Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

12.02.08

Der Brand von Ludwigshafen nach dem Koch-Wahlkampf

Rassenhass im Aufschwung und nichts Wirksames gegen die Rechten

Von Ulrich Sander

"Hass" steht in SS-Runen an der Wand des Hauses am Danziger Platz 32 in Ludwigshafen, das für neun türkische Menschen zur Todesfalle wurde. Ob es ein Anschlag war oder ein Unglück, das tritt zurück hinter der Gewissheit, dass fast jeder einen Anschlag für möglich hält. Ob es Fehler bei der Polizei und der Feuerwehr gab, darüber sind sich viele Türken einig, auch wenn es mehr Gefühl als Gewissheit ist. "Türken ausrotten" heißt es im U-Bahn-Tunnel in der Nähe. Hass auf Ausländer spricht auch aus den Reden der Erwin Huber und Günther Beckstein, die diese am Aschermittwoch halten. Der Rauch war noch nicht ganz verzogen, da brüllten sie "Nein, nein, nein" zu einer EU-Türkei, und "Raus, raus, raus mit den kriminellen Ausländern". Die Medien kritisieren die Aschermittwoch-Reden allenfalls wegen ihres gegenüber Strauß und Stoiber geringerem Unterhaltungswertes, nicht wegen des hasserfüllten Inhalts. Für die Linken, die nach dem rassistischen Wahlkampf der Union von Hessen zum verantwortungsbewussten Zusammengehen derer links von der Union aufrufen, haben sie nur ein "Pfui-Teufel" übrig in der Unions-Wahlkampfnachlese.

Vieles erinnert an die furchtbaren Ereignisse vor 15 Jahren. Damals wurde das Asylrecht im Grundgesetz von SPD, FDP und Union erheblich beschränkt, mit einer Formulierung der sog. "Republikaner". Eine wichtige antifaschistische Errungenschaft wurde beseitigt. Der Asylbeschluß, die Grundgesetzänderung vom 28.6.93, bescherte uns massenhafte Abschiebungen und geschlossene Grenzen. Wenige Tage nach dem schwarzen Tag von Bonn fühlten sich rassistische Verbrecher ermutigt, in Solingen fünf Menschen zu verbrennen, weil sie Nichtdeutsche waren.

Jetzt ging dem Brand, dem vier Frauen und fünf Kinder erlagen, eine fast siebenwöchige rassistische Kampagne, vor allem gegen Türken voraus. Der Brand von Ludwigshafen war nach manchen Augenzeugenberichten ein Anschlag, doch welche Ursache oder Motivation vorlag, wurde noch nicht ermittelt. Jedenfalls stand das Haus im Brennpunkt rassistischer Schmieraktionen und früherer misslungener Anschläge. Wenn sofort der Verdacht aufkommt, es läge ein Anschlag wie in Solingen oder Mölln vor, so sehen türkische Mitbürger, die in Medien zitiert werden, den Grund: "So etwas entsteht halt, wenn zweitklassige Politiker die Dinge anheizen wie der Koch und andere," sagt Davut Deligöz (37). Bekir Alboga, Sprecher der Türkisch-islamischen Union, wird mit den Worten zitiert: Wie Beck eine Brandstiftung auszuschließen, bevor die Ermittlungen überhaupt begonnen hätten, sei eine "völlig falsche Botschaft an die Öffentlichkeit."

Sollte ein Anschlag vorliegen, so läge ein ultrarechtes Motiv nahe, allerdings möglicherweise nicht allein ein antitürkisches. Es können auch türkische Faschisten gewesen sein, denn das Haus wurde vorwiegend von alevitischen Türken bewohnt, deren Religion in der Türkei wiederholt zu rechten Anschlägen Vorwand bot. Auf einer Pressekonferenz in Ludwigshafen wird ein Journalist, der wie die Opfer der Glaubensgemeinschaft der Aleviten angehört, von seinen türkischen Kollegen niedergeschrieen, als er die Frage aufwirft: Ist es eine gute Idee, wenn die Türkei nun eigene Ermittler schickt, während zu Hause so viele Untaten an der unterdrückten Minderheit der Aleviten auf Aufklärung warten?

