27.05.08
Protestveranstaltung gegen den "Schlageter-Gedenktag"
Redebeitrag des Kreissprechers
der VVN-BdA Düsseldorf Jürgen Schuh, anlässlich der
Protestveranstaltung gegen den "Schlageter-Gedenktag" am
25. Mai 2008 in Düsseldorf
Liebe Freundinnen und Freunde
oder (wie die NRZ fomulierte)
liebe Randalierer und Randaliererinnen!
"700 Polizisten gegen Randalierer" titelte gestern die
NRZ ihren Bericht über die heutige Zusammenrottung von Alt- und
Neonazis aus Anlass des 85. Todestages von Leo Schlageter. Das
gleiche Strickmuster fand die RP für angemessen. Rechte und Linke
schlagen sich. Neofaschisten und Antifaschisten, Kriminelle und
Demokraten in einen Topf, kräftig umrühren und schon ist das Bild
aktueller bundesdeutscher Geschichtsfälschung fertig.
Worum geht es überhaupt?
Aus Anlass des 85. Todestages von Leo Schlageter rotten sich
heute Alt- und Neonazis vor dem 39erDenkmal am Reeser Platz zu einem
"Schlageter-Gedenken" zusammen.
Einlader ist die extrem rechte "Junge Landmannschaft
Ostdeutschland" (JLO, ehemals "Junge Landmannschaft
Ostpreußen").
Als Redner sind vorgesehen neben Dirk Pott vom Bundesvorstand der
JLO, der enge Kontakte zur NPD und neonazistischen "Freien
Kameradschaften" unterhält und jährlich Großaufmärsche in
Dresden zum Gedenken an den "Bombenholocaust"
veranstaltet.
Außerdem zwei prominente Düsseldorfer:
- der ehemalige stellvertr. Bundesvorsitzende der extrem rechten
"Republikaner", Rechtsanwalt Dr. Björn Clemens aus
Düsseldorf-Flingern. Clemens, der auch militante Nazis
verteidigt, ist in der gesamten militanten Rechten ein gern
gesehener Redner, Autor und Referent, der häufig auch bei NPD-
und DVU-Veranstaltungen anzutreffen ist.
- der dem Spektrum bzw. nahen Umfeld der Auschwitz-Leugner und
den erst kürzlich verbotenen Vereinen "Collegium
Humanum" sowie "Verein zur Rehabilitierung der wegen
Bestreitens des Holocaust-Verfolgten" zuzurechnende
Rechtsanwalt Hajo Hermann aus Düsseldorf-Oberkassel. Der heute
94-jährige Hermann war hochdekorierter Kampf- und Jagdflieger
der NS-Luftwaffe, Vertrauter Hermann Görings und Mitglied in
Hitlers Luftwaffenführungsstab. Auch er tritt auf NPD- und
DVU-Veranstaltungen als Redner auf und wird von der extremen
Rechten als "Held" verehrt.
Sie haben sich immer noch nicht damit abgefunden, den ersten und
den zweiten Weltkrieg verloren zu haben. Ihnen sind die Millionen
Opfer der beiden Kriege immer noch nicht genug.
Sie leugnen nicht nur die Kriegsschuld Deutschlands, sondern
basteln fröhlich an einem neuen 1933. Wir sagen ihnen von hieraus
und unmissverständlich: "Ihr habt den Krieg verlorn!" Und
mit uns wird es kein neues 1933 geben! Wir werden uns ihnen solange
in den Weg stellen, bis sie die Lust auf die Straße verloren haben!
An dieser Stelle möchte ich noch einmal Antifaschistinnen und
Antifaschisten zu Wort kommen lassen, die faschistische
Vergangenheit am eigenen Leibe erlebt und erlitten haben:
Maria Wachter, Hermann Laupsien und Henny Dreifuss erklärten zu
dem Nazi-Aufmarsch am 3. Juni 2006:
"....es gibt kein Recht auf Nazi-Aufmärsche,
Naziorganisationen und Nazipropaganda.
Deshalb ist es geradezu eine Pflicht, sich den Neonazis.....in
Düsseldorf im wahrsten Sinne des Wortes entgegenzustellen und den
Naziaufmarsch zu verhindern."
Dazu stehen wir!
Die Feier der ewig Gestrigen findet unter dem Schutz der
geballten Staatsmacht statt. Zwar begrüßt Polizeipräsident
Herbert Schenkelberg das Engagement gegen die faschistische
Kundgebung und erklärte, das Auftreten der Rechtsextremisten sei
"nur schwer zu ertragen".
