11.01.08
Protest ist kein Verbrechen
Polizeiliche Schikanen gegen
Antifaschisten im bayerischen Mittenwald waren rechtswidrig
Frank Brunner
Das Vorgehen der bayerischen Polizei gegen den
nordrhein-westfälischen Landesgeschäftsführer der Vereinigung
der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und
Antifaschisten (VVN-BdA), Jürgen Schuh, war rechtswidrig. Das
stellte das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen am 6.Dezember 2007
fest.
Schuh hatte am 27.Mai 2007 mit drei weiteren Mitstreitern
während des Pfingsttreffens der »Gebirgsjägerkameradschaft« im
oberbayerischen Mittenwald ein Transparent mit der Aufschrift
»Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen« entrollt.
Daraufhin wurde er von Beamten der Spezialeinheit »USK«
festgenommen, in eine Arrestzelle gesperrt und einer
Leibesvisitation unterzogen. Es habe Gefahr für die öffentliche
Sicherheit bestanden, zudem seien in der Vergangenheit schon
mehrfach Fälle aufgetreten, in denen Menschen Rasierklingen in
Pobacken versteckt hätten, sagte der zuständige Polizeisprecher
Klaus Schürgers am Montag allen Ernstes zum Garmisch-Partenkirchner
Tagblatt.
Das Gericht sah das anders. »Es wird festgestellt, daß die
polizeiliche Ingewahrsamnahme sowie die Anordnung, sich vollständig
zu entkleiden, rechtswidrig waren«, da vom Betroffenen keinerlei
Risiko ausgegangen sei, heißt es in dem Beschluß. Er werde nun
eine Zivilklage gegen die Beamten einleiten, sagte Schuh am Dienstag
gegenüber jW. Am Kriegerdenkmal in Mittenwald, gedenken jährlich
zu Pfingsten rund 1500 aktive und ehemalige Gebirgsjäger aus
Bundeswehr und Wehrmacht, darunter verurteilte Kriegsverbrecher,
ihrer gefallenen Kameraden. »Völlig unbehelligt stand uns im
letzten Jahr Josef Scheungraber gegenüber«, empörte sich Schuh.
Das CSU-Mitglied wurde 2006 von einem italienischen Militärgericht
in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Im Juni
1944 hatte er im toskanischen Dorf Falzano die Hinrichtung von 14
Menschen angeordnet. »Wir werden auch dieses Jahr gegen Altnazis
protestieren«, erklärte VVN-Aktivist Schuh. Weniger Probleme mit
Massenmördern scheint die Bundesregierung zu haben. 2007 hielt der
parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium,
Christian Schmid (CSU), die Festrede in Mittenwald.
junge Welt vom 09.01.2008
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