19.05.08
"Dezimieren, kräftig dezimieren", sagte
der SS-Führer - Opfer bis kurz vor Schluss arglos
Ehrung für Mescheder Opfer von
Kriegsendphasenverbrechen
Michael Hermes (Die Falken) und Ulrich Sander (VVN-BdA) stellten
am 9. Mai in Meschede das Buch „Mörderisches Finale“ vor. Sie
sprachen vor einer Gruppe von Jugendlichen. Beide haben an dem Buch
mitgearbeitet, das die Kriegsendphasenverbrechen der Nazis und ihre
Hintergründe schildert. Eines dieser Verbrechen geschah auf einer
Wiese zwischen Meschede und Eversberg. Dort ehrten die Jugendlichen
die Opfer, Zwangsarbeiter – 63 Jahre danach.
Michael Hermes, Unterbezirksvorsitzender der Sozialistischen
Jugend Deutschlands - Die Falken - im Hochsauerlandkreis und
Mitglied des Internationalen Rombergparkkomitees führte aus:
„Von abends um elf bis frühmorgens um sechs hallten
Gewehrsalven durch das Wiesental zwischen Meschede und Eversberg. Am
Ende lagen 80 tote Sowjetbürger
und Polen in einem Massengrab. Heute
jährt sich zum 63. Mal die Hinrichtungsaktion - ein Massenmord.
In der Warsteiner Schützenhalle waren die Zwangsarbeiter
gemeinsam mit rund 900 Leidensgenossen untergebracht gewesen, in
Warstein befand sich zu jener Zeit auch der Stab der SS-Division ‚z.
V.’ (Zur Vergeltung). Ihr Chef: der SS-Obergruppenführer Heinz
Kammler. Und der hielt nicht damit hinter dem Berg, was er von den
Ausländern in der Schützenhalle hielt: "Minderwertiges
Pack" und "unnütze Esser". Die mörderische
Konsequenz für den fanatischen Nationalsozialisten Kammler:
"Dezimieren kräftig dezimieren"
35 Männer, 21 Frauen und ein Kind werden am 20. März 1945 in
einem Wäldchen bei Suttrop ermordet; 14 Männer, 56 Frauen und ein
Kind sind es am 21. März in der Nähe von Warstein. Wieder einen
Tag später werden keine Frauen und Kinder dabei sein. ‚Ich habe
sehr darauf geachtet, dass bei der nächsten Exekution nur Männer
erschossen wurden, damit die Parität wieder hergestellt war', sagt
SS-Feldrichter Wolfgang Wetzling 1957 vor Gericht aus.
Helmuth Gaedt, Leiter des Exekutionskommandos an diesem dritten
Tag des Mordens, ließ nachmittags eine Grube auf der Wiese zwischen
Meschede und Eversberg ausheben. 30 Meter lang, sechs Meter breit.
‚Genau rechteckig’, wie er betont und: ‚An der einen Seite war
sie abgeschrägt, damit die Leute bequem hinein konnten.’
Die 80 späteren Mordopfer glauben, es gehe in eine bessere
Unterkunft, als sie abends in Warstein abgeholt werden. Ein Teil von
ihnen wird auf einen Lastwagen verfrachtet, der Rest macht sich zu
Fuß in mehreren Gruppen auf den angeblichen Weg in die bessere
Unterkunft, die sich als Massengrab erweisen wird.
Auf der Wiese müssen die Zwangsarbeiter Kleidung und Gepäck
ablegen. Bis hierher klappt die Tarnung der Hinrichtungsaktion. ‚Es
gab keine besonderen Vorfälle’, wird Gaedt jedenfalls vor Gericht
aussagen. ‚Lediglich eine gewisse Unruhe’ will er bei seinen
Opfern wahrgenommen haben - sie werden an die Grube geführt. Gaedt
gibt das Kommando: ‚Feuer!’
Ein paar Mal wiederholt sich das Geschehen - immer wenn eine neue
Gruppe ankommt. Zwischendurch, nach jeder Mord-Schicht, wird Erde
auf die Leichen geschaufelt: ‚Damit die anderen nichts merken.’
Die Mordnacht des 22. März hat mehrere Nachspiele:
- Zwei Jahre lang bleibt das Massengrab, das der
Grundstückseigentümer einige Wochen später entdeckt hatte,
ansonsten unbemerkt - zumindest unbeachtet. Erst ein anonymes
Schreiben macht die englische Besatzungsmacht zwei Jahre später
darauf aufmerksam.
- SS-Sturmbannführer Wetzling wird wegen Totschlags verurteilt:
Fünf Jahre Gefängnis für 151 Menschenleben. Der Leiter des
Exekutionskommandos wird freigesprochen: Befehlsnotstand,
befinden die Arnsberger Richter.
- Ein Sühnekreuz, das Vikar Grumpe 1947 eingeweiht hatte - auch
gegen den Widerstand des damaligen Mescheder Pastors -, wird
viermal geschändet und schließlich vergraben. Erst 1964 wird
es von Schülern wieder ans Tageslicht befördert. Seit Anfang
der 80er Jahre hat es seinen endgültigen Platz in der
Pfarrkirche Maria Himmelfahrt.
Die 80 Toten fanden ihre letzte Ruhe 1947 auf dem Waldfriedhof
Fulmecke, dem ‚Franzosenfriedhof’. Eine Stele auf dem ‚Franzosenfriedhof’
erinnert an die ermordeten Zwangsarbeiter.
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