22.01.07
Vom 26. Januar 1932 am Rhein zum 30. Januar 1933 an
der Spree
Im Industrieclub von Düsseldorf
wurde Hitler der Weg zur Macht geebnet
Von Jupp Angenfort
Um sich zu erinnern, wie der deutsche Faschismus an die Macht
kam, müssen wir bis weit vor den 30. Januar 1933 zurückgehen.
Spätestens der 26. Januar 1932 war ein entscheidendes Datum für
die Machtübertragung an die Faschisten. Im Industrieclub in
Düsseldorf trafen sich an diesem Tage NS-Führung und Industrie zu
einer Versammlung, bei der die Weichen gestellt wurden.
Der Präsident des Industrieklubs, einer Vereinigung von
Großindustriellen, war damals Jost Henkel, der Persil-Boss. Er hat
Hitler zu diesem Tag zu einem Vortrag in den Industrieclub
eingeladen. Die Industriellen wollten Hitlers Programm kennen
lernen. Hitler kam gerne und brachte Hermann Göring und den
damaligen Führer der Terrortruppe SA, Ernst Röhm, mit.
Das Treffen Hitlers mit den Industriellen war bekannt geworden.
Arbeiter, Gewerkschafter, Kommunisten und Sozialdemokraten zogen
protestierend zum Industrie-Club im Park-Hotel. Unter ihnen war der
leider bereits verstorbene Fritz Hollstein. Ich zitiere aus seiner
Schilderung der Ereignisse: "Als wir Jung-Gewerkschaftler im
Zentralverband der Angestellten davon erfuhren, waren wir entsetzt.
Uns war aus den Studien bekannt, was Hitler in seinem Buch ´Mein
Kampf´ proklamiert hatte: Antisemitismus und Gewalt. Wir zogen also
zum Industrie-Club, um die Unternehmer zu warnen. Auf dem Wege
dorthin begegnete uns eine marschierende SA-Kolonne mit
Hakenkreuz-Fahne, die sang: ´Wenn´s Judenblut vom Messer spritzt,
dann geht´s noch mal so gut!´. Viele Demonstranten hatten sich vor
Parkhotel und Industrie-Club eingefunden. Vom benachbarten
Arbeitsamt kamen eine Anzahl Arbeitslose hinzu. Die Polizei, teils
zu Pferd, wurde gegen uns eingesetzt, weil wir warnend riefen:
´Hitler - das ist der Krieg!´. Wir wurden verprügelt, manche in
den Keller des benachbarten Opernhauses eingesperrt."
Im Industrie-Club waren annähernd 650 Industrielle und Bankiers
versammelt. Der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Dr. Robert Lehr,
begrüßte Hitler. Der selbe Robert Lehr wurde nach dem Krieg in der
Regierung Adenauer Innenminister.
Hitler legte in einer Rede seine Konzeption vor. Er versprach,
den Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die
Demokratie abzuschaffen: "Ich sehe zwei Prinzipien, die sich
schroff gegenüberstehen: Das Prinzip der Demokratie, das überall,
wo es sich praktisch auswirkt, das Prinzip der Zerstörung ist. Und
das Prinzip der Autorität der Persönlichkeit, das ich als das
Leistungsprinzip bezeichnen möchte." Bedroht werde dieses
Leistungsprinzip vor allem durch die Arbeiterbewegung. "Wenn
wir nicht wären, gäbe es schon heute in Deutschland kein
Bürgertum mehr," biederte Hitler sich an. Hitler versprach,
die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und "Lebensraum im
Osten" zu erobern. Die Armee gelte es zum Vorbild im
"Machtstaat" zu machen, die Wirtschaft allein könne
Deutschland nicht zum führenden europäischen Exporteur machen. Da
bedürfe es der Armee, sie müsse "unter Aufrechterhaltung des
absolut antidemokratischen Grundsatzes unbedingter Autorität"
gestärkt werden. Das "Führungsprinzip der Wirtschaft"
sei in keiner politischen Organisation außer der NSDAP
verwirklicht.
Gern hörten die Industriellen auch Hitlers Herrenmenschenthesen
an: "Die weiße Rasse kann (...) ihre Stellung nur dann
praktisch aufrechterhalten, wenn die Verschiedenartigkeit der
Lebensstandards in der Welt aufrecht erhalten bleibt." Es
sollte die Möglichkeit, billigste Rohstoffe zu erlangen, erhalten
bleiben und die Ausplünderung der abhängig gehaltenen Länder
fortbestehen, - was ja in heutigen Globalisierungszeiten recht
aktuell klingt. Industrielle und Bankiers dankten, wie Presse und
Augenzeugen berichteten, mit lang anhaltendem Dauerbeifall. Über
die "sozialistischen" Phrasen der NSDAP sahen sie hinweg,
die waren für die Massen, nicht für Eliten bestimmt. Die
"Herrenmenschentheorie" Hitlers sagte ihnen zu, - heute
sagen sie vornehm "Werte der westlichen Zivilisation"
dazu.
