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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

28.03.07

Die Fußball-WM als Testballon

Eine neue Armee entsteht für den Einsatz im Innern 

Von Ulrich Sander 

Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit wird die Bundeswehr zum Instrument der Innenpolitik und die Polizei zu einem der Außenpolitik, wobei Bundeswehr und Polizei unter ein Kommando geraten: Das der Militärs. Mit ZMZ (Zivil-Militärische Zusammenarbeit) werden bis zum Sommer Strukturen geschaffen, die einschneidender sind als es der Einsatz der Bundeswehr im Innern bisher zu werden drohte. Millionen von Bürgern werden in den Reservistenstatus versetzt und können nun kurzfristig einberufen werden, so sie männlich und unter 60 Jahren sind. Dass diese Entwicklung nicht ganz unbemerkt und widerspruchslos erfolgt, soll mit diesem Beitrag erreicht werden. Die Fußball-WM wurde genutzt wurde, um die Möglichkeit des Vorgehens von militärischer Macht gegen größere Bevölkerungsgruppen zu testen. An den Spielstätten wurden ca. 7000 Feldjäger, Pioniere, AWACS-Piloten und Sanitätssoldaten - mit ihren Waffen und Gerät - zusätzlich zu einem gewaltigen Polizeiaufgebot bereitgehalten, um die "Sicherheit" zu gewährleisten, wie es hieß. Die CDU geht noch weiter: Vor drei Jahren beschloss sie ein Papier zur "Terrorismusbekämpfung", das vorsieht, in allen größeren Städten und Landkreisen Regionalstützpunkte einer neu zu schaffenden Heimatschutzstruppe anzulegen mit im "Ernstfall" rund 250.000 "ehrenamtlichen" und hauptamtlichen Soldaten und Wehrpflichtigen.

Das von der Bundesregierung beschlossene "Weißbuch der Bundeswehr" sieht eine Zunahme der präsenten Mannschaftsstärken und der Aufgaben der Truppe vor. Vor allem ist zusätzlich der Einsatz im Innern der Republik geplant. Ehemaligen Bundeswehrsoldaten und andere taugliche Reservisten sollen ständig einsatzbereit sein. Dafür beschloss im Februar 2005 der Bundestag auf Initiative von SPD und Grünen eine Neuordnung der Reserve der Bundeswehr: Es wurde das Alter, in dem Wehrpflichtige auch Reservisten sind, von 45 auf 60 Jahre angehoben. Sie sollen auch im Spannungs- und Notstandsfall im Innern wie Äußeren herangezogen werden; es wurde eine neue Wehrdienstform "Hilfeleistung im Inland" eingeführt. Hinzu kommt: Rund 140.000 Reservisten sind im Deutschen Reservistenverband organisiert, es gibt ca. 5 Millionen weitere Reservisten. Rund 500 hauptamtliche, von der Bundeswehr bezahlte Kader leiten den Reservistenverband.

Auf kommunaler Ebene werden gegenwärtig Bundeswehrreservisten und Feuerwehr sowie Technisches Hilfswerk koordiniert. Wie die Freiwillige Feuerwehr sollen sich die Reservisten als "Ehrenamtliche" verstehen, die in kürzester Zeit in großer Zahl mobilisiert werden können. In Dortmund leitet ein Oberstleutnant, im Zivilberuf Pfarrer und Klinikseelsorger, die "ehrenamtliche" Territorialarmee. Er und seine zwölf Stellvertreter haben schichtweise ständig Alarmbereitschaft und müssen innerhalb von 30 Minuten vom "ehrenamtlichen" Offizier zum Hauptamtlichen werden. Die Territorialarmee auf Landesebene ist ständig hauptamtlich besetzt. In Kreisen, Städten und Regierungsbezirken haben sie blitzartig auf Stabselemente aus dem Reservistenkader zurückzugreifen. Insgesamt können 31 Bezirks- und 426 Kreisverbindungskommandos in Bewegung gesetzt werden, die den Stadtverwaltungen und Regierungsbezirken "zur Seite" gestellt - aber ausschließlich von der Bundeswehr geleitet werden. Die Truppe als innenpolitischer Sicherheitsfaktor!

Mit zunächst 5.500 hauptamtlichen Dienstposten starten diese Inlandskommandos im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ). Dabei geht es nicht nur um Katastropheneinsätze, sondern auch um Anti-Terror-Einsätze, womit die politische antidemokratische Dimension des Unternehmens umschrieben ist. ZMZ arbeitet für die "Planung, Vorbereitung und Durchführung von Einsätzen" (Franz Josef Jung) - sowohl im Innern wie im Ausland (so die Bundeswehr-Hompage).

Bis 2009 ist zusätzlich auf Bundesebene geplant, neun spezialisierte Bataillone aus dem Sanitätsbereich und fünf Pioniereinheiten sowie zwei Spezialstützpunkte für die ABC-Waffen-Abwehr zu schaffen, alles im Rahmen von ZMZ. Bundesländer sollen diese Einheiten anfordern können. Unmittelbar steht ein erster großer Einsatz für Sommer 2007 bevor. Der Inspekteur und Vizeadmiral Wolfram Kühn teilte in Rostock mit, die Bundeswehr stehe "im Notfall für eine Unterstützung beim G-8-Gipfel im Juni in Heiligendamm bereit." Dies offenbar mit Blick auf die geplanten Protestkundgebungen.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiederum fordert neuerdings und sehr energisch den Einsatz der Bundespolizei auch im Ausland. Die treibt sich zwar ohnedies überall außerhalb unserer Grenzen herum, aber bisher freiwillig. Jetzt soll der Einsatz durch Befehl erzwungen werden können. Der Minister hat erkannt, dass das rot-grüne Reservistengesetz nicht ausreicht. Polizisten sind nicht wehrpflichtig und zumeist nicht beim Bund gewesen, also keine Reservisten. Denn sie bekamen den Wehrdienst erlassen, weil sie ja Polizeidienst machten. Für die militärischen Auslandseinsätze der Polizei sollen nun "gesetzliche Grundlagen geschaffen werden." Man darf gespannt sein, ob die demokratische Öffentlichkeit wenigstens diesen gesetzlichen Vorgang bemerken wird.