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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

04.03.08

Tote irgendwo im Nirgendwo 

Wuppertal: Spuren aus der NS-Zeit

Widerstandskämpfer hingerichtet, zerstückelt, „verwertet“, verbrannt, anonym vergraben – auf der Suche nach Gräbern und nach Wegen, den Opfern ein wenig von ihrer Würde zurückzugeben. 

Von Rainer Funke und Martin Kröger

Wuppertal im Bergischen Land, Deweertscher Garten. Am Mahnmal für die in braunen Unzeiten ermordeten Töchter und Söhne der Stadt versammeln sich heute gegen 17.30 Uhr Bürger, um an Ewald Funke zu erinnern. Er war in den frühen Morgenstunden des 4. März 1938 – vor 70 Jahren – hingerichtet worden. Mit dem Tod durch das Fallbeil ahndete der Volksgerichtshof die »Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens«, wie es im Urteil hieß. 2890 Menschen teilten nach offiziellen Angaben das Schicksal des damals 32-jährigen Wuppertalers in Plötzensee.

Ein oder zwei Stunden später lagen diese Opfer in der Berliner Universität (heute Charité) auf den Seziertischen des Anatomischen Institutes. Ihre Körper wurden zerstückelt, zur Ausbildung und zu Forschungszwecken benutzt, Präparate aus Schädeln, Körperteilen und Knochen gefertigt, die »nicht verwertbaren Reste« verbrannt, die Urnen anonym verscharrt, irgendwo im Nirgendwo der umliegenden Friedhöfe.

Unbekannte Aschen

In der Hauptstadt wird man am heutigen Tage an Ewald Funke denken, aber keine Blumen niederlegen. Man wüsste gar nicht, wo. Denn die Suche nach Begräbnisorten ist mühselig. Klaus Leutner, der sich als Berliner »Laienhistoriker« sieht, stieß bei seinen Recherchen auf Dokumente, die den Verbleib eines Teils der unbekannten Aschen aus Plötzensee aufklären. »In einem Bestattungsbuch des Städtischen Friedhofs von Altglienicke fand sich ein Eintrag über 80 Urnen«, berichtet der Rentner. Leutner wälzt Akten, müht sich, krakelige oder verschmierte Schriftzüge in Sütterlin zu entziffern. »Ich möchte den Toten ihre Ehre, einen Namen und eine Grabstätte wiedergeben.« Inzwischen hat er sich durch viele Einäscherungsbücher gearbeitet. Für die drei Krematorien, die es zwischen 1933 und 1945 in Berlin gab (Wedding, Treptow und Wilmersdorf), bedeutet das, 120 000 Namen zu prüfen.

Alles in allem sammelte Leutner 3112 Namen der Opfer von Plötzensee, mehr also als in der offiziellen Version. Über jeden der Hingerichteten finden sich Details, etwa Tag der Geburt, Profession und Herkunft. Im elektronischen Eintrag zu Ewald Funke ist überdies ein Abschnitt aus einem Hinrichtungsbuch vermerkt, das im Bundesarchiv liegt. Im Mord-Protokoll zeichneten die Nazis in Diensten der völkischen Wissenschaften Details über den physischen und psychischen Zustand ihres Opfers auf. Welche Experimente waren hier vorbereitet worden?

Tatsächlich hatte die Nazi-Justiz Plötzensee zum bevorzugten Ort der Vollstreckung ihrer Todesurteile gemacht. Zwischen 1933 und 1936 starben 45 Menschen auf dem Gefängnishof durch das Handbeil. 1937 ließ Hitler, der sich persönlich um Abläufe im Gefängnistrakt kümmerte, eine Guillotine aufbauen, wie in der Gedenkstätte am Orte festgehalten ist. Der Justizvollzug stellte sich auf die zunehmende Zahl der Todesurteile ein. Noch im gleichen Jahr richtete man mit der Mordmaschine 37, im folgenden Jahr 56 und 1939 dann 95 Verurteilte hin. An manchen Tagen kam es später zum Justizmord im Drei-Minuten-Takt. 1942 wurde ein Stahlträger in die Wände des Hinrichtungsraumes eingezogen, um zunächst Verurteilte der Widerstandsgruppe »Rote Kapelle« zu strangulieren, später die Offiziere des 20. Juli.

