25.09.07
Mit Sonnenbrille und Kapuze
VVN-Kritik auch an DGB und
Polizei
Ansprache bei der Auftaktkundgebung der ANTIFA Düren am 22.
9. 2007 Gegen die Demonstration der NPD und „Kameradschaften“ am
gleichen Tag Von Kurt Heiler, VVN- Bund der Antifaschisten
Kreisverband Aachen
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich habe Sonnenbrille und Kapuze angezogen, um einmal selbst zu
spüren, wie es sich anfühlt, ein zugereister gewaltbereiter
Antifaschist zu sein. Dieses Feindbild hat der DGB für den heutigen
Tag ausgegeben. Nicht die Nazis werden hier zum Gegner, sondern die
Antifa.
Ich bin wie viele andere nicht nach Düren gekommen, um
zuzugucken, wie die Nazis durch die Stadt marschieren. Ich bin
gekommen, um mich ihnen entgegenzustellen und wenn möglich zu
verhindern, dass die Nazis ungestört ihren Hass versprühen
dürfen. Und Zugereister bin ich sowieso. Und wenn ich zwecks
Verhinderung der Nazidemo eine Ordnungswidrigkeit begehe, mache ich
mir auch nicht in die Hose.
Unsere Demo ist nur eine Aktionsform gegen den Naziaufmarsch. Es
steht mir nicht an zu kommentieren, wie andere im Bündnis gegen
Rechts den gemeinsamen Anspruch: „Faschismus ist keine Meinung,
sondern ein Verbrechen“ ausfüllen. Was aber nicht einfach
hingenommen werden kann, ist die Diffamierung unserer Demo durch
Bündnispartner. Wir werden von Anfang an in die Schublade von
gewalttätigen und auch noch „fremden“ Störern gedrängt, der
breite antifaschistische Widerstand in gut und böse unterteilt,
mehr noch, wir werden zum Abschuss freigegeben. Alles was schief
geht, wird auf unser Konto geschrieben.
Es entsteht so mit Hilfe unserer Bündnispartner im Kampf gegen
Rechts ein verrücktes Bild, verrückt in des Wortes doppelter
Bedeutung. Die Nazis werden sich brav an die Auflagen der Polizei
halten, ordentliche Deutsche halt, und wir werden schon mit Strafen
bedroht, wenn wir mehr als eine Straßenseite benutzen. Am Ende
heißt es dann wieder: Rechts und Links wurden auseinander gehalten,
bei Blockaden der Strasse gab es soundsoviel Festnahmen (nur linke).
Ich habe die Auflagen der Nazidemo gelesen und wenn es unter uns
bleibt: das ist großer Humbug. Ob Nazis rote oder weiße
Schnürsenkel tragen bleibt sich gleich, selbst wenn sie sich die
Schuhe mit Blumen zubinden würden, es blieben doch Nazis und ihr
Marsch wäre doch die nackte Gewalt. Die Sprüche, die sie nicht
ausrufen dürfen, füllen ganze Absätze. Das ist aber nur ein
Aufruf zum Wettbewerb, diese Sprüche zu variieren und neue zu
erfinden. Die einfache Wahrheit ist doch: Nazis sind immer
gewalttätig, egal in welcher Verkleidung sie auftreten. Ihre
Propaganda, ihre Aufmärsche dürfen nie und nimmer genehmigt
werden. Aber da zucken die Verantwortlichen nur mit den Schultern.
Da können sie nichts machen, da sind ihnen die Hände gebunden.
Wir aber wissen, die Auflagen, die heute die Nazis schikanieren
sollen, haben WIR morgen in unseren Demo-Auflagen stehen. Und sie
werden gegen uns verwandt, um Leute einzuschüchtern und zu
kriminalisieren.
Das ist der Preis, den WIR bezahlen und den Politik und Polizei
uns einbrocken, weil anscheinend niemand bereit ist, von dem
inhaltleeren Schema der Gleichsetzung von Rechts du Links
loszukommen.
Wer sich umhört wird mitbekommen: keiner will die Nazis. Alle
sind dagegen: die Politik, die Polizei, die Justiz, die Medien,
eigentlich alle, außer den Nazis selbst. Und trotzdem marschieren
sie Woche für Woche. Und trotzdem werden die verfolgt, die sich
dagegen stellen. Trotzdem hören wir den ewig gleichen und falschen
Spruch: Machen und Tun sollen die jeweils anderen, man selbst kann
grad nicht, würde ja gern und was der Ausflüchte mehr sind.
DAS IST ZU WENIG: Wir wollen das nicht mehr hören!
1. Ruhe ist nicht die erste Bürgerpflicht. Wir regen uns auf
über die Nazis. Wir nehmen deren Auftreten nicht hin und wir TUN
etwas dagegen.