Herr Schenkelberg lässt andererseits aber keinen Zweifel
aufkommen, dass er mit dem Hinweis auf den Artikel 21 des
Versammlungsgesetzes die Neonazi-Zusammenrottung auf jeden Fall
schützen wird.
Herrn Schenkelberg wird vielleicht nicht bekannt sein oder er
wird übersehen haben, dass Nachfolgeorganisationen der NSDAP (ganz
gleich, in welcher Verkleidung sie auftreten), nach Artikel 139 des
Grundgesetzes prinzipiell verboten und aufzulösen sind. Dieser
Artikel 139 des Grundgesetzes ist nie gestrichen worden und da
Bundesgesetz Landesgesetz bricht, ist die Zusammenrottung der Alt-
und Neonazis illegal und laut Gesetz sofort aufzulösen! Das
Argument, der Artikel 21 des Versammlungsgesetzes sei "ein
schützenswertes Gut" ist also dummes Zeug und ist in diesem
Fall völlig gegenstandslos.
Verehrter Herr Schenkelberg!
Lösen sie die Alt- und Neonazi-Versammlung sofort auf. Es
handelt sich hier um eine kriminelle Vereinigung, die laut Artikel
139 illegal ist!
Seit Jahren werden Nazi-Aufmärsche vom Bundesverfassungsgericht
höchst richterlich genehmigt. Seit Jahren werden Demokratinnen und
Demokraten mit Prozessen überzogen, weil sie nicht bereit sind,
offenes Propagieren faschistischer Ideologien hinzunehmen. Nicht die
Neonazis - Demokraten werden von der Justiz verfolgt.
Wie kann es zu solch abstrusen Verfahren kommen?
Der immer noch gültige Artikel 139 des Grundgesetzes
wurde auf kaltem Wege entsorgt.
Ein Rückblick auf seine Entsorger. Die Zeitschrift Ossietzky
brachte folgendes an den Tag:
Theodor Maunz, ein hochkarätiger Nazi-Jurist, beschrieb
seine Rechtsauffassung so:
"Der oberste Plan des Führers ist oberstes
Rechtsgebot."
Der überzeugte Nazi-Jurist Maunz setzte nach 1945 Karriere
ungebrochen fort. Professor Maunz wurde bayerischer Kultusminister.
Er starb hochgeehrt mit 92 Jahren und die Süddeutsche Zeitung
schrieb zum 90. Geburtstag: "Seine verfassungsrechtliche
Arbeit in den fünfziger und sechziger Jahren hat dazu beigetragen,
die Grundlagen für ein demokratisches Deutschland zu
schaffen."
Es war die rechtsextremistische Deutsche Nationalzeitung,
die sehr bewusst den Irrtum über Maunz und über das demokratische
Deutschland aufklärte. "Deutschland verlor seinen größten
Rechtsgelehrten", titelte sie und fuhr unmittelbar fort, "Dr.
Frey seinen wunderbaren Wegbegleiter." Bis zum 91.
Lebensjahr hatte Maunz der von der National-Zeitung-Herausgeber
angeführten "Deutschen Volksunion" mit
juristischen Gutachten geholfen, jahrzehntelang traf er sich einmal
in der Woche mit Frey "zu einer stundenlangen Besprechung
aller zentralen politischen und juristischen Fragen". Ohne
seine juristische Beihilfe hätte die Neonazi-Partei nicht so viele
Prozesse gewonnen.
Aber Theodor Maunz, des "Teufels Jurist" schrieb
die Abendzeitung, musste irgendwann gehen. Aber zuvor brachte
er mit Hilfe seines Schülers, dem Chef des
Bundesverfassungsgerichts a.D. und ehemaligen Bundespräsidenten Roman
Herzog den "Maunz" heraus. Den für alle
Juristen gültigen Kommentar zum Grundgesetz. Dazu aus Ossietzky
weiter:
Dort (im Grundgesetz) gab es - und gibt es noch immer - den Artikel
139, der die Fortgeltung des Verbots der NSDAP betrifft. Dieses
Artikels nahm sich Roman Herzog an: "Bei seinem
Inkrafttreten fand das GG eine beträchtliche Anzahl von alliierten
und deutschen Rechtsvorschriften vor, die sich mit der sog.
Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und
Militarismus, kurz mit der sog. Entnazifizierung befassten."
Damit musste nun Schluss sein. Herzog verfügte im
Grundgesetzkommentar: "Mit dem Abschluß der sog.
Entnazifizierung ist Art. 139 obsolet geworden."
