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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

11.11.06

Libanon - Parallelen - Nicht die alten Fehler wiederholen - Deutsche Soldaten gegen den Feind im Innern

Auszüge aus Der Metzger Nr. 77 zum Libanon, Israel, der Linken und der Bundeswehr

Michael Csaszkóczy hat in der neusten Ausgabe der „Antifa“ (Nov./Dez.06) einen Aufruf zu mehr Differenzierung unter dem Titel „Falsche neue Freunde?“ veröffentlicht. Mindestens genauso wie gegen „antideutsche Bellizisten“ müsse sich der Antifaschismus von um 180 Grad gewendeten ehemaligen Antideutschen abgrenzen, die einer "Anti-Hitler-Koalition" gegen USA und Israel das Wort reden. Zum richtigen Umgang mit dem Israel-Libanon-Krieg veröffentlicht die satirische Duisburger Zeitschrift METZGER in Nr. 77 vom November 2006 sehr hilfreiche Beiträge, die wir dankenswerterweise hier wiedergeben dürfen. Verwiesen sei auch auf Moshe Zuckermann in FREITAG Nr. 45 vom 10. 11. 06. "Das Bewußtsein des Prekären".

Lina Ganowski: Libanon. „Man mag zu dem Schluß kommen, daß Israel den Frieden mehr fürchtet als den Krieg. Man mag über israelische Menschenrechtsverletzungen und israelische Kriegsverbrechen in Libanon sprechen. Man muß es auch. Aber unter einer Bedingung: Wer das Existenzrecht Israels bestreitet oder zur Disposition stellt, wer antisemitische Haßparolen um sich schleudert, wer den Holocaust bestreitet, anzweifelt oder relativiert, dem darf man nicht den kleinen Finger reichen.“

Helmut Loeven: Die Parallelen. In die Kritik aus linken Kreisen an der israelischen Aggression gegen Libanon fließen antisemitische Klischees ein. Etwas subtiler bei Herrn Elsässer (Junge Welt), etwas vulgärer bei Herrn Ackermann („Kommunisten-online“).

Ulrich Sander: Nicht die alten Fehler wiederholen. Ein Leserbrief, den die Junge Welt nicht drucken wollte.

Ulrich Sander: Deutsche Soldaten bald wieder im Kampfeinsatz gegen den Feind im Innern. Die Rückkehr zum preußisch-deutschen Militärstaat.

Libanon

von Lina Ganowski

Als Adolf Hitler ankündigte, er werde uns vernichten, haben wir ihm nicht geglaubt. "Der ist ein Großmaul." Und: "Das kann der ja gar nicht." Dann verlief die Geschichte, wie sie verlief. Wenn jetzt jemand sagt: "Ich will die Juden vernichten", dann glauben wir ihm. 

Oder sollen wir es drauf ankommen lassen? "Vielleicht wird er uns vernichten. Vielleicht wird er uns nicht vernichten. - Das wird sich dann herausstellen"? Nein. Auf ein solches Experiment lassen wir uns nicht ein. 

Das ist der Grund, weshalb der Staat Israel gegründet wurde. 

Man mag in der Geschichte forschen und anführen, daß bei der Gründung und beim Fortbestand des Staates noch weitere Umstände eine Rolle gespielt haben als der Schutz der Juden vor der Vernichtung. Man mag von imperialistischen Interessen sprechen, und man mag darüber reden, ob es eine kluge Politik der israelischen Regierungen war, sich für imperialistische Interessen zur Verfügung zu stellen oder ob es für die israelischen Regierungen seit 1948 jemals eine Alternative dazu gab oder nicht. Nur kann von dieser Erörterung nicht abhängen, ob es diesen Staat geben darf oder nicht. Niemand käme auf die Idee, Frankreich wegen Algerien, Spanien wegen Franco oder die USA wegen der Indianer und wegen Vietnam von der Landkarte wegzuradieren. Bei Israel kommt man auf solch eine Idee. Da wird man fragen müssen: Warum? Und man wird die Antwort geben müssen. Ich weiß keine andere Antwort als die, daß die aggressive Politik Israels gegen die Palästinenser nur als Vorwand herangezogen wird, um die Existenz eines Staates der Juden in Frage zu stellen. 

In den 70er Jahren wurde ein Konzept favorisiert, wonach auf dem Territorium des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina ein Gesamtstaat gebildet werden sollte, in dem Juden und Araber, Israelis und Palästinenser gleichberechtigt und friedlich miteinander leben sollten. Israel hätte in einem solchen Staat aufgehen müssen. Es war ein Traum. Es hätte ein Alptraum werden können. Auch auf ein solches Experiment wollten und werden sich die Juden nicht einlassen: "Wir haben für diesen Staat gekämpft, wir haben ihn erreicht, und wir geben ihn nie wieder her. Israel wird nie in einen anderen Staat aufgehen und auch nie Teil einer Konföderation sein." Das muß man verstehen. Jedem muß klar sein, daß eine Lösung des Nahostkonflikts nur möglich ist, wenn der Staat Israel weiterhin besteht, gesichert und von allen akzeptiert. Israel darf dann aber auch nicht so tun, als gäbe es die Palästinenser nicht bzw. an deren Elend seien allein die arabischen Regierungen und letztlich sie selber schuld. Es muß in Israel jedem klar sein, daß zur abgelehnten Ein-Staaten-Lösung die einzige Alternative die Zwei-Staaten-Lösung ist. Wird es dazu kommen? Oder dauert der Konflikt schon zu lange, um überhaupt noch gelöst zu werden? Das sind Gedanken, die man nicht denken will, die sich einem aber aufdrängen. Eine Lösung, die nur einer Seite gerecht wird, ist keine Lösung. Wenn in diesem Konflikt die eine Seite die andere Seite besiegt, wird der Sieger mit dem Besiegten untergehen. Israel hat Kriege geführt und gewonnen. Nach einem verlorenen Krieg würde Israel nicht mehr existieren. Ist der Konflikt in ein Stadium geraten, in dem Israel nur noch den Krieg gegen die islamische Welt verlieren oder sich zu Tode siegen wird? 