2. Wir sind nicht die braven Untertanen dieses Staates. Wenn der
Staat die Nazis schützt und für deren Freiheit, Hass zu
versprühen, Millionen Steuergelder aufwendet, dann hat der Staat
UNRECHT.
3. Wenn aktives Eintreten gegen Nazis gefährlich sein soll, wenn
man uns einschüchtern will, na und! Dann schmückt Euch doch nicht
mit Sophie Scholl und der Weißen Rose, hört auf, Filme über deren
Widerstand zu zeigen.
4. Wir verlassen uns nicht mehr auf Politik und den Staat, der
den Nazis die Straße frei prügelt, sie durch angebliche Spitzel
und durch Wahlkampfkostenerstattung finanziert. Wenn WIR dann das
Etikett „Verfassungsfeind“ angehängt bekommen, dann sagen wir,
auf diese Lüge kommt es schon gar nicht mehr an. Die
Verfassungsfeinde sitzen längst in der Regierung. Den Streit, wer
heute noch die Verfassung verteidigt und wer die Verfassung mit
Füßen tritt, den Streit werden wir gern führen.
Mit dem was Staat und Politik als „Aufstand der Anständigen“
mal propagiert haben, ist folgendes Ergebnis erreicht worden: Es
gibt mehr Nazis als vorher, sie sitzen in mehr Parlamenten als
vorher, die Straftaten sind enorm angestiegen, es gibt mehr
Nazi-Demos als vor dem sagenhaften „Aufstand“ usw.
Daraus können zwei Schlüsse gezogen werden: entweder haben die
politisch verantwortlich sich „geirrt“, sie haben etwas
erreichen wollen und tatsächlich das Gegenteil erreicht. Dann
wären in der „freien Wirtschaft“ Plätze in der Aktenablage
freizumachen. Oder sie haben uns von Anfang an belogen und das
Ergebnis entspricht den tatsächlichen Zielen.
Wir werden weder das eine noch das andere beweisen können, aber
sicher ist: wer eine solch verheerende Bilanz vorzuweisen hat,
sollte auf jeden Fall ein anderes Konzept vorlegen oder die Aufgabe
an andere weitergeben, die das mit Kompetenz machen und ich sehe
hier bei uns schon ein paar hundert äußerst kompetente
Streiterinnen und Streiter.
Im Ernst: Die Nazis werden nicht verschwinden, weil sie noch
gebraucht werden. Ihre historische Aufgabe war, die Gesellschaft in
den Krieg zu führen und die Kriegsgegner auszuschalten. Und
Kriegsgegner waren und sind vor allem Menschen, die sich in
verschiedenen Formen auf der Linken organisiert haben. Um den Linken
das Wasser abzugraben, müssen die Nazis auf alte Muster der
Demagogie zurückgreifen. Wenn das nicht hilft, wird direkter Terror
als Mittel eingesetzt. Die Übergriffe gegen linke Gruppe und
Personen häufen sich.
Wir müssen die Lügen der Nazis durchschauen und aufdecken. Wenn
heute Nazis mit Che Guevara-T-Shirts auf Demos kommen und ihren
Rassenhasse austoben, dann ist es eine Lüge, ein Finte. Sie haben
von Ché nicht das Geringste verstanden.
Wenn Nazis behaupten, sie seien gegen Krieg, dann wissen wir: das
ist eine Lüge. Sie sind vielleicht gegen den Krieg in Afghanistan,
der dort im angeblich deutschen Interesse geführt wird. Aber die
Nazis wollen anknüpfen an die verbrecherische Wehrmacht, deren
Untaten die Nazis nicht aufhören zu loben. Der blutige
Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht ist das Vorbild der Nazis.
Das hat aber mit einer Antikriegshaltung nichts zu tun. Die Nazis
unterscheiden sich von der Krieg führenden Regierung in der
Definition von „deutschen Interessen“ und damit in der Auswahl
der (potentiellen) Gegner.
Wer eine Alternative zum Krieg sucht, kann sie nie rechts finden.
Die Alternative muss heißen: Kein Krieg! Bundeswehr Soldaten geht
nach Hause. Wir brauchen das Geld für wichtigere Dinge.
Wenn die Nazis von NPD und Kameradschaften behaupten, sie seien
Inländerfreundlich, so erinnern wir mal daran, dass ihre Vorgänger
nicht nur über 50 Millionen Menschen weltweit umgebracht haben. Sie
haben auch 11 Millionen Deutsche Tote zu verantworten. Und dabei
haben sie noch Glück gehabt, dass die von Deutschland überfallenen
Länder nicht Gleiches mit Gleichem vergolten haben, sonst gäbe es
Deutschland nicht mehr.
