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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

30.10.06

Die »vier Ds« zu ihrem Sofortprogramm gemacht

Zum 60. Geburtstag der VVN-BdA NRW

Begrüßungsrede von Jupp Angenfort, Landessprecher der VVN-BdA, vor 350 Gästen auf der Geburtstagsfeier der VVN Nord-Rheinwestfalen am 28. 10. 06 im Savoy-Theater in Düsseldorf. Neben den in der Rede genannten Gästen konnten später noch Karin Gerlich vom Verdi-Bezirksvorstand, Karl Stiffel von der Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges und die Linksfraktions-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Duisburg) begrüßt werden. Aus dem Landesvorstand der WASG nahm Edith Barthemus-Scholich teil, aus dem Vorstand der Linkspartei.PDS in NRW war Wolfgang Freye dabei.

Verehrte Anwesende, liebe Gäste, liebe Freundinnen und Freunde, Kameradinnen und Kameraden,

ich begrüße Euch und Sie alle herzlich zur Feier aus Anlass des 60. Jahrestages der VVN in NRW.

Vor 60 Jahren, am 26. 10. 1946, wurde hier in Düsseldorf die erste Gründung eines Landesverbandes der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes vollzogen. 500 Delegierte der 50.000 überlebenden Naziopfer aus NRW waren dabei. Die Überlieferung besagt, sie hätten ursprünglich einen ‚Kampfbund gegen den Faschismus’ gründen wollen. Der bekam dann aber auf westalliiertes Geheiß den Namen VVN. Längst wissen wir, dass die VVN immer ein Kampfbund gegen den Faschismus war und blieb – und als solcher für lange Zeit notwendig bleibt. Daher wollen wir bei der Geburtstagsfeier über das Thema „Von der Zukunft des Antifaschismus“ sprechen.

Man könnte sagen, dass das eine zwiespältige Formulierung ist. Denn wo der Antifaschismus eine Zukunft hat, da gibt es auch den Faschismus. Es ist wahr, die Nazis und Neonazis werden uns noch lange beschäftigen, die Demokratie wird noch viele Kämpfe zu ihrer Verteidigung erfordern.

Dennoch beinhaltet die Zukunft des Antifaschismus auch ein – wie man heute so sagt – konstruktives positives Projekt. Der Entwurf für die Zukunft muss anknüpfen an das antifaschistische Vermächtnis des Widerstandes sowie der Männer und Frauen der ersten Stunde. Bei Gründung der VVN waren sie sich einig:

Sie haben damals die »vier Ds« zu ihrem Sofortprogramm gemacht, und daran wollen wir anknüpfen: Sie forderten

  • Denazifizierung, Verbot der Naziparteien und –organisationen für alle Zeit.
  • Demilitarisierung, Abrüstung, Frieden.
  • Demonopolisierung - also Enteignung und Vergesellschaften des großen ökonomischen Eigentums
    und schließlich
  • die Demokratisierung der Gesellschaft.

Die vier Ds waren für sie untrennbar, dafür haben sie gewirkt. Dafür stand auch die Gewerkschaftsbewegung. Und dafür stehen wir heute und in Zukunft.

Seit 60 Jahren führt die VVN NRW die Auseinandersetzung mit Alt- und Neofaschisten, setzt sie sich ein für Demokratie, Frieden und Völkerverständigung, gegen Rassismus, für die Entschädigung und soziale Betreuung der NS-Opfer und für eine antifaschistische Gedenk- und Erinnerungsarbeit.

Ihre antifaschistischen und antimilitaristischen Aktivitäten sind Bestandteil der politischen Kultur des Landes geworden.

Die VVN-BdA hat sich im Laufe der Jahre der Jugend geöffnet, nur so konnte sie den Widrigkeiten trotzen wie

  • Verbotsdrohungen,
  • Entzug der Entschädigung für kommunistische Widerstandskämpfer,
  • Berufsverboten für ihre Mitstreiter,
  • politische Strafverfolgung ihrer Mitglieder - oft durch NS-Richter -
  • Schnüffelpraxis der Verfassungsschutzämter,
  • und Diffamierungen aller Art.

Ich begrüße die Teilnehmer unserer Veranstaltung hier auf dem Podium, die gleich noch von unserem Freund Dr. Dirk Krüger vom Vorstand des Studienkreises Deutscher Widerstand vorgestellt werden.

Ich begrüße die Künstler, die an unserem Programm mitwirken werden. Unser Freund Klaus Winkes wird durch das Programm führen.