Man mag also von imperialistischen Interessen sprechen. Man mag das israelische Großmachtstreben als inhuman oder als irrational geißeln. Man mag darüber reden, daß militärische Überlegenheit und militärisches Handeln auf die Dauer keine Sicherheit hervorbringen. Man mag erörtern, wie weit israelische Militäreinsätze durch das Recht auf Landesverteidigung gerechtfertigt und wie weit sie dadurch nicht mehr gerechtfertigt sind. Man mag anführen, daß Krieg unvermeidlich zu Kriegsverbrechen führt (auf beiden Seiten). Man mag zu dem Schluß kommen, daß Israel, aus einer Position militärischer Überlegenheit, den Frieden mehr fürchtet als den Krieg, weil seine Pläne für die Region nur mit Krieg durchsetzbar, durch den Frieden aber vereitelt sind. Und man mag über israelische Menschenrechtsverletzungen und israelische Kriegsverbrechen in Libanon sprechen. Man muß es auch. Man muß auch diejenigen anklagen, die für alles, was Israel tut, die Shoah als Rechtfertigung heranziehen. 

Aber unter einer Bedingung: 

Wer das Existenzrecht Israels bestreitet oder zur Disposition stellt, wer antisemitische Haßparolen um sich schleudert, wer den Holocaust bestreitet, anzweifelt oder relativiert, dem darf man nicht den kleinen Finger reichen. 

Antisemiten sind keine Bündnispartner. Antisemiten sind immer Feinde, auch dann, wenn sie sich im Konflikt mit dem Weltfeind, dem US-Imperialismus befinden. Konflikte zwischen US-Imperialisten und Antisemiten ergeben sich so zufällig wie Allianzen, wie etwa in Afghanistan, als die Taliban noch im "Westen" als "Freiheitskämpfer" gefeiert wurden. Wer in der jeweiligen Konstellation auf die eine oder andere Seite setzt, spielt nicht nur mit der Gefahr, sondern wird selbst zur Gefahr. 

Studiert man die Stellungnahmen linker Kreise zum Nahostkomplex allgemein und zu Libanon im besonderen, dann erscheinen etwa Iran als bloßes Opfer einer bevorstehenden US-Intervention und "irakischer Widerstand", Hisbollah und Hamas als autonom agierende Heimatverteidiger mit sozialem touch. Deren Antisemitismus wird schlicht verdrängt. Oder er wird explizit bestritten: "Daß ... Hamas und die Hisbollah nicht gegen die Juden kämpfen, sondern gegen den zionistischen Hegemonieanspruch, dessen Rassismus. Die angeblichen Sponsoren der Hisbollah sollen ... die Vernichtung der Juden im Schilde führen. Daß es in Syrien und auch im Iran eine zahlenmäßig große Gruppe alteingesessener Juden gibt, die dort in Frieden und Toleranz ihr Leben führen und ihre Religion ausüben können", schwärmt amazing Ackermann auf "kommunisten-online.de". 

Die Linke in Deutschland hat auf den Nahostkonflikt keinen Einfluß. Der Einfluß des Nahostkonflikts auf die deutsche Linke dagegen ist enorm. Die Linke, die die "Wende" von 1989/90 noch besser verkraftet hat als befürchtet, könnte an einem Konflikt endgültig zerbrechen, in dem sie keine Rolle spielt. Sie lebt in ihrem Paralleluniversum, in dem sie die Realität von sich abblendet. Die einen haben sich an die Seite des US-Imperialismus treiben lassen, die anderen an die Seite von Antisemiten, so daß das Unauflösliche sich auflöst und das Unvereinbare sich vereint. Antifaschismus und Antiimperialismus fallen auseinander; linke und rechte Statements sind oft erst bei genauem Hinsehen voneinander zu unterscheiden. Ob links oder rechts erkennt man nur noch daran, ob Israel als Vorposten des US-Imperialismus hingestellt wird oder die USA als Vorposten der jüdischen Weltverschwörung.

Die Parallelen

"Im Libanon kämpfen Islamisten, Nationalisten und Linke Schulter an Schulter gegen die Aggressoren. Natürlich ist das zunächst nur ein Zweckbündnis zwischen Gruppierungen, die sich bis dato oft spinnefeind waren. Ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg, als die Antipoden Stalin und Churchill samt ihrer Anhängerschaft auch gemeinsame Sache machen mußten, obwohl sie das ursprünglich gar nicht wollten." 

Jürgen Elsässer, der seine frühere Israel-Emphase überkompensiert, zieht historische Parallelen. "Gegen die Aggressoren", also gegen Israel kämpfen Islamisten, Nationalisten und Linke Schulter an Schulter, so wie einst Stalin und Churchill. Damals hieß der Aggressor Hitler. Israel und die Nazis auf eine Stufe zu stellen ist eins der antisemitischen Klischees. Elsässers Aufsatz in der jungen Welt (Titel: "Alte Feinde, neue Feinde") ist eine Polemik gegen die "Antideutschen": "Es gibt in der heutigen westlichen Gesellschaft keine andere Strömung, die mit so viel Menschenverachtung das Töten in Afghanistan, im Irak, im Libanon begrüßt und mit ihren Mitteln zu befördern sucht wie diese... Die ursprünglich als Antideutsche angetreten sind, haben sich ... zum durchaus deutschen Ableger der Neocons gemausert... Müßten Linke angesichts dessen nicht einen ganz klaren Trennungsstrich ziehen und sagen: Genausowenig, wie wir mit alten und neuen Nazis eine gemeinsame Veranstaltung oder Demonstration veranstalten wollen, lehnen wir auch jedes Bündnis mit den Antideutschen ab?" 

