01.07.06
Eichmann schwieg über Adenauers rechte Hand Hans
Globke
Der Arm des BND reichte bis in
Eichmanns Jerusalemer Todeszelle
Von Ulrich Sander
Die Meldungen über die Mitwisserschaft von BND und CIA über
Eichmanns Versteck und über die Strafvereitelung für den Chef der
Tötungsmaschinerie haben die Frage nach den damaligen Zuständen in
Deutschland-West erneut aufgeworfen.
Im Januar 1939 wurde Reinhard Heydrich, der Chef der
Sicherheitspolizei und des SD, mit der Durchführung der
Auswanderung und Evakuierung der Juden aus Deutschland und am 31.
Juli 1941 mit der Endlösung der Judenfrage in dem von den Deutschen
beherrschten Europa beauftragt. Bei der Wannseekonferenz am 20.
Januar 1942 unter Leitung des später einem Attentat zum Opfer
gefallenen Heydrich kamen die Vertreter der wichtigsten
Institutionen und Ministerien des Nazireiches überein, wie die
"Endlösung" der Judenfrage zu organisieren sei. Unter dem
Abteilungsleiter Adolf Eichmann, er war Protokollführer bei der
Wannseekonferenz, wurde im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) eine
besondere Abteilung der Gestapo geschaffen, die für die jüdischen
Angelegenheiten zuständig war und zur Erforschung der Judenfrage in
den besetzten Gebieten ihre eigenen Agenten verwandte. Örtliche
Gestapo-Dienststellen wurden zunächst dazu benutzt, die
Auswanderung der Juden zu überwachen und später dazu, sie sowohl
aus Deutschland als auch aus den während des Krieges besetzten
Gebieten nach dem Osten zu deportieren, wo sie in Vernichtungslagern
ermordet wurden. Einsatztruppen der Sicherheitspolizei und des SD,
die hinter den Linien der Ostfront operierten, führten Massenmorde
an Juden durch. Eine Sonderabteilung der Gestapoleitung im RSHA
wurde dazu verwandt, die Deportierung von Juden aus den
Satellitenstaaten der Achse nach Deutschland für die ,Endlösung'
zu organisieren. (So wird in "Der Nürnberger Prozeß",
Rütten & Löning, Berlin/1957 berichtet.) Leiter auch dieser
Sonderabteilung war der zum SS-Obersturmbannführer aufgestiegene
Adolf Eichmann. Für das Innenministerium nahm Staatssekretär
Stuckart teil, Vorgesetzter des Judenspezialisten im
Innenministerium Hans Globke, der später zum hohen CDU-Funktionär
und Kanzleramtsstaatssekretär unter Adenauer aufstieg.
Eichmann hatte auch in den anderen Ministerien zahlreiche
zuverlässige Zuarbeiter, insbesondere im Außenministerium. Viele
von ihnen waren später wieder im Bundesaußenministerium tätig.
Bundesaußenminister Heinrich von Brentano (CDU) äußerte 1954
"verwundert", "dass solche Ratten wieder aus den
Löchern kommen". Der Speck der 131er Gesetzgebung zur
Wiederverwendung von NS-Beamten war ein Anlaß dazu. Für dieses
Gesetz hat auch von Brentano im Bundeskabinett gestimmt. Es war die
Bundesregierung unter Dr. Adenauer und mit einem Mann wie Herrn von
Brentano, die alle diese braunen "Ratten" und ihre Witwen
hervorgeholt und unterstützt haben. Wie wäre es denn ansonsten zu
erklären, daß so viele Angehörigen der Gestapo und der
Nazi-Polizei, Inhaber führender Positionen, in den fünfziger und
sechziger Jahren finanzielle Ansprüche stellen und erfüllt
bekommen, wie viele Beispiele bewiesen haben, die den Etat der
Bundesrepublik und der Bundesländer erheblich belasteten? Man denke
hier - um nur einige zu nennen - an den SA-Obergruppenführer und
Frankfurter Polizeipräsidenten Adolf Beckerle, der eine führende
Rolle bei den Judendeportationen auf dem Balkan, in Griechenland,
spielte. Er erhielt nach seiner Verurteilung als Kriegsverbrecher
und vorzeitigen Entlassung aus sowjetrussischem Gewahrsam nach einem
Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 25. Juli 1956 eine
"Kriegsgefangenen-Entschädigung" von 5600 DM
zugesprochen. Man denke an den NS-Polizeirat Max Anton, dem die
Stadt Lübeck auf Grund seiner Klage wegen der 1945 "verlorenen
Wohnungseinrichtung" nach einem Urteil des Karlsruher
Bundesgerichtshofes vom Januar 1958 "einen Betrag von 8000,- DM
zu zahlen" hatte; an den SS-Obersturmführer Hermann Krumey,
der zu den engsten Mitarbeitern Adolf Eichmann zählte und der als
Kreistagabgeordneter des Bundes der Heimatvertriebenen ein zinsloses
Aufbaudarlehen von 12 000,- DM erhielt, und an den ehemaligen
Generalmajor und SS-Standartenführer Paul Will, der auf Anweisung
des bayerischen Finanzministeriums eine monatliche Pension von 1090,
- DM bekam.
