31.05.06
"Die gültige
Traditionsarbeit der Bundeswehr dient jedoch nicht dazu, Lehren aus
der Geschichte zu ziehen"
Rassismus und Neofaschismus in der Bundeswehr
heute
Von Ulrich Sander
Zur Anhörung von Die Linke.im Bundestag "Bundeswehr im
Abseits - Für die Beibehaltung des Grundgesetzes - Keine
Militäreinsätze im Inland" wird für die VVN-BdA eine
Ausarbeitung zu der Frage vorgelegt: "Was ist das für eine
Bundeswehr, die da - grundgesetzwidrig - im In- und Ausland
eingesetzt wird? Über die Rechtsentwicklung der Bundeswehr"
(22.5.06)
Die Bundeswehrspitze hat zum Thema Rechtsextremismus und
Militärtradition stets betont: Die heutige Militärtradition speise
sich nicht aus der NS-Geschichte, diese sei nicht traditionswürdig.
Und es hieß: Rechtsextremismus komme aus der Gesellschaft und werde
allenfalls in die Bundeswehr eingeschleppt.
Die gültige Traditionsarbeit der Bundeswehr dient jedoch nicht
dazu, Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Sie wie die
Unterlassungen, aber auch viele Handlungen im Rahmen des politischen
Unterrichts der Truppe tragen erheblich zu Rechtsextremismus,
Kriegs- und Gewaltbereitschaft bei.
Die Rechtsentwicklung in der deutschen Armee seit dem Ersten
Weltkrieg war auch nie das Resultat einer Art Machtübernahme durch
die Rechtsextremen und Nazis in der Truppe. Die Reichswehr hat ihre
eigenen rechtsextremen Quellen und war ihrerseits Quelle des
deutschen Faschismus.
Auch die heutige Bundeswehr ist mehr Quelle als Ergebnis der
Rechtsentwicklung in der Gesellschaft. Die Gelöbnis-Demonstrationen
der Bundeswehr in Berlin und vielen anderen Städten, der Streit um
die Wehrmachtsausstellung - auch und gerade in der Bundeswehr -
sowie die auftrumpfenden Äußerungen höchster deutscher
"siegreicher" Militärs seit der Wende 1989/90, ferner die
rechtsextremen Vorkommnisse 1997-1998 in der Bundeswehr haben die
Frage nach dem inneren Zustand, nach "Innerer Führung"
und nach Stellung der Rechtskräfte zum Militär und im Militär in
besonderer Weise aktualisiert.
Anfang September 1999 demonstrierten rund 5000 uniformierte
Bundeswehrsoldaten in Berlin für mehr Haushaltsmittel für
Hochrüstung und für die Kriegseinsätze. Diese politische Pression
des Bundeswehrverbandes war Höhepunkt einer Entwicklung, die
besonders ihren Aufschwung nahm, nachdem die Generale 1992 den
Politikern ihre Verteidigungspolitischen Richtlinien verordnet
hatten.
Seit Jahren und besonders seit dem 24. März 1999, dem Tag des
Beginns des NATO-Angriffs auf Jugoslawien, haben wir wieder einen
bedrohlichen, einen friedensbedrohenden Faktor in Gestalt eines
neuen illegalen Generalstabes. Und seit Frühjahr 2002 gibt es gar
wieder einen scheinbar legalen Generalstab. Dieser Führungsstab der
Streitkräfte - FüSIII - hat sich in einem internen Papier, das
aber dennoch an die Öffentlichkeit geriet, zum
EU-Verfassungsentwurf geäußert und zwar im antidemokratischen
Sinne: "Die verantwortliche Übernahme ...