Wer den METZGER gelesen hat, weiß auch ohne Elsässers späte Einsicht über die "Antideutschen" bescheid. Es müßten aber noch mehr "klare Trennungsstriche" gezogen werden. 

Elsässers Aufsatz wird von Hand zu Hand gereicht. Im Internet kann man ihn auf einer neurechten Homepage (deren Adresse hier nicht weitervermittelt wird) ebenso lesen wie auf Günter Ackermanns One-man-Show "kommunisten-am-rande-des-nervenzusammenbruchs.de" (pardon: "kommunisten-online").

Bei den Neurechten heißt es: "Über "rechts" und "links" zu philosophieren, fehlt uns im Augenblick die Muße (in gewisser Weise gilt es jedoch analog zur ... antiimperialistischen Überwindung der opportunistischen Linken eine antiimperialistische Rechte aufzubauen, die in ähnlicher Weise die liberal-imperialistische Rechte überwindet)." Dabei ist Elsässers Aufsatz willkommen: "mit der Analyse der Dringlichkeit in der Weltkriegssituation für ein ‚Zweckbündnis zwischen Gruppierungen, die sich bis dato oft spinnefeind waren', hat er absolut Recht!" 

Auf "kommunisten-online" findet Anna Heinzberger: "Die Aussagen sind so formuliert, daß es für Nichtakademiker schwierig ist, sie zu verstehen." Darum stutzt sie Elsässers Gedankengänge auf ein paar Hau-Ruck-Sätze zurecht, also auf das, was hängenbleibt: "Die ‚Linke' definiert den Faschismus ... falsch. Sie versteht ihn als ideologische Erscheinung. Richtig ist ihn ökonomisch zu definieren. Der Faschismus ist die ‚Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen ... und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals'... Der Hauptexpansionsraum des US-Imperialismus ist der Nahe und Mittlere Osten. Der zionistische Staat ist sein treuester Verbündeter in dieser Region. Die arabischen und moslemischen Staaten sind es, die dem totalen Zugriff des US-Imperialismus auf die Energiereserven im Wege stehen. Deswegen ist der Antiislamismus die wichtigste Hassideologie der Imperialisten. Die Neocons sind die Faschisten unserer Zeit. Sie sind gefährlicher als die Altnazis... Die Antideutschen sind Faschisten, die sich als Antifaschisten verkleiden. Mit Faschisten, gleichgültig in welcher Verkleidung sie auftreten, darf es keine Bündnisse geben. Damit ist die Frage von Bündnissen und Zweckbündnissen für die ‚Linken' aufgeworfen." 

Man steht machtlos vis à vis, wenn solche Kurz-Gedanken unter dem Etikett Kommunismus vor aller Welt ausgebreitet werden. 

Man versteht die der Autorin nicht falsch, wenn man ihre Bemerkungen so versteht, daß ihr Postulat "Mit Faschisten, gleichgültig in welcher Verkleidung sie auftreten, darf es keine Bündnisse geben" ein bloßes Lippenbekenntnis ist, von dem man nicht erwarten kann, daß Affinitäten mit (verkleideten) Faschisten damit unterbunden werden. Im Gegenteil! In welche Richtung soll sich die Linke (die hier schon in Gänsefüßchen steht) für Bündnisse und Zweckbündnisse (!) denn wohl öffnen? Man versteht die Autorin nicht falsch, wenn man sie zu denen rechnet, die ursprünglich als Antiimperialisten angetreten sind und sich zum durchaus deutschen Ableger der Hisbollah gemausert haben. 

Grotesk ist der Umgang mit dem Begriff Faschismus. Zum einen verwendet sie den Begriff als Reizvokabel, als Stigma, das sie allen Mißliebigen ans Hemd klebt. Zum anderen behauptet sie, der Faschismus sei "die Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals". Das kommt einem bekannt vor. Es erinnert an die "Dimitroff-Formel". 

Wenn man meint, den Faschismus bekämpfen zu können, indem man Sprüche aufsagt, sollte man wenigstens richtig auswendig lernen können. Denn das hat Dimitroff gar nicht gesagt. Auf dem VII. Weltkongreß der Komintern 1935 hat Georgi Dimitroff in Wirklichkeit gesagt: "Der Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals." Dimitroff sprach vom Faschismus an der Macht. Somit handelt es sich auch nicht um eine Definition, sondern um eine Kennzeichnung des Faschismus als Herrschaftsform und seines Klassencharakters (siehe DER METZGER 72). Das müßte doch auch jedem auffallen: Wenn in einer Straßenbahn ein paar besoffene Skinheads eine türkische Frau anpöbeln, dann ist das doch nicht die Diktatur des Finanzkapitals. 

Markenzeichen von Ackermanns Homepage, wo es vor "Steigbügelhaltern", "Wasserträgern", "Trotzkisten", "Subjekten" und "Kreaturen", die "ihr wahres Gesicht zeigen", nur so wimmelt, ist, daß dem Falschen noch die Dimension der Vulgarität hinzugefügt wird. "Israels Politik schadet dem Ansehen der Juden nachhaltig und gibt wirklichen Antisemiten Wasser auf ihre schmutzigen Mühlen", "Die Zionisten - Steigbügelhalter der Antisemiten", "Die Parallelen zur Groß-Deutschland-Hetze, Ideologie und Praxis der Nazis sind erschreckend", "Ideologie und Vorstellungswelt des zutiefst rassistischen Zionismus, der von einem Groß-Israel träumt, das sich bis an die Ufer von Euphrat und Tigris erstreckt" etc.pp. Schaumsprache. Alles ist "zutiefst", und die Mühlen sind schmutzig. Und wer ist da letztlich schuld am Antisemitismus? Natürlich die Juden selbst. Wer sonst?