Erst nach der Entdeckung und Verhaftung des früheren
SS-Obersturmbannführers Eichmann in Argentinien durch den
israelischen Geheimdienst wurde gegen Krumey und Beckerle ermittelt.
Andere blieben unbehelligt:
- So vor allem Hans Globke, Mitautor und Kommentator der
Nürnberger Rassengesetze, der den Judenstern in Deutschland
einführte und für die Registrierung der Juden zum Zwecke ihrer
späteren Deportation in den Tod sorgte.
- Ferner die Vertreter der Konzerne, die an Krieg und
Sklavenarbeit sowie am Programm "Vernichtung durch
Arbeit" viele Milliarden Mark verdienten. Schon am 9.
Februar 1942 wurden sie über die Ergebnisse der
Wannseekonferenz unterrichtet, und sie leisteten ihren Beitrag
zur Umsetzung.
- Weiter solche Herren wie Rudolf Bilfinger,
Eichmann-Mitarbeiter und SS-Obersturmbannführer; nach dem Krieg
Oberverwaltungsgerichtsrat beim Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg in Mannheim.
- Sodann Otto Hunsche, SS-Hauptsturmführer und juristischer
Berater Eichmanns, der ungestört als Rechtsanwalt in
Datteln/Westfalen arbeitete.
- Und weiterhin der Ratsherr in Kiel und Vorsitzende der
Vereinigung ehemaliger Polizeioffiziere Otto Winkelmann, der als
Eichmann-Mitarbeiter für die Deportation und Ermordung von
400.000 ungarischen Juden sorgte.
- Nicht mitgerechnet die zahlreichen Geheimdienstmitarbeiter von
BND und Verfassungsschutz, unter denen "zahlreiche
Holocausttäter" (Spiegel 13/2006) waren.
Es gab Tausende einflussreiche Persönlichkeiten der
Nachkriegszeit, die als Ex-Nazis und Mordgehilfen und Mittäter
Aussagen des Adolf Eichmann fürchten mussten. Kürzlich wurde
bekannt, dass der deutsche Geheimdienst BND schon zwei Jahre vor
Eichmanns Festnahme von seinem argentinischen Wohnort und seinem
Decknamen Kenntnis hatte. Der BND bedrängte erfolgreich die CIA,
die das gleiche Wissen hatte, Eichmann zu schützen. Die
Adenauer-Regierung fürchtete sich vor einer internationalen Debatte
über die Naziherrschaft und über die Präsenz des deutschen
Faschismus, einschließlich hochbelasteter Kader in der CDU/CSU und
im Staatsapparat. Eichmann hätte Angaben über Verbindungen
zwischen hohen Beamten der Bundesregierung, besonders über Globke,
und Nazifunktionären machen können.
Als Eichmann dann drei Jahre später in Jerusalem vor Gericht
stand, da schwieg er über die Zustände in der BRD. Der Arm des BND
reichte auch bis in die Zelle des später zum Tode Verurteilten. Als
Werner Stertzenbach im April 1961 für "Die Tat" als
Sonderkorrespondent zum Eichmann-Prozeß fuhr, titelte seine
VVN-Zeitung: "Sensation im Eichmannprozeß". Das war als
Anreißer zu der Frage gedacht, ob der Leiter des SS-Judenreferats
und Organisator des millionenfachen Mordes, Adolf Eichmann, der sich
immer als "kleines Rädchen" schilderte, über jene
sprechen würde, die die Rädchen bedienten. Doch Eichmann schwieg
über seine Helfershelfer, Komplicen und Anstifter. Westdeutsche
Behörden, hatten über Eichmanns Anwalt Kontakt zu ihm aufgenommen
und zur Disziplin und Zurückhaltung ermahnt. "Die Tat"
legte Beweise vor, indem sie berichtete: "Mitte März 1961
wurde die israelische Regierung im Parlament gefragt, ob es stimmt,
dass der Bonner Anwalt Dr. Servatius seinen Mandanten aufgefordert
habe, keine Angaben über Globke zu machen. Die Antwort war
eindeutig. Es stimme, so sagte der israelische Justizminister, dass
Eichmann in einer großen Anzahl von Fällen die Aussage verweigert.
Ob hierzu auch Fragen nach der früheren Tätigkeit des deutschen
Staatssekretärs Globke zählten, könne er jedoch nicht sagen. Das
ist kein Dementi! Wir fragen: Wer hat daran gedreht?"
Ja, wer hat daran gedreht?
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