Den Henkern wurde jährlich eine Vergütung von 3000 Reichsmark zugedacht, heißt es in der Gedenkstätte, dazu pro Hinrichtung weitere 60 bis 65 Reichsmark. Und die Angehörigen der Ermordeten ließ man zahlen: 300 Reichsmark für die Hinrichtung, für das Porto zur Übersendung der Rechnung 12 Pfennige, für jeden Hafttag 1,50 Reichsmark.

Ewald Funke verbrachte über 700 Hafttage im KZ Dachau und anderswo, zuletzt in Plötzensee. Zu den eher guten Tagen im Knast, wenn es so etwas überhaupt gibt, zählte er jene, an denen er um 6 Uhr aufstand, Übungen gegen das Einrosten machte, zum Frühstück den »Völkischen Beobachter« las, »genau wie der Herr Kommerzienrat«. Nur das Frühstück unterscheide sich, spöttelte er in einem Brief an die Eltern und die Brüder Kurt und Otto. Sodann eine Stunde 5,5 Meter auf und ab, französische Grammatik, wieder Spaziergang – tagaus, tagein. Selten genug gelangte Post zur Familie, wurde »wegen ironischen Untertons« beschlagnahmt, wie die Gefängnisaufsicht in einem Aktenvermerk festhielt.

Opfer als »Werkstoff«

Doch die schlimmen Tage blieben nicht aus – stundenlange Verhöre, der Inhaftierte wurde zusammengeschlagen und gefoltert, immer wieder. Die Gestapo wollte bestätigt haben, was sie durch »Aussagen« anderer Gefolterter längst wusste. Nämlich, dass Ewald Funke jener »Heinz« war, der die Abteilung Militärpolitik (AM), den geheimen Sicherheitsapparat der KPD, in Wuppertal und später im Bezirk Niederrhein geleitet hatte, zu sozialdemokratischen und katholischen Kreisen Verbindungen knüpfte, zu Gewerkschaftern, Polizisten und in die Arbeiterschaft von Rüstungsfirmen. Und dass er in Flugschriften veröffentlichte, was er aus den geheimen Quellen über Absichten der Nazis erfuhr, dass er illegale Wohnungen beschafft hatte, in denen von der Verhaftung bedrohte Kampfgefährten für gewisse Zeit unterkamen, bis sie über die Grenze gebracht werden konnten. Zu ihnen gehörte Wilhelm Pieck.

Die Gestapo nahm »Heinz« im Mai 1936 fest, als er dabei war, die zerschlagenen Strukturen der KPD im Großraum Stuttgart wieder aufzubauen. Ein V-Mann in der Stuttgarter KPD-Widerstandsleitung hatte ihn verraten. Der Volksgerichtshof unter Vorsitz seines Präsidenten Dr. Thierack, als Beisitzer SS- und SA-Leute, verurteilte Ewald Funke am 16. August 1937 »im Namen des Deutschen Volkes« zum Tode. Ein halbes Jahr später starb er unter dem Fallbeil. Ab hier verliert sich seine Spur wie die der anderen Hingerichteten auf dem Weg in das Anatomie-Institut des zwielichtigen Professors Hermann Stieve – einem Freikorpsmitglied und Deutsch-Nationalen. Der namhafte Wissenschaftspublizist Hoimar von Ditfurth erinnerte sich, dass es bei seinem Studium damals nie zu einem Mangel an Leichen gekommen sei: »Es waren ganz überwiegend Leichen von jungen, gesunden Männern… ohne Köpfe.« 1938 schrieb Stieve: »Durch die Hinrichtungen erhält das … Institut einen Werkstoff, wie ihn kein anderes Institut der Welt besitzt.« Vor allem auch für sein bevorzugtes Forschungsgebiet, die Gynäkologie, profitierte der Professor von der »zeitnahen Anlieferung« von Frauenleichen, denen er Eierstöcke und Gebärmutter entnahm. In einer Fachzeitung publizierte er 1942 über »Die Wirkung von Gefangenschaft und Angst auf den Bau und die Funktion der weiblichen Geschlechtsorgane«. Nach dem Krieg berichtete Stieve über eine 22-jährige Frau, deren Monatsblutung »infolge starker nervöser Erregung« elf Monate lang ausgeblieben war. Aber plötzlich trat »im Anschluss an eine Nachricht, die die Frau sehr stark erregt hatte (das Todesurteil, d. Red.), eine Schreckblutung ein.«

