt
war“; - zwei von ihm erwirkte Todesurteile des Sondergerichtes
Prag gegen tschechische Staatsangehörige, die ihrer Gegnerschaft
gegen Hitlers Krieg Ausdruck gegeben hatten, sind erhalten -, „erhob
die Anklage.“ (Zitat Buch „Die Republik vor Gericht“; Seite
130 Zeile 19-24)
Außerdem saß ein Richter, der schon unter Hitler am
Sondergericht Wuppertal seinen Beruf ausgeübt hatte, dem
Schöffengericht in Solingen vor. Dort wurde der Fall zum ersten Mal
behandelt. Aber kann man denn von solchen Menschen Gerechtigkeit
erwarten, die sich unter dem Hitler-Regime an Verbrechen gegen die
Menschlichkeit beteiligt hatten? Und wieso hatten sie das Recht auch
weiterhin ihren Beruf uneingeschränkt auszuüben?
Die Ankläger waren genauso wie die eigentlich neutralen, also
Staatsanwalt und ein Richter von der NS-Zeit unwiderruflich
geprägt. Für sie war Knorr ein politischer Gegner, da er auch
gegen die Wiederbewaffnung war und die Verbrechen der Generäle und
Admiräle aufdecken, aufklären und die Täter vor Gericht stellen
wollte.
Lorenz Knorr war seit seiner Jugend politisch links sehr
engagiert. Er war Kriegsgegner und hatte den Zweiten Weltkrieg nur
mit schweren Verletzungen überlebt. Danach war er erst Mitglied in
der SPD und hatte eine führende Position in der Sozialistischen
Jugend. Später gründete er zusammen mit anderen enttäuschten SPD
Mitgliedern, da die SPD sich der CDU zu sehr angenähert habe, die
DFU (Deutsche Friedens-Union). Der Solinger Prozess begann im Mai
1963. Lorenz Knorr hatte vorher monatelang Dokumente für den
Schuldbeweis der Angeklagten zusammengetragen. Die Presse und einige
andere stellten diese Dokumente dann als Fälschungen hin, die nur
dem Weltkommunismus dienen sollten. Früher waren solche
Antikommunistischen Bewegungen normal. So wurden auch politische
Prozesse gelenkt.
Knorr hatte diese Dokumente in mühseliger Kleinarbeit aus
Archiven herausgearbeitet. Das meiste stammte aus Materialien das
bereits dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg bei
ihren Nazi Prozessen gedient hatte. Sie hatten auch zu den
Todesurteilen gegen Keitel (Chef des Oberkommandos der Wehrmacht)
und Jodl (Chef des Wehrmachtsführungsstabes) geführt. Das spricht
ja für sich, dass die obersten Generäle der Wehrmacht zum Tode
verurteilt wurden. Außerdem kann man daran erkennen, dass dieses
Beweismaterial keine Fälschung sein konnte. Es war international
anerkannt und unstrittig. Ein deutsches Gericht durfte es eigentlich
nicht ignorieren, wie es aber später der Fall war.
Knorr hatte aus diesen Materialien zur Vorbereitung des Prozesses
eine Dokumentation „Die Schuld der Hitler-Generale an den
Kriegsverbrechen von 1939-1945“ zusammengestellt und darüber
hinaus eine Fülle von Urkunden beschafft, mit denen die
Verantwortung der Generalität und der Admirale an den ungeheuren
Verbrechen der Hitler-Wehrmacht eindrucksvoll belegt wurde. (Zitat
Buch „Die Republik vor Gericht“ Seite 131 Zeile 34-40)
In diesen Dokumenten sind einige Befehle, die Hitler den
Wehrmachtsoffizieren gegeben hatte aufgeführt. Außerdem die
Aufforderung, dass Gewalt die einzige Lösung sei, und
dementsprechend vorgegangen werden müsse. Genau gesagt, ging es um
viele konkrete Befehle, die die Schuld der Generäle und ihre
Verantwortlichkeit an den Verbrechen verdeutlicht. Eigentlich
beziehen diese sich auf die Überfällen auf Polen und auf die
Sowjetunion, auf die Luftangriffe, und auf den „Kommissarbefehl“.
Selbst die „Endlösung der Judenfrage“ wäre ohne die aktive
Mitarbeit von Wehrmachtsteilen organisatorisch und faktisch nicht
möglich gewesen. Überall war die Wehrmacht beteiligt, hat die
Pläne mitausgearbeitet, ist mitverantwortlich und somit auch
mitschuldig. Damit natürlich auch vor allem die Generäle, die die
Aktionen der Wehrmacht zu verantworten hatten, da die Soldaten ja in
ihrem Auftrag, auf ihre verbrecherischen Befehle hin handelten.
