05.05.08
Gedanken zum 1., 2. und 8. Mai
Nicht nur gegen die Nazis,
sondern für den Schutz der Demokratie eintreten
Rede von Ulrich Sander, Landessprecher der VVN-BdA, bei der
Gedenkveranstaltung anlässlich des 2. Mai, Tag der Besetzung des
Münsteraner Gewerkschaftshauses vor 75 Jahren
In Duisburg haben die Nazis am 2. Mai 1933 beim Sturm auf das
Gewerkschaftshaus die Gewerkschaftsfunktionäre Julius Birk, Emil
Rentmeister, Michael Rodenstock und Johann Schlösser erschlagen.
Auf einer Gedenkveranstaltung heute morgen im Dokumentationszentrum
der VVN-BdA sagte der DGB-Regionsvorsitzende Rainer Bischoff, die
Männer seien nach dem „nationalen“ Maifeiertag der Nazis, zu
dem in völliger Fehleinschätzung der Situation auch die
ADGB-Führung aufgerufen hatte, arglos in ihrem Büro erschienen.
Doch das Zurückweichen der ADGB-Führung vor den Nazis unter dem
Motto „Wir erhalten unsere Organisation bis die Nazis
abgewirtschaftet haben“, das habe diese nur noch bestärkt in
ihrem Terror gegen die Arbeiter und ihre Organisationen. Für heute
gelte es die Lehren zu ziehen: Wir dürften den Nazis keinen
Fußbreit Boden gewähren, sonst gäbe es vor einem neuen
Verhängnis kein Entrinnen.
In Hamburg – das hörten wir gestern - hat der DGB kampflos den
Nazis seine traditionelle Route der Maidemonstration überlassen.
Und so kam es, dass die Nazischläger am 1. Mai 2008 in Hamburg den
Versuch wagen konnten, das mörderische Geschehen des 2. Mai 1933 zu
kopieren. Es hätte Tote geben können, kommentierten Augenzeugen
die ungeheuerliche Aggression, die sich in dem Vorgehen der heutigen
NPD-Faschisten gegen die jungen Gewerkschafter zeigte, welche sich
ihnen in den Weg gestellt hatten.
Der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker hatte gewarnt:
„Wir dürfen die Fehler von 1933 nicht wiederholen. Wenn die
Rechtsextremisten am 1. Mai aufmarschieren, knüpfen sie an das
Konzept ihrer faschistischen Vordenker von 1933 an:
Gewerkschaftliche Themen besetzen und gewerkschaftliche Passivität
nutzen, um Mitglieder zu vereinnahmen und Massenanhang zu gewinnen.
Einer solchen Entwicklung muß frühzeitig entgegengetreten werden.
Wir kritisieren, daß die Gewerkschaftsmitglieder nicht sofort
informiert und mobilisiert wurden, als bekannt wurde, daß am 1. Mai
in Hamburg ein Aufmarsch der Neonazis bevorsteht.“
Wir ehren hier in Münster die verfolgten und ermordeten
Gewerkschafter. Hier in der Dammstrasse begann am 2. Mai mit der
Besetzung des Gewerkschaftshauses eine neue Stufe des Naziterrors.
Begonnen hatte es 100 Tage zuvor. Die Nazis fühlten sich noch nicht
hundertprozentig sicher, sie regierten nach mit Hilfe des
Reichspräsidenten von Hindenburg. Sein Name muß mit genannt
werden, wenn wir die Schuldigen anprangern. Doch nach ihm ist noch
immer ein prominenter Platz in Münster benannt, während für die
verfolgten Gewerkschafter noch keine Tafel geschaffen wurde. Gut,
dass dies nun heute hier gefordert wird.
Heute muss der Feststellung, es gelte, die Lehren aus dem 1. und
2. Mai 1933 zu ziehen, jene hinzugefügt werden: Es gilt die
richtigen Schlüsse aus dem 1. Mai 2008 von Hamburg-Barmbek zu
ziehen. Die Schlussfolgerung der CDU-Politiker von Thüringen, die
ausgerechnet am 8. Mai einen ultrarechten Publizisten zum
Kultusminister und damit übrigens zum obersten Chef der
Gedenkstätte Buchenwald machen wollen – um die Rechten politisch
einzubinden und damit wirkungslos zu machen, wie es so schön heißt
-, die können nur als unfassbare Provokation empfunden werden.
Nicht besser die Idee der Sicherheitspolitiker der Union, die NPD
zwar nicht zu verbieten zu lassen, denn man müsse sich ja mit ihr
„politisch“ auseinandersetzen, allen „Extremisten“ aber
finanzielle Förderungsmittel nach dem Steuergesetz streitig zu
machen und ihnen – wie in Bayern – mit einem Versammlungsgesetz
die Versammlungen zu erschweren. Derartiges zielt gegen die den
organisierten Antifaschismus und gegen linke Organisationen. Den
Nazis aber kommt ein derartiges „Sicherheitskonzept“ sehr zu
pass.
Gewerkschafter und andere Antifaschisten in Bayern haben deshalb
an diesem 1. Mai den Entwurf des neuen Versammlungsgesetzes, das
nach der Föderalismusreform nun in allen Bundesländern möglich
wird, entschieden zurückgewiesen. Es richtet sich z.B. mit seinen
Anmelderegelungen gegen jede spontane gewerkschaftliche Regung,
gegen Warnstreiks, gegen Versammlungen ohne Polizeiaufsicht. Es
zeigt sich, dass dem „Stoppt die Nazis“ hinzugefügt werden
muß: Hände weg von der Demokratie, schützt die Grundrechte.
