19.05.08
Nazi-Täterort Vogelsang
VVN-BdA sagt Ja zum Naturschutz
und Nein zum Nazi-Kult
Die
Nazis haben in der Zeit von 1934-1937 für den Bau der
"Ordensburg Vogelsang" 34 Millionen Reichsmark ausgegeben.
Es war gestohlenes Geld aus der (selbst nach Nazi-"recht")
illegitimen Beschlagnahme des Geldes der von den Nazis aufgelösten
Gewerkschaften. Bauherr war der Anführer der Deutschen
Arbeitsfront, Ley. Die Ordensburg knüpfte gedanklich an die
Ostexpansion des "Deutschen Ordens" an, meinte die
"Partei als Orden" und hatte zum zentralen Punkt die
Ausbildung einer Parteielite. Indoktriniert von formelhaftem
Rassismus und besessen vom Körperkult sollten die ca 800 Junker von
Vogelsang nach drei Jahren Drill und Schliff "Vorkämpfer des
Völkischen" sein. Nach 1945 wurde das Gebiet um Vogelsang
unter britische Verwaltung, ab 1950 unter belgische Verwaltung
gestellt. Seit 1.1.2006 hat die Bundesregierung wieder die
Alleinverantwortung über das Gelände. Vor kurzem haben die
Bundesregierung, die Landesregierung und die beteiligten Gemeinden
sowie der Landschaftsverband Rheinland eine Investition von ca 34,4
Millionen Euro bis 2012 beschlossen. Die Investitionen sollen
zunächst in drei Ausstellungen fließen (Nationalsozialismus,
Regionalgeschichte und Nationalpark). Eine Jugendherberge soll
gebaut werden. Nach der Neubelebung der Infrastruktur sollen private
Investoren gewonnen werden. Der Bau eines von den Nazis wegen des
Krieges nicht vollendeten KdF -Hotels soll in einem späteren
Schritt nachgeholt werden.
Die VVN-Bund der Antifaschisten stellt dazu fest:
- Wir stehen ein für die Erschließung der einzigartigen Natur
des ehemaligen Truppenübungsplatzes und die aktive Gestaltung
des Nationalparks.
- Wir lehnen das bisherige Konzept des Umgangs mit der
Geschichte der Nazi-Diktatur auf Vogelsang als unangemessen ab.
- Wir lehnen den von Regierungspräsident Antwerpes 1989 (!)
verantworteten Denkmalschutz für Nazisymbole und
Nazi-"kunst" ab. Wir fordern deshalb die Aufhebung des
Denkmalschutzes für die Nazisymbole, Statuen und Mosaike auf
Vogelsang, die bis heute unkommentiert und ungebrochen
konsumiert werden können.
- Die VVN-BdA hält daran fest: Denkmalschutz ist Menschenwerk
und eine Manifestation des politischen Willens. Denkmalschutz
ist kein Naturgesetz.
- Die VVN-BdA fordert die nachvollziehbare Brechung der
Nazi-Architektur und die Beseitigung der Nazi-"kunst".
- Die VVN-BdA fordert die Einbeziehung der Opferverbände in die
Umgestaltung der Ordensburg.
- Die VVN-BdA ist grundsätzlich der Auffassung, dass der
Eigentümer der Ordensburg der Deutsche Gewerkschaftsbund ist.
Sie fordert eine Entschädigung für den DGB, denn die Burg
wurde von den Geldern erbaut, die dem ADGB 1933 gestohlen
wurden.
- Die VVN-BdA fordert ein realistisches Konzept für die
Sicherheit vor Neonazi-Auftritten auf der Ordensburg. Jahrelang
wurde die Beteiligung der Republikaner an den Protesten gegen
die belgischen Besatzer geduldet und soweit es möglich war
verschwiegen.
