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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

02.11.07

Reserve hat Ruh`? Nein,

Bundeswehrreserve wird aus ihrem Dornröschenschlaf aufgeweckt - zu welchem Zweck?

Bericht von Klaus Wallow

Die Reservearmee der Bundeswehr ist seit einigen Monaten in den Zustand höchster Aktivität versetzt worden. Rund fünf Millionen ehemalige Bundeswehrsoldaten im Alter bis zu 60 Jahren sind in einer ZMZi - Zivilmilitärischen Zusammenarbeit Inneres - verfügbar. Und wie Klaus Wallow vom VVN-BdA-Landesausschuß in Hagen beobachtete, entwickeln sie umfassende militaristische Propagandaaktivitäten.

In organisatorischer Hinsicht und mit Blick auf Darstellung und Ausdruck muss ich als ehemaliger Langzeitsoldat einfach sagen: Hervorragend! Dazu das Erscheinungsbild der strammen, zackigen und auch "fähig" erscheinenden Reservistenkrieger, das machte sicher auf manche Besucher Eindruck. Viele waren allerdings einfach zu beleibt, um noch mehr Eindruck zu schinden.

Neben dem Schauen und Plaudern die Möglichkeit, sich zu informieren. Schweres Räum- und Rettungsgerät war vor dem Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer-Gebäude aufgefahren Als mitwirkende Gastorganisatoren sind zu nennen: Der Malteser Hilfsdienst und die Feuerwehr. Sicherlich auch um zu zeigen, dass diese Dienste fachlich und organisatorisch miteinander für einen gemeinsamen Zweck kooperieren können.

Vorträge werden angeboten. So der über die Zerstörung des Möhnestaudamms während des Zweiten Weltkrieges durch die britische Luftwaffe. Die sprachliche Darstellung der Geschehnisse durch den Vortragenden zeigte eine erkennbar rückwärts gerichtete Ideologie. Den Offizieren der Reserve wurde geboten: "U n s e r Feind" - noch immer unser. "Der Brite mochte uns nicht. Und war nicht erfolgreich. Im Grunde waren die Schäden, die u n s zugefügt wurden, nicht groß. Nur 2 - 3 Tage fiel bei uns die Produktion aus." Dass Tausende Menschen umkamen, darunter 6000 Zwangsarbeiter, war nicht von Belang.

Nach seinen ersten einführenden Hinweisen und allgemeinen Erklärungen zu den Begriffen "Terror und Terrorismus" setzte der Wissenschaftler des Essener Institutes für Terrorismus- und Gewaltforschung, Rolf Tophoven, sehr eindeutige Akzente. Das Wort dürfe nur ja nicht einfach in Verbindung gebracht werden mit Islam und Moslems. Im Saal: Erstaunen. Weiter: "Die aktuelle Situation im Irak und Afghanistan ist militärisch nicht zu lösen! Durch den gewaltigen Militäreinsatz der alliierten Kräfte in den entsprechenden Ländern hat sich die Terrorismus- und Gewaltspirale erheblich ausgeweitet." Das immer wieder zur Beruhigung behauptete Vertrauen bei den Afghanen gegenüber der Bundeswehr entspreche nicht der Wirklichkeit! Hinweis darauf, dass Terrorismus schließlich nicht aus sich selbst entsteht, sondern sich fast als logische Folge aus politischen, wirtschaftlichen, militärischen Gegebenheiten entwickelt. Erwähnenswert, evtl sogar bedeutungsvoll: In beiden Hagener Tageszeitungen wurde die Reservistenveranstaltung in hohen Tönen gelobt. Ich nehme an, dass die Autoren, wie es häufig üblich ist, aus dem Reservistenkreis stammt. Übrigens: Herr Tophoven wurde nicht erwähnt. K.W.

Reserve hat Ruh`? Nein, die Reserve wird aus ihrem Dornröschenschlaf aufgeweckt! 

