08.04.08
Bundeswehr in aller Welt und auch im Innern
Das „Zentrale
Führungskommando der Streitkräftebasis“
Ostermarsch-Rede von Günter Baumann
(VVN-BdA und Initiative Bundeswehr wegtreten!) auf der Kundgebung
vor der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn, 23. März, 2008.
Der Motorrad-Club Kuhle Wampe hatte zu einer Friedensfahrt
eingeladen, um gegen die Kriegspolitik zu demonstrieren. 35
Fahrerinnen und Fahrer fuhren vom Autobahn-Südverteiler durch die
Stadt Köln nach Köln-Wahn. Nach dem Protest in Wahn fuhren sie
weiter zum Roncalli-Platz, Abschlußkundgebung mit Gert Winkelmeier,
MdB.
Hier der Redetext von Günter
Baumann:
Liebe Motorradfahrerinnen und –fahrer! Liebe
Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Die Ostermärsche protestieren gegen die Kriegspolitik dieses
Landes und der NATO-Staaten.
Ihr habt den richtigen Ort für unseren Protest ausgewählt.
Wir stehen hier genau richtig, um gegen die Kriegseinsätze der
Bundeswehr zu protestieren.
Denn die Bundeswehr rühmt sich, die Luftwaffenkaserne Köln-Wahn
samt Flugplatz sei die „Drehscheibe für Auslandseinsätze“.
In dieser Kaserne sitzt das sogenannte
Streitkräfteunterstützungskommando. Dieses „Zentrale
Führungskommando der Streitkräftebasis“ organisiert und steuert
alle Auslandseinsätze der Bundeswehr. Diese Zentrale verschickt von
hier und von anderen Orten Material, Fahrzeuge, Panzer und andere
Waffen, Munition und Soldaten. Das Hauptziel ist Zentralasien,
Afghanistan. Denn in Zentralasien da sei der entscheidende Ort, für
die deutschen Kapitalbesitzer, Rohstoffe und weltweite Macht zu
sichern. Das hat das letzte Bundeswehr-Weißbuch der Regierung
festgelegt.
Wir können daher sicher sein: Hier, in dieser Luftwaffenkaserne
Köln-Wahn, stellt die Bundeswehr derzeit die Pläne zusammen,
Kampftruppen nach Südafghanistan zu schicken.
Wo, wenn nicht hier!
Nur der starke politische Protest und die bisherige Abneigung der
Bevölkerungsmehrheit gegen Kriegseinsätze hindern den Ausbau des
offenen Kriegseinsatzes.
Das hiesige Streitkräfteunterstützungskommando hat demnach viel
zu tun. Auslandseinsätze sind aber nur das eine.
Das zweite: Unter dem pompösen Titel „Oberste Nationale
Territoriale Kommandobehörde“ führt sie alle Einsätze der
Bundeswehr im Inneren, was unter „Amtshilfe“ fällt.
Wer war demnach zentral verantwortlich dafür, daß Panzer und
Tornadoflugzeuge die Kritiker des G8-Treffens in Heiligendamm
beobachteten und bedrohten? Es war und ist dieses Zentrale
Führungskommando in Köln-Wahn.
Dieses Kommando ist drittens weiter zuständig für die
zivilmilitärische Zusammenarbeit bei Kriegen im Ausland und im
Inland.
Dieses Köln-Wahner Kommando baut jetzt ein Organisationsnetz
für die zivilmilitärische Zusammenarbeit auf. Über 5500
Reservisten sind dazu abgestellt. Knapp 500 Verbindungskommandos
sind über die Bundesrepublik verteilt.
Im Regierungsbezirk Köln wurden Anfang des Jahres die 13 Leiter
der Verbindungskommandos öffentlich vorgestellt. Sie sollen
beständig mit zivilen Stellen üben, Kenntnisse und Informationen
sammeln, und sie haben ihre Verbindungsbüros in den zivilen Büros.
Bilder in der Bundeswehrzeitschrift „Information für die
Truppe“ zeigten, wie Bundeswehrsoldaten übten und gegen
streikende Arbeiter vorgingen. Das Zentrale Kommando überlegt noch
angestrengt, ob „Streik niederschlagen“ die richtige Bezeichnung
dafür ist.
Die Bundeswehr versucht, Kritik am Ausbau der zivilmilitärischen
Zusammenarbeit zu beruhigen: Die konkrete Arbeit vor Ort werde von
zivilen Stellen geleitet, also wo und wie Sandsäcke gegen
Hochwasser geworfen werden.
Aber das ist für die Bundeswehr nicht das Entscheidende.