Nicht erst seit jetzt, aber nun noch reichlicher flossen riesige
Spenden der Banker und Industriellen an die Nazipartei.
Unter den Arbeiterinnen und Arbeitern, die vor dem Industrie-Club
protestierten, war auch die Kommunistin Maria Wachter. In ihren
Vorträgen als Zeitzeugin vor der Jugend führt Maria Wachter, sie
ist bereits 96 Jahre alt, aus: "Es müsste im Industrie-Club
eine Tafel angebracht werden mit dem Text: ‚Hier bekam Hitler von
Großindustriellen und Bankiers Beifall und Geld, hier wurden die
Weichen zum Krieg gestellt!'" Maria Wachter wurde für ihren
Widerstand fünf Jahre ins Zuchthaus gesperrt. Jost Henkel aber, der
Persil-Boss, der Hitler zum Industrie-Club eingeladen hatte, wurde
Wehrwirtschaftsführer.
Nach dem Vortrag Hitlers vor den Industriellen im Industrieclub
war die Angelegenheit noch nicht beendet. Am nächsten Tag, am 27.
Januar 1932, traf sich Hitler auf Schloss Landsberg, das dem
Großindustriellen Fritz Thyssen gehörte, mit eben diesem Thyssen
und dem Großindustriellen Ernst Poensgen, Vereinigte Stahlwerke.
Hier wurde konkret über die Finanzierung der Nazipartei gesprochen.
Fritz Thyssen, schon lange Großspender für Hitlers Bewegung, hat
die Finanzierung später in seinem Buch "I paid Hitler"
(Ich bezahlte Hitler) geschildert. Die Nazis zeigten sich später
auch gegenüber dem Großindustriellen Poensgen dankbar. Er wurde
ebenfalls Wehrwirtschaftsführer. Die Nazis taten noch mehr in
Düsseldorf: Sie gaben 1941 der Ronsdorfer Straße in Flingern den
Namen "Ernst-Poensgen-Allee". Das wurde später geändert.
Aber die Stadtwaldstraße in Grafenberg erhielt bald wieder den
Namen "Ernst-Poensgen-Allee". Sie trägt ihn heute noch.
Sie führt vom Staufenplatz bis zum Mörsenbroicher Weg.
Die Tagung vom 26. Januar 1932 im Industrieclub wirft einen
Schatten, der bis in die heutigen Tage reicht. Als sollte der
Gesprächsfaden vom Industrie-Club 1932 wieder aufgenommen werden,
erklärte der ehemalige Industriellen-Präsident und noch heute
einflussreiche Michael Rogowski (BDI), der Rüstungsetat müsse
vergrößert werden. Die NPD, so Rogowski, sei nicht so beunruhigend
wie die PDS. Das "Phänomen Rechtsextremismus" solle nicht
überbewertet werden. ("Freie Presse", Chemnitz,
20.09.2004) Und das Bundeswehr-Weißbuch von 2006 sieht ja die
Erlangung von Rohstoffen auch als militärisches Ziel vor - ganz wie
schon 1932 konzipiert.
Doch wie ging es unmittelbar nach dem Januar 1932 weiter?
Erinnert sei an den Sturz der preußischen Regierung (SPD) durch den
späteren Hitler-Minister Franz von Papen (damals noch
Zentrumsmitglied, dann Deutsche Nationale Volkspartei). Dieser
Putsch im Frühjahr 1932 führte nicht zur demokratischen und
antifaschistischen Gegenwehr der Sozialdemokratie und der
Gewerkschaften; diese verwiesen auf das höchste Reichsgericht und
auf die nächsten Wahlen. So verstrich wertvolle Zeit, die nicht zum
Schutz der Republik genutzt wurde. Erinnert sei weiter an die
Eingaben von Industriellen beim Reichspräsidenten Paul von
Hindenburg mit der Forderung, Hitler an die Macht zu lassen, denn
sein Einfluss bei Wahlen hatte den Zenit überschritten. Hindenburg
war der Mann der reaktionärsten Militärs, die vielfach ebenfalls
für die Machtübertragung an die Faschisten wirkten. Er war im
übrigen erpressbar, denn er hatte sich aus "Osthilfe"-Fonds
bedienen lassen. Die bekannteste Eingabe der Wirtschaftseliten war
das Schreiben vom 19. November 1932. Die Behauptung, hier hätten
nur "subalterne Kräfte" und Mittelständler
unterzeichnet, ist falsch. Man findet die Unterschriften von
Bankern, Stahlindustriellen, Großreedern, Großagrariern und
Chemieindustriellen, darunter Hjalmar Schacht und Fritz Thyssen.