Betrachtung von Klaus Wallow, Hagen/Breckerfeld (Langfassung) - 22. 10. 07

Für Samstag, d. 29.9.07, hatten beide Hagener Tageszeitungen, die Westfälische Rundschau und die Westfalenpost, in recht großer Aufmachung auf eine öffentliche (Werbe-?) Veranstaltung des Reservistenverbandes der Bundeswehr hingewiesen. Das BMVtdg hatte in der letzten Zeit ja immer wieder ausdrücklich auf die Bedeutung der Reservisten hingewiesen. Nicht etwa nur, um Korps- und Kameradschaftsgeist der organisierten Reservisten zu fördern, sondern die Sinnhaftigkeit - nein: die Notwendigkeit in rein militärischer Hinsicht zu betonen. Auch nicht nur, um z.B. für den Katastrophenschutz eine schnell verfügbare und einsatzfähige Truppe mit entsprechender Ausrüstung. bereitzuhalten. Nein, der "Bürger in Uniform", wie er in den 60-ger Jahren kreiert worden war, soll neu belebt werden! Damals bedeutete das: Jeder taugliche männliche Bürger soll, eingebettet in die demokratische Gesellschaft, seinen Beitrag für die Sicherheit der BRD nach aussen leisten. Dieser Grundgedanke scheint heute eben nicht mehr von Aussen-, Innen- u n d Kriegsministerium - pardon - Verteidigungsministerium sowie der bedingenden Politik gemeint zu sein. Nein, der junge bis hin zum alten, grauhaarigen kriegseinsatzbereiten Reservisten - mental und physisch - sollen sichtbar in das Bewusstsein des Bürgers hineinwachsen und zum gewohnten Anblick werden. "Unsere Jungs" werden in zunehmendem Maße bei sportlichen Veranstaltungen mit der Gulaschkanone oder als Ordner und bei Absperrungen in Erscheinung treten… für`s Volk. Zu d i e s e m Zweck soll mit Sicherheit das Alter der Wehrüberwachung n i c h t erhöht werden! Das Fernziel stellt unübersehbar und unüber h ö r bar der Einsatz im Inneren dar!

All diese Betrachtungen führe ich quasi in der Einleitung an, um den Werbungscharakter in der Veranstaltung in der SIHK in Hagen deutlich zu machen.

In organisatorischer Hinsicht und mit Blick auf Darstellung und Ausdruck muss ich als ehemaliger Langzeitsoldat einfach sagen: Hervorragend! Dazu das Erscheinungsbild der strammen, zackigen und auch "fähig" erscheinenden Reservistenkrieger machten sicher auf manche Besucher Eindruck. Mir jedoch als zum pazifistischen Menschen im siebzigsten Lebensjahr Gewendeten erschienen diese offenbar sehr kampfbereiten Krieger, zum Teil allerdings sehr übergewichtig mit kaum vorstellbaren Koppelgrößen (!), bedrückend, besorgniserregend, ja geradezu abstoßend! Wenn einerseits die dicken Bäuche der grauhaarigen Reservisten von mir eher als Witzfiguren eingestuft wurden, wirkten die, die "hatten" und zeigten, nämlich sichtbare Muskelstränge an Armen (natürlich dann bei aufgekrämpelten Kampfjackenärmeln) und Hälsen schon bedrohlich, ja, angsteinflössend bei entsprechenden Phantasieen!

Zurückgehend auf den Begriff "Werbung", fand ich es beruhigend und tröstlich, wirklich nur wenige Zivilisten als solche zu identifizieren. Haltung, der Augenausdruck und die Art, Dargestelltes zu betrachten und wie sie auf "Umwerbung" reagierten z.B auf Fragen wie: "Was darf ich Ihnen zeigen…..Wofür interessieren Sie sich…?" Meine Einschätzung kann natürlich nur subjektiv sein. Sie wurde allerdings aber dadurch bestätigt, dass die vielen Angehörigen - Ehefrauen, Kinder und Freunde - sich deutlich von den distanzierten und möglicherweise auch kritischen Besuchern unterschieden. Bei den Angehörigen waren, und das ist sicherlich auch normal, die persönliche Verbundenheit zu den Soldaten und deren entsprechenden Interessen aber auch Stolz o.ä. nicht einfach mit Vorwurf und Kritik zu belegen.