H.L.

Waffenstillstand sofort - Keine deutschen Truppen nach Nahost

Als deutsche Antifaschistinnen und Antifaschisten wenden wir uns mit Entschiedenheit gegen die regierungsoffizielle Erwägung, deutsche Soldaten nunmehr auch im Nahen Osten einzusetzen. 

Solche Erwägungen werden nicht annehmbarer, wenn sie in den Medien mit den Worten kommentiert werden, es sollte die Bundeswehr an der Seite Israels gegen die "Hisbollah" kämpfen. 

Die Verbrechen des deutschen Faschismus und der Holocaust sind schließlich eine wesentliche Ursache für die Entstehung des Konflikts überhaupt. Es ist deshalb geradezu zynisch, den Einsatz deutscher Soldaten dort mit der besonderen deutschen Verantwortung begründen zu wollen. 

Wir fordern, dass die Bundesregierung nicht militärische, sondern friedenspolitische Anstrengungen unternimmt, den Konflikt zu entschärfen, insbesondere durch die sofortige Einstellung aller Waffenlieferungen in die Region und durch nachdrückliche Einflussnahmen auf die politisch Verantwortlichen, die terroristische, militärische und strukturelle Gewalt zu beenden und sofort einen Waffenstillstand herzustellen. 

Die VVN-BdA tritt entschieden für das Existenzrecht des Staates Israel wie für das eines palästinensischen Staates ein. Sie verlangt die Verwirklichung der Nahost-Resolutionen und -Forderungen der Vereinten Nationen. 

Die VVN-BdA stellt fest: 

  1. Die VVN-BdA wurde 1947 mitbegründet von jüdischen Holocaustüberlebenden. Sie ist stets gegen jeden Antisemitismus aufgetreten. 
  2. In der Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Krieg im Nahen Osten verurteilt die VVN-BdA Terrorismus und Staatsterrorismus gleichermaßen. 
  3. Sie ist solidarisch mit der israelischen und der palästinensischen Friedensbewegung. Eine kritiklose Hinnahme des Terrors von Hamas, Hisbollah u.ä. ist für die VVN-BdA ebenso undenkbar wie des Terrors der Regierung Olmert. Die VVN-BdA verurteilt die Eskalation des Krieges im Nahen Osten, wie sie von beiden Seiten betrieben wird.

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA)

Nicht die alten Fehler wiederholen - Ein Leserbrief, den die Junge Welt nicht drucken wollte

von Ulrich Sander

Immer wieder erreichen uns Botschaften der Jungen Welt, in denen das Bündnis der Antifaschistinnen und Antifaschisten, der gesamten Linken mit Nationalisten, reaktionären Klerikern, Antisemiten und auch nahöstliche Terroristen nahegelegt wird, um die "neuen" Nazis, die Neocons und den Staat Israel sowie "den Imperialismus" und Neoliberalismus zu bekämpfen. Es ist wieder mal die große Zeit der Verteilung des Prädikats "Faschist und Nazi" ausgebrochen. Wer dachte, all das hätten wir hinter uns, mußte deshalb enttäuscht sein über den Beitrag der Jungen Welt vom 5./6. August "Rücksichtsloser Bruch" (mit den angeblichen "sozialdemokratischen Hauptfeinden"), bezogen auf den Volksentscheid vor 75 Jahren, als die KPD einen von den Ultrarechten initiierten Volksentscheid - nach langem Widerstand - unterstützte und somit gemeinsam mit Nazis auf den Kampf gegen die SPD-Preußenregierung gesetzt habe. 

Zu Recht wird die Entscheidung der KPD- und KI-Führung im Jahre 1931 verurteilt - während gleichzeitig einige Autoren in der Jungen Welt nicht müde werden, uns eine Wiederholung gerade dieses Fehlers zu empfehlen. Enttäuschend ist der Beitrag "Rücksichtsloser Bruch" weil er so tut, als hätten die Kommunistinnen und Kommunisten gerade diesen schweren Fehler irgendwie bis heute nicht eingestanden und kritisiert. Es liegt die Chronik "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" aus dem SED-Verlag Dietz Berlin von 1966 vor. Darin heißt es, und auch die Junge Welt muß das doch kennen: "Die Teilnahme am Volksentscheid steht im Widerspruch zur Entwicklung der antifaschistischen Politik der KPD und erschwert die Gewinnung der Sozialdemokraten und anderer demokratischer Kräfte für den gemeinsamen antifaschistischen Kampf." Die Teilnahme sei nach langem Widerstand von Ultralinken in der KPD erwirkt und von J. W. Stalin und W. M. Molotow unterstützt worden. 

Diese Selbstkritik ist unbedingt richtig und sie sollte nicht verschwiegen werden, wie in der Jungen Welt geschehen. Und man komme uns auch nicht mit Empfehlungen, die Fehler der Kommunistischen Internationale (KI) unter Stalin zu wiederholen. Damit liebäugeln einige von der Jungen Welt ganz offensichtlich.

Ulrich Sander: Deutsche Soldaten bald wieder im Kampf gegen den Feind im Innern

Die Rückkehr zum preußisch-deutschen Militärstaat

Die Angehörigen des eigenen Staates wie anderer Länder zu opfern, das gehörte bis 1945 zur Jahrhunderte währenden Regierungspraxis und Militärdoktrin. Bewohner des eigenen Landes, die im Wege sind, werden beseitigt, wie auch der äußere Feind. 

