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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

09.04.07

"Ihr müßt aufpassen - Neonazis sind Mörder!" 

Redebeitrag von Werner Groß, Internationales Rombergpark Komitee Dortmund, auf der Gedenkveranstaltung der Stadt Lippstadt und des DGB am 07.04.2007 in Lippstadt 

Verehrte Angehörige der ermordeten Nazigegner, 

werte Frau Bürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist eine gute Tradition, daß sich zahlreiche Menschen in der Karwoche zusammenfinden, um der Opfer der Karfreitagsmorde von 1945 zu gedenken.

Bittermark und Rombergpark sind zwei der zahlreichen Orte, die sich mit dem verbinden, was die Geschichte als Verbrechen des Nazireiches bezeichnet.

Noch heute, 62 Jahre danach, stockt uns der Atem, wenn wir uns der grausamen Verbrechen der Gestapo erinnern. Etwa 300 Frauen und Männer wurden bei Nacht und Nebel von der Seite ihrer Familien, ihrer Freunde und Arbeitskollegen gerissen und verschleppt. Nach schweren Folterungen, zum Teil mit Stacheldraht gefesselt, wurden sie an die Bombentrichter in den südlichen Wäldern von Dortmund getrieben. Am Rande der Trichter wurden sie von Folterknechten der Gestapo durch Genickschuß ermordet und verscharrt. 

Das geschah zu einer Zeit, als die US-amerikanischen Truppen schon den Stadtrand von Dortmund erreicht hatten. Wenige Tage, ja Stunden bevor die Nazidiktatur zerschlagen wurde, schlugen die Mörderbanden Hitlers noch ein letztes Mal erbarmungslos zu. Opfer dieser teuflischen Tat waren Menschen aus Städten des Ruhrgebiets und aus sieben europäischen Ländern. 

Hier und heute gedenken wir der sechs Lippstädter Arbeiter und ehren ihre sieben aus Frankreich stammenden Kollegen, die zur Zwangsarbeit gezwungen waren. Ihre Namen sind in diesem Gedenkstein eingemeißelt und sollen für alle Zeiten an den grauenvollen Tod erinnern, den sie erlitten haben. Sie waren Arbeiter, Gegner des Naziregimes und des von Hitlerdeutschland geführten Raubkrieges gegen die Völker Europas. 

Allein das war Grund genug für den blindwütigen Haß der Gestapo und der Hitlerjustiz. Die absolute Willkür der Gestapo kommt auch im folgenden zum Ausdruck. 

Der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof schreibt am 22. März 1945 an den Oberstaatsanwalt als Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergericht Dortmund. In diesem Schreiben heißt es unter anderem: "...., daß die Prüfung des Sachverhalts hinsichtlich der Beschuldigten Liebner und Schultejohann keine zu meiner Zuständigkeit gehörige Straftat ergeben hat. Insbesondere läßt sich diesen Beschuldigten ein hochverräterischer Vorsatz nicht hinreichend nachweisen. Ich gebe daher anheim, das weiter Erforderliche in eigener Zuständigkeit zu veranlassen. Beide Beschuldigten befinden sich noch im Polizeigefängnis in Herne. Die Lösung der Haftfrage wird daher vordringlich sein. Das Verfahren gegen die Beschuldigten Deloor, Deleforge, und Abjean-Uguen habe ich eingestellt." Soweit aus dem Schreiben des Oberreichsanwalts. 

Wie die Gestapo Dortmund die "Haftfrage" gelöst hat, wurde dann wenig später beim Öffnen der Massengräber in Dortmund vor aller Welt sichtbar. Dieses und andere Verbrechen der Nazis dürfen nie vergessen werden! Die immer wieder aufflackernde Schlußstrichdebatte ist unredlich und gefährlich. Wir schulden auch um unserer selbst Willen den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Erinnerung und Gedenken. Das Erinnern und Gedenken sollte sich aber nicht beschränken auf solche Veranstaltungen wie der heutigen, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und für deren Durchführung den Veranstaltern Dank, großer Dank gebührt. Es wäre zu wünschen, daß noch recht oft von jungen Leuten, wie Julia, auf solchen Veranstaltungen wie heute solch kritische und kluge Reden gehalten würden.

Denn ein Blick in die Zeitung genügt, um zu erkennen, daß Antisemitismus, Rassismus und die Gewalt neonazistischer Kräfte zunehmen. 

Das Auftreten der NPD und ihrer Hilfsorganisationen wird aggressiver und provokativer. So will die NPD am 1. Mai in zahlreichen Städten der Bundesrepublik Demonstrationen veranstalten. In Dortmund wollen die Neonazis demonstrieren, vorbei an Gedenkstätten der Judendeportation der Zwangsarbeit und der Karfreitagsmorde von 1945. 

In einer vorgestern vom IRPK abgegebenen Erklärung wird der Aufruf zur Unterschriftenkampagne "noNPD" unterstützt. In diesem an den Bundestag gerichteten Aufruf heißt es unter anderem: "Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, wir fordern Sie auf, eine neues Verbotsverfahren gegen die NPD nach Artikel 21, Absatz 2 Grundgesetz auf den Weg zu bringen. Die seinerzeit von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat geltend gemachten Verbotsgründe bestehen nach wie vor. Seit über 40 Jahren ist in der Bundesrepublik mit der NPD eine Partei wirksam, die in der Tradition der NSDAP steht. Ihre Aussagen sind rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich. Sie tritt für ein neues "Deutsches Reich" und lehnt die demokratische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ab". Und weiter heißt es: "Die NPD muß mit samt ihren Gliederungen, Neben- und Nachfolgeorganisationen verboten und konsequent aufgelöst werden. Wir fordern Sie deshalb auf: Leiten Sie ein neues Verbotsverfahren ein!" So weit aus dem Aufruf zur Kampagne "noNPD". 

Auch im Sinne derer, denen wir heute gedenken, rufe ich Sie, die Teilnehmer dieser Veranstaltung, auf, den Neonazi-Umtrieben Widerstand entgegenzusetzen, sich der Opfer des Naziterrors würdig zu erweisen. Setzen wir uns gemeinsam für ein Verbot der NPD samt ihrer Gliederungen, Neben- und Nachfolgeorganisationen ein. 

Verehrte Kundgebungsteilnehmer, Gestatten Sie mir noch, die Worte eines jüdischen Zeitzeugen zu zitieren. Von den Nazis zum Geldfälschen gezwungen, überlebte der Jude Adolf Burger das Vernichtungslager Auschwitz und das KZ Sachsenhausen.

Der jüngst in die Kinos gekommene Film "Die Fälscher" porträtiert ihn, der trotz seines hohen Alters unermüdlich gegen das Vergessen kämpft. Der beinahe 90jährige sagte zu Schülern, ich zitiere ihn: "Ihr müßt aufpassen - Neonazis sind Mörder!" 

Verehrte Anwesende, 

Nicht nur die Schüler, wir alle müssen aufpassen, daß unser Land nicht noch einmal in einem braunen Sumpf versinkt! 

Diese Veranstaltung möge dazu beitragen, daß die große Sehnsucht der vor 62 Jahren Ermordeten Realität wird: 

Nie wieder Faschismus! 

Nie wieder Krieg!