Der Rassismus, der von Roland Koch im Wahlkampf mobilisiert wurde, erfuhr keinen Abschwung - auch nicht nach dem Wahldesaster für die CDU und auch nicht nach dem Brand von Ludwigshafen. Da distanzieren sich zwar 17 Unionspolitiker vom falsch eingesetztem Thema "Integrationspolitik" und vom vergiftenden Wahlkampfstil in Hessen. Aber es bleibt offen, ob sie es auch getan hätten, wenn Koch obsiegt hätte. Und zudem bekräftigt die Kanzlerin ihre Unterstützung der Positionen Roland Kochs. Frau Merkel bleibt auch dem Haus am Danziger Platz in Ludwigshafen fern. Und bleibt dafür auch seitens des Koalitionspartners SPD ohne Kritik.

Im Zusammenhang mit dem Brand von Ludwigshafen wie auch mit dem Wahlausgang von Hessen wurde ein Anwachsen des Fremdenfeindlichkeit deutlich, wenn auch vor allem der verordnete. Weder CDU noch NPD und DVU wie Reps konnten damit mehr Stimmen erzielen. Im Gegenteil. Allerdings gibt die Tatsache Anlass zur Sorge, dass die Merkel-Huber-Union trotz Kochs Desaster die ethnisch begründete Jugendfeindlichkeit zum Mainstream ihrer Politik erklärt hat. Und was ein wenig unterging: Auch die Bestrebungen "der Politik", die NPD zu verbieten, kommen nicht mehr voran.

Als die Innenminister auf ihrer letzten Tagung erörterten, wie mit der Verbotsforderung umzugehen sei, das stemmte sich ausgerechnet das Land Hessen dagegen. Und als man dann ersatzweise auf die Idee kam, zu versuchen, der NPD den Finanzhahn abzudrehen, da kam der hessische Innenminister auf den großartigen Einfall, dann aber auch allen "Extremisten" das Geld zu nehmen. Und zwar anzufangen mit allen extremistischen parteinahen Stiftungen. Davon gibt es aber bei der NPD gar keine - sondern nur bei der Partei DieLinke. Also die NPD schonen und die linke Rosa-Luxemburg-Stiftung zerschlagen? Soweit mochte die Innenministerkonferenz nicht gehen. Um doch etwas gegen Rechts zu tun, wurde am 7. Februar der NPD-Schatzmeister Erwin Kemna in der Nähe von Münster verhaftet, weil er mit dem Geld der NPD, das zum großen Teil aus Wahlkostenzuschussgeldern bestand, private Geschäfte gemacht haben soll. Er sagte, es sei um die Rückzahlung anonymer Spenden gegangen. Doch sollte durch das Vorgehen der Justiz und des Verfassungsschutzes in diesem Fall das Staatsgeld wieder der NPD zufließen, - wem außer der NPD wäre damit geholfen?

Nebenbei wurde bekannt, dass der Weg der Schwächung der NPD über "die Herausnahme solcher Parteien aus der staatlichen Teilfinanzierung" mit dem Grundgesetz "nicht vereinbar wäre". Wenigstens in der "Frage der Gemeinnützigkeit von Vereinen" wolle man nun allerdings schärfer vorgehen - gegen alle "Extremisten"?

Wir werden den unerträglichen Zustand, dass die verbrecherische NPD auch noch mittels Steuergeldern finanziert wird, nicht beseitigen können, ohne dass die Aktion der VVN-BdA "NoNPD" erfolgreich zu Ende geführt wird: Mit dem Verbot der NPD und aller rechten Kameradschaften sowie mit der Abschaffung des V-Leute-Systems.