verteidigungspolitischer Aufgaben durch ein politisch geeintes
Europa macht ... den nationalen Parlamenten verpflichtete
Streitkräfte entbehrlich." (Süddeutsche, 29. 4. 03)
Nach Ende des ersten Krieges der Deutschen nach 1945 und des
dritten deutschen Feldzuges gegen Serbien seit 1914 jubelte eine
konservative Zeitung: "Zivilisten feiern Deutsche im
Stahlhelm: So bejubelt wie die Bundeswehr auf dem Weg nach Prizren
wurde zuletzt die Wehrmacht auf dem Weg nach Pilsen." (Die
Welt, 15.6.99)
Auch andere Medien brachten damals ähnliche Berichte. Die ersten
Soldaten, die im Kosovo Besatzungsmacht spielten, hofften - laut
"Spiegel" - nach ihrer Rückkehr auf einen
"mindestens ebenso spannenden Einsatz." Laut "Spiegel"-Almanach
2000 haben diese Soldaten, "die dort Dienst taten, zu ihrem
Beruf ein pragmatisches Verhältnis gefunden und sie beeindrucken
durch souveräne Lässigkeit im Umgang mit der Geschichte: 'Ob mein
Großvater auf dem Balkan Gräueltaten verübt hat, ist mir Banane',
sagt Fallschirmjäger Patrick Braun, 26, aus Wiesbaden, 'ich bin
hier die Friedensmacht.'" (nach "Freitag" 25. 2.
00)
Die Nazi-Wehrmacht des Gräuel verübenden Großvaters wird dann
auch in "Information für die Truppe" im großen und
ganzen gewürdigt. Grundsätzlich heißt es in der
Bundeswehrzeitschrift, es grenze ans "Pathologische", die
Wehrmacht wegen "moralischer Verkommenheit" und ihres
"Verbrechertums" als weltweit einmalig anzuklagen, wie es
besonders mit der Wehrmachtsausstellung des Herrn Reemtsma geschehe.
"Die öffentliche Diskussion über die Wehrmacht hat
vielfach die Perspektive in wissenschaftlich unakzeptabler Weise auf
die Frage der Kriegsverbrechen verengt." (IfdT 6/99)
Die Wehrmacht als Vorbild der
Bundeswehr
Es sei notwendig, die "herrschenden Denkmuster" zu
verlassen, heißt es in "Information für die Truppe" vom
September/Oktober 1999. Und das geht so: Da wird den von der
Wehrmacht mit Krieg überzogenen Ländern die Schuld am Krieg
gegeben. "Vor allem das Verschweigen der verheerenden Folgen
des Versailler Diktats und dessen Mitursächlichkeit für 1933 und
1939, ferner die anhaltende Tabuisierung der seinerzeit höchst
aggressiven Interessen- und Machtpolitik vor allem Frankreichs,
Polens und der Tschechoslowakei einschließlich der von ihnen
begangenen oder unterstützten massiven Verletzungen völker- und
menschenrechtlicher Normen gegenüber Deutschland, zumal des
Selbstbestimmungsrechts" - dies alles wird als
Kriegsursache genannt. Revanche für die Niederlage von 1918 stellt
für die Bundeswehrmedien also eine zulässige Begründung für 1933
und für den Überfall auf Polen 1939 dar. Auch die Besetzung
Frankreichs und der Tschechoslowakei sind nur die Antworten auf die "Menschenrechtsverletzungen"
gegenüber Deutschen!
Eine derartige profaschistische Geschichtsrevision ist selten zu
finden außerhalb der Neonazipublikationen. Die Verbrechen des
deutschen Faschismus hat es in den ersten acht Jahren des Faschismus
an der Macht eigentlich nicht gegeben, folgt man der
"Information für die Truppe". Die Wehrmachtssoldaten
hätten sich gegen die Folgen von Versailles und gegen den
"'Täter' der bis dahin größten Verbrechen der
Menschheitsgeschichte" gestellt - den Bolschewismus und Stalin
also. Denn "nicht Auschwitz, sondern vor allem diese
Tatsachen waren 1939/1941 der Erfahrungshintergrund der
Wehrmachtsgeneration." (IfdT 9/10/99)
Der Überfall auf die Sowjetunion hat also demnach zumindest zu
Beginn seine Berechtigung gehabt. Auschwitz war dann wohl die
Antwort auf das jüdisch-bolschewistische System, soll der Soldat
folgern. Und dann kommt noch die ganze Litanei von den Soldaten der
Wehrmacht, die nicht nur viel geleistet, sondern auch gelitten
haben. All dies in einer Besprechung einer offiziellen
Bundeswehrzeitschrift (IfdT 9/10-99) über ein Buch einer
Bundeswehreinrichtung, des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
nämlich. "Die Wehrmacht. Mythos und Realität" heißt es.