Weitere Details über die Verwertung der Körper von Widerstandskämpfern in der Berliner Anatomie wurden nicht bekannt. Das Leichenbuch, das Auskunft hätte geben können, hatten Stieve, sein Gefolge am Institut oder anderswer offenbar vernichtet. Einer seiner Mitarbeiter wurde von sowjetischer Seite festgenommen und blieb verschollen. So konnte auch Stieve nach dem Krieg seine wissenschaftliche Karriere an der Humdoldt-Universität fortsetzen. Ohne Leichenbuch konnte ihm die »gezielte Vernutzung« der Widerstandskämpfer nicht nachgewiesen werden. Als er behauptete, er hätte die Leichen der Offiziere vom 20. Juli nicht angerührt und andere ihm persönlich bekannte Opfer lediglich seziert, aber keiner anderen Verwendung zugeführt, blieb dies mangels gegenteiliger Beweises unwidersprochen.

1952 starb Stieve. Im Nachruf eines Pathologen namens Rössler hieß es: »Was …die Anatomie ihm bot, machte er durch Deutung in Worte und Schrift wieder lebendig. Die Leichen stammten von Unglücksfällen oder von Menschen, die wegen gemeiner Verbrechen ... von regulären Gerichten zum Tode verurteilt waren.« Auch das ND bescheinigte Stieve damals, ein Gutmensch, ein »wirklich großer Führer der Wissenschaft gewesen« zu sein. »Groß waren seine Taten und überreich ist das Erbe, das er uns hinterlassen hat und das zu verwalten uns zur Ehre gereicht«, floss es aus der Feder eines Professor Kirsche.

Kein Gedenkort

Wenn man heute in Wuppertal Ewald Funkes und der anderen Ermordeten von Plötzensee gedenkt, wird auch von einem Projekt die Rede sein, das sich derzeit gründet. »Es ist traurig, dass es für diese Opfer keinen Ort gibt, an dem ihrer gedacht werden kann«, sagt der Historiker Stephan Stracke von der Forschungsgruppe Wuppertaler Widerstand, die gemeinsam mit der gleichenorts ansässigen VVN-BdA nach Spuren zu Grabstellen sucht. Anfang Juni wollen die Wuppertaler in Berlin mit Angehörigen von Plötzensee-Opfern und Vertretern von Verfolgtenverbänden die Situation erörtern. Nötig sei eine Auswertung aller Friedhofs- und Krematoriumsbücher im Raum Berlin. Würdige Erinnerungszeichen an Gräberfeldern könnten aufgestellt und Hinweistafeln in der Gedenkstätte Plötzensee und in der Charité über den Verbleib der »verwerteten« Opfer angebracht werden. Man will Berliner Geschichtsinstitute zum Mittun bewegen sowie den Senat und zuständige Bundesministerien an ihre Verantwortung erinnern. Auch internationale Verbände des antifaschistischen Widerstands sollen an dem Projekt beteiligt werden. Denn die Hälfte der Opfer von Plötzensee stammt aus der Tschechoslowakei, aus Polen, Frankreich und anderen Teilen des nazideutsch besetzten Europa.