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-BdA erklärte
rechtzeitig zum 1. und 2. Mai: „Die faschistische Bewegung
richtete sich in aller Brutalität gegen die organisierten Kräfte
der Arbeiterbewegung. Wer sich – wie die NSDAP – für die
politischen und expansionistischen Interessen des großen Kapitals
einsetzt, der muss die Gewerkschaftsbewegung bekämpfen. Dies gilt
in modifizierter Form auch heute.“ Und das gilt besonders, wenn
die Nazis auch noch Unterstützung durch die CDU-CSU-Politik
bekommen.
Die Gewerkschaftsfeindlichkeit der Nazis, auch daran muss
erinnert werden, gehörte zu den Punkten, die den besonderen
Zuspruch der ökonomischen Eliten der Weimarer Republik fanden. Das
wirtschaftspolitische und allgemeinpolitische Programm z.B. der „Ruhrlade“
der Montanindustriellen im Rheinland und Westfalen schrie geradezu
nach einem Mann wie Hitler: Tarifverträge allenfalls im Betrieb,
also nicht überbetrieblich, Beschränkung aller sozialen Ausgaben,
Verringerung der Arbeitslosenunterstützung und „Kampf mit den
Gewerkschaften mit aller Schärfe“, so schrieb im Sommer 1932 Paul
Reusch (Gutehoffnungshütte) an Redakteure, die in seinem Solde
standen. (zitiert nach „Ossietzky“ 25/07)
Die Gewerkschaftsführung hätte dies 1932/32 niemals außer Acht
lassen dürfen.
Beherzigen wir diese Lehren. Für das Verbot der NPD! Nie wieder
Faschismus!
Pressemitteilung der DGB
Kreisverband Münster
DGB gedenkt dem Sturm auf die
Gewerkschaftshäuser vor 75 Jahren: "Wehret den Anfängen"
Am Ort des ehemaligen Gewerkschaftshauses der freien
Gewerkschaften, des damaligen ADGB, in der Dammstraße 23a kamen am
2. Mai Gewerkschaftsmitglieder zusammen, um der Erstürmung des
Hauses durch die nationalsozialistische SA vor 75 Jahren zu
gedenken.
"Bereits
am 31.03.1933 war es durch 60 SA-Leute zu einer Erstürmung des
Gebäudes gekommen, bei der Zeitungen, Fahnen und Archivmaterialien
öffentlich verbrannt wurden. Am 2. Mai wurden die freien
Gewerkschaften endgültig zerschlagen, auch in Münster
Gewerkschaftskollegen inhaftiert, gefoltert und in
Konzentrationslager verbracht", beschrieb DGB-Kreisvorstand
Carsten Peters das verbrecherische Vorgehen der
nationalsozialistischen Gewalthaber. „Zerschlagen wurde damit die
traditionsreiche deutsche Arbeitnehmerbewegung mit kulturellen,
sozialen und Bildungseinrichtungen.“
In seiner Rede wies Peters auf deutliche Parallelen hin:
"Wie damals versuchen Neonazis mit vermeintlich sozialen und
globalisierungskritischen Parolen an Boden zu gewinnen und
missbrauchen Ängste der Menschen. Sie sprechen sich gegen Hartz IV
aus, fordern jedoch zugleich einen "Arbeitsdienst für
Unvermittelbare" getreu dem historischen
"Reichsarbeitsdienst" der NS-Zeit. Zugleich hetzten sie
Menschen gegen soziale und gesellschaftliche Minderheiten auf. Es
bleibt gewerkschaftliche Aufgabe, sich diesem Treiben mit aller
Entschiedenheit entgegenzustellen. Daher bleibt der Auftrag, den
Anfängen zu wehren." Der DGB wird sich für die Installation
einer Gedenkplakette oder eines anderen sichtbaren Zeichens am Haus
in der Dammstraße einsetzen.
Hieran schloss sich ein Redebeitrag von Ulrich Sander,
Landessprecher der VVN/BdA an, der daran erinnerte, dass die
Machtübertragung an die NSDAP durch maßgebliche Kräfte auf
Industrie- und Arbeitgeberseite forciert wurde und die Zerschlagung
der freien Gewerkschaften oben auf der Wunschliste der Geldgeber der
NSDAP war: „Die Gewerkschaftsfeindlichkeit der Nazis gehörte zu
den Punkten, die den besonderen Zuspruch der ökonomischen Eliten
der Weimarer Republik fanden. Das wirtschaftspolitische und
allgemeinpolitische Programm z.B. der „Ruhrlade“, der
Montanindustriellen in Rheinland und Westfalen schrie geradezu nach
einem Mann wie Hitler: Tarifverträge allenfalls im Betrieb, also
nicht überbetrieblich, Beschränkung aller sozialen Ausgaben,
Verringerung der Arbeitslosenunterstützung und „Kampf mit den
Gewerkschaften mit aller Schärfe“, so schrieb im Sommer 1932 Paul
Reusch (Gutehoffnungshütte) an Redakteure, die in seinem Sold
standen.“ Zugleich forderte Sander ein Verbot der NPD.
Die Veranstaltung endete mit einer Gedenkminute an die von den
Nationalsozialisten gefolterten und ermordeten Gewerkschafterinnen
und Gewerkschafter.
Auf dem Foto spricht DGB-Kreisvorstand Carsten Peters vor dem
damaligen Gewerkschaftshaus in der Dammstraße. Zur Nazis und
Gewerkschaften heute siehe auch: Trittbrettfahrer
der sozialen Frage - Sozialdemagogie von NPD und Neonazis
|