Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

19.05.08

Gedenken an Albert Funk

Rede von Alice Czyborra, Mitglied des Geschäftsführenden Landesausschusses der VVN-BdA NRW, auf einer Gedenkveranstaltung der VVN-BdA Recklinghausen am 26.4.08.

Liebe Freundinnen und Freunde,

auf dem Weg habe ich einiges erfahren über das Leben, über den Kampf und den Tod von Albert Funk, und es hat mich sehr ergriffen. Er gehört zu den ersten Opfern des faschistischen Terrors. Diese Aktion, zu der Ihr heute aufgerufen habt ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, die Erinnerung an den Widerstandkämpfer, an den Kommunisten Albert Funk, stellvertretend für viele seiner Kameradinnen und Kameraden. Sie hatten vor 1933 alles getan, um den drohenden Faschismus zu verhindern.. Sie kämpften weiter nach 1933 unter tiefster Illegalität, riskierten alles, Existenz, Freiheit, Folter ihr Leben wie der Kommunist Albert Funk. Das Inferno konnten sie nicht verhindern, den der deutsche Faschismus in Europa und darüber hinaus entfachte, die Auslöschung von 6 Millionen Juden, Sinti und Roma, darunter auch meine Familienangehörigen, die aus Frankreich in die Vernichtungslager verschleppt und ermordet wurden. Liebe Freunde, der Widerstand in Deutschland war nicht vergeblich, auch wenn er isoliert war,. konnte er Sand in das Getriebe der faschistischen Mordmaschine streuen. Er gehörte ebenbürtig zur gesamten europäischen Resistance.

Es ist unser Verdienst, den antifaschistischen Widerstand wach zu halten, den Widerstand in der Arbeiterbewegung vor den aufkommenden Faschismus und von Anbeginn an der Machtübergabe an Hitler. Gäbe es nicht solche Aktionen wie diese, wer würde überhaupt noch vom deutschen antifaschistischen Widerstand etwas erfahren. Fast in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik wurde Widerstand gegen den Faschismus in Deutschland verheimlicht, peinlichst verschwiegen. Widerstand - so wurde glaubhaft gemacht - habe es erst am 20. Juli gegeben. Einzig die mutigen Aktionen der Weißen Rose ist von offizieller Seite noch erwähnenswert.

In vierzehn Tagen begehen wir den 8. Mai, den Tag der Befreiung vom Faschismus, ein Tag, der in den von der faschistischen Wehrmacht besetzten Ländern zum nationalen Feiertag erhoben wurde. In unserem Land brauchte es 40 Jahre, bis der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 erstmalig vom 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus sprach. Dieser Tag wurde von den meisten in Deutschland als Tag der Niederlage empfunden. Und so wurde auch bezeichnenderweise der jetzt gerade im Fernsehen wiederholte Film benannt: "Der Untergang". Doch Niederlage, Untergang, das war 1933. Trotz Warnungen: Wer Hitler wählt, wählt den Krieg" fanden sie nicht zusammen die Arbeiterbewegung, Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschaften, Christen und all diejenigen, die zur Verteidigung der Demokratie berufen gewesen wären. Es war ihnen nicht gelungen, ihre Differenzen zu überwinden, um gemeinsam und konsequent die Machtübernahme der Faschisten zu verhindern. Was wäre der Menschheit alles erspart geblieben! In den Gefängnissen, Zuchthäusern, Konzentrationslagern und in der Emigration fanden sie sich wieder. Und eine der wichtigsten bitter bezahlten Lehren, die uns die Überlebenden der Konzentrationslager, die Rückkehrer aus dem Bataillon 999 und aus der Emigration immer wiederholten: Unterschätzt sie niemals, die Faschisten! Seid höllisch wachsam! Heute wissen wir, zu welchen Verbrechen Faschismus fähig ist. Nur ein gemeinsamer Kampf aller demokratischen Kräfte über Parteien und Weltanschauung hinweg kann eine ähnliche Entwicklung aufhalten.

Es waren Industrie, Banken, Militär und Junkertum, die 1933 Hitler zur Macht verhalfen, denn er hatte ihnen zugesagt, die Arbeiterbewegung, die marxistischen Vereine, die demokratischen Organisationen zu zerschlagen, Nächste Woche, am 02. Mai, vor 75 Jahren stürmten die SS die Gewerkschaftshäuser, verhafteten massenhaft Gewerkschaftsfunktionäre. Mit unglaublicher Brutalität gingen die Faschisten vor gegen alles und allen, die den Plänen der neuen Machthaber und dem Interesse des Kapitals im Wege standen. Die Rüstungsindustrie erlebte Blütezeiten, das Ziel: die Neuaufteilung der Welt, den Zugriff auf Ressourcen, die Ausplünderung und Ausbeutung der eroberten Länder - wir wissen alle, wohin das geführt hat.