Außer dem Düsseldorfer Industrieclub hat auch der Westfälische
Industrieklub in Dortmund seine Rolle bei der Machtübertragung an
Hitler gespielt. Auch dieser Klub, der sich früher Ruhrlade nannte,
war eine jener Stätten, an denen 1932/33 die Würfel zugunsten
jenes "Dritten Reiches" fielen, das nicht möglich werden
konnte ohne die Zustimmung der Eliten, vor allem der ökonomischen.
In Dortmund trug der Sitz des Westfälischen Industrieklubs lange
den Namen "Albert Vögler Haus". Antifaschisten erinnern
bei Aktionen an das Treffen der Wegbereiter Hitlers Franz von Papen
(Ex-Kanzler und Ex-Zentrumspolitiker), Albert Vögler (Vereinigte
Stahlwerke) und Fritz Springorum (Hoesch) im Januar 1933 in
Dortmund. Diese und andere Herren der geheimen diktatorischen
"Ruhrlade" beschlossen, die Hitler-Diktatur mit zu
etablieren und zu finanzieren. Papen war gerade vom Treffen mit
NS-Führer Hitler und Bankier von Schroeder in Köln gekommen, wo
die Entscheidung zugunsten der Kanzlerschaft Hitlers fiel. Am 30.
Januar 1933 wurde dann der Führer der Nazipartei an die Macht
geschoben. Seinem Kabinett gehörten nur drei Nazis, ansonsten nur
Herren aus den konservativen und militärischen Eliten an.
In der Gedenkhalle Oberhausen steht der Satz "Faschismus
kommt nicht über Nacht, er wird vom Kapital gemacht". Gemeint
ist der Faschismus an der Macht, der vom Kapital gemacht wird. Der
Faschismus als Bewegung hat auch andere als ökonomischen Wurzeln,
und dass der Kapitalismus zwangsläufig in den Faschismus einmünden
muß, ist widerlegt. Der Faschismus hätte verhindert werden können
durch den demokratischen massenhaften Protest von einheitlich
handelnder Linken und aller Demokraten. Vor allem ist es
erforderlich, dem Groß- und Finanzkapital den Weg der Faschisierung
zu versperren.
Stets und mahnend muß an die Komplizenschaft von maßgeblichen
Teilen des Konservatismus und der Industrie wie auch der Banken und
der Großagrarier mit Hitler erinnert werden.
Auch heute gibt es Teile des Bürgertums und des Kapitals, die
selbst äußerst rechts agieren und auf das Zusammengehen mit den
äußerst rechten Kräften setzen. Diese kapitalistischen Kreise
sind zwar nicht dominierend, aber sie formieren sich. Der
nordrhein-westfälische Bund der Selbständigen mit Sitz in
Dortmund, ist so ein Zentrum der Rechten. Der Vorsitzende des
Verbandes kommt stets aus den Reihen des CDU-Wirtschaftsrates, der
zweite Vorsitzende dieses Verbandes der mittelständischen
Kapitalisten heißt Martin Hohmann, bis vor einiger Zeit Mitglied
der CDU-Bundestagsfraktion. Er hatte in einer antisemitischen Rede
angemerkt, dass man die Juden "mit einiger Berechtigung"
als "Tätervolk" bezeichnen könnte. Hohmann sagte über
die Neonazibanden, die unsere Städte mit Aufmärschen belästigen
und ängstigen, sie versammelten sich unter den "Symbolen des
Guten". CSU-Chef Edmund Stoiber distanzierte sich zwar von
Hohmann, unterhielt aber gute Kontakte zu dem Bund der
Selbständigen, und er bekam einen Preis der Zeitschrift dieses
Bundes, genannt "DS-Magazin", ein Glied in der Kette
rechter Publikationen. Und reaktionäre Bundeswehroffiziere gehören
zum Umfeld des "Bundes der Selbständigen" im Rahmen der
nahestehenden Organisationen "Stimme der Mehrheit" und
"Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft".
Heutzutage wird die Rolle der ökonomischen und konservativen
Eliten an der Machtübertragung an Hitler gern verschwiegen, gar
geleugnet. Keiner der Hitler-Filme, die uns in letzter Zeit geboten
wurden, handelt davon. Der "Untergang" Hitlers, wie er im
gleichnamigen Film geschildert wird, stellte nicht den Untergang der
wirtschaftlichen Machteliten dar, die schon bald nach 1945 wieder in
Staat und Gesellschaft dominierten. Bisher können diese Eliten ohne
faschistische Helfer auskommen, aber weil es einmal anders kommen
kann, sollte alles daran gesetzt werden, die Demokratie zu schützen
und die faschistischen Parteien und Organisationen - wie die NPD -
auszuschalten. Original erschienen in: http://www.unsere-zeit.de/
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