07.12.06
Das V-Leute-System hilft den Nazis aus der Klemme
Kein Prozeßbeginn gegen die Naziband Weiße Wölfe
Auch nach dreijähriger Verzögerung wurde der Prozeß gegen die
nazistische und antisemitische Dortmunder Band „Weiße Wölfe“
wieder nicht eröffnet. Gab sich die Sprecherin der
Staatsanwaltschaft Dortmund, Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel,
vor Prozessbeginn noch optimistisch, dass es zu einer Verurteilung
kommt, so machten das Amtsgericht Dortmund und das
Landesinnenministerium am Mittwoch Mittag einen Strich durch diese
Rechnung. Holznagel: Bisher sei man in Beweisnot gewesen, ob die
verbrecherischen Nazilieder auch in Deutschland gespielt worden
seien. Doch nun habe man einen sicheren Belastungszeugen. Allerdings
erwies dieser sich als der V-Mann Preuß, Mitarbeiter des
NRW-Verfassungsschutzes und Under-Cover-Nazi. Das
Landesinnenministerium hatte kurzfristig diesem V-Mann eine
Aussageverweigerung erteilt. Andere Zeugen und Angeklagte meldeten
sich einfach krank. Das ist nun mal das Wetter, sagte Amtsrichter
Weiß und vertagte den Prozeß, der gar nicht begonnen hatte, auf
unbestimmte Zeit.
Schon seit dreieinhalb Jahren wartet die VVN-BdA NRW auf den
Prozess, den sie durch eine Strafanzeige in Gang bringen wollte.
Doch immer wieder meldeten sich Angeklagte und Zeugen krank, um nun
durch ihre Anwälte ins Spiel zu bringen, dass eine Verjährung in
Frage komme. Die Videos und CDs waren 2002 in Kopenhagen aufgenommen
worden. Inhalt und Aufmachung der DVDs und CDs von „Weiße Wölfe“
verstoßen eindeutig gegen deutsche Strafgesetze. Als Beispiel sei
das Lied »Unsere Antwort« zitiert: »Es gibt nur `ne Lösung für
diese Figuren. Ins Arbeitslager, da müssen sie spuren. ... Unsere
Antwort: Zyklon B.« Oder dies: »Wartet, ihr Brüder, jetzt kommt
die Rache: Juda verrecke und Deutschland erwache. ... Für unser
Fest ist nichts zu teuer: 10.000 Juden für ein Freudenfeuer.«
Der Bundessprecher der VVN-BdA Ulrich Sander, sagte nach dem
ersten missglückten Verhandlungstag, bei dem noch nicht einmal die
Anklageschrift verlesen wurde, so dass zu befürchten ist, dass der
ganze Prozess platzt: „Dies ist mal wieder ein Tag des Triumphes
für die Nazis im Lande. Justiz und Innenminister von NRW stellen
sich in ihre 60jährige vorherrschende Tradition des Schutzes für
Nazis. Es zeigt sich, dass das V-Leute-System für nichts weiter gut
ist als für den Schutz der Rechten. Wer gegen Nazis vorgehen will,
muss auch das V-Leute-System angreifen – das wissen wir seit dem
geplatzten NPD-Verbotsprozess, und das wurde auch jetzt wieder im
Amtsgericht Dortmund deutlich.“ Pressemitteilung der VVN-BdA NRW
Beiträge zum geplatzten
Nazi-Prozess
Neonazi-Band: Gerichts-Termin vertagt (06:03)
WDR Lokalzeit Dortmund, 06.12.2006
Der Prozess gegen die Neonazi-Band "Weiße Wölfe" vor
dem Dortmunder Amtsgericht musste vertagt werden. Einer der drei
Angeklagten hatte sich vor Beginn der Verhandlung krank gemeldet.
Das Strafverfahren wird jetzt neu terminiert. Dem rechtsradikalen
Musikertrio wird unter anderem Volksverhetzung sowie die Verbreitung
von ausländerfeindlichen Schriften zur Last gelegt. Die Band soll
geplant haben, eine in Dänemark hergestellte CD in Deutschland zu
verbreiten.