Das Dokument das Lorenz Knorr ausgearbeitet hatte, war also hieb
und stichfest richtig und somit war auch bewiesen, dass die
Beschuldigten „Massenmörder“ waren. Das hätte eigentlich zum
Freispruch für den alten Friedenskämpfer und Antifaschisten Lorenz
Knorr führen müssen, dafür hätten die Ankläger vor Gericht
gemusst, um für ihre Verbrechen bestraft zu werden. Aber das
Schöffengericht in Solingen erkannte die Beweise nicht als solche
an, sondern sah keinen Grund warum es das Material verwenden sollte.
In seinem Urteil vom 30 Mai 1963 befand es, dass der Ausdruck
Massenmörder ein beleidigendes Werturteil sei, demgegenüber ein
Wahrheitsbeweis unzulässig sei.; (Zitat Buch Die Republik vor
Gericht; Seite 132 Zeile 19-22)
Also, das Resultat war, dass die Dokumente, die den Schuldbeweis
erbrachten, dass diese Generäle „Massenmörder“ waren, nicht
benutzt wurden, sondern ein Urteil gefällt wurde, gegen Lorenz
Knorr, aber zu Gunsten der Massenmörder. Die Strafe war nicht
besonders hoch, nur eine Geldstrafe von 300 DM sollte Lorenz Knorr
zahlen. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Knorr lediglich die
Wahrheit ausgesprochen hat und dafür sogar Beweise hatte, ist die
Strafe absolut unberechtigt und ungerecht. Denn die eigentlichen
Verbrecher kamen dort ungeschoren davon.
Gegen dieses Urteil legten sowohl Lorenz Knorr, der einen
Freispruch wollte, als auch der Staatsanwalt Einspruch ein. Dieser
wollte nämlich eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe
durchsetzen. Die Berufung wurde dann in eine Strafkammer des
Wuppertaler Landgerichts weiter verhandelt. Aber auch dort hatte
Knorr wieder Pech mit dem Richter, der genauso war wie der andere,
denn für ihn war die Ehre der Hitler Generäle wichtiger als das
Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Es gab inzwischen auch
schon solidarische Proteste auf der Straße, die für die Wahrheit
und den Freispruch für Lorenz Knorr plädierten.
Vor dem Wuppertaler Gericht hielt Knorr nun wieder
Verteidigungsreden, in denen er seine Anklagen gegen jeden einzelnen
der „beleidigten“ Kriegsverbrecher vortrug und diese mit genauen
Beweisen untermauerte. Unterstützt wurde er dabei von seinen
Verteidigern Heinrich Hannover und Dr. Walther Ammann. Gegen alle
fünf Kläger, also die Generäle Heusinger, Speidel, Foertsch,
Kammhuber und den Admiral Ruge hatte er eine, durch viele Dokumente
gestützte Anklageschrift verfasst. Jeder einzelne hatte im Zweiten
Weltkrieg eine entscheidende Rolle gespielt. Alle fünf waren
außerdem bekannte und einflussreiche Generalstäbler, man wusste
wer sie waren und was sie getan hatten. Und wenn man es vorher nicht
gewusst hatte dann aber spätestens nach der Rede Lorenz Knorrs.
Weiterhin sagte Knorr, dass es nur eine feige Ausrede sei, sich auf
einen Befehlsnotstand herauszureden, denn diese Generäle wären
willige Befehlsempfänger gewesen. Außerdem hätten sie aus der
ganzen Zeit nichts gelernt und sich nicht geändert. Er beendete
seine Rede damit, dass eigentlich diese Herren auf der Anklagebank
sitzen müssten und nicht er.