Ähnliche Größenordnungen sieht Bayerns Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender Edmund Stoiber schon wieder für den Einsatz der Truppe im Innern vor: Die ganze Gesellschaft müsse darauf eingestellt werden, daß die freiheitliche Lebensordnung "durch Tausende von irregeleiteten fanatischen Terroristen mit möglicherweise Millionen Unterstützern" massiv bedroht sei, sagte er nach dem 11. September 2001, öffentlich über Bundeswehreinsätze im Innern nachdenkend.

Weiterführung einer Tradition 

eit langem wird der Boden für Bundeswehreinsätze im Innern bereitet. Entsprechende Anstrengungen gehen bis in die sechziger Jahre zurück, als Abgeordnete der Union den Einsatz der Bundeswehr gegen Demonstranten und Streikende forderten. Und es wurde entsprechend geübt. Hier eine Zusammenfassung von Rainer Rilling aus jener Zeit: 

"Notstandübungen von Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr - sei es nach dem ‚klassischen' Bürgerkriegsbild (Einsatz gegen Arbeiter) oder einem ‚modernisierten' (Einsatz gegen politisierte und kriminalisierte Störer) - sind zahlreich: So ... etwa die Bürgerkriegsübung des Bundesgrenzschutzkommandos Mitte in Hessen, Oktober 1965, zur ‚Auflösung von Streikversammlungen'; die Übung einer Bundeswehreinheit zur Streikniederschlagung, Mai 1967, im Raum Hannover während des Hanomagstreiks; der ‚Vergeltungsschlag', der März 1968 von 82 Bundeswehrreservisten des Heimatschutzkommandos 321 in Dinslaken bei Düsseldorf mit Maschinengewehren und Panzerfäusten gegen die Außerparlamentarische Opposition geprobt wurde; die ‚Selbstschutzübung' einer Bergzabener Bundeswehreinheit angesichts angenommener ‚Studenten- und Arbeiterunruhen' vom 12. bis 15. Mai 1968; die Bundeswehr übt seit Mitte 1967 unter der Annahme, ‚daß die Notstandsgesetze vom Bundestag bereits erlassen worden sind' 1. den Einsatz einer Bundeswehreinheit, Polizei und BGS gegen ‚Banden'; 2. den Einsatz von ‚Beweissicherungstrupps' in Zivil, die sich z.B. unter Demonstranten mischen und ‚Rädelsführer' festzustellen haben; 3. den taktisch richtigen Einsatz eines Panzergrenadierzuges mit Schützenpanzerwagen gegen Demonstranten." 

Mit der Verabschiedung der Notstandsgesetze ist das Grundgesetz dann 1968 durch entsprechende Regelungen verändert worden. Artikel 87a erlaubt den Einsatz der Streitkräfte zum Schutz ziviler Objekte, zur Wahrnehmung von Aufgaben der Verkehrsregelung und zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen, beschränkt dies allerdings strikt auf den Verteidigungs- und Spannungsfall, der mit einem hohen Quorum von Bundestag oder Notparlament ausgerufen wird. Weiter gestattet Artikel 87a den Einsatz von Streitkräften "bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer", wenn es darum geht, eine "drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes" abzuwehren und Polizei und Bundesgrenzschutz dafür nicht ausreichen. Ein solcher Fall trat bisher nicht ein.

Zulässig war und ist der Einsatz der Bundeswehr in Katastrophenfällen (nach Artikel 35 des Grundgesetzes), wovon reichlich Gebrauch gemacht wurde. Dies unter großzügiger Auslegung des Begriffs Katastrophe, denn es galt, die Notwendigkeit des innern Einsatzes der Bundeswehr und ihre Unentbehrlichkeit immer wieder nachzuweisen. 

Da der Spannungs- wie Verteidigungsfall mit Ende der Systemkonfrontation nicht mehr zu erwarten war, wurden schon bald nach der Wende und dem Anschluß der DDR - verbunden mit dem Vormarsch der Bundeswehr bis an die Oder - Überlegungen angestellt, die bisherigen Tabus der Militärkonzeption anzutasten. Der erste Entwurf der auswärtige militärische Interventionen ermöglichenden Verteidigungspolitischen Richtlinien, genannt "Stoltenberg-Papier", sah im Frühjahr 1992 noch zwei Punkte vor, die allerdings damals nicht durchzusetzen waren: "Erhaltung des nuklearen Schutzes und Einflußnahme auf die Entscheidungen der Nuklearmächte. Dies schließt auch die Bereitschaft zur Risikoteilung ein." Ferner wurde auch der Einsatz der Bundeswehr im Innern Deutschlands verlangt, "um hoheitliche Aufgaben als Teil der Staatsgewalt wahrzunehmen."

Krisenbewältigungen entsprechend der Weimarer Notverordnungspolitik und Notstandsregelungen wurden anvisiert. Auch eine originelle Idee hatten die Christdemokraten beizusteuern: Sie wollen die Bundeswehr einsetzen, um bürgerkriegsähnliche Situationen wie in Rostock zu bewältigen - obwohl Artikel 87a des Grundgesetzes genau dies verbietet. "Den Artikel", meinte der Bonner CSU-Landesgruppenleiter Wolfgang Bötsch, "müssen wir notfalls auch ändern.". Ein führender CDU-Politiker, Schäuble, setzte nach: "Im Zeitalter weltweiter Wanderbewegungen und internationalen Terrorismus verwischten zunehmend die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit", um zu fordern, daß die Bundeswehr auch bei größeren Sicherheitsbedrohungen im Innern "notfalls zur Verfügung stehen sollte".