NRW-Innenministerium blockiert Nazi-Prozess
Westfälischen Rundschau, 07.12.2006
http://www.westfaelische-rundschau.de/wr/wr.dortmund.volltext.php?kennung=on7wrLOKStaDortmund39055
&zulieferer=wr&kategorie=LOK&rubrik=Stadt®ion=Dortmund&auftritt=WR&dbserver=1,
Prozess: Schlappe für den Rechtsstaat
Westfälische Rundschau - Lokales Dortmund - 07.12.06
Eine Schlappe für den Rechtsstaat - und die auch noch
hausgemacht. Der Prozess um das menschenverachtende musikalische
Machwerk der Nazi-Band „Weiße Wölfe” ist gestern vor dem
Dortmunder Schöffengericht bereits zum zweiten Mal geplatzt.
Das Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung musste
vertagt werden, weil sich einer der drei Angeklagten krank meldete.
Das an sich wäre weder bemerkens- noch rügenswert. Es kommt
einfach vor. Nicht alltäglich aber dürfte die Haltung des
nordhein-westfälischen Innenministeriums sein, das dem wichtigsten
Zeugen in diesem Prozess eine Aussagegenehmigung versagte -
angeblich um Schaden vom Land abzuwenden. Welchen Schaden aber
könnte wohl ein Beamter des Staatsschutzes anrichten, wenn er
wahrheitsgemäß vor Gericht aussagt? Um seine Enttarnung kann es
dabei wohl kaum gehen, denn der ehemalige Ermittler beim Dortmunder
Staatsschutz ist ohnedies so bekannt, dass die Nazi-Band „Oidoxie”
ihn sogar namentlich auf ihren Internet-Seiten grüßte. Der
Brechtener „Odoxie”-Sänger ist übrigens mitangeklagt im
geplatzten Prozess, bei dem es um die mutmaßliche Verbreitung des
volksverhetzenden Texts der „Weißen Wölfe” geht. Die CDs
dieser Nazi-Rocker sollen in einem Kopenhagener Studio aufgenommen
worden sein, fanden sich aber auch stapelweise auf deutschem Boden.
Zum privaten (nicht strafbaren) Musikgenuss der Besitzer im stillen
Kämmerlein? Wohl kaum, wenn man die Anzahl bedenkt. Da liegt der
Verdacht auf illegale Verbreitung nahe. Und genau diesen Vorwurf
macht die Dortmunder Staatsanwalt neben dem Oidoxie-Sänger auch
noch einem 31-Jährigen aus Lüdenscheidt und dem plötzlich
erkrankten Arnsberger Mandanten von Nazi-Verteidiger Andre´ Picker.
Übrigens: Auch der Dortmunder „Sänger” hat rechtslastigen
Rechtsbeistand. Er wird von Anwalt Björn Clemens aus Düsseldorf
verteidigt. Jenem Mann, der am Wochenende in Höchstadt für den
Bundesvorsitz der Republikaner kandidiert und als deren „Rechtsaußen”
gilt. Auf seiner Homepage feiert er Deutschland als sein Land, das
politisch „über alles in der Welt” stehe. Das kommt einem doch
irgendwie bekannt vor. Einer seiner größten Erfolge als Anwalt ist
für ihn der erreichte Freispruch eines Mandanten, der Michel
Friedmann als „Zigeunerjuden” bezeichnet haben soll. Da kann man
sich schon vorstellen, dass der 39-Jährige Jurist, die widerlich
zynischen Texte der „Weißen Wölfe” durchaus verteidigenswert
finden könnte.
Ganz ohne Verstand
Westfälischen Rundschau - Lokales Dortmund - Hintergrund 07.12.2006
- Mitglieder der Skinheadband „Weiße Wölfe“ bezeichnen
sich selbst als „Chaoten ohne Verstand“.
- Ihre Texte sind an Menschenverachtung kaum zu überbieten.
- Beispiel: „Und wenn wir uns finden beim Marsch durch das
Land, dann brennt in jeder Stadt ein Asylantenheim ab.“
- Gipfel des Zynismus: „Ihr tut unsrer Ehre weh, unsre Antwort
Zyklon B.“ Gerichtet an „Gammler“, „Kanaken“, „rotes
Gesindel“.