Begründung:
Vogelsang
ist und bleibt ein Täterort. In den zwei Jahren der vollen
Verantwortlichkeit deutscher Stellen ist es nicht ansatzweise
gelungen, das vom Aufsichtsrat der Standortentwicklungsgesellschaft
Vogelsang selbst gestellte Ziel zu erreichen: den "Bruch mit
der totalitär geprägten Gründungsintention". Das
vorgestellte Konzept wird diesen "Bruch" nicht herstellen
können. Vielmehr wird Vogelsang wie in den letzten Jahren
Anziehungspunkt für neonazistische Gruppen und Personen bleiben.
Das Bauensemble Vogelsang sollte in der Intention seiner Erbauer
eine in Stein umgesetzte Idee sein, "Wort aus Stein" und
"gebauter Nationalsozialismus". Im Gelände, an und in
Gebäuden sind Plastiken, Mosaiken und Malereien von Nazikünstlern
bis heute unkommentiert sichtbar. Britische und belgische Truppen
haben notdürftig die NS-Symbole zerstört, ansonsten die Gebäude
und das Gelände genutzt, obwohl die Kontrollratsdirektive No 30 vom
13.5.1946 die Zerstörung von Statuen und Bauwerken anordnete, die
"die Erinnerung an die nationalsozialistische Partei aufrecht
erhalten".
Wir
lehnen den von Regierungspräsident Antwerpes 1989 (!)
verantworteten Denkmalschutz für Nazisymbole und Nazi -
"Kunst" ab. Es bleibt sehr bedenklich, dass die ersten
Schritte hin zur vollen Souveränität Deutschlands ausgerechnet dem
Schutz von Werken der Nazis galt. Seitdem wird der Denkmalschutz als
Totschlagargument gegen jede Veränderungsforderung angebracht.
Die erhältlichen Kunstexpertisen sprechen den Nazi-Darstellungen
auf Vogelsang einen künstlerischen Wert ab. Was die Statuen und
Mosaiken kennzeichnet ist allein ihr propagandistischer Wert. Dieser
aber ist nicht schützenswert. Begründet wird der Denkmalschutz mit
der "Einzigartigkeit der Anlage" und mit dem "ihr
innewohnenden hohen architektonischen Zeugniswert für das
Bauschaffen des so genannten Dritten Reiches". Die Nazis haben
nicht nur in ihrer Ideologie sondern auch in ihrer Bautätigkeit
überall abgestaubt und die verschiedensten Stile kopiert und
gebündelt. Die Einzigartigkeit der Nazi -"kunst" besteht
in ihrer Bösartigkeit. Es ist nicht möglich, Nazi-"kunst"
zu zeigen, ohne die Künstler zu nennen, die von den Nazis ermordet
und vertrieben wurden. Erst dadurch konnten derart viele schlechte
Werke in den Vordergrund gelangen. Die in Stein gehauene Ideologie
des starken und gesunden Nationalsozialisten grenzt immer Menschen
aus, konkret bis hin zu deren millionenfachen Ermordung. Das bis
heute ungebrochene Bild des gesunden, kraftvollen, männlichen
Sportlers und Kriegers fand seine Entsprechung in der Aussonderung
und Ermordung von Menschen mit Behinderungen. Die VVN-BdA kann an
Nazi -"Kunst" nichts schützenswertes entdecken. Nazi-
"Kunst" ist die Illustration des Verbrechens. Das gilt
gerade in Vogelsang.
Wir
fordern deshalb die Aufhebung des Denkmalschutzes für die
Nazisymbole, Statuen und Mosaike auf Vogelsang, die bis heute
unkommentiert und ungebrochen konsumiert werden können. Besonders
lehnen wir den Denkmalschutz für das überdimensionale Hakenkreuz
im Turm, den 6 Meter hohen Fackelträger und die SS Runen auf dem
Bild "Die wilde Jagd" von Willy Meller im Essraum der
Burgschänke ab. Für diese "Werke" wie auch für den Rest
gilt, dass das Versprechen der Betreiber, die Nazi-Darstellungen zu
"brechen" nicht oder kaum erfüllbar sind. Zumindest wurde
es zwei Jahre lang nicht einmal versucht.