1982 also erklärte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts
Roman Herzog die "Entnazifizierung für abgeschlossen"
und die Deutsche Nationalzeitung konnte sich "an der
Spitze des höchsten deutschen Gerichtes keinen geeigneteren
Fachmann als Prof. Herzog" vorstellen.
Kein Politiker hat sich bisher getraut, an den Artikel 139 des
Grundgesetzes Hand anzulegen. Die Drecksarbeit machte der
"Teufelsschüler" Roman Herzog. Damit hat er dem Deutschen
Bundestag faktisch eine wesentliche Möglichkeit entzogen, dem
offenen Treiben neonazistischer Banden Einhalt zu gebieten. Der Dank
der Neonazis ist ihm gewiss.
Unsere Leserbriefe - diesen Sachverhalt betreffend - landen im
Papierkorb der Redaktionen. Übrigens ist die VVN-BdA - die
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der
AntifaschistInnen (für die ich hier spreche) nicht die
"Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus", wie
uns die NRZ bezeichnet. Aus gutem Grund. Der Begriff
"Nationalsozialismus" ist eine zweifache Fälschung. Die
Nazis waren und sind weder "national" noch
"sozialistisch". Das festzustellen ist insofern wichtig,
damit auch heute keiner auf die sozialdemagogischen Parolen der
Neonazis reinfällt.
Da bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sichtbar ist, dass Herr
Schenkelberg seinem verfassungsgemäßen Auftrag nachkommt, die
Veranstaltung der kriminellen Neonazi-Bande aufzulösen, lade ich zu
einem kleinen historischen Spaziergang vom Reeser Platz, durch die
ehemalige Schlageter-Siedlung, den Nordpark und die
Nordpark-Siedlung ein.
Das Denkmal am Reeser Platz besteht aus einer Wand, die die
gesamte Breite des Platzes beansprucht. In der Mitte ist eine
Öffnung eingelassen. Dieser Gruft entsteigen reliefartig Soldaten.
Unbesiegbar, selbst durch den Tod. Später wurden Namen vorwiegend
eroberter sowjetischer Städte eingemeißelt. Das Denkmal ist als
Ersatz für ein anderes 39er Denkmal errichtet worden.
Das ursprüngliche Denkmal stammt von Jupp Rübsam. Seine Reste
stehen an der Tonhalle. Es zeigte bis zu seiner Zerstörung zwei auf
dem Bauch liegende Krieger mit überproportionierten Händen. Es
wurde am 1. September 1928 enthüllt. Allerdings setzte sofort eine
öffentliche Diskussion ein, in der das Denkmal als
"Frontverhöhnungsdenkmal" bezeichnet wurde. Im Mai 1930
wurde sogar ein Sprengstoffanschlag auf das Denkmal verübt; das
Düsseldorfer Tageblatt rügte damals, dass die Polizei nichts
unternommen habe. Von den Nazis wurde es gleich nach der
Machtübernahme am 28. März 1933 abgerissen und seine Reste auf dem
städtischen Bauhof gelagert. Die Reste des Rübsam'schen 39er
Denkmals sind 1978 wieder aufgestellt worden, wenige Meter vom
ursprünglichen Standort vor der Tonhalle.
Das Denkmal am Reeser Platz ist als Ersatz am 9. Juli 1939
errichtet worden. NSDAP-Gauleiter Florian rief damals aus: "Und
Ihr habt doch gesiegt! Dieses Wort des Führers weist uns den Weg in
die Zukunft!" Die aktiven Mitglieder des Infanterieregiments
Nr. 39 befanden sich zu dieser Zeit schon auf dem Weg in die Bunker
des Westwalls in ihre Ausgangsstellungen, die für viele die
Endstation waren.
Der einstimmige Stadtratsbeschluss aus dem Jahre 1946, dieses
kriegsverherrlichende Denkmal zu beseitigen, wurde bis heute nicht
ausgeführt. Im Gegenteil. Bis in die achtziger Jahre diente das
Denkmal jährlich zum Volkstrauertag den ehemaligen 39ern gemeinsam
mit rechtsradikalen Organisationen als Ort für ihre Aufmärsche.
Würdiger für die offiziellen Feierlichkeiten zum Volkstrauertag
erscheint der Platz um das "Mahnmal Drei Nornen", das von
Jupp Rübsam entworfen worden ist. Es steht an der Stelle, wo von
den Nazis 1933 das sogenannte Schlageterkreuz errichtet worden ist.