Denn sie bleibt selbständig in ihrem militärischen Vorgehen.
Vor einem Einsatz beurteilen die Bundeswehrstellen eigenständig
unter militärischen Gesichtspunkten die Situation und legen nach
militärischen Kriterien fest, welche Truppen mit welchen Mitteln
eingesetzt werden.
Die Führung der eingesetzten Soldaten verbleibt bei der
Bundeswehr.
Wir müssen feststellen: Diese Informationen und Beurteilungen
setzen das dichte Organisationsnetz in den Stand, Militär in
zivilen Bereichen selbständig und zielgenau einzusetzen.
Ist das etwa keine reale Grundlage für das, was das
Bundeswehr-Weißbuch fordert: Änderung des Grundgesetzes für den
Einsatz der Bundeswehr im Inneren mit militärischen
Vernichtungswaffen?
Diese Art Einsatz verhindert bis jetzt das Grundgesetz. Auf der
letzten Kommandeurstagung der Bundeswehr forderten CDU-Sprecher
daher, das Grundgesetz müsse endlich geändert werden.
Die CDU/SPD-Regierung ist laut Weißbuch dafür. Ausdrücklich.
Mit dieser beabsichtigten Änderung des Grundgesetzes werden die
Notstandsgesetze von 1968 fortgeschrieben und überboten. Diese
Notstandsgesetze waren das tatsächliche Übel von 1968!
Sorgen wir mit allen politischen Mitteln dafür, daß diese
Einsatzpläne des Militärs gestoppt werden. Ein Schritt dazu:
Besuchen wir die Verbindungskommandos vor Ort in den Gemeinden und
kritisieren öffentlich diese Militarisierung der Gesellschaft!
Ohne größere Zustimmung in der Bevölkerung kein weiterer
Ausbau der militärischen Außen- und Innenpolitik: Die Bundeswehr
rührt daher die Werbetrommel.
Letztes Jahr bestand die Bundeswehrkaserne in Köln-Wahn 50
Jahre. Und zum Tag der Offenen Tür am 12. August 2007 kaufte die
Bundeswehr die Kölschrock-Band „Brings“ zur Propaganda für
ihre Kriegspolitik ein. Zwei Tage vor deren Auftritt forderte die
Initiative Bundeswehr wegtreten die Band öffentlich mit
Pressemitteilung auf, aus politischen Gründen abzusagen.
Die nicht unbekannte Gruppe hatte zuvor auf antifaschistischen
Kundgebungen und auch auf dem UZ-Pressefest der DKP Musik gemacht.
Die Band hielt es für richtig, vor 3000 Besuchern auf dem
Kasernenhof zu spielen.
In der Mitte des Auftritts unterbrach der Sänger, trat nach vorn
und erklärte, die Bandmitglieder seien zum Teil
Kriegsdienstverweigerer, trotzdem möchten sie bei dieser
Gelegenheit den deutschen Soldaten danken, die in Afghanistan die
Bevölkerung schützten und ihnen beim Wiederaufbau hülfen. Daß
das Kommando Spezialkräfte (KSK), strafrechtlich weitgehend immun,
als Exekutionskommando durch Afghanistan zog, war den Brings
entgangen.
Vor kurzem im Stadtviertel darauf angesprochen, daß die Band ja
jetzt für die Bundeswehr spiele, leugnete der Musiker das energisch
ab.
Die offene Identifizierung mit der Bundeswehr hat also auch eine
peinliche Seite.
Falls die Gruppe Brings nochmals einen Auftritt auf einer
Antikriegskundgebung plant, sollte für uns gelten: Brings –
abtreten!
Zum Feiern ließen die Militärs mehrere tausend Personen
ungehindert auf das Kasernengelände Köln-Wahn.
Vier Wochen danach, am 8. September wollten zwei Dutzend Kritiker
der jetzigen Militärpolitik die in Köln-Wahn hingerichteten
Kriegsgegner Reichpietsch und Köbis ehren. Die Matrosen hatten
1917, vor 90 Jahren, Frieden ohne Eroberungen gefordert, diese
Forderung der damaligen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands, USPD, unter den Matrosen der Kriegsflotte verbreitet,
und sie hatten den Widerstand gegen die massive Menschenschinderei
an Bord unterstützt.
Auch nach den damals geltenden Gesetzen waren die Todesurteile
politischer Justizmord. Ihre Gräber und ihr Denkmal befinden sich
auf einem städtischen Friedhof, der im Kasernengelände liegt.