Kontakt: Stephan Stracke, E-Mail info@wuppertaler-widerstand.de

aus: Neues Deutschland vom 04.03.2008

Gedenkfeier am 4. März um 17.30 Uhr am Mahnmal für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus im Deweerthschen Garten in Elberfeld

Am 4.März 2008 jährt sich zum 70.Mal die Hinrichtung des Wuppertaler Widerstandskämpfers Ewald Funke in Berlin Plötzensee.

Die Forschungsgruppe Wuppertaler Widerstand (Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal. e.V) und die VVN-BdA laden deshalb zu einer kleinen Gedenkfeier am 4. März um 17.30 Uhr am Mahnmal für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus im Deweerthschen Garten in Elberfeld ein.

Gleichzeitig wollen wir an die vor 75 Jahren ermordeten und in den Selbstmord getriebenen Antifaschisten erinnern. Stellvertretend genannt sind hier nur Friedrich Born, der am 1.3.1933 ermordet wurde und Oswald Laufer, der am 7.3.1933 auf offener Strasse von SA-Leuten erschossen wurde.

Todesopfer in Wuppertal

Friedrich Born 01.03.1933 KPD 
Oswald Laufer 07.03.1933 Reichsbanner 
Karl Altenloh 09.03.1933 
Paul Reuber 18.03.1933 KPD 34 
Friedrich Dähler 20.03.1933 
August Klein 02.04.1933 KPD 
Friedrich Stracke 07.05.1933 
Alexander Ascheuer 09.05.1933 Selbstmord, Gewerkschaftssekretär SPD/Reichsbanner 
Alfred Meyer 16.05.1933 
Werner Dreyer 16.06.1933 SPD/Reichsbanner 
Erwin Kraehkamp 25.06.1933 KJVD 
Hans Goersmeier 26.06.1933 KPD 
Wolfram Custin 26.06.1933 SPD/Reichsbanner 
Friedrich Strunk 29.06.1933 
Andreas Milfried 29.06.1933 KPD 
Julius Henning 05.07.1933 
Max Kramer 25.07.1933 KPD 
Friedrich Merseburg 28.07.1933 KPD

Befreiungsfeier in Wuppertal 16. April 2008 19:00 Uhr Rathaus in Wuppertal-Barmen

Am 16. April jährt sich zum 63. Mal die Befreiung Wuppertals. In Fortführung der Veranstaltung zum 16. April im letzten Jahr mit den ehemaligen niederländischen Zwangsarbeitern können wir dieses Jahr den niederländischen Jugendroman "Gestohlene Jugend" in deutscher Übersetzung der Öffentlichkeit vorstellen. Erzählt wird die Geschichte eines niederländischen Jungen, der im Oktober 1944 bei den sog. Kirchenrazzien verschleppt und nach Wuppertal zur Zwangsarbeit deportiert wurde. Das Buch konnte mit Bundesmitteln und privaten Spenden finanziert werden. In Anwesenheit der ehemaligen niederländischen Zwangsarbeiter möchten wir am Befreiungstag das Buch in Wuppertal vorstellen.

Darüber hinaus werden ehemalige Angehörige der US-Army und der Roten Armee am Befreiungstag in Wuppertal sprechen. Wir sind sehr erfreut, dass der Veteran der US-Army, Dudley Strasburg, der das Bergische Land mitbefreit hat und an der Exhumierung der Opfer der Wenzelnbergschlucht beteiligt war, nach Wuppertal kommen wird. Eingeladen sind auch die Veteranen aus der Roten Armee, die sich im Veteranenclub der Jüdischen Kultusgemeinde in Wuppertal organisiert haben. Neben den ehemaligen Rotarmisten werden auch ZeitzeugInnen sprechen, die die Blockade Leningrads überlebt haben.