Zum 26. Mai 1933 fand zum 10. Jahrestag der Erschießung Leo
Schlageters durch die Franzosen ein riesiger Nazirummel in der
Golzheimer Heide in Anwesenheit von Hermann Göring statt. 300 000
Nazis waren aus allen Teilen des Reiches gekommen. In
nationalistischer Gegnerschaft gegen die Ruhrbesetzung der Franzosen
hatte Schlageter 1923 eine Brücke gesprengt, war erwischt, wegen
Sabotage zum Tode verurteilt und auf der Golzheimer Heide erschossen
worden. Um Schlageter machten die Nazis einen Kult.
Düsseldorf wurde zur "Schlageter-Stadt", ein Teil der
Kö wurde zur Leo-Schlageter-Allee.
Der spätere kommunistische Landtagsabgeordnete Hugo Paul
verfasste zu diesem Ereignis eine Broschüre mit dem Titel "Das
Kreuz auf der Heide", in der mit den Lügen der Nazis und deren
aktueller Politik abrechnet wurde. Die Flugschrift, nach den
Erinnerungen des ehemaligen Düsseldorfer Kulturdezernenten Hanns
Kralik wurden davon 20 000 Exemplare gedruckt, die noch vor Ende der
Feierlichkeiten verteilt werden konnten, schilderte Schlageter als
einen "Mann, der hoffnungslos vom Wege abgekommen war, indem er
weder seinen wahren Feind erkannte, das Großkapital, noch seine
wahren Freunde, die Arbeiter ihn ihrem Kampf. Die heutige Jugend
sollte, anstatt denselben Weg zu gehen oder sich zur Verteidigung
der Großkapitals der Nazipartei anzuschließen, ihr Schicksal mit
der Arbeiterklasse verbinden."
Die Nazis schäumten vor Wut. Der Düsseldorfer Nazi-Gauleiter
Florian persönlich übernahm die Fahndung nach dem Verfasser und
Hersteller der Broschüre. Ohne Erfolg.
Das Schlageterkreuz war Endpunkt der Schlageter-Achse, die
anlässlich der Ausstellung "Schaffendes Volk" dem
staunenden Publikum 1937 vorgestellt wurde.
Die Schlagetersiedlung, Nordpark samt Nordparksiedlung sind
ebenfalls 1937 anläßlich der Ausstellung "Schaffendes
Volk" errichtet worden. Diese Ausstellung wurde von der
"Deutschen Arbeitsfront" errichtet, einer Organisation, in
der seinerzeit nach der Zerschlagung der Gewerkschaften alle
Arbeitnehmer Zwangsmitglied waren.
Die Nordparksiedlung gruppiert sich um einen dörflich anmutenden
Platz, wie überhaupt das ganze Ensemble einer dörflichen Idylle
nachempfunden ist. Dieser Heimatstil in der Nazi-Architektur sollte
ein Gemeinschaftsgefühl evozieren, das indes deutlich mit den
monumentalen Einschüchterungen repräsentativer Bauten, wie auch
der Gartenanlage des Nordparks kontrastiert.
Liebe Freundinnen und Freunde,
bisher ist nicht erkennbar, dass die Nazi-Zusammenrottung seitens
der Polizei aufgelöst wurde. Das heißt also: wir müssen ausharren
und unseren Protest artikulieren.
Jetzt kommt es darauf an, den Neonazis den Weg zu versperren!
- Wir fordern den Abzug aller Undercover-Nazis des
"Verfassungsschutzes!
- Keine Steuergelder für faschistische Organisationen!
- Nazis raus aus den Parlamenten!
- die Medien sind aufgefordert, den Neonazis keine Zeile und
kein Wort zu gönnen!
- Wir fordern Verbot und Auflösung aller neofaschistischen
Parteien und Organisationen.
Faschismus ist keine Meinung - sondern ein Verbrechen!
Und jetzt ist ein bisschen Stimmung angesagt. Merkt Euch mal die
Texte. Die erste Losung kam beim diesjährigen
NS-Gebirgsjägertreffen in Mittenwald bei den Altfaschisten
besonders gut an:
- "Ihr habt den Krieg verloren, Ihr habt den Krieg
verloren, Ihr habt den Krieg verloren!"
- Dass Rechtsextremismus inzwischen auch seine Heimstatt in den
sogenannten Volksparteien gefunden hat, übersehen wir nicht.
Deshalb:
- "Der Mief, der von der Rechten kam, kommt jetzt auch in
der Mitte an!"
Und weiter:
- "Neonazis basteln fleißig an einem neuen
Dreiunddreißig!"
- "Bürger runter vom Balkon, für Nazis gibt es kein
pardon!"
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