Das wirklich einzige Attraktive in organisatorischer Hinsicht war die wohlschmeckende Erbsensuppe! Aber auch nur die Suppe für sich! Denn am Tisch mit den Soldaten vor mir, hinter mir, rechts und links neben mir, stellte sich für mich als Prüfung dar! Mitten drin, mit einer hohen und dicken Mauer dazwischen. Nicht Hemmungen waren es die mich an einem "small talk" hinderten. Es war einfach eine innere Sperre, die ich allerdings nicht aufheben wollte, um vielleicht als "Netter" eingestuft zu werden.

Sicher wäre es mir möglich gewesen, mit ihnen über Wetter, Fußball oder gar über die Verteidigung der Freiheit am Hindukusch zu plaudern. Sicher haben "Die" auch selbst die Mauer gespürt, die da festgemauert auf dem Tisch, zwischen den Tellern, errichtet war.

Neben dem Schauen und der Möglichkeit zu plaudern oder sich zu informieren waren schweres Räum- und Rettungsgerät vor dem SIHK-Gebäude aufgefahren und für Information und Vorführung bereitgestellt. Als mitwirkende Gastorganisatoren sind zu nennen der Malteser Hilfsdienst und die Feuerwehr. Sicherlich auch um zu zeigen, dass diese Dienste fachlich und organisatorisch miteinander für einen gemeinsamen Zweck kooperieren können.

Vormittags und nachmittags wurden jeweils ein Vortrag angeboten: Vormittags die Zerstörung des Möhnestaudamms während des2.Weltkrieges durch die britische Luftwaffe. Nachmittags weitere Darstellungen von Bombardierungen der anderen Talsperren im Sauerland. Den Vormittags-Vortrag habe ich mir angehört, nicht, weil mich die militärisch-technischen Themen interessierten oder rein militärische Vorgänge überhaupt. Mich interessierten die rein sprachliche Darstellung der Geschehnisse durch den Vortragenden sowie eine evtl. erkennbar rückwärts gerichtete Ideologie. Und siehe da: ich wurde fündig! Zum Vortragenden: Ca. 60 - 65 Jahre, also keinesfalls Kriegsteilnehmer; am Bundeswehr -Pullover keine Dienstgrad-Abzeichen; nach Haltung und Sprache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Offizier der Reserve.

Folgende Formulierungen - sehr fließend/selbstverständlich, offenbar aufgrund seines Alters übernommen und persönlich als auch in seiner gesellschaftlichen Umgebung (Beruf) weiterhin gepflegt - waren für mich kennzeichnend:

  • U n s e r Feind - Auf den natur- und wehrwissenschaftlichen englischen Forscher, der die Spezialbombe entwickelt und konstruiert hatte, eingehend: D e r mochte u n s nicht. 
  • Im Grunde waren die Schäden, die u n s zugefügt wurden, nicht groß. 
  • Nur 2 - 3 Tage fiel bei u n s die Produktion aus. 
  • Auch u n s e r e Menschenverluste waren nicht so hoch. Er erwähnte, dass unter den mehr als 6000 Toten auch viele Zwangsarbeiter waren, die in Lagern im Überschwemmungsgebiet untergebracht waren. 
  • Ich persönlich interpretiere diese Formulierungen nicht als Ausrutscher, gewollt oder ungewollt, sondern als ganz normale, selbstverständliche Zugehörigkeits- und Identifikationformel.

Den Abschluss und den Höhepunkt sollte ein Fachvortrag zum Thema "Terrorismus…. mit all seinen Facetten….allgemein und mit all seinen Spezifizierungen" bilden. Als Vortragender wurde der Forscher und Wissenschaftler des Essener Institutes für Terrorismus- und Gewaltforschung, Herr Tophoven, vorgestellt, und zwar mit hoher Wertschätzung und geradezu einer Lobeshymne. Der Begrüßungsapplaus war dann auch entsprechend geradezu begeistert.