Die VVN-BdA hält daran fest: Denkmalschutz ist Menschenwerk und
eine Manifestation des politischen Willens. Denkmalschutz ist kein
Naturgesetz. Das Konzept der Ausstellungen über die Nazi-Zeit und
die Nachkriegsgeschichte bietet Chancen aber noch mehr Risiken. Es
reicht vor allem nicht aus, dem Nazikult, der aus allen Ritzen der
Ordensburg durchscheint, eine isolierte Ausstellung
gegenüberzustellen. Von den bislang 300.000 BesucherInnen seit
Januar 2006 haben nur wenige an Führungen teilgenommen. Eine in der
Schänke der Burg aufgebaute Ausstellung wird ebenfalls nur einen
kleinen Teil der BesucherInnen ansprechen. Der Rest wird weiter den
ungebrochenen Nazi-Kult konsumieren. Der Besuch der Ausstellung kann
schließlich nicht obligatorisch für den Besuch der Anlage gemacht
werden.
Hinsichtlich
der historischen Quellen und deren Interpretation ist die
Ausgangslage von Legenden geprägt. Es ist lokaler Konsens, dass die
Ardennenschlacht eigentlich "gewonnen" wurde, weil die
Verluste der US-Armee höher gewesen sein sollen als die der
Wehrmacht. Die lokale Geschichtsschreibung kommt völlig ohne die
Hinwendung der Bevölkerung zu den Nazis aus, ignoriert die
Verehrung des "Führers" durch die Soldaten bis zum
bitteren Ende und darüber hinaus und kennt die eigene Bevölkerung
nur als Opfer: Opfer des Krieges, der gegnerischen Armee, des
Wetters und was der Legenden mehr sind. So findet die
Nachkriegsgeschichte denn auch als nationalrevolutionärer Kampf
gegen die fremden Besatzer statt. Vor diesem Hintergrund wird es
jede objektive Darstellung schwer haben.
Aktuell findet eine öffentliche Kontroverse darüber statt, dass
ein Teil der ausgebildeten Junker ihr rassistisches Handwerk auf
Vogelsang so gut gelernt hatten, dass sie diese Fähigkeiten in Form
von schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in die zivilen
Verwaltungen der besetzten Ukraine einbrachten. Der Bürgermeister
von Schleiden verkündete 2007: "Eine Bewertung von Vogelsang
als Täterort muss neu vorgenommen werden." Durch diese
Kontroverse wird aber nur verschleiert, dass die Mehrheit der Junker
bei der Wehrmacht landete. In deren Reihen verübten sie nicht
weniger, sondern mehr Verbrechen als ihre zivilen
"Kameraden". Die Kontroverse über die Junker in
Zivilverwaltungen will also von den Verbrechen der Wehrmacht
ablenken.
An den verschiedenen Vorschlägen für Ausstellungskonzepte
arbeiten Professoren, Politiker und Bildungsfachleute. Nur die
Stimme der Verfolgtenverbände findet kein Gehör. Es ist ja auch
ein Täterort, der hergerichtet werden soll. Die VVN-BdA fordert die
Einbeziehung der Opferverbände in die Umgestaltung der Ordensburg.
Die
VVN-BdA ist grundsätzlich der Auffassung, dass der Eigentümer der
Ordensburg der Deutsche Gewerkschaftsbund ist. Die Burg wurde von
den Geldern erbaut, die dem ADGB 1933 gestohlen wurden. Eine
Entschädigung wäre das Mindeste, was der Eigentümer
Bundesrepublik als selbsterwählter Nachfolgestaat des Nazi-Regimes
leisten sollte. Darüber hinaus obliegt dem DGB die Führungsrolle
in der Neugestaltung der Anlage. Der DGB hätte sicher nicht die
Werke seiner Peiniger herausgeputzt. Deshalb haben die Eigentümer
ja auch weitgehend auf die Mitwirkung des DGB`s verzichtet.
