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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

25.02.08

Nicht Schlauheit, sondern Weisheit 

Über linke Bündnispolitik, antikommunistische Klischees, alte Rechnungen und echtes Aufregungspotenzial 

Von Ulrich Sander

Ich bin nun 66 Jahre alt. Und ich bin in der DKP und kam über die WASG in die LINKE. Kürzlich schlugen einige Genossen vor, ich sollte für die nordrhein-westfälische LINKE in den Ältestenrat der Partei gehen. Ich stimmte zu, sie meinten dann aber, es gehe nicht – man könne nicht in beiden Parteien sein.

Wenn ich mich entscheiden sollte: Ich bliebe in der DKP. Nicht wegen ihres Charmes, sondern wegen einer nicht unwichtigen Kleinigkeit: Die DKP gehört zur politischen Kultur unseres Landes; ohne legale DKP als Resultat von 1968 hätte es auch keine zugelassene PDS als Resultat von 1989 gegeben; dann wäre Schäuble vielleicht auf merkwürdige Ideen gekommen.

Die Situation verlangt Weisheit, nicht Schlauheit. Strategie, nicht Taktik. Was würden Peter Gingold und Kurt Goldstein sagen? Bisky und Modrow schweigen ja leider, und Halt-die-Klappe-Ramelow und Die-DKP-auflösen-Ernst spucken die großen Töne.

Nun lese ich in der »jungen Welt« und sicher auch in der nächsten UZ wahre Huldigungen für Christel Wegner. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Was geschehen ist, das ist ein Rückschlag für unsere Bündnispolitik. Christel Wegner hat reflexartig die DDR verteidigt. Wie es sich in der »Panorama«-Sendung anhörte, hat sie aber keine Fehler aus der Vergangenheit verteidigt, was schlimm genug wäre, sie hat ihre Wiederholung befürwortet. Und das Argument, sie habe eben einen Fehler gemacht, reicht mir nicht.

Vermutlich hat Christel Wegner gar keinen »Fehler« gemacht, sondern gesagt, was sie denkt. Das entnahm man schon ihrem ersten Interview nach der Wahl in der UZ: Sie habe sich über ihre Wahl als DKP-Mitglied »diebisch« gefreut ... Ach, wie trickreich wir doch sind. Eine gewiss den Kommunisten sehr nahestehende Freundin aus der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes schrieb mir: »Leider hat insbesondere Christel Wegner so ziemlich jedes antikommunistische Klischee bestätigt. Dass eine Abgeordnete der Linken (halt eben nicht der DKP – die stand tatsächlich nicht zur Wahl) zum Besten gibt, dass ihr Programm ein anderes ist, finde ich unglaublich – so etwas schadet der Linken.«

Ich erinnere mich an einen Streit in der Dortmunder DKP, es war etwa 1990. Ich hatte mit Anderen aus der Friedensbewegung in Dortmund zu Diskussionen darüber aufgerufen, was an Erneuerungen im Westen nötig sei und fand, die Auflösung des MfS (ausgenommen HVA, die hat viel Antifaschismus durchgesetzt) durch die Rest-DDR wäre schon nachahmenswert. Für einen künftigen Sozialismus stellte ich mir nicht so viel Macht für die Geheimpolizei vor. Wir wollten die »Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk«.

Mit diesen Worten des Aufrufes der KPD vom 11. Juni 1945 wurden die Fehler von vor 1933 korrigiert, ein Sowjetdeutschland zu verlangen und die demokratischen Rechte und Freiheiten der Weimarer Republik im antifaschistischen Kampf zu vernachlässigen. KPD und DKP fühlten sich dieser Programmatik von 1945 immer verpflichtet. Was da jetzt in »Panorama« geäußert wurde, war nie die DKP-Position.

Nun werden in der LINKEN alte Rechnungen beglichen. Ex-SPD gegen Ex-DKP. Bundes- gegen Landesvorständler. Da sagt einer, Unsinn zu reden, dürfe in der LINKEN nicht geduldet werden – na, dann man weg mit dem Unsinn des Vorstandes.

Als ich als ganz junger illegaler KPD-Genosse in die Ostermarschleitung gesandt wurde, sagten die Pazifisten: Die Kommunisten wollen uns ausnutzen, sie sind nur ihrem Dogma, nicht dem gemeinsamen Ziel des Friedens verpflichtet. Wir konnten dagegen halten; alte Genossen, welche die Ostermarschroute schon auf Todesmärschen gegangen waren, überzeugten. Kürzlich erschien ein Buch von Andreas Buro über die Geschichte der Friedensbewegung. Darin stellen die Ostermarschbegründer Helga und Konrad Tempel fest, sie hätten damals zu viel Argwohn gegenüber den Kommunisten gehabt. Diese Erkenntnis hat mich gefreut. Nun bedeutet uns Christel Wegner: Das Programm der Bündnispartner interessiert mich wenig. Was soll das?

Wir wollen Sozialismus, keinen Reformismus, sagte Christel Wegner in der »Panorama«-Sendung. Früher haben wir mal Artikel verbreitet, in denen wir die Demagogie vom »Sozialismus als Tagesaufgabe« geißelten, die Kurt Schumacher betrieb. Heute hört es sich bei uns ähnlich an – als wolle die DKP den Sozialismus auf die Tagesordnung setzen.

Ich finde, die Zeiten sind zu ernst, um solche Rechthabereien zu betreiben. Wir brauchen eine Abwehrfront gegen Rechts, gegen die Kriegstreiber und Schäuble-Notstandspolitiker. Die Stasi darf nicht auf die Agenda, richtig. Aber sprechen wir davon, dass das Reichssicherheitshauptamt schon wieder konzipiert ist? In Potsdam schufen Schäuble und Jung eine Antiterror-Behörde, die »erstmals seit der Nazizeit wieder Erkenntnisse von Polizei und Geheimdiensten vereint« (»Süddeutsche Zeitung«). Bitte schön, hier ist echtes Aufregungspotenzial. Stemmen wir uns gegen solche Entwicklungen. Gemeinsam.

Der Autor lebt als Journalist und Publizist in Dortmund. 1961 trat er in die illegale KPD ein, 1968 war er Mitbegründer von DKP und SDAJ. Er ist einer der Bundessprecher der VVN-BdA und ihr Landessprecher in Nordrhein-Westfalen. Ulrich Sander veröffentlichte zahlreiche Bücher. Dieser Tage erscheint von ihm bei PapyRossa »Mörderisches Finale« über NS-Verbrechen bei Kriegsende.

aus: Neues Deutschland v. 22.02.2008