Vom ersten Moment erschien mir Herr T. als ein seiner Sache sicherer und routinierter Wissenschaftler und Vortragender, unabhängig mal von seiner Ideologie oder politischen Richtung.

Ich hatte mir extra einen Platz vorne rechts ausgesucht, um von dort, auch nach hinten schauend, einen Eindruck über Reaktionen der Zuhörer zu verschaffen.

Nach seinen ersten einführenden Hinweisen und allgemeinen Erklärungen zu den Begriffen "Terror und Terrorismus" setzte Herr T. gleich sehr eindeutige Akzente. Er wies sehr klar darauf hin und forderte geradezu, den Begriff - das Wort ja nicht einfach in Verbindung zu bringen mit I s l a m oder M o s l e m s. Er differenzierte absolut und spezifizierte die Begriffe Religion, Tradition,Macht, Machtmissbrauch, Missbrauch der Religion. Er wies eindringlich darauf hin, dass die Instrumentalisierung höherer und höchster Werte ob im Christentum, oder auch in beinahe allen Religionen für egoistische, individuelle Ziele, wohlverpackt in die Interessen für Volk und Vaterland oder eben f ü r den Menschen bzw. für die jeweilige Allgemeinheit missbraucht wurden. Dazu gehören schließlich und endlich einerseits Begeisterung, andererseits Fanatisierung bis hin zu der Vorstellung , dass das eigene Leben zu opfern, den höchsten erreichbaren Segen bringt.

Bei diesen Ausführungen begann ich zu ahnen, dass Herr T. viele, viele Zuhörer nicht glücklich stimmte. Ein Blick nach hinten zeigte mir, dass ich da nicht unrecht hatte: gelangweilte Gesichter, viele unterhielten sich. Die anfänglich frohe Erwartung - worauf auch immer - war gewichen.

Ich witterte Morgenluft und wurde nicht enttäuscht! Ich will jetzt nur bemerkenswerte Aussagen wiedergeben, ohne Kommentar oder Bewertung. Natürlich kann meine Wiedergabe nicht einem Protokoll entsprechen.

  • Die aktuelle Situation im Irak und Afghanistan ist militärisch nicht zu lösen! 
  • Durch den gewaltigen Militäreinsatz der alliierten Kräfte in den entsprechenden Ländern hat sich die Terrorismus- und Gewaltspirale erheblich ausgeweitet. 
  • Ankündigung des Artikels am Montag im Spiegel über die Alkoholexzesse mit entsprechenden Folgeerscheinungen bei der hochgelobten KSK-Truppe, nicht etwa in den unteren Rängen. Nein, gerade auf den hohen und h ö c h s t e n Führungsebenen, ja, d e s 
  • ,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,H ö c h s t e n! - Das immer wieder zur Beruhigung (wessen?) behauptete Vertrauen bei den Afghanen gegenüber der BW durch Politik und BW-Führung (militärischer und politischer) entspricht nicht der Wirklichkeit! 
  • Hinweis darauf, dass Terrorismus schließlich nicht aus sich selbst entsteht, sondern sich fast als logische Folge aus politischen, wirtschaftlichen, militärischen Gegebenheiten entwickelt - Nicht zu vergessen sind die moralischen Abwertungen. 

Meine wiederholten Blicke nach rückwärts zeigten mir, dass Herr T. nicht die Herzen und Sinne seiner Zuhörer gewonnen hatte, gewinnen konnte.Der an Peinlichkeit grenzende geringe Beifall legten Zeugnis von meiner Wahrnehmung ab. Für mich war diese Entwicklung eine Genugtuung, ohne mich Illusionen auf eine politische, militärische Wende einzulassen.

Erwähnenswert, evtl sogar bedeutungsvoll: In beiden Hagener Tageszeitungen wurde die Reservisten- Veranstaltung in hohen Tönen gelobt. Ich nehme an, dass die Autoren, wie es häufig üblich ist, aus dem Reservistenkreis stammt. Denn der Name T o p h o v e n wurde mit keiner Silbe erwähnt, natürlich auch nicht dieser fürwahr für die BW-Reservisten unerhörte Vortrag!!