In Rostock war im August 1992 beinahe das Konzept der Neonazis aufgegangen, die schon lange anstrebten, in Großstädten rassistische Aufstände herbeizuführen, um Deutschland "zu befreien". Dieses Konzept sieht vor, die Polizeikräfte - die in Rostock tagelang untätig der Gewalt zusahen - als nicht ausreichend zum Schutz des "deutschen Volkes" darzustellen. Eine militärische Zentralgewalt soll nach diesen Plänen die Ordnung wiederherstellen. Theoretiker dieses Konzepts ist u.a. Hans-Dietrich Sander, Herausgeber der Zeitschrift "Staatsbriefe". Im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht für ihn die Freund-Feind-Frage (Carl Schmitt) und die Souveränität im Ausnahmezustand. Den Rostocker Pogrom wertet er als "nationale Erhebung", und er verbreitet ein von anderen Neonazis verfaßtes "100-Tagesprogramm der nationalen Notstandsregierung".

Auch in Bundeswehrpublikationen wie dem Blatt "Information für die Truppe" (IfdT) wurden in den neunziger Jahren die Ausländer als Bedrohung und ihr "Zustrom" als Anlaß für "militärische Einsätze" zur "Daseinsvorsorge" dargestellt. Mit einer multikulturellen Gesellschaft drohe ein Anspruch der Ausländer auf gleiche soziale und politische Rechte und somit eine "politische und wirtschaftliche Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland". In IfdT wurde der "Schutz vor unkontrollierten Zuwanderungen und vor Überfremdung" als militärische Aufgabe bezeichnet.. Schon in der Vorlage des Bundesministers für Verteidigung vom 20. Januar 1992 zur "Neugestaltung der Bundeswehr" - erster Entwurf der Verteidigungspolitischen Richtlinien - waren militärische Maßnahmen gegen den "Zuwanderungsdruck" vorgesehen.

Feindbild internationaler Terrorismus 

Es werden heutzutage bekanntlich Feinde in aller Welt ausgemacht und man reiht bei den "Terroristen" und der "internationalen Kriminalität" auch gleich "Chaosgruppen wie z.B. die Gruppe der Globalisierungsgegner" (IfdT) ein. In der Studie des "Bundeswehrzentrums für Transformation" heißt es: Der Übergang vom Frieden zum Krieg sei fließend, "unterhöhlt" würden die "klassischen Unterscheidungen zwischen innerer und äußerer Sicherheit sowie Krieg und Frieden". Die Bundeswehr sei auch im Innern einzusetzen zum Schutz "kritischer Infrastruktur". Den Streitkräften müsse es gelingen, "sich wirksam in einen ressortübergreifenden Verbund von relevanten Sicherheitsinstrumenten einzubringen."

Polizei, Geheimdienste, Militär - alle hören auf ein Kommando? Wie mitunter schon im politischen Raum diskutiert, plädieren die Autoren der Studie des "Bundeswehrzentrums für Transformation" (vorher: Zentrum für Studien und Analysen; inzwischen soll die Bundeswehr und möglichst die ganze Gesellschaft transformiert werden) dafür, die bisher konventionelle Trennung von innerer und äußerer Sicherheit "national, regional sowie im internationalen Rahmen neu zu strukturieren". In diesem Zusammenhang sollte die Landesverteidigung "schnellstmöglich auf Heimatverteidigung in einem umfassenden Sinne" ausgelegt werden, um so den Schutz der Bevölkerung vor den neuen Bedrohungen sicherzustellen. 

Auch an mehreren Stellen der neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 werden Einsatzaufträge der Truppe im Innern des Landes formuliert. Die Auslandseinsätze, aber vor allem diese Inlandseinsätze, werden mit der Forderung nach Fortdauer der Wehrpflicht verknüpft und mit "der Abwehr terroristischer Handlungen aus dem Luftraum oder von See her" sowie mit Aktionen mit nuklearen, chemischen, biologischen oder radiologischen Waffen" begründet. 

In diesen neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien kamen die Generäle und ihr Minister Peter Struck, der heute als SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag den Eindruck vermittelt, er lehne den Einsatz der bewaffneten Kräfte der Bundeswehr im Innern ab, wo er doch nur die Grundgesetzänderung dafür ablehnt, weil er die bewährte Methode der Uminterpretation der Verfassung bevorzugt, zu dieser Position: "Zum Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen wird die Bundeswehr Kräfte und Mittel entsprechend dem Risiko bereithalten. Auch wenn dies vorrangig eine Aufgabe für Kräfte der inneren Sicherheit ist, werden die Streitkräfte im Rahmen der geltenden Gesetze immer dann zur Verfügung stehen, wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen oder wenn der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie kritischer Infrastruktur nur durch die Bundeswehr gewährleistet werden kann. Grundwehrdienstleistende und Reservisten kommen dabei in ihrer klassischen Rolle, dem Schutz ihres Landes und ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger, zum Einsatz." 

CDU/CSU-Sprecher kommentierten erfreut: Das sei Heimatschutz, Verteidigung nicht nur am Hindukusch, sondern auch bei Hindelang. 

Der polizeiliche und juristische Einsatz gegen Terroristen und andere Gefahren im Innern wird so zur Sache der militärischen Verteidigung des Landes mittels der Massen von Wehrpflichtigen und Reservisten gemacht. Wenn man bedenkt, daß Reservisten nach einem Gesetz von Rot-Grün bis ins hohe Alter gezogen werden können, so ist zu erkennen, wohin der Karren läuft: Die Einziehung der männlichen Massen, um sie gegen "Terroristen" einzusetzen und selbst als Streikende oder Demonstrierende ausgeschaltet zu werden. Alles "im Rahmen der geltenden Gesetze". 