Als vor ein paar Wochen der Spruch von NRW- Ministerpräsident
Rüttgers „Kinder statt Inder“ in Mügeln ungeahnte Aktualität
gewann, fand der zuständige Ministerpräsident Milbradt nur
bedauernde Worte für die Mügelner Bürger, die angeblich Opfer
einer Kampagne geworden waren. Opfer einer angeblichen „Inländerfeindlichkeit“.
So spart man sich, von den tatsächlichen Opfern, den Indern in
Mügeln, zu sprechen.
Die Stichwortgeber für den Rassismus der Nazis sitzen in der
Mitte der Gesellschaft: Der vormalige Innenminister Schily (SPD)
meinte „Das Boot ist voll.“ Der SPD Kanzler Schröder befand:
„Kriminelle Ausländer raus und zwar sofort“. Die Nazis haben
einfach diesen Spruch als Aufkleber bundesweit vertrieben. Mehr
mussten sie nicht machen. Wir erkennen mit Schaudern, dass der
Spruch des bayrischen Innenministers Beckstein: „Wir wollen
Ausländer, die uns nutzen und keine, die uns ausnutzen“, eine
breite gesellschaftliche Zustimmung erfahren hat. Dieses Gedankengut
ist Grundlage der Praxis im Umgang mit Migranten. Die Nazis
verstärken den darin enthaltenen Rassismus. Wir aber wollen eine
andere Welt, eine andere Gesellschaft, in der jeder Mensch, der hier
lebt, auf der Grundlage gleicher Rechte an der Gesellschaft
teilnehmen kann. Wir wollen keinen „Krieg der Kulturen“, sondern
Dialog auf gleicher Augenhöhe.
Wenn die NPD behauptet, sie sei gegen Sozialabbau und ihre
Militanten wieder mit dem Wort „sozialistisch“ kokettieren, so
ist dies der gleiche Etikettenschwindel wie damals bei der NSDAP.
Die Konzernbosse hießen nun „Wehrwirtschaftführer“, die
Arbeiter waren „Geführte“, die Unterordnung total, die
Herrschaft der Konzerne unbeschränkt. Das Wirtschaftsprogramm der
Nazis hieß immer: Der Mensch sei des Menschen Wolf und der
Stärkere würde sich schon durchsetzen. Das aber ist keine
Alternative zum herrschenden Wirtschaftssystem, sondern dessen
Zuspitzung.
Wir brauchen mehr wirkliche Demokratie, keine neue Spaltung der
Gesellschaft in „Führer und Geführte“. Wir wollen
gesellschaftlichen Reichtum nicht durch Aufrüstung und Ausbeutung
anderer Länder schaffen. Wir stellen uns gegen die Umverteilung des
gesellschaftlichen Reichtums von den Armen zu den Reichen.
Wer eine Alternative zum Sozialdarwinismus in der Gesellschaft
will, muss sich mindestens an den Idealen der französischen
Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit orientieren. Wer
dahinter zurückfällt, kann kein Sozialist in irgendeiner Form
sein.
Ich sagte schon, die Nazis werden noch gebraucht. Die Regierungen
der letzten Jahrzehnte haben die Reichen reicher und die Armen
ärmer gemacht, sie haben uns in immer neue militärische Abenteuer
gestürzt mit dem Ergebnis, dass es mehr Terrorismus, mehr Hass und
mehr Unterdrückung gibt. Es gibt Alternativen, aber niemals bei den
Nazis. Die Menschen, denen die Regierung immer tiefer in die Tasche
greift, bleiben bei Wahlen einfach zu Hause oder wählen „Protest“.
50 % Wahlbeteiligung werden normal. Auf so schmaler Wählerbasis
können Konzerninteressen an mehr Sozialraubbau immer schlechter
umgesetzt werden. Schon bemühen sich die Sozialabbauer selbst um
„soziale Rethorik“. Die Demagogie der Nazis ist aber
unübertroffen. Sich als „Gegner des Systems“ darzustellen, um
dann die Leute noch mehr zu schröpfen und zu unterdrücken, das
können Nazis am besten. Fragt sich: Wer braucht das eigentlich:
Nazis als Reserve?
Lasst uns heute nicht nur gegen Nazis demonstrieren, sondern auch
für die Forderung nach einer ganz anderen Politik. 1969 ist die NPD
schon einmal aufgehalten worden: mehr Demokratie wagen, Ausgleich
mit den Nachbarstaaten, das war eine den Nazis diametral
entgegenlaufende Politik. Mit Harz 4 und neuen Bundeswehreinsätzen
werden die Nazis nur stark gemacht. Eine andere Politik ist nötig
und möglich. Nazis braucht kein Mensch.
Das ist der Inhalt unseres Demospruchs: Für die Freiheit, für
das Leben, Nazis von der Strasse fegen.
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