Die VVN-BdA sieht einen Widerspruch darin, dass Vogelsang zig
Millionen Euro erhält und die Orte zur Erinnerung an die Opfer
heute unter großen Geldsorgen leiden. In einzelnen Gedenkstätten
von Konzentrationslagern wurde schon über Eintrittsgelder
gesprochen. Andere Gedenkstätten sind wegen fehlender Mittel nicht
oder nur teilweise geöffnet (z.B. die Lichtenburg). Wieder andere
wie das Mädchen-Konzentrationslager Uckermark sind überhaupt nicht
erschlossen und vegetieren als Müllplatz. Es ist deshalb
unangemessen und unverhältnismäßig, wenn über 30 Millionen Euro
in die Renovierung und Verschönerung eines Nazi- Täterortes
gepumpt wird, gleichzeitig aber die Erinnerung an die Opfer durch
Geldmangel in Frage gestellt ist.
Das Land NRW gibt 20 Millionen Euro für Vogelsang, damit der
Täterort in neuem Glanze scheine. Die pädagogische Bildungsarbeit
an Erinnerungs- und Gedenkstätten zur NS-Diktatur wird in NRW über
die Landeszentrale für politische Bildung abgewickelt. Der
Jahresetat für diese Arbeit an ca 20 Erinnerungsstätten in NRW
beträgt ca. 130.000 Euro. Diese Relation ist eindeutig und ein
Skandal.
Die
VVN-BdA fordert ein realistisches Konzept für die Sicherheit vor
Neonazi-Auftritten auf der Ordensburg. Jahrelang wurde die
Beteiligung der Republikaner an den Protesten gegen die belgischen
Besatzer geduldet und soweit es möglich war verschwiegen.
Bücher über Vogelsang hält vor allem der Militaria- und
Heimatliteraturverlag Helios aus Aachen des ehemaligen
NPD-Funktionärs K.H. Pröhuber bereit. Filme über Vogelsang gibt
es allenfalls als Nazipropaganda des "Zeitreisen-Verlag"
aus Bochum. Der Boden für ein langfristiges Engagement der Neonazis
ist bereitet.
Das Auftreten von NPD und Kameradschaften sowie deren Kommentare
lassen auf ein tieferes Interesse der Neonazis an der Ordensburg
schließen. Sie nutzen die bislang ungebrochenen Traditionen der
Naziskulpturen und der Nazi-Architektur. Und sie sind die
Nutznießer der Unfähigkeit und Unwilligkeit der Besitzer, einen
wirklichen Bruch mit der Nazi- Vergangenheit herbeizuführen.
Die Betreiber von Vogelsang erklären oft und gern, dass sie die
Nazis als Besucher nicht gern sehen und sogar rausschmeißen wollen.
Aber es fehlt die Einsicht, dass die Anlage Vogelsang als
Publikumsmagnet nur funktioniert mit dem Thrill der
"furchtbaren Zeit" und ihrer furchtbaren
"Kunst".
Die Landräte der Kreise Aachen, Düren und Euskirchen haben in
einem Memorandum verkündet: "Die Relikte der NS-Zeit müssen
der fortwährenden Mahnung zu Demokratie und Toleranz in unseren
Gesellschaften begriffen werden." Die Realität ist: das
"müssen" sie keineswegs, die Relikte. Das Ziel der
Landräte dem Ort Vogelsang "eine neue Identität zu
geben" kann erreicht werden, wenn ernst damit gemacht wird, den
Nazi-Charakter der Burg und seiner Bestandteile wirklich zu brechen,
so wie es als "Kernidee" des integrierten
Ausstellungskonzeptes des federführenden Büros Müller Rieger
formuliert wurde.
Alles für den Erhalt der Natur- Keinen Cent für Nazi-Kult
und Nazi Schund!
Basierend auf dem Antrag 11 an die Landesdelegiertenkonferenz
der VVN-BdA NRW am 16. 2. 2008 Antragsteller:
Kreismitgliederversammlung Aachen
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