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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

14.05.07

Der Schwur von Buchenwald - und der von Strasbourg 

Gedanken zum 8. Mai

Von Landessprecher der VVN-BdA NRW Ulrich Sander in "Unsere Zeit" vom 4.5.07

"Sie werden mit uns verrecken". Mit diesen Worten hatte Heinrich Himmler im März 1945 die Kriegsendphasenverbrechen angekündigt und den Mord an Tausenden NS-Opfern befohlen. Während zahlreiche geheime Bemühungen von Nazioberen zu verzeichnen waren, um eine Wende des Krieges - eine Wende zu einer Einigung mit dem Westen zur Fortsetzung des Krieges gegen die Sowjetunion - zu erreichen, ist gleichzeitig ein Mordfeldzug gegen deutsche und ausländische Antifaschisten und gegen wehrunwillige deutsche Soldaten gestartet worden. Viele Tausend kamen ums Leben. Die Nazis fürchteten, diese Nazigegner, vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter, könnten sich die Früchte des Sieges über den Faschismus durch gemeinsames Handeln für eine Zukunft in Frieden und Demokratie sichern wollen, sie könnten den Nazismus "mit der Wurzel" beseitigen, wie in jenen Tagen in Buchenwald geschworen wurde.

Der von der SS angestrebte, aber vom Westen (noch) abgelehnte Frontwechsel, spukte in jener Zeit in den Köpfen vieler Nazis herum. In der Frankfurter Allgemeinen FAZ vom 7. Mai 2005 fanden wir einen ganzseitigen Bericht "Die Stunde Null schlug nicht am 8. Mai" über einen wenig erforschten Teil der Geschichte: "Nach einem amtlichen deutschen Stimmungsbericht war am 6. Mai (1945) die Information der Öffentlichkeit so schlecht, dass die ´zweifellos überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sich noch nicht vorstellen kann, dass die militärische Niederlage des Reiches schon endgültig ist. Man sieht im gegenwärtigen Zustand eine ausgesprochene Übergangssituation und erst dann das Endstadium des Krieges erreicht, wenn der Kampf gegen die Sowjetunion mit oder ohne fremde Hilfe zu unseren Gunsten entschieden ist.´"

Dieser Frontwechsel mit "fremder Hilfe" gegen den Osten hätte die Widerstandskämpfer und die ausländischen Antifaschisten als Hindernisse und wie 1918 als mögliche bewaffnete Gegner vorgefunden. Deshalb der Massenmord an vielen Orten. Die Ermordeten waren sowohl die letzten Opfer des zweiten Weltkrieges als auch die ersten des neuen Kalten Krieges. Sie standen der Wiederherstellung der alten Besitz- und Machtverhältnisse im Wege.

Dass - wie wir jetzt erneut erfuhren - ein späterer hoher CDU-Politiker wie Hans Filbinger noch nach Kriegsende mit Genehmigung der Engländer einen deutschen Marinesoldaten in einem Kriegsgefangenenlager verurteilen durfte, der nicht mehr gegen den Osten mitmachen wollte, das gibt einen Ausblick auf die spätere Lage: Filbinger, der furchtbare Jurist, wurde Ministerpräsident, die Widerstandskämpfer wurden politisch ausgeschaltet. Und Filbingers Nachfolger Günter Oettinger machte das NSDAP-Mitglied sogar zum kämpferischen Hitlergegner - wobei der Mord des Marinerichters an jungen Soldaten, denen er zu Todesurteilen verhalf, nichts zur Sache tat. Die Erschießung von 25 000 Deserteuren hat man hierzulande stets für gerechtfertigt gehalten, bis es dagegen zu halbherzigen Erklärungen der Bundesregierung kam, - wovon aber in Baden-Württemberg noch nichts bekannt zu sein scheint.

Filbinger war einer der Akteure der Naziverbrechen, auch der Kriegsendphasenverbrechen. Was wurde aus den Opfern? Nach der Gedenkveranstaltung für die Kriegsendphasenopfer in Dortmunds Bittermark und im Rombergpark schrieb eine Dortmunder Zeitung zutreffend: "Ihr einziges Verbrechen war es, sich Gedanken darüber zu machen, wie es nach dem Nationalsozialismus politisch weitergeht." (WR/WAZ 7. 4. 07) Ja, sie sehnten sich nach dem Zuhause. Sie sehnten sich nach einem Deutschland des Friedens, nach einem Leben ohne faschistische Unterdrückung. Das einte die deutschen wie die ausländischen Opfer.

Die Täter hatten ganz andere Pläne. Ob der Führer davon wusste? Das war Ende 1944/Anfang 1945 auch schon unwichtig. Ein Geheimagent der US-Army hat im Herbst 1944 notiert: "Ein Treffen der wichtigsten deutschen Industriellen, die in Frankreich Interessen haben, fand am 10. August 1944 im Hotel Rotes Haus in Strasbourg (Frankreich) statt." Man beschloss: "Die bestehenden Finanzreserven im Ausland müssten zur Verfügung der Partei gehalten werden, so dass ein starkes deutsches Reich nach der Niederlage geschaffen werden könne." Es sollten geheime Büros im Reich geschaffen werden. "Die Existenz dieser Büros ist nur einem ganz kleinen Kreis von Industriellen und den Führern der Nazipartei bekannt. Jedes hat einen Verbindungsmann zur Partei. Sobald die Partei stark genug ist, die Macht in Deutschland wieder zu übernehmen, würden die Industriellen für ihre Anstrengungen und Zusammenarbeit durch Konzessionen und Vorrechte bezahlt werden."

Wie wir wissen, vollzog sich der Wiederaufstieg der Nazis nicht ganz so, aber in den südlichen deutschen Landen, wo die Sozialdemokratie sich nie in der Regierung verankerte, benahmen und benehmen sich die Industriellen und Politiker so, wie in dem Bericht an das State Department vom 7. 11. 44 skizziert. Filbinger sagte: Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein. Er und sein Landsmann Kiesinger (beide NSDAP, dann CDU) stiegen zu höchsten Ämtern empor. Als aber Bürgersöhne in ihrer Empörung über ihre Väter in falschem und schädlichem Eifer Nazis wie jenen Ex-SS-Offizier und Industriellen Hans Martin Schleyer erschossen; wurde da gegen sie das Recht angewendet, das man jedem Nazimörder gewährte: Bestrafung mit Höchststrafe nur wegen erwiesener Tatbeteiligung mit echten Mordmotiven, nein, man hat sie wegen Teilnahme an der kriminellen Vereinigung und nicht wegen erwiesener Schuld verurteilt.

Pfingsten werden wir wieder in Mittenwald gegen die Mörder von Kephallonia und Kommeno demonstrieren, die als Wehrmachtsangehörige Massaker verursachten, am Tatort waren und schossen. Sie konnten nicht verurteilt werden, sagte man uns, weil ihre Mordmotive und Täterschaft nicht erwiesen seien. (Am Tatort waren sie und standen nicht nur Schmiere ...)

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber wird beim Wort genommen werden: "Alle Terroristen, um die es jetzt geht, sind Mörder oder Mordbeteiligte," sie dürften nicht außer Verfolgung gesetzt werden. Ach ja, er meinte damit Christian Klar und seine beiden letzten Mitgefangenen. Er meinte nicht die Alois Eisl, Karl Delacher, Josef Scheungraber, Anton Ziegler und andere von der 1. Gebirgsdivision. Einige sind in Italien verurteilt worden für ihre Morde - und nicht nur für ihre angebliche Anwesenheit in der Mörderbande und am Tatort.

Um auch wirklich die letzten Schuldigen vor die Richter der Völker zu bringen, wie es im Schwur von Buchenwald heißt, der auch ein Schwur zum 8. Mai ist, dazu bedarf es eines Paradigmenwechsels im Lande. Nicht mehr und nicht weniger wird angestrebt mit der Unterschriftensammlung der VVN-BdA zu "NoNPD" und zum Verbot dieser Nazibande. Sammeln wir viele Unterschriften dafür, ein kleiner Schritt für jeden hin zu einem großen Ziel: Den Schwur von Buchenwald endlich zu erfüllen.