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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

29.01.07

Schöner leben ohne Nazis

UZ-Interview mit Paul Bauer, einem der Bundessprecher der VVN-BdA

Am 13. Januar fand in Berlin-Kreuzberg das 12. Antifaschistische Jugendtreffen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) statt. Das Treffen stand unter dem Motto: "Der Utopie dicht auf den Fersen - Antifaschismus ist mehr als eine Gegenbewegung! Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus stoppen!" Die UZ sprach mit Paul Bauer, einem der bundespolitischer Sprecher der VVN-BdA und Verantwortlichem für Jugendarbeit.

UZ: Welche Impulse möchte die VVN/BdA-Jugend mit dem Thema der heutigen Veranstaltung geben?

Paul Bauer (Foto: Unsere Zeit)Paul Bauer: Wir stehen mit unserem breiten Verständnis von Antifaschismus für eine ganze Menge grundsätzlicher Positionen. Es ist für viele unbefriedigend, wenn sie mal älter als fünfundzwanzig sind, ständig nur gegen etwas zu sein, gegen Rassismus, Antisemitismus, Neofaschismus und Kriegstreiberei. Wir sind auch für etwas. Wir stehen für das Leben. Wir haben eine schöne Parole, die lautet: "Auf dass uns der Tod lebendig findet und das Leben uns nicht tot."

Wir haben von den alten Kameradinnen und Kameraden gelernt, dass sie sich in ihrer Jugend beispielsweise in Arbeitersportvereinen organisieren konnten. Im Gegensatz dazu ist es heute ja für linke Jugendliche häufig schwer, jemanden Gleichgesinnten kennenzulernen. Meistens ist man ja auf kommerzielle Einrichtungen wie Diskotheken angewiesen, auch, weil immer mehr Jugendzentren dicht gemacht worden sind.

Beschäftigt man sich mit der Zeit des Faschismus, sieht man, mit welcher Gründlichkeit die Nazis die vielfältigen Eigenorganisationen der Arbeiterbewegung verfolgt und zerschlagen haben: beispielsweise die Arbeitersportvereine, Esperantozirkel, Agitprop-Truppen und zahlreiche andere Musik- und Kulturvereine. Natürlich auch die proletarischen Parteien und Jugendverbände. Sie alle standen für ein alternatives Lebensgefühl in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts. Und in diesen gemeinsamen Vereinen lernte man sich natürlich gut kennen, diese Verbindungen hielten häufig das ganze Leben. Die älteren Antifaschisten haben uns da viel von ihren Erfahrungen vermitteln können.

Wir knüpfen also an Vorstellungen an, die es in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bereits gegeben hat, beispielsweise in der Weimarer Republik. Zum Beispiel Waldhof Mannheim. Das kennen heute ja die meisten nur als einen Fußballverein. Das war jedoch auch eine der ersten Genossenschaften in der deutschen Arbeiterbewegung.

Arbeiter haben in der Geschichte auch Wohnbaugenossenschaften gegründet, in deren Siedlungen im Faschismus häufig starke Zentren des Widerstands entstanden.

Wir knüpfen an die Traditionen von unserem Kameraden Max Faulhaber aus Freiburg an, der auf den Rheininseln bei Mannheim Platzpate war.

UZ: Wie bringt ihr diese Erfahrungen bei den Jugendlichen ein?

Paul Bauer: In der Diskussion mit jugendlichen Antifaschisten haben wir so immer etliche Joker. Die wahren Helden in der Zeit des deutschen Faschismus sind in unseren Reihen. Wir können zu den Träumen, die die Jugendlichen haben, ein Gegenstück liefern: Die Spanienkämpfer, die mit der Waffe in der Hand gegen den Faschismus gekämpft haben. Oder die "Oma", die wir als revolutionäre Vorbilder bezeichnen können, die "Opas", die den Widerstand gegen Hitler in Deutschland organisiert haben.

UZ: Gab es denn auch Probleme beim Zusammenbringen von Alt und Jung?

Paul Bauer: Viele unserer jüngeren Mitstreiter haben Tätowierungen oder trugen Kleidungstücke, die in den Augen der älteren Kameraden merkwürdig waren. Umgekehrt hatten etliche der jungen nicht den nötigen Respekt vor den oft 80-jährigen Antifaschisten. Da prallen häufig unterschiedliche Lebensstile und -kulturen zusammen. Wir haben vermittelt und diese Probleme lösen können. Schließlich kommt es ja nicht darauf an, was jemand auf dem Kopf, sondern im Kopf hat!

UZ: Was sind die nächsten Ziele der VVN-Jugend?

Paul Bauer: Die Vertiefung der Bildungsarbeit hat für uns einen sehr hohen Stellenwert. Die Schulen liefern ja kaum Hintergrundinformationen zum Thema Faschismus und zum Widerstand. So ist kaum bekannt, dass die Menschen im Widerstand gegen die Nazis nicht nur Opfer waren, nicht nur den Faschismus ablehnten, sondern auch Zukunftsvisionen hatten. Diese alternativen Zukunftsvisionen waren auch Motivation für die aktive Widerstandsarbeit.

Viele Jugendliche haben im Widerstand gestanden. Ein Peter Gingold, ein Alfred Hauser hatten ja Vorstellungen von einem freieren und schönerem Leben. Sie wollten schöner leben ohne Nazis.

UZ: Ein völlig anderes Thema. Nach den letzten Wahlerfolgen der NPD in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mehren sich wieder Stimmen, die ein Verbot der Nazi-Partei fordern. Wie stehst du dazu?

Paul Bauer: Politisch ist es völlig richtig, das Verbot zu fordern. Allerdings nutzt ein Verbot allein, ohne eine gesellschaftliche Begleitung, gar nichts. Es wurde ja deutlich, als die Deutsche Reichspartei verboten wurde. Nach dem Verbot konnten sich die Nazis ungehindert in anderer Form organisieren.

Ich komme aus Baden-Württemberg, wo die NPD bis 1969 im Landtag gesessen hat. Das war die Zeit vom Marinerichter Filbinger und Kurt-Georg Kiesinger. Wichtig ist, die Frage zu thematisieren: Wer hat Interesse an der Existenz einer Nazipartei? Wem nützt sie?

Betrachten wir heute 15 Jahre alte Flugblätter der Republikaner und vergleichen sie mit der Politik, die heute CDU und SPD durchsetzen, so kann man teilweise erschreckende Parallelen feststellen.

Rechtsradikales Gedankengut ist heute nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sondern auch fest verankert. Auch das ist möglich durch die Existenz rechter Parteien.

Die Fragen stellte Werner Sarbok.

Foto: Sarbok.

Original erschienen in: Unsere Zeit vom 19. Januar 2007