13.01.07
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
(VVN) begeht im Februar ihren Jahrestag
60 Jahre Kampf gegen Faschismus
Von Alexander Völkel
Sie waren politisch Andersdenkende, rassisch nicht opportun oder
hatten einen anderen Glauben. Daher wurden sie von den Nazis
verfolgt, inhaftiert und viele von ihnen ermordet. Die Überlebenden
des Naziterrors gründeten die VVN, die jetzt seit 60 Jahren
besteht.
Am 10. Februar 1947 riefen sie die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes (VVN) in Dortmund ins Leben. Sie vertrat rund 2000 Opfer
und Hinterbliebene. Jüdische, christliche, kommunistische,
christdemokratische und sozialdemokratische Vertreter gehörten dem
Vorstand an. Doch der Kalte Krieg zerstörten die politische Einheit
der VVN. Doch sie blieb ihren damals gesetzten Zielen treu - bis
heute.
Aufklärungsarbeit ist Schwerpunkt
Auch wenn die Zeitzeugen und Überlebenden heute nicht mehr
leben, die Vereinigung gibt es noch heute. Ihre Kinder sind aktiv.
Und seit 1972 versteht sich der Verband nicht nur als
Opferorganisation, sondern auch als Bund der Antifaschisten. Darin
sieht die Vereinigung ihre Aufgabe. "Wir halten die VVN auch
heute noch für ungeheuer wichtig. Nicht wegen der Verfolgung damals
und der Sozialarbeit für Überlebende, sondern wegen der
Geschichts- und Aufklärungsarbeit", erklärt der
VVN-Landessprecher Ulli Sander. "Das ist im Sinne der
Opfer."
So lädt die Dortmunder VVN, die heute von Agnes Vedder (80)
geleitet wird, zu Vorträgen ein, organisiert Ausstellungen und
Zeitzeugengespräche. Und durch ihre beharrliche Arbeit haben sie
viele Prozesse gegen Neonazis angestoßen. Allerdings sind viele
nicht im Sinne der Antifaschisten ausgegangen - zuletzt war der
Prozess gegen die "Weißen Wölfe" an einem Aussageverbot
für einen Verfassungsschutzmitarbeiter gescheitert.
Mit der Justiz hatten schon die VVN-Begründer Probleme. Die
Angehörigen der Opfer hatten sich schon kurz nachdem im April 1945
die Gestapo-Morde an den etwa 300 Widerstandskämpfern und Gegnern
des Nazi-Regimes in der Bittermark und im Rombergpark bekannt
wurden, getroffen. Der gegründete Hinterbliebenen- und
Gefangenenausschuss und die VVN unternahmen große Anstrengungen,
die NS-Mörder zu finden und dafür zu sorgen, dass sie vor Gericht
gestellt wurden.
Schon im Verlaufe dieser Arbeit leisteten sie Aufklärungsarbeit
unter der Bevölkerung und Sozialarbeit unter den NS-Opfern. Dabei
wurden sie immer wieder mit Alt-Nazis konfrontiert, die auch nach
dem Krieg noch Schlüsselpositionen in Verwaltung, Justiz und
Wirtschaft inne hatten. VVN-Mitglieder wurden aus dem öffentlichen
Dienst entlassen und teilweise wegen Landesverrats inhaftiert. Der
Grund: Die Opfer hatten sich 1945/46 geschworen, sich in ihrem Kampf
gegen den Faschismus nicht wieder trennen zu lassen. Trotz der
deutsch-deutschen Teilung wollte die VVN daher gesamtdeutsch
weiterarbeiten und hielt Kontakt - doch das war Landesverrat.
Durch diese Konflikte zerbrach auch die politische Einheit:
Saßen zuvor die Vertreter der demokratischen Parteien noch
paritätisch im Vorstand der VVN zusammen, wurde beispielsweise den
Sozialdemokraten eine Mitgliedschaft in der VVN verboten. Offiziell
gilt dieses Verbot noch heute.
Bildtexte zu drei Fotos: Seit 1960 finden jedes Jahr zu
Karfreitag Gedenkveranstaltungen am Mahnmal in der Bittermark statt.
- Agnes Vedder leitet die Dortmunder Gruppe. Ulrich Sander ist
Landessprecher der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen. - Bittermark: Ein
Mahnmal für 300 Opfer des Nazi-Regimes.
Hintergrund:
- Wenige Wochen nach den Morden im Frühjahr 1945 wurde ein
Hinterbliebenen- und Gefangenenausschuss gebildet.
- Am 19. April 1946 fand im Rombergpark die erste Gedenkstunde
statt.
- Am 10. Februar 1947 wird die Dortmunder Sektion der VVN ins Leben
gerufen. Sie zählt 2000 Mitglieder.
- Am 12. September 1952 genehmigt die Stadt unter strengen Auflagen
eine Gedenkfeier im Rombergpark zu "Ehren der Opfer des
blutigen Karfreitags 1945".
- Am 9. Oktober 1953 beantragen die VVN und die AG verfolgter
Sozialdemokraten die Errichtung eines Mahnmals. Erst 1955
beschließt der Rat die Errichtung eines Mahnmals in der Bittermark
- vor allem wegen des Drucks der französischen Zwangs- und
Arbeitsdeportierten. Es wird erst Karfreitag 1960 eingeweiht.
- 1981 wird auf Initiative des OB das Kuratorium "Widerstand
und Verfolgung in Dortmund von 1933 bis 1945" gegründet. Die
VVN arbeitet mit und stellt viele Archivstücke für die
gleichnamige Ausstellung zur Verfügung, die in einem kleinen Museum
im Westpark zu sehen waren. Heute werden sie in der Steinwache
gezeigt.
- Zum 50. Jahrestag der Reichpogromnacht 1988 organisiert die VVN
Mahnwachen und Demos, die jetzt jährlich stattfinden.
- Am 11. Februar 2007 wird die VVN im Wichernhaus ihr 60-jähriges
Bestehen feiern.
Dokumentiert aus: http://www.jufo-dortmund.de/desktopdefault.aspx/tabid-888/
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