Dieser geplante umfangreiche Einsatz der Bundeswehr im Innern ist ein weiterer Bruch des Grundgesetzes, der mit der neuen Militärkonzeption insbesondere zur Vorbereitung des "präventiven" Angriffskrieges Gestalt annahm. "Der Wachdienst der Bundeswehr bei den US-amerikanischen Militärstandorten in Deutschland steht hier Pate," schrieb dazu während des Irak-Krieges der USA der Friedensforscher und Mitglied des Europaparlamentes, Tobias Pflüger. Auch dieser Wachdienst stellte einen deutschen Beitrag zum Aggressionskrieg nach außen und zum Krieg gegen den Inneren Feind dar. Auch Wehrpflichtige wurden dazu herangezogen. 

Nicht nur rechte CDU/CSU-Politiker standen bei der Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern Pate. In erster Linie haben Militärs dem Minister Struck die Feder geführt. Schon Ende Juli 2002 forderten der völkisch-militaristische Gebirgsjägerkameradenkreis und einer seiner Repräsentanten, der Ex-Kosovo-Kommandant General Dr. Klaus Reinhardt, die Bundeswehr auch "zu Hause" einzusetzen. Schließlich sei es doch die zentrale Aufgabe der KFOR und anderer internationaler Eingreiftruppen gewesen, für "innere Sicherheit" auf dem Balkan zu sorgen. Die Berufung auf die Geschichte ist nicht mehr zeitgemäß", ergänzte Günther Beckstein, bayerischer CSU-Innenminister, zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren.

Wer bedroht die innere Sicherheit? 

Täglich werden wir nunmehr mit einer Fülle von Meldungen konfrontiert, nach denen der Einsatz der Bundeswehr im Innern unmittelbar bevorsteht. Der neue Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nutzte die Fußballweltmeisterschaft als Vorwand, um den Weg für bewaffnete Bundeswehreinsätze im Innern frei zu machen. Entsprechende Planungen sind bereits weit fortgeschritten. 

Konkrete Formen nahmen sie mit einem Stabsmanöver als "letztem großer Test vor der Fußball-WM" an. Während der Übung würden "die Einrichtungen des Bevölkerungsschutzes (Feuerwehren, Hilfsorganisationen, Technisches Hilfswerk), der polizeilichen Gefahrenabwehr (Polizeien des Bundes und der Länder), der Nachrichtendienste sowie der Bundeswehr zum Einsatz gebracht", verkündete das Bundesinnenministerium. Seitens der Bundeswehr waren alle Teilstreitkräfte (Heer, Luftwaffe, Marine und Zentraler Sanitätsdienst) beteiligt, die Führung hatte das Streitkräfteunterstützungskommando in Köln-Wahn. Minister Schäuble zog nach Abschluß der Übung ein "rundum positives Fazit" und lobte im Pressedienst seines Hauses die "enge Kooperation aller Teilnehmer". Den Militärs diente das sportliche Großereignis als willkommener Anlaß, die "Neuordnung der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Inland" zu forcieren. In der Fachzeitschrift "Europäische Sicherheit" proklamierten zwei Kommandeure der Bundeswehr die "Notwendigkeit der Intensivierung" dieser Kooperation, die die "zuständigen Organe (...) und Institutionen auf allen Verantwortungsebenen" integrieren soll. In den Bundesländern beginnt die Bundeswehr unterdessen, flächendeckend Kommandos von "Beauftragten für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit" (BeaBwZMZ) zu installieren, die die Kooperation zwischen zivilen Organisationen und den Streitkräften koordinieren. Letztlich sollen nach neusten Meldungen insgesamt rund 7.000 Soldatinnen und Soldaten für diese neue Form der Assimilierung ziviler Kräfte an den Bedarf der Armee im Einsatz sein. 

Auf der Grundlage von Studien, wie denen des Bundeswehrzentrums für Transformation, hat die CDU/CSU im Jahre 2004 ein Papier "Landesverteidigung und Heimatschutz als Teil des Gesamtkonzepts Sicherheit" beschlossen, da sich die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufhöben und die Gefahr des Terrorismus im Lande wachse. Dies Programm hat nicht nur Auswirkungen im außenpolitischen, sondern genauso im innenpolitischen Bereich. Besonderen Wert legt die Union auf den sogenannten Heimatschutz. Dieser umfaßt, in Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden und in Bezugnahme auf das neu geschaffene US-amerikanische Überwachungsministerium "Department of Homeland Security" - die CDU-Vorsitzende Angela Merkel nennt das "Bundessicherheitsamt" - die Sicherung von wirtschaftlicher und ziviler Infrastruktur durch die Bundeswehr. Das Konzept beinhaltet die militärische Überwachung des Luft- bzw. Seeraums inklusive des darin befindlichen zivilen Verkehrs, auch durch die präventive Vernichtung von vermeintlich die Infrastruktur bedrohenden Flugzeugen bzw. Schiffen. Vor allem beinhaltet das Konzept eine ganz neue Teilstreitkraft "Heimatschutz", der ständig mit militärischen Mitteln im Innern des Landes agieren soll.

Erneuter Angriff auf das Grundgesetz 

Solche Pläne widersprechen eindeutig dem Grundgesetz. Nun wird an eine Grundgesetzänderung im Parlament gedacht - oder, was auf Grund der Erfahrungen seit 1990 eher zu vermuten ist, an eine Grundgesetzänderung durch Manipulationen und Uminterpretierungen, ohne den Text des Grundgesetzes zu ändern. Das ist zwar verfassungswidrig, aber üblich, denn das Grundgesetz bestimmt eindeutig, daß außer zu den im Grundgesetz genannten Zwecken die Bundeswehr nicht eingesetzt werden darf. Polizeiaufgaben gehören nicht zum Aufgabenkatalog der Bundeswehr. Aber derartige Uminterpretationen gab es ja schön öfter (z.B. zu Lasten des Artikels 26, der Angriffskriege verbietet). 