Sein Mitherausgeber Rolf-Dieter Müller wird zitiert: Man müsse
wegkommen von der "Betroffenheitspflege und
Opferperspektive".
Die neonazistischen Demonstrationen gegen die "Reemtsma"-Ausstellung
"Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944 - Dimensionen des
Vernichtungskrieges" sind auch dem Schutz der Bundeswehr
gewidmet. Denn die rechten Aufmarschierer stellten sich hinter den
"deutschen Soldaten" aller Generationen, dessen Andenken
vor der Wehrmachtsausstellung geschützt werden müsse. "Ruhm
und Ehre der Waffen-SS" rufen die Neonazis bei solchen
Zusammenrottungen. Und die Justiz weigert sich, gegen solche
Nazipropaganda vorzugehen. (Weil sie nicht eins zu eins en
Formulierungen des NS entsprächen, stellte der Bundesgerichtshof
fest.) In der Bundeswehr sind sie allesamt gewesen, die
Demonstranten zugunsten der "Wehrmachtshelden". Denn unter
den Neonazis findet man kaum Kriegsdienstverweigerer. Der
Balkan-Krieg und seine Vorbereitung haben in der Bundeswehr neue
rechtsextreme Spuren hinterlassen. Die rechtsextremen Exzesse aus
der Zeit der sogenannten "Vorkommnisse" 1997/98 fanden
besonders in Truppenteilen statt, die auf den Einsatz auf dem Balkan
vorbereitet wurden. Eine aufschlussreiche Meldung besagte:
Der Ernstfall schafft den
rechtsextremen Soldaten
"Nach den Enthüllungen von Gewaltvideos haben
katholische Militärpfarrer die Vorbereitungen der Bundeswehr auf
Auslandseinsätze als Nährboden für rechtsextreme Vorfälle
bezeichnet. Der Ernstfall ändere das Bewusstsein der Soldaten und
ziehe ein anderes Spektrum von Wehrpflichtigen an ... Rechtes
Gedankengut trete nicht als `Krankheit` beim Auslandseinsatz auf,
sondern bilde sich vielmehr bei den Vorbereitungsübungen im Inland.
Soldaten der Krisenreaktionskräfte, die z.B. tagelang
Kampfsituationen nachstellten, sähen sich schnell als
Kriegsteilnehmer wie ihre Großväter in der Wehrmacht." (Westf.
Rundschau nach Nachrichtendiensten, 11. Nov. 1997)
Und ein weiterer Bericht sei hier zitiert. In der Sendereihe
"Streitkräfte und Strategien" sprach ein Rainer Götz
über die Friedensmission der IFOR-Truppe in Jugoslawien. Er sprach
zum Thema "Kriegsnähe ist jetzt Realität - Gestellte
Vergewaltigungen und der Lehrplan der Bundeswehr" und führte
aus: "Ein anderes Problem beim Bosnien-Einsatz ist neben der
Auswahl der Teilnehmer die Ausbildung selbst. Die klassische
Situation des Soldaten, sein Leben zu riskieren und das anderer zu
zerstören, war für die Bundeswehr jahrzehntelang nur Theorie
(...). Doch Kriegsnähe ist jetzt Realität, so wie sie in
Hammelburg vorausgesetzt wird, wo schon lange Infanterietaktiken
gelehrt und Einzelkämpfer trainiert werden. Deswegen wurde auch die
Ausbildung für die UN-Einsätze dorthin vergeben. Die Soldaten
werden in der Infanterieschule auf Extremsituationen vorbereitet, in
denen sie Gewalt ausüