02.04.07
Wo blieben die rund 2.400 Verschwundenen?
Die Euthanasie-Verbrechen in
Westfalen sind ungesühnt - Ermittlungen von LKA und GStA gefordert
23. März 2007
Sehr geehrte Damen und Herren!
Heute wurde auf einer Pressekonferenz im Landeskriminalamt von
Nordrhein-Westfalen der Fall der bisher unbekannten Toten von Barge
und Zimbern weitgehend abgeschlossen. Bei den Toten im Massengrab
auf einem Friedhof in Menden-Barge handele es sich nicht um
NS-Euthanasie-Opfer, berichteten Vertreter des LKA und der
Staatsanwaltschaft Dortmund.
Dass das faschistische Euthanasieprogramm noch bis zum Kriegsende
und nicht nur bis 1941 betrieben wurde, ist allgemein bekannt und
wurde auf der Pressekonferenz auch nicht ausdrücklich bestritten. Allerdings
wurde auch nicht gesagt, warum Polizei und Justiz sich nach
Gründung der Bundesrepublik wie des Landes NRW kaum darum
gekümmert haben. Klärungsbedarf gab es ja nicht nur wegen
Wimbern/Barge.
"Ausweichkrankenhäuser", die dem Euthanasieprogramm
vor wie nach 1941 dienten, gab an vielen Orten. Dorthin wurden die
Kranken, auch die Behinderten, aus bombengefährdeten Städten
verbracht. Und dort wurde dann das Euthanasieprogramm von Hitlers
Begleitarzt Dr. Karl Brandt fortgesetzt. Insgesamt wurden im Reich
120.000 Kranke und Behinderte ermordet. Darunter viele aus
Westfalen.
In der "Geschichte der Westfälischen Klinik für
Psychiatrie Dormund - Geschichte und Geschichten", April
1995, berichtet Uwe Bitzel über die verbrecherischen Absichten der
Nazis, die sie gegenüber den überlebenden Behinderten hegten. So
wird berichtet: Es habe sich "neuerlich noch die Kanzlei des
Führers mit Rücksicht auf eine allein in dieser Anstalt
befindlichen Sondereinrichtung", nämlich einer
Kinderfachabteilung, gegen die Räumung in Dortmund und die
Verlegung der Insassen ausgesprochen, die dann jedoch in Richtung
eines "Ausweichkrankenhauses" dennoch erfolgte. Weil dort
die "Sondereinrichtung" weitermachen konnte, womit die
Bedenken des Vorzimmers von Adolf Hitler wohl zerstreut wurden.
(Laut Vermerk des Regierungspräsidenten vom 5.6.1943)
Eine der Anstalten, in die evakuiert wurde, rühmte sich damit,
"durch die Darreichung fettloser Nahrung ihre Patienten
umzubringen". Von den rund 2.850 Evakuierten aus Dortmund
kehrten nur rund 420 nach 1945 zurück. Wo blieben die rund 2.400
Verschwundenen?
All diese Verbrechen waren also bekannt, z.T. auch aktenkundig.
Aber keine Mordkommission ermittelte. Und auch die Zentralstelle
für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen des Landes NRW blieb
unter ihren abwechselnden Leitungen - zeitweise waren es alte
NS-Juristen - untätig.
Wir bitten Sie, entsprechend der Arbeit von Uwe Bitzel auch in
der Dortmunder Psychiatrie zu ermitteln und die Strafverfolgung
vorzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Sander, Landessprecher
Anmerkung:
„... beinhalten die Ausführungen von Herrn Bitzel keine neuen
Tatsachen und Beweismittel und bieten auch sonst keinen Anlass zu
einer Wiederaufnahme hier bereits geführter Ermittlungsverfahren
oder Einleitung eines neuen Vorgangs.“
Dies schrieb uns der Leiter der Zentralstelle im Lande NRW für
die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der
Staatsanwaltschaft Dortmund, Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß, zu
unserer Eingabe vom 23.03.07. (Wer den Wortlaut des Briefes von U.
Maaß kennen möchte, wende sich an vvn-bdanrw@freenet.de)
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