03.09.07
Vom Friedensauftrag des Grundgesetzes ist in der
Politik nicht mehr viel übrig geblieben
Rede auf der VVN-Veranstaltung
in Lüdenscheid-Hühnersiepen zum Gedenken an die NS-Opfer am 2.9.07
Von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel stammt der furchtbare
Satz: „Um die Politik anderer Nationen zu beeinflussen, um den
Interessen und Werten der eigenen Nation zu dienen, müssen alle
Mittel in Betracht gezogen werden, von freundlichen Worten bis zu
Marschflugkörpern.“ *)
Deutschland ist entgegen der UNO-Charta wieder Krieg führende
Nation. Und dies nachdem sich die Menschen in Europa 1945 schworen:
Nieder Krieg – nie wieder Faschismus!
Aus dieser richtigen Erkenntnis wurde 1999, als unser Land dabei
war, wieder Bomben auf Jugoslawien zu werfen, der zynische Satz des
Außenministers Fischer: Nie wieder Auschwitz, und daher müssen wir
wieder – diesmal an der Seite der USA und der Nato - in den Krieg
ziehen. Aber Auschwitz wurde nur durch Krieg möglich. Es hätte
verhindert werden können, wenn 1933 die Warnung befolgt worden
wäre: „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Daher stehen wir
heute hier gegen Nazis und gegen Krieg.
Es kommt darauf an, Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Und
diese Lehre lautet nun einmal, eine Welt des Friedens und der
Freiheit aufzubauen, wie die Häftlinge von Buchenwald im April 1945
schworen. Deren Vermächtnis, dass nie wieder von deutschem Boden
Krieg ausgehen dürfe, ist heute in der Außen- und
Verteidigungspolitik Deutschlands in Vergessenheit geraten.
Vom Friedensauftrag des Grundgesetzes ist in der Politik nicht
mehr viel übrig geblieben. Aber er steht noch in der Verfassung.
Die jüngsten Entwicklungen im Inneren zeigen, dass auch der
antifaschistische Auftrag des Grundgesetzes nicht mehr sehr ernst
genommen wird. Wenn Ausländer oder Menschen anderer Hautfarbe durch
die Straßen getrieben und verprügelt werden, wenn Alt- und
Neonazis ihre menschenverachtende rassistische Ideologie ungehindert
auf öffentlichen Plätzen unter dem Schutz der Polizei verbreiten
dürfen und wenn junge Antifaschisten, Linke und Gewerkschafter an
ihrem Protest dagegen behindert und kriminalisiert werden, dann ist
das eine politische und juristische Ungeheuerlichkeit.
Vor 50 Jahren hat der DGB den Antikriegstag 1. September ins
Leben gerufen. Es wurde aus diesem Anlaß vom DGB eine
bemerkenswerte Erklärung herausgegeben. Sie richtet sich jedoch vor
allem an die EU und man scheut sich, die deutsche Politik in die
Verantwortung zu nehmen.
- Die Bundeswehr aus Afghanistan zurück zu holen,
- den Umbau der ursprünglich als reine Verteidigungsarmee
konstruierten Bundeswehr in eine weltweit eingreiffähige
Interventionsarmee zu stoppen,
- "Abrüstung statt Sozialabbau" zu fordern,
- die Pläne des Innenministers Schäuble zum Einsatz der
Bundeswehr im Inneren zu bekämpfen –
all das sind Forderungen, die dem DGB auch heute gut zu Gesicht
stehen würden.
Nach Meinung von uns Antifaschisten gehören Naziaufmärsche wie
heute in Dortmund, am Antikriegstag, grundsätzlich verboten. Als im
1957 der Antikriegstag vom DGB ins Leben gerufen wurde, um „in
würdiger Form für den Frieden und gegen den Krieg“ einzutreten,
da gehörten die Gewerkschaften zu den entschlossensten Kräften,
die auch gegen Nazis und gegen Militarismus nach Innen und Außen
eintraten. Wir hoffen, dass wird bald wieder so sein. Wir hoffen
auch, die gesamte Gewerkschaftsbewegung wird bald wieder gegen den
Notstand der Demokratie – wie 1968 - auftreten, der darin besteht,
dass Polizei und Bundeswehr massiv die Demonstranten für Frieden,
Demokratie, Antifaschismus und soziale Gerechtigkeit behindern, wie
in Heiligendamm beim G8-Gipfel geschehen. Und zugleich Nazis durchs
Brandenburger Tor marschieren lassen.
Neben dem DGB-Aufruf zum 1. September gab es diesmal eine weitere
Neuigkeit. Wir warten nicht mehr auf die Nazis, um dann gegen sie
anzutreten und „Nazis raus aus unserer Stadt“ zu rufen, so
richtig das auch ist. Wir gehen mit der Aktion der VVN-BdA NoNPD
selbst in die Offensive. Und jeder kann mitmachen – und für ein
Verbot der NPD zu unterschreiben. Inzwischen hat die Diskussion
darüber unser ganzes Land erfasst und rund 112.000 Unterschriften
wurden gesammelt, gestern dürften viele Tausend dazugekommen sein.
Ein Verbot der NPD löst natürlich noch nicht alle Probleme. Es
würde vor allem den Rechtsextremismus der Mitte, die latente
gutbürgerliche Fremdenfeindlich nicht beseitigen – aber es
dürfte bestimmte Themen und Praktiken tabuisieren, und das wäre
schon etwas. Es muß endlich Schluß damit gemacht werden, dass
höchste Gerichte den Faschismus verharmlosen. Das
Bundesverfassungsgericht nennt das Nazigegröle „missliebige“
Meinungen, der Bundesgerichtshof nennt „Ausländer raus“ eine
zulässige und nicht volksverhetzende Losung. Damit muß Schluß
sein.
Wir müssen das "historische Gedächtnis" der
Verfassung wieder aktivieren, forderte das höchste NRW-Gericht, das
Oberveraltungsgericht in Münster. Und dazu gehört, die
antifaschistischen Bezüge der Verfassung wieder voll wirksam werden
zu lassen: Verbot des Angriffskrieges, Sozialpflichtigkeit des
Eigentums, Sozialstaatlichkeit, Trennung von Armee und Polizei,
Verbot von Nazipropaganda. All dies entsprechend dem Artikel 1 für
die Würde des Menschen und des Artikel 139 zur
Verfassungswidrigkeit von Militarismus und Nationalsozialismus. Dazu
formulierte das Gericht den klaren aktuellen Satz:
„Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit
den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren.“ (Beschluss OVG
NRW, Az 5 B 585/01). **)
Nach Lage der Dinge ist eine justizförmige Handlungsweise gegen
die Nazis durchaus zielführend. Aber sie kommt nicht von allein –
es bedarf zum Beispiel Tausender Unterschriften zur VVN-BdA-Aktion
„NoNPD“ und es bedarf der Wachsamkeit der Nazigegner im Lande,
damit ein Verbot auch wirklich durchgesetzt wird und nicht so
verfahren wird, wie beim FAP-Verbot, dem so viele „Kameradschaften“
nachfolgten, gut geschützt vom V-Leute-System des
Verfassungsschutzes. Auch dieses V-Leute-System muss verschwinden.
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