Nach solchen für uns bis heute noch unvorstellbaren Verbrechen, nach einer solchen menschlichen Katastrophe, die von Deutschland ausging, ist es für uns unfassbar, wie schnell nach 1945 die alten Besitz- und Machtverhältnisse im Westen Deutschlands wieder hergestellt wurden. Ehemalige Funktionsträger des Hitlerregimes, die ihre Fähigkeiten dem Führer zur Verfügung stellten, was konnten sie alles werden in der Bundesrepublik: Bundeskanzler, Bundespräsident, Ministerpräsident, höchste Richter, Professoren an den Universitäten. Sie übernahmen einflussreiche Positionen in den Konzernetagen, in der Verwaltung, in den Medien, beim Militär und den Geheimdiensten. Diese Führungsschicht hatte wahrlich kein Interesse an der rückhaltlosen Aufdeckung der faschistischen Verbrechen und des Widerstandes. Und wie gern würden sie einen Schlussstrich unter die unsägliche Geschichte ziehen, wie Martin Walser es 1999 in seiner berüchtigten Rede in der Paulskirche formulierte und dafür riesigen Applaus erhielt.

Es applaudierten all diejenigen, die auch heute keine Auseinandersetzung mit Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Militarismus und dem Eroberungskrieg mit all seinen Verbrechen gebrauchen können. Deutschland präsentiert sich nun wieder als bedeutende wirtschaftliche Macht, als selbstbewusste Nation, beteiligt sich seit 1999 an Kriegen. Ganz offen erklären die Regierenden, dass deutsche Interessen am Hindukusch verteidigt werden. In unserem Land selbst werden immer mehr Grundrechte abgebaut, ein totaler Überwachungsstaat errichtet, der Einsatz der Bundeswehr im Innern, bereits in Heiligendamm praktiziert, soll gesetzlich verankert werden.

Kein Wunder, dass diese Politik, verbunden mit dem Umbau des Sozialsystems, mit Arbeitslosigkeit, Existenzangst, Perspektivlosigkeit, mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich einen Nährboden für rechte Parteien bietet. Im letzten Jahr hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes die Kampagne NoNPD ausgerufen. 175.000 Unterschriften wurden dem Bundestag übergeben, die an den Petitionsausschuss weitergeleitet wurden. Wie Sie sicherlich verfolgt haben, hat die Innenministerkonferenz in der letzten Woche es abgelehnt, erneut einen Antrag für ein NPD-Verbot zu stellen. Eindeutig erklärte die Innenministerkonferenz, dass die NPD verfassungsfeindlich sei; ein NPD-Verbot kommt jedoch für sie nicht in Frage. Die Innenministerkonferenz erklärte die Angelegenheit für sie als erledigt. Das Parlament wurde nicht befragt, entmündigt, die 175.000 Unterschriften der Bürgerinnen und Bürger ignoriert.

Umso mehr sind wir Antifaschisten gefragt, jetzt erst recht in einer breiten Öffentlichkeit die Auseinandersetzung für ein Verbot der NPD weiterzuführen, als ersten Schritt den Abzug der V-Leute durch den Verfassungsschutz zu fordern. Es ist kaum denkbar, dass sich ein 1933 genauso wiederholen würde. Von den Nazis geht heute weniger die Gefahr aus, die Macht zu ergreifen, jedoch die Politik mitzubestimmen. Mein Vater hatte geschrieben: "Noch schlimmer als die Existenz von Nazis in unserem Land, ist die Existenz von Politikern, die die Nazis gewähren lassen, ja sie verursachen."

Die Durchsetzung eines NPD-Verbots als Kristallisationspunkt der Neofaschisten in Deutschland wäre ein Sieg der Demokratie.

Unser Gedenken an Albert Funk verstehen wir gleichzeitig als Auftrag: Handeln wir im Sinne der antifaschistischen Widerstandskämpfer, im Sinne des Vermächtnisses, das uns die Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald hinterlassen haben: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.

Symbolisch hatte der Präsident des Internationalen Buchenwaldkomitees der Enkelin des Antifaschisten und ehemaligen Buchenwaldhäftlings Emil Carlebach, Lena Carlebach, auf der Gedenkfeier am 11. April eine Fahne überreicht. Über 1000 Jugendliche aus mehreren Ländern Europas hatten an dieser Gedenkfeier. teilgenommen.

Es gibt eine junge Generation, die sich den Nazis entgegenstellt, die den Kampf der Widerstandskämpfer fortführt. Dass es noch mehr werden, dafür auch stehen wir heute hier.

Das Flugblatt zur Veranstaltung zum Download.