Widerstandskämpfer ohne Grab

Zum 70. Todestag des Wuppertaler Widerstandskämpfers Ewald Funke

Am 4. März 2008 jährt sich zum 70. Mal die Hinrichtung des Wuppertaler Widerstandskämpfers Ewald Funke. Auf roten Plakaten und mit einer knappen Pressemitteilung wurde die Hinrichtung des Widerstandskämpfers bekannt gegeben. „Der vom Volksgerichtshof am 16. August 1937 wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zum Tode und zu dauerndem Ehrverlust verurteilte 32jährige Ewald Funke aus Wuppertal-Elberfeld ist heute Morgen hingerichtet worden.“

Sein Vater hatte sich vergeblich um die Herausgabe des Leichnams bemüht. Der Leichnam Ewald Funkes wurde dem Anatomischen Institut der Universität Berlin überlassen. Eine Grabstelle für ihn gibt es nicht, die Leichenteile wurden verbrannt und an unbekannter Stelle auf einem unbekannten Berliner Friedhof bestattet.

Gräbersuche

Bei der Vorbereitung einer Gedenkfeier für Ewald Funke hatten sich Wuppertaler HistorikerInnen und und die VVN -BdA auf die Suche nach dem Grab von Ewald Funke gemacht. Es stellte sich heraus, das seit 1938 die Leichen der in Plötzensee Hingerichteten nicht mehr zur Beerdigung freigegeben wurden, sondern der Berliner Anatomie zur Verfügung gestellt wurden. Die „nichtverwertbaren Reste“ wurden in Berliner Krematorien verbrannt und in der Regel in anonymen Urnen auf Gräberfeldern auf Berliner Friedhöfen begraben. Zum 70. Todestag von Ewald Funke ist daher ein Gedenken an dem Grab von Ewald Funke nicht möglich. Die Wuppertaler VVN und die Forschungsgruppe Wuppertaler Widerstand laden daher für den 4. März 08 um 17:30 Uhr zu einer Gedenkfeier am Mahnmal für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus in den Deweertschen Garten in Wuppertal-Elberfeld ein.

Die Suche nach den Gräbern geht aber weiter. Das Fehlen der Gräber betrifft nicht nur die Wuppertaler Angehörigen, sondern fast 3000 Familien im In- und Ausland, deren hingerichtete Familienmitglieder kein Grab haben. Deshalb laden die Angehörigen und Freunde der Wuppertaler NS-Opfer zusammen mit der VVN-BdA Anfang Juni 2008 nach Berlin ein, um zusammen mit anderen Angehörigen und Verfolgtenverbänden gemeinsam zu beraten, wie die Gräber doch noch gefunden werden können. Ein weiteres Anliegen ist die Aufstellung von würdigen Erinnerungszeichen an den gefundenen Gräberfeldern und Hinweistafeln in der Gedenkstätte Plötzensee zum Verbleib und zur Verwertung der Leichen in der Berliner Anatomie.