Vor allem begrüße ich aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unserer VVN, aus Nah und Fern, die Freunde und Bündnispartner, die Vertreter befreundeter Organisationen. Einige haben uns Grußbotschaften gesandt – wir werden sie im Internet veröffentlichen. Nennen möchte ich aber einige der Absender:

  • So Ortwin Bickhove-Swiderski, Betriebsratsvorsitzender von Verdi NRW, der an erfolgreiche gemeinsame VVN- und Gewerkschaftsaktionen gegen Nazi-Richter in NRW erinnert.
  • Dann die Kulturvereinigung Leverkusen, die in ihren Räumen eine spezielle Ausstellung zu 60 Jahre VVN zeigt.
  • Auch die Deutsch-Russische Gesellschaft, Region Rhein-Ruhr, grüßt unser Treffen und erinnert an einen konstruktiven gemeinsamen Dialog, den wir bei mancher Gelegenheit, so bei der Aktion Blumen für Stukenbrock und beim dortigen Jugendcamp führen konnten.
  • Des weiteren grüßt uns die Deutsche Friedensgesellschaft DFG NRW und sie schreibt u.a. „Der gleiche Staat, dessen Vertreter in Sonntagsreden zu Widerstand gegen Nazis aufrufen, um das vermeintlich gute Ansehen Deutschlands in der Welt nicht zu gefährden, genehmigt und schützt Aufmärsche von Neonazis und Treffen von Ewiggestrigen in der ganzen Republik.“
  • Die Föderation der demokratischen Arbeitervereine DIDF grüßen uns und erinnern daran: „In den zurückliegenden Jahren haben wir vieles gemeinsam unternommen; und wir werden uns auch weiterhin gemeinsam gegen diejenigen zur Wehr setzen, die Hass und Elend über die Menschen bringen wollen.“
  • Die Bezirke der Deutschen Kommunistischen Partei von Nordrhein-Westfalen schreiben uns in einem gemeinsamen Brief, sie beglückwünschen uns zum 60. Jahrestag, erinnern an Verfolgungen von Antifaschisten in Westdeutschland aber auch an Erfolge, wie die Verhinderung des Verbots der VVN. Die VVN halte in der Jugend antifaschistisches Denken und Handeln lebendig.
  • Für die linken nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten, die Linkspartei/PDS und die WASG schreibt uns Ulla Jelpke: „Die Anliegen der VVN-BdA sind aktuelle denn je, Militarismus und Rechtsradikalismus längst nicht aus der Gesellschaft gebannt. Die aktuellen Kriege und die steigende Zahl rechtsradikaler Gewalttaten sprechen für sich.“

Wie wir wissen, wurde dem deutschen Faschismus vor über 75 Jahren der Weg an die Macht bereitet vom reaktionären Konservatismus und Militarismus sowie von bestimmten ökonomischen Eliten. Diese drei politischen Strömungen sind noch immer sehr mächtig. Und daher gilt: Der antifaschistische Kampf geht weiter. Er muß vor allem weitergehen in gemeinsamen Handeln aller Antifaschisten und Demokraten. Er wird besser weitergehen, wenn mehr Menschen Mitglieder der VVN-BdA werden und den organisierten Antifaschismus stärken. Ich begrüße 30 neue Mitglieder hier bei unserem Treffen, in den nächsten Tagen gehen ihnen ihre Mitgliedsbücher zu.

1945 schworen die befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald auf dem Appellplatz: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Aber der Nazismus wurde nicht mit seinen Wurzeln ausgerottet. Hitlers Schatten verdunkelt unsere Gegenwart und Zukunft, wenn wir nicht auch diesen Satz des Schwurs von Buchenwald beherzigen: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht.“

Und wenn die Mörder nicht mehr leben, dann gilt es, die Strukturen anzuklagen und anzugreifen, die Reaktion und Krieg immer wieder gebären. Das sind wir den Opfern des Faschismus schuldig. Das sind wir aber auch unseren Kindern und Enkelkindern schuldig, denen wir eine friedliche freundliche Welt bereiten wollen.

In diesem Sinne eröffne ich unsere Veranstaltung.

Zum Thema „Von der Zukunft des Antifaschismus“ nahmen Stellung:

  • Jupp Angenfort, ehemals Nationalkomitee Freies Deutschland, Landessprecher VVN-BdA NRW
  • Dr. Hans Coppi, Hinterbliebener der „Roten Kapelle“, Historiker, Vorsitzender VVN-BdA Berlin
  • Henny Dreifuss, ehemalige Résistance-Kämpferin, Düsseldorf
  • Gerhard Leo, ehemaliger Résistance-Kämpfer, VVN-Mitglied seit der Gründung, Publizist
  • Dr. Ulrich Schneider, Historiker, Generalsekretär der Föderation des Internationalen Widerstandes FIR
  • Anna Rolland (Essen), Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ)

Im Kulturprogramm 

  • Andreas Weißert (Dortmund), Rezitation
  • Frank Baier (Duisburg)
  • Rolly Brings und Freunde (Köln)
  • Neuschnitt des Defa-Films „Tagebuch für Anne Frank“