Armer Rechtsstaat
Westfälischen Rundschau - Lokales Dortmund - Kommentar 07.12.2006
Von Christina Füssmann
Unser Rechtsstaat kann viel verkraften. Sogar die hirnlosen
Skinhead-Chaoten der „Weißen Wölfe“, die auch noch stolz
darauf sind, ohne Verstand zu agieren. Sie können es sich leisten,
denn die fünf Verwirrten sind sich der Zustimmung weiterer
Verwirrter sicher.
Wenn sich aber der Staat von ihnen auf der Nase herumtanzen
lässt, muss sich der Bürger fragen: Haben wir eigentlich den
braunen Mob im Griff, oder wird uns das nur vorgegaukelt? Fast
scheint es so, wenn ein Staatsschützer davon abgehalten wird, den
Staat zu schützen. Seine Zeugenaussage könnte verhindern helfen,
dass Teile der Bevölkerung straflos ausgegrenzt, verhetzt und
bedroht werden.
Aber daran scheint das Innenministerium nicht interessiert. Armer
Rechtsstaat.
Weitere Beiträge
Weitere Beiträge standen in den Lokalausgaben von
Ruhrnachrichten (Neonazi-Musik: Amtsgericht muss Prozess vertagen
– Anklage wegen Volksverhetzung) am 07.12.06 und in der WAZ am 07.12.06
(Prozess um braune Lieder ist geplatzt – Einer der mutmaßlichen
Neonazis fehlte).
Ferner Junge Welt vom 07.12.06:
Prozess gegen Neonazis in Dortmund geplatzt
V-Mann durfte nicht aussagen. Verfahren gegen Rechtsrock-Bands auf
unbestimmte Zeit verschoben
Am Mittwoch ist ein Prozeß vor dem Dortmunder Amtsgericht gegen
Musiker der Neonazibands Oidoxie und Weiße Wölfe auf unbestimmte
Zeit vertagt worden. Das Innenministerium von NRW hat dem
Belastungszeugen, einem V-Mann, einen Maulkorb verpaßt.
Der Prozeß gegen die antisemitischen Bands aus Dortmund und
Arnsberg geht auf eine Anzeige von Jupp Angenfort, Landessprecher
der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA), aus dem
Frühjahr 2003 zurück. Seitdem wird das Verfahren verschleppt (jW
berichtete). Die Staatsanwaltschaft hatte über Beweisnot geklagt,
weil nicht mit Sicherheit festehe, ob die Neofaschisten ihre CDs und
Videos auch für den deutschen Markt produziert hätten. Die
Tonträger und Videos waren 2002 in Kopenhagen aufgenommen worden
und verstoßen eindeutig gegen deutsche Strafgesetze. Als Beispiel
nur folgende Liedzeile: »Wartet, ihr Brüder, jetzt kommt die
Rache: Juda verrecke und Deutschland erwache. ... Für unser Fest
ist nichts zu teuer: 10000 Juden für ein Freudenfeuer.«
Anfang dieser Woche war die Sprecherin der Staatsanwaltschaft
Dortmund, Dr. Ina Holznagel, gegenüber der lokalen Presse noch
optimistisch, einen Belastungszeugen zu haben. Bei dem handelte es
sich laut einer Pressemitteilung der VVN NRW vom Mittwoch um einen
V-Mann, Mitarbeiter des NRW-Verfassungsschutzes und Undercover-Nazi.
Das Landesinnenministerium hatte ihm kurzfristig eine Aussage
verweigert. Andere Zeugen und Angeklagte meldeten sich krank. Das
sei bei dem Wetter nun mal so, sagte Amtsrichter Weiß und vertagte
den Prozeß auf unbestimmte Zeit.
Der Bundessprecher der VVN-BdA, Ulrich Sander, sagte am Mittwoch
zum Abbruch des Verfahrens: »Dies ist mal wieder ein Tag des
Triumphes für die Neonazis im Lande.« Es zeige sich, daß das
V-Leute-System für nichts weiter gut sei als für den Schutz der
Rechten. »Wer gegen Neonazis vorgehen will, muß auch das
V-Leute-System angreifen«, so Sander. Das sei spätestens nach dem
geplatzten NPD-Verbotsprozeß klar.
Wera Richter, Junge Welt 07.12.06
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