Mit dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts gegen das "Luftsicherheitsgesetz", sollte nun eigentlich Schluß sein mit der Debatte. In diesem Gesetz ging es darum, Passagierflugzeuge, die der Verteidigungs- und der Innenminister als von Terroristen gekidnappt ansieht, einfach abknallen zu dürfen. Indem das BVG das Gesetz kippte, hat es nicht etwa eine Auslegung des Grundgesetzes vorgenommen, sondern lediglich den Wortlaut des Grundgesetzes bekräftigt. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" (Artikel 1/1 GG) - und damit das Leben des Menschen. Aber es wurde auch die Trennung von Polizei und Bundeswehr vom Karlsruher Gericht bekräftigt. 

Schon bald nach dem BVG-Spruch wurde sowohl in Unions- wie SPD-Kreisen darüber diskutiert, man wolle dennoch gegen das Grundgesetz verstoßen. Agenturmeldung lt. Westfälischer Rundschau vom 28.2.06: "Für Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kann der Abschuß eines entführten Passagierflugzeugs unter Umständen zulässig sein. Und zwar dann, wenn der Jet zur Bedrohung wird. Der Innenminister weist in diesem Zusammenhang auf das Recht zur Notwehr hin." Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz erklärte, nur nichtkriegerische Zwischenfälle mit entführten Flugzeugen dürften nicht mit Abschüssen geahndet werden. Ein Terrorangriff von Außen mittels einer Flugzeugentführung komme jedoch stets einem "militärischen Angriff mit Soldaten gleich." 

An der Durchsetzung seiner wichtigsten Forderung im Zusammenhang mit Streitkräften als bewaffnete Instrumente der Inneren Sicherheit will Minister Wolfgang Schäuble in jedem Fall festhalten: Soldaten unter Waffen vor die Fußballstadien, Soldaten an die Gewehre für den Objektschutz. Weil dies bis zur Fußballweltmeisterschaft im Juni/Juli 2006 nicht per Grundgesetzänderung möglich zu sein schien, will Schäuble die Soldaten zu Hilfspolizisten machen, sie von der Bundespolizei - also von Schäuble - anfordern lassen. Dies hat für ihn den Vorteil, daß dann er, und nicht der in dieser Frage zu wenig engagierte Bundeswehrminister Franz-Josef Jung, der Oberkommandeur sein würde. 

Die Friedensbewegung verlangt die Beibehaltung der Trennung von Polizei und Bundeswehr und für die Bundeswehr eine Aufgabenstellung entsprechend der Verfassung. "Diese Trennung unterscheidet einen demokratischen und zivil orientierten Rechtsstaat von einem Militärstaat preußisch-deutschen Angedenkens." Und - so der Kasseler Friedensratschlag - : Wer Fußballweltmeisterschaften ins Land holt und meint, sie nur auf den Bajonetten der Bundeswehr austragen zu können, leistet einen sportpolitischen Offenbarungseid. Friedliche Spiele gedeihen am besten in einem friedlichen Land.

Im Grundgesetz Artikel 87a wird derzeit bestimmt: "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf" und "außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt." Peter Struck (SPD) erfand die "Verteidigung am Hindukusch", um den Bruch des Grundgesetzes durch Grüne und SPD zu bemänteln. Die Union griff nun zur Wiederbelebung des Begriffs der Landesverteidigung, um den Bundeswehreinsatz im Innern mit aller Gewalt grundgesetzkompatibel erscheinen zu lassen. Es heißt auf CDU-Vorschlag im Koalitionsvertrag: "Angesichts der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus greifen äußere und innere Sicherheit immer stärker ineinander."

In einem Papier der CDU, abgefaßt vom heutigen Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswehrministerium und ultrarechten Gebirgsjäger Christian Schmidt nach den Anschlägen in Madrid im März 2004, wird die Schaffung eines neuen "Organisationsbereichs im Verteidigungsministerium mit dem Titel ‚Landesverteidigung und Heimatschutz'" verlangt, dessen Aufgabe der Aufbau von bis zu 50 vernetzten "Regionalbasen Heimatschutz" mit einer Stärke von bis zu 500 Soldatinnen und Soldaten in allen größeren Städten Deutschlands sein soll. Bei einem Einsatz sollen die betreffenden Regionalbasen durch Reservisten auf eine Stärke von bis zu 5.000 Soldaten aufgestockt werden können. Bis zu 250.000 Soldaten will die CDU somit kurzfristig gegen den "Feind im Innern" mobilisieren. Die "Heimatschutztruppe" soll zu 80 Prozent aus Wehrpflichtigen und zu 20 Prozent aus Berufs- und Zeitsoldaten als deren Führungspersonal bestehen.

Als "Dank" an die Arbeiterschaft für ihre Hilfe bei der Niederschlagung der Kapp-Putschisten mit und ohne Uniform hatte die SPD-Regierung 1920 die zuvor noch hochverräterische Reichswehrführung zur Hilfe geholt. Diese hatte gegen die Putschisten nicht handeln wollen, denn "Truppe schießt nicht auf Truppe", so ihr Kommandeur General von Seeckt. Nun wurde die Reichswehr, darunter Truppen, die vorher bei den Putschisten mitgemacht hatten, gegen die Arbeiterschaft eingesetzt. Tausende von Opfern unter den Verteidigern der demokratischen Republik wurden in Kauf genommen.

Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, ist Journalist und Buchautor, z.B. "Szenen einer Nähe - nach dem großen Rechts Um der Bundeswehr", Pahl-Rugenstein-Verlag, Bonn 1998; "Die Macht im Hintergrund - Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis Struck", PapyRossa Verlag, Köln 2004.

Ulrich Sander schrieb in DER METZGER Nr. 70 "Enthüllungen mit Hindernissen" und in DER METZGER Nr. 76 "Endlich das Grundgesetz einhalten".

Mit freundlicher Genehmigung des satirischen Magazins DER METZGER.