Ewald Funke

Ewald Funke wurde als Kind einer sozialdemokratisch eingestellten Familie am 30. Juli 1905 in Remscheid geboren. Er machte eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter und war bis 1933 beim Arbeitsamt in Wuppertal beschäftigt. Der Vater war Stadtverordneter der USPD in Remscheid und Sekretär des freigewerkschaftlichen Holzarbeiterverbandes und trat nach Auflösung der USPD wieder in die SPD ein. Die Söhne Ewald, Otto und Kurt waren, bevor sie in die KPD bzw. in den Kommunistischen Jugendverband übertraten, wichtige Funktionäre der sozialdemokratischen SAJ und der Jungsozialisten. Ewald Funke trat spätestens 1932 in die Dienste des AM-Apparates in Wuppertal, wo er zunächst für die „Zersetzungsarbeit“ innerhalb der SPD zuständig war. 1933 leitete er den Geheimapparat der KPD in Wuppertal und später im gesamten Bezirk Niederrhein. Die "Abteilung Militärpolitik" (AM) war der Nachrichtendienst der KPD. Der AM-Apparat war in Wuppertal die einzige Struktur der KPD, die von den ersten Verhaftungswellen verschont blieb. Der Apparat setzte sich in Wuppertal u.a. aus ehemaligen Sozialdemokraten, Intellektuellen und jüdischen Kommunisten zusammen. Hauptaufgabe war die Absicherung der Spitzenfunktionäre bzw. die Beschaffung von illegalen Wohnungen, schließlich wurde ihnen die Spitzelabwehr übertragen. Zusammen mit Kontaktleuten aus den Betrieben verfassten sie Betriebsberichte, erforschten die Stimmung und 'spionierten' nach Rüstungsgütern. Der Wiederaufbau der Gewerkschaftsgruppen wurde begleitet durch ein Netz von Vertrauensleuten in den Betrieben, die regelmäßig Informationen und Stimmungsberichte an den AM-Apparat weitergaben. Es gelang in Wuppertal sogar sozialdemokratische Gewerkschafter wie Friedrich Senger und Adolf Mann für diese gefährliche Arbeit zu gewinnen. So konnten die betrieblichen Auseinandersetzungen 1934 mit intern gewonnenen Informationen, veröffentlicht in Zeitungen und Flugblättern, begleitet werden. Höhepunkt der Aktivitäten war die internationale Solidaritätskampagne zu den Wuppertaler "Gewerkschaftsprozessen", die über die Strukturen des AM-Apparates mitorganisiert wurde. Erst im Juli 1936, gelang der Gestapo der Einbruch in die verdeckten Strukturen. Bis dahin arbeiteten sogar zwei eingeschleuste Kommunisten unerkannt in der SA, in der HJ und in der Deutschen Arbeitsfront.

Ewald Funke wurde im Frühjahr 1934 aus Sicherheitsgründen ins Exil abgezogen und auf die Militärpolitische Schule in Moskau geschickt. Nach Auflösung des AM- Apparates wurde er 1936 von der Schweiz aus als Instrukteur für den Großraum Stuttgart eingesetzt. Auf seiner dritten Reise wurde er zusammen mit Max Stingl verhaftet. Sie waren von dem Spitzel Eugen Wicker, der in der Widerstandsleitung der Stuttgarter KPD arbeitete, verraten worden. Max Stingl und Ewald Funke wurden brutal gefoltert. Stingl Ewald Funke wurde brutal gefoltert. Die Gestapo erpresste schließlich Aussagen und ein umfangreiches Geständnis. Im gleichen Zeitraum konnte die Gestapo in Wuppertal, Hamburg und Düsseldorf weitere AM-Funktionäre wie Karl Ibach, Otto Kettig, Hans Israel und Karl Tuttas festnehmen, so dass eine Überführung der Widerstandskämpfer durch gegenseitige Belastungen bei den unter Folter durchgeführten Verhören für die Gestapo einfach war. Der 1. Senat des Volksgerichtshofs unter dem Vorsitz von Otto Georg Thierack verurteilte Ewald Funke am 16. August 1937 zum Tode. Er starb am 4. März 1938 in Berlin-Plötzensee unter der Guillotine.

Von Plötzensee in die Anatomie

Ewald Funke ist einer von fast 3000 Menschen, die in der NS-Zeit in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurden. Seit einer Verfügung aus dem Jahre 1938 war eine Herausgabe der Leichen Hingerichteter nicht mehr „vorgesehen“. Die Gestapo wollte wohl Solidaritätskundgebungen bei den Beerdigungen der WiderstandskämpferInnen vermeiden. Angehörige, die zum Teil persönlich in Berlin um die Herausgabe der sterblichen Überreste ihrer Kinder nachfragten, wurden abgewiesen. Die Leichen wurden direkt von den Helfern des Chefanatomen Hermann Stieve in die Berliner Anatomie der Friedrich Wilhelms Universität gebracht. Dort dienten die Körper der Hingerichteten zum einen der Ausbildung der Mediziner, zum anderen zu Forschungszwecken. Der bekannte Wissenschaftpublizist Hoimar von Ditfurth erinnerte sich, dass es bei seinem Studium dort nie zu einem Mangel an Leichen gekommen sei. „Es waren ganz überwiegend Leichen von jungen, gesunden Männern. Und noch etwas war allen Leichen gemeinsam. Ihnen fehlte der Kopf.“