Der Standortkommandant und das Bundeswehr-Ministerium verboten
den Zugang. Innerhalb des Kasernengeländes ein Zeichen, eine
Kranzniederlegung für die Kriegsgegner Reichpietsch und Köbis? Ein
Wort, eine Gedenkrede gegen die jetzige Kriegspolitik?
War der Bestand der Bundeswehr dadurch bedroht? Die Bundeswehr
reagierte wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen – und wahrte doch
nur eine üble Kontinuität mit ihren Vorgängern.
Erst die direkte Kritik von Bundestagsabgeordneten und das
persönliche Auftreten eines Mitglieds des Verteidigungsausschusses
des Bundestages bewirkten, daß die Bundeswehr den Rückwärtsgang
einlegte. Nach wie vor untersagte sie aber eine Rede am Denkmal von
Reichpietsch und Köbis.
Unterstützen wir die Forderung nach freiem Zugang zu dem Denkmal
auf dem städtischen Bereich in dieser Kaserne.
Der Bundeswehr geht der Nachwuchs aus, denn Auslandseinsätze
stehen bevor und viele sind dazu nicht bereit. Eine Studie eines
bundeswehrnahen Instituts konstatiert: „Wer über ausreichende
berufliche Chancen verfügt, zieht die Möglichkeit, Soldat der
Bundeswehr zu werden, gar nicht in Betracht.“
Die Bundeswehr hat also ernsthafte Probleme mit der Rekrutierung,
deswegen verstärkt sie in diesem Jahr ihre Propaganda. Doppelt so
viele Schulen wie im letzten Jahr sollen 2008 angeschrieben werden,
damit sie die Militär-Werber einladen. Für sogenannte
Karriere-Trucks sollen statt 1 Million Euro jetzt 1,3 Millionen Euro
rausgeworfen werden bei 40 öffentlichen Auftritten.
Die Bundeswehr betreibt verstärkt Armutsrekrutierung an den
Arbeitsagenturen. Die Rekrutierer nutzen schamlos aus die Situation
arbeitsloser Jugendlicher und den auf sie ausgeübten Druck durch
die Hartz IV-Gesetzgebung. Über 50 000 Jugendliche alleine in NRW
hatten im letzten Jahr keine Ausbildungsstelle. Über 50 000
Jugendliche nur in NRW werden an der Entwicklung ihrer Fähigkeiten
entscheidend gehindert. Bundeswehr und Arbeitsagentur werfen
stattdessen das Geld raus, um Jugendliche für das erwerbsmäßige
Töten zu ködern.
Treten wir auf gegen die unwahre Propaganda von Bundeswehr und
Arbeitsagentur. Denn die Bundeswehr ist keine Firma wie andere. Die
Bundeswehr ist die militärische Unterdrückungs- und
Tötungsmaschine gerade auch für die deutschen Firmenbesitzer.
Dieses Militär soll weltweit die Sicherheit und Zunahme ihrer
Profite garantieren. Das legt das Weißbuch als Ziel fest.
Insgesamt will die Bundeswehr 700 mal öffentlich in diesem Jahr
auftreten, davon 126 öffentliche Vereidigungen.
Gegen diese Versuche der Bundeswehr, die Zustimmung zur
Militärpolitik, zur weltweiten Vorherrschafts- und Tötungspolitik
zu erhöhen, laßt uns ruhig und deutlich festhalten: Wer
Öffentlichkeit sucht, muß sie auch ertragen.
Gerade die Armutsrekrutierung an den Arbeitsagenturen macht
unerträglich deutlich, daß Sozialabbau und Kriegspolitik zwei
Seiten einer Medaille sind.
Direkte aufklärende Aktionen gegen die Militärpolitik tragen
dazu bei, daß die Anerkennung der Kriegspolitik zurückgewiesen
wird und diese Drehscheibe hier in Köln-Wahn ins Stocken geraten
kann. In 40 Städten, darunter Düsseldorf, Aachen, Wuppertal,
Köln, Bielefeld verhinderten oder reduzierten Aktionen von
Kritikern die Werbeversuche der Bundeswehr an Arbeitsagenturen. Das
sind sicher noch wenige Aktionen, aber sie sind belebend richtig und
politisch deutlich wirksam.
Die Mehrheit in diesem Land ist nach wie vor dagegen, daß sich
diese Köln-Wahner Drehscheibe für Auslandseinsätze immer
schneller dreht. Sorgen wir mit dafür, daß sie klemmt.
Keine Auslandseinsätze der
Bundeswehr! Kein Einsatz des Militärs im Inneren!
Bundeswehr wegtreten!
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