10.04.07
Mobilisieren wir alle gegen Rechtsextremismus und
Militarismus
Rede zum Ostermarsch Ruhr 2007
am Mahnmal für die Opfer des Faschismus in Gelsenkirchen,
Ostersonntag, 9. April
Von Alice Czyborra, Mitglied des Geschäftsführenden
Landesausschusses VVN-BdA NRW
Liebe Freundinnen und Freunde,
Wir unterbrechen unser Fahrradkorso vor dem Mahnmal für die
Opfer des Faschismus. Im Jahre 1950 wurde dieses Mahnmal mit
Unterstützung der Stadt Gelsenkirchen von der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes Gelsenkirchen errichtet, von den rassisch
und politisch Verfolgten, den Überlebenden der Konzentrations- und
Vernichtungslager, der Zuchthäuser und des Bataillons 999. Unter
Einsatz ihres Lebens hatten Gewerkschafter, Kommunisten,
Sozialdemokraten, Christen dem Faschismus Widerstand geleistet, vor
dem drohenden Krieg gewarnt, zu verhindern versucht, was dann
gekommen ist, schlimmer als jemals befürchtet. Die das Inferno in
den faschistischen Lagern und Zuchthäusern überlebten, hatten sich
geschworen, alles zu tun, dass es nie wieder Krieg, nie wieder
Faschismus gibt nach so viel Leid, millionenfachen Tod, verbrannter
Erde. Niemals sollten ihre Kinder und Kindeskinder das erleiden, was
sie erleiden mussten. Dafür haben sie gewirkt, ihr Leben lang.
Es war 1999, als sich zum ersten Mal nach dem II. Weltkrieg die
Bundeswehr am NATO-Angriffskrieg gegen Serbien beteiligte,
mitgemacht in einem Krieg mit der Losung "Nie wieder
Auschwitz".. Die Überlebenden des Holocaust waren über diese
neue Auschwitzlüge entsetzt. In einem Aufsehen erregenden offenen
Brief an die damaligen rot-grünen Minister Fischer und Scharping
hatten sie diese Lüge entlarvt. "Wir waren fassungslos über
die infame Instrumentalisierung von Auschwitz für Kriegspropaganda,
fassungslos darüber wie Auschwitz funktionalisiert wird. . welch
eine Schamlosigkeit, mit einer solchen Art der Auschwitzlüge den
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu
rechtfertigen", schrieb damals mein Vater, Peter Gingold,
dessen Schwester und Bruder in Auschwitz ermordet wurden.
"Freiheit", "Menschenrechte",
"Demokratie", "Kampf gegen den Terror"
rechtfertigen heute jeden Krieg, wo es in Wirklichkeit um Öl und
andere Ressourcen, um strategische Ziele, um die Interessen der
Rüstungsindustrie geht. Wie viele Tote sind tagtäglich in den
Kriegsregionen zu beklagen! Die überfallenen Länder versinken
immer mehr im Chaos.
Erst vor wenigen Tagen hat der Bundestag in seiner Mehrheit
entgegen dem Willen eines überwiegenden Teils der Bevölkerung
beschlossen, Tornados nach Südafghanistan zu entsenden, damit
direkt in die Kampfhandlungen einzugreifen. Das übrigens tut das
Kommando Spezialkräfte (kurz KSK) schon lange. In den letzten fünf
Jahren wurden für Afghanistan rund 7 Milliarden Aufbauhilfe durch
die westliche Welt geleistet, aber rund 80 Milliarden für
Militäreinsätze. Nach wie vor ist die Bundesrepublik wichtigste
Drehscheibe für US-amerikanische Rüstungsgüter und Militär und
unterstützt damit den Krieg im Irak.
Diese Kriegshandlungen verletzen das Potsdamer Abkommen, in dem
es heißt. "Der deutsche Militarismus und Nazismus werden
ausgerottet und die Alliierten treffen nach gegenseitiger
Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere
Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland nie mehr seine
Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen
kann."
62 Jahre danach gehören nicht nur verfassungswidrige
Auslandseinsätze der Bundeswehr, Beteiligung an Angriffskriegen zur
Normalität. Als ob es niemals Auschwitz, Treblinka, die
millionenfache industrielle Vernichtung von Menschen, den
barbarischen Krieg, gegeben hätte. existiert ganz legal in der
Bundesrepublik die NPD. Eine Partei, die unverhohlen in der
finsteren Tradition der NSDAP steht.
Die NPD leugnet und verharmlost Naziverbrechen. Sie strebt ein
neues "Großdeutschland" an. Sie verbreitet offenen
Rassismus. Sie stempelt Ausländer zu Sündenböcken für alle
Missstände in unserem Land. Sie gehört damit zu den geistigen und
physischen Mittätern ausländerfeindlichen Gewalttaten. Sie ist mit
gewaltbereiten Gruppen verbündet. Über 100 rassistisch,
ausländerfeindlich motivierte Morde hat es seit 1990 gegeben und im
letzten Jahr über 18.000 rechtsextremistische Straftaten. Die NPD
ist antisemitisch. In einem offen antisemitischen Aufmarsch sind vor
drei Jahren NPD und "Freie Kameradschaften" gegen den Bau
der Synagoge durch Bochum gezogen. Die NPD ist
gewerkschaftsfeindlich und will ausgerechnet am 1. Mai in Dortmund
aufmarschieren, eine unerträgliche Provokation. Das Schlimme ist,
dass diese Aufmärsche immer wieder vom Bundesverfassungsgericht
genehmigt und polizeilich geschützt werden.
Die Zulassung dieser Partei ermöglicht es ihr, wie
selbstverständlich zu kandidieren. Wahlkampfkostenerstattungen,
Fraktionsgelder und Abgeordnetendiäten einzustreichen.
Mit der Kampagne "NPD-Verbot-jetzt" wendet sich die
VVN/BdA in einem Brief an die Abgeordneten des Bundestages, das
Verbot der NPD einzuleiten. Es hatte bereits einen Verbotsantrag
gegeben. Dieser war gescheitert, weil sich die Antragsteller auf
Aussagen von V-Leuten beriefen.
"Wie lange noch sollte gezögert werden, die größte
Organisation des deutschen Rechtsextremismus zu verbieten? Bedarf es
in diesem Land erst der Stimmen der Opfer, der Vereinigung der
Verfolgten des Nazi-Regimes, um das anzumahnen, was die eigene
Einsicht aller, auch die des Staates sein sollte?", schreibt
das Neue Deutschland.
Endlich die NPD und ihr Umfeld, die Freien Kameradschaften zu
verbieten ist der Wille all derjenigen, die seit Jahren gegen die
Nazi-Aufmärsche protestieren, die sich ihnen in den Weg stellen, so
wie in Gelsenkirchen im letzten Jahre während der
Weltmeisterschaften, als Antifaschisten den Nazis den Weg
versperrten.
Wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, rufen alle
Bürgerinnen und Bürger über Parteien und Weltanschauungen hinweg,
unsere Forderung nach einem NPD-Verbot mit ihrer Unterschrift zu
bekräftigen, wie es bereits Künstler, Gewerkschafter,
Oberbürgermeister verschiedener Städte, das Präsidium des 1.FC
Nürnberg, der Katholische Bischof von Regensburg und viele andere
getan haben.
Unterstützen Sie die Kampagne "NPD-Verbot jetzt",
damit die Abgeordneten des Bundestages am Willen der Bürgerinnen
und Bürger unseres Landes nicht mehr vorbeikommen und endlich
handeln.
Vor zwei Jahren hat mein Vater hier noch einige ergreifende Worte
sprechen können. Er und viele seiner Kampfgefährtinnen und
Kampfgefährten leben nicht mehr. Aber sie haben uns ihre
Erfahrungen hinterlassen, sie, die in den finstersten Zeiten des
Faschismus nicht aufgegeben hatten. Um mit ihren Worten zu sprechen:
Mobilisieren wir alle, die Deutschland zu einem Land machen wollen,
in dem Neofaschismus, Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass keinen
Boden mehr finden können. Mobilisieren wir alle, damit nie wieder
deutsche Truppen in andere Länder einmarschieren.
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