Die Körper der WiderstandskämpferInnen wurden aber auch der Forschung zur Verfügung gestellt. Es wurden Präparate von Körperteilen, Schädel- und Knochensammlungen angelegt. Der Berliner Anatom Hermann Stieve profitierte besonders von der „zeitnahen Anlieferung“ junger Frauenleichen, die er für seine gynäkologischen Forschungen nutzte. Sein wissenschaftliches Renommee erwarb er sich damit, dass er „plötzlich zu Tode gekommenen" jungen Frauen unmittelbar nach dem Tod die Eierstöcke und Gebärmutter entnahm und untersuchte. 1938 schrieb Stieve begeistert von den neuen Möglichkeiten der Forschung: „Durch die Hinrichtungen erhält das Anatomische und anatomisch-biologische Institut einen Werkstoff, wie ihn kein anderes Institut der Welt besitzt.“ In einer Fachzeitung publizierte er 1942 über „Die Wirkung von Gefangenschaft und Angst auf den Bau und die Funktion der weiblichen Geschlechtsorgane“. Noch nach dem Krieg berichtete Hermann Stieve über eine 22-jährige Frau, deren Monatsblutung „infolge starker nervöser Erregung“ elf Monate lang ausgeblieben war. Aber plötzlich trat, „im Anschluss an eine Nachricht, die die Frau sehr stark erregt hatte (Todesurteil), eine Schreckblutung ein. Am folgenden Tag starb die Frau plötzlich durch äußere Gewalteinwirkung.“ Noch 1952 schrieb Stieve im „Zentralblatt für Gynäkologie“, das er „mehrfach“ Gelegenheit hatte, „Männer und Frauen zu untersuchen, die langsam verhungert waren. Gemeint waren wohl „angelieferte Körper“ aus Konzentrationslagern und „Euthanasie“- Anstalten.

Genaueres, was die Verwertung der Körper des einzelnen Hingerichteten angeht, ist nicht bekannt. Das Leichenbuch, das über die Verwendung der Körper Auskunft hätte geben könnte, wurde von interessierter Seite rechtzeitig vernichtet. So konnte auch Hermann Stieve nach dem Krieg seine wissenschaftliche Karriere in Ost und West fortsetzen. Stieve war erfolglos, aber eingehend von den Alliierten und dem MfS befragt worden, ein Mitarbeiter von Stieve wurde allerdings von sowjetischen Behörden verhaftet. Sein Schicksal ist unbekannt. Stieve selbst konnte sich damit herausreden, dass es auch zur Zeiten der Weimarer Republik normal gewesen sei, dass Hinrichtungsopfer der Anatomie "zufallen". Ohne Leichenbuch konnte ihm eine gezielte Forschung an den Leichnamen politischer NazigegnerInnen nicht nachgewiesen werden. 1952 starb Hermann Stieve, hoch geachtet in Ost und West. In einem Nachruf heißt es: „Als leidenschaftlicher Jäger holte er sich seine Objekte aus manchen Ländern Europas: Was er tötete und was die Anatomie ihm bot, machte er durch Deutung in Worte und Schrift wieder lebendig. Die Leichen stammten von Unglücksfällen oder von Menschen, die wegen gemeiner Verbrechen (...) von regulären Gerichten zum Tode verurteilt waren.“

alle Fotos: Jochen Vogler