Daraufhin erwiderte der Staatsanwalt, der sehr konservativ war,
dass das Material doch den Behörden vorgelegt werden könne. So
aber in dieser öffentlichen Verhandlung würde es zum Chaos
führen. Einer der Verteidiger Lorenz Knorrs, Heinrich Hannover
hielt dann sein Plädoyer. In dem sprach er unter anderem über die
Ehre der Generäle und deren Schuld. Es endete mit den Sätzen: „Ich
habe die Hoffnung, dass unsere Generation erleben wird, dass man die
Massenmörder bestraft und nicht diejenigen, die Massenmörder als
Massenmörder bezeichnen. Es könnte sonst leicht sein, dass unsere
Generation die letzte gewesen sein wird, die überhaupt gelebt hat.“
(Zitat Buch Seite 136 (oben))
Der andere Verteidiger Dr. Ammann rechtfertigte den Ausdruck so,
dass er keine Formalbeleidigung sei, da deren Schuld durch Tatsachen
bewiesen sei. Aber das Gericht war da anderer Meinung und
verurteilte Lorenz Knorr zu einer Geldstrafe von 2000 DM. Sie hatten
das Strafmaß also sogar noch erhöht, mit der Begründung, dass es
sehr wohl eine Formalbeleidigung sei und Knorr hier nur ein
politisches Ziel verfolgen würde. Nämlich die Bundeswehr
schädigen und behaupten die Bundeswehr würde Deutschland wieder in
eine Katastrophe führen.
Am 3.12.1964 hob das Oberlandgericht Düsseldorf das Urteil auf,
verwies den Fall wieder zurück zum Landgericht. Dies geschah,
nachdem Knorr mit seinen Rechtsanwälten zum zweiten Mal Einspruch
eingelegt hatte. Daraufhin zeigte Lorenz Knorr die Generäle
Heusinger und Speidel wegen Beihilfe und Anstiftung zum Mord an.
Die nächsten sechs Jahre passierte nicht viel. Denn das
Verfahren gegen Knorr ruhte wegen laufender Ermittlungen gegen die
beiden Generäle. Aber diese scheinen nicht sonderlich konsequent,
geschweige denn richtig durchgeführt worden zu sein. Das
unglaubliche geschah, die Staatsanwaltschaft stellte die
Ermittlungsverfahren gegen die beiden Verbrecher ein. Ihrer Meinung
nach, hätten sich die Anschuldigungen als haltlos erwiesen.
Aber nach nunmehr elf Jahren am 3.5.1972, wurde das Verfahren
gegen Lorenz Knorr wegen Geringfügigkeit nach §153 StPO
eingestellt. Das hatte das Landgericht beschlossen. Die Kosten
sollte die Staatskasse tragen, aber Lorenz Knorr musste natürlich
seine eigenen Kosten selber zahlen. Das hieß die
Rechtsanwaltskosten für zwei Verteidiger, die Beweise und die viele
Arbeit die er in das Projekt gesteckt hatte. Insgesamt gingen die
Kosten in die Tausende.
Ein weiterer Schlag war, dass die doch so mühsam
zusammengetragen Beweismaterialien nie verwendet wurden. Kein
Richter hatte es für nötig empfunden sie sich durchzulesen und zu
verwerten um für Gerechtigkeit zu sorgen und Kriegsverbrecher zu
bestrafen. Nein, es war ihnen wichtiger die Ehre, die eigentlich gar
keine war zu schützen. Mit diesen Materialien hätte man ein Stück
Gerechtigkeit herstellen können, denn es waren genug Beweise um
jeden der fünf früheren Wehrmachts-Generäle, später wichtige
Bundeswehr Funktionäre, vor Gericht zu stellen. Auf diese Weise hat
die deutsche Justiz die Verbrecher geschützt. Sie haben die
Tradition fortgeführt die Ehre der deutschen Generäle zu schützen
und wiederherzustellen.
Aber so wurde jemand der Widerstand geleistet hat, der sich für
Gerechtigkeit eingesetzt hat, der die Wahrheit gesagt hat und das
auch noch eindrucksvoll beweisen konnte, dem haben die Richter über
zehn Jahre den Prozess gemacht. Sie haben sich nicht für Lorenz
Knorr und seine gerechte Sache eingesetzt, wie es wohl ihre Pflicht
gewesen wäre sondern Partei für die „Massenmörder“,
;,Heusinger, Speidel, Foertsch, Kammhuber und Ruge ergriffen. Die
Reinwaschung der Hitler-Generäle stand über der Gerechtigkeit. Und
so wurden nicht die „Massenmörder“ bestraft, sondern der, der
sie als „Massenmörder“ bezeichnet hat.
Lorenz Knorr bekam über 3000 Solidaritätsschreiben aus der
ganzen Welt, unter anderem auch von namhaften Leuten, in denen er
für sein Verhalten und sein Durchhaltevermögen bewundert und
gelobt wurde. Denn obwohl seine persönliche Geschichte des
Widerstandes gegen den Neomilitarismus und Neoimperialismus sehr
leidvoll war, hat er sich seine Begeisterung, Entschiedenheit und
Hoffnung im Kampf nicht nehmen lassen. Außerdem wurde ihm zu seinem
siebzigsten Geburtstag eine Festschrift gewidmet. Knorr hat später
auch selbst ein Buch verfasst mit dem Titel Rechtsextremismus in der
Bundeswehr-Deutsches Militär von Massenmördern geprägt? Dort
schreibt er über die alten Generäle und Admiräle der Wehrmacht,
die die Bundeswehr nachhaltig prägten und über den
Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Dieses Buch fand bei den
Kritikern großen Anklang.
Die Himmeroder Denkschrift und die
Wiederbewaffnung
Nach Kriegsende wollte in Deutschland eigentlich niemand wieder
eine Waffe in die Hand nehmen. Dazu sagte einmal sehr treffend Franz
Josef Strauß: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen
will, dem soll die Hand abfallen!“ Allerdings wurde Strauss kurz
darauf Bundesverteidigungsminister und Befürworter der
Wiederbewaffnung. ¾ der gesamten Westdeutschen Bevölkerung lehnte
Anfang der fünfziger, dass Soldatwerden und die Einführung einer
Wehrpflicht rigoros ab. 1952 waren es immer noch über 70%.
Aber wie kam es dann dazu, dass bereits zehn Jahre nach der
totalen Entmilitarisierung, die allgemeine Wehrpflicht im
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt wurde?
Die Schlüsselrolle zu dieser Umwandlung spielte die CDU,
besonders Dr. Konrad Adenauer. Denn die Wiederbewaffnung stand ganz
unter seinem Einfluss. Das unglaublichste an der ganzen Sache war,
dass die Grundlagen für die Gründung einer neuen Bundeswehr, von
den alten Wehrmachtsoffizieren geschaffen wurden.
Denn, die Himmeroder Denkschrift, sie hat ihren Namen von dem
Geheimtagungsort, dem Eifelkloster Himmerod, gilt als die
Geburtsurkunde der Bundeswehr. Und diese Denkschrift wurde, auf
Veranlassung Adenauers, von einigen Offizieren der ehemaligen
Wehrmacht verfasst. Die im Gutachten aufgeschriebenen Informationen
bzw. Vorschläge entsprachen größtenteils ihren Erfahrungen aus
ihrer Wehrmachtzeit. Vorgesehen waren, eine Küstenmarine, eine
taktische Luftwaffe und das wichtigste massive, bewegliche
Heeresverbände. Die Struktur war aus dem Zweiten Weltkrieg
übernommen worden, nämlich die taktisch-operative, der Vorwärts-
bzw. Nach Vorne Verteidigung. Es entstand eine Konzeption aus 12
Divisionen und 250 000 Heeressoldaten.
Diese Himmeroder Konzeption wurde von den Alliierten genehmigt.
Für die Generäle war dies ein absoluter Planungsvolltreffer. Das
heißt 1950 nur fünf Jahre nach Kriegsende haben diese
NS-Verbrecher schon wieder die Macht bekommen, ihr Wissen nutzen zu
können und ihre Tätigkeiten als Generäle wieder auszuführen.
Von den Nato-Staaten wurde lediglich eine Obergrenze für die
Anzahl der Soldaten festgelegt. Der Umfang dieser neuen Streitmacht
ist mit 500 000 Mann allerdings nicht viel kleiner gewesen als die
Wehrmacht kurz vor Kriegsbeginn. Im Klartext hieß das, dass der BRD
wieder eine Armee von Wehrmachtsformat zur Verfügung stand.
Durchorganisiert und geplant von denjenigen, die im Zweiten
Weltkrieg Verbrechen an der Menschlichkeit begangen haben. Diese
Wehrmachtgeneräle sind niemals für ihre grausamen Verbrechen zur
Rechenschaft gezogen worden, sondern die damalige Regierung hat
ihnen, nur fünf Jahre nach der Befreiung, die Chance der
Rehabilitierung gegeben. Außerdem wurde durch dieses Ausmaß der
Armee, der Gedanke erweckt, dass ihr Berufsstand sich dadurch auch
Rehabilitieren könne, denn viele ihrer Kameraden waren noch in Haft
und verbüßten ihre Strafen. „Typisch war es, dass man in den
Planungen noch immer von den deutschen Grenzen des Jahres 1937
ausging.“ (Zitat „Bundeswehr-Gefahr für die Demokratie?“
Seite 23)
Die Himmeroder Denkschrift hatte für das Militär eine sehr
große Bedeutung. Dort wurde dann aber die Rehabilitierung des
deutschen Soldaten gefordert;, außerdem die Freilassung der
deutschen Soldaten, die in Haft saßen weil sie von den Alliierten
als Kriegsverbrecher verurteilt worden waren. Aber nur die, die nur
auf Befehl gehandelt und sich nach dem alten Recht sich nicht
schuldig gemacht hätten.
Das waren die zentralen Forderungen, die aus der Himmeroder
Denkschrift hervorgegangen sind. Sie wollten sich also auf den
Befehlsnotstand herausreden. Das heißt, sie haben sich immer ihrer
Verantwortung entzogen und haben für ihre Verbrechen nicht gerade
gestanden und gebüßt. Dabei hat ihnen die Regierung auch sozusagen
noch geholfen, indem sie ihnen ihre Macht wieder gegeben hat und sie
nicht vor Gericht gestellt worden sind.
Dieser Sinneswandel vom „Nie wieder“ 1945 zum „Doch wieder“
1955 war eine „Meisterleistung“; der Politik Adenauers. Er
schaffte es die Mehrheit der Wähler für die Zustimmung zum
NATO-Beitritt und zum Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik zu
gewinnen. In erster Linie aber war das zurückzuführen auf den
starken Antikommunismus. Außerdem hatten die Westdeutschen eine
unheimlich Angst vor dem Osten, teilweise durch Schuldgefühle
erzeugt, eine traumatische Angst vor den Vergeltungsschlägen. Diese
Angst wurde zusätzlich noch von der Regierung geschürt. Viele der
Westdeutschen waren in dem Glauben, dass die Problematik nur zu
handhaben wäre, durch die totale Abgrenzung vom Osten und der
bedingungslosen Anlehnung an den Westen. Aus diesen Gründen wollten
sie die Wiederbewaffnung.
Aber dabei wurde völlig übersehen, dass sie durch dieses blinde
Aufrüsten überhaupt erst zum Ziel der Sowjets wurden, denn die
könnten sich durch diese Offensivbewaffnung bedroht und an die
schrecklichen Zeiten erinnert fühlen. Adenauer band die
Bundesrepublik Deutschland fest in ein westliches Bündnis ein und
ging ganz bewusst auf Konfrontationskurs zum Osten. Die deutsche
Teilung nahm er billigend in Kauf.
Die Bundeswehr wurde in die NATO eingebunden und mit speziellen
Aufgaben betraut.
Schlussteil
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bundesrepublik
Deutschland zum Teil ignorant mit ihrer Vergangenheit umgegangen
ist. Wie beim Fall Lorenz Knorr. Denn hier wurde derjenige bestraft,
der lediglich die Wahrheit ausgesprochen hat. Die deutsche Justiz
hat nicht die Massenmörder bestraft, sondern den der sie als solche
bezeichnet hat.
Die Adenauer Ära legte offenbar überhaupt keinen Wert darauf
moralisch sauber mit Unverdächtigen und Unbescholtenen Staat zu
machen. Der Name Bundeswehr stand somit nur als Fassade vor der
alten Wehrmacht, ihren Strukturen, Traditionen und Befehlshabern.
Sie war also eigentlich nicht wirklich neu. Unrechtsbewusstsein
scheint sie nicht zu kennen, zumindest fühlt sie sich nicht
schuldig für die Verbrechen, die die Wehrmacht eben auf Befehl
jener Kommandeure beging, die Knorr so vergeblich anzuklagen
versuchte.
Quellenangabe
1) "Die Republik vor Gericht 1954-1974" Erinnerungen
eines unbequemen Rechtsanwalts; Heinrich Hannover; Aufbau Verlag;
1998
2) "Die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik"; Ulrich
Albrecht; Kleine Bibliothek Pahl-Rugenstein; 1980
3) "Unsere Bundeswehr?" Zum 25-jährigen Bestehen einer
umstrittenen Institution; Redaktion Reiner Steinweg; edition
suhrkamp; SV
4) "Bundeswehr- Gefahr für die Demokratie?" ; Matthias
Münch; Kleine Bibliothek Pahl-Rugenstein; 1983
5) "Frieden schaffen! Gedanken zur Sicherheitspolitik"
; Gerd Bastian; Kindler; 1983
6) "Die Bundeswehr Eine Diskussionsgrundlage" ; A.F.
Ullrich; Laumann Verlag; 1984
8) "http://www.jungewelt.de/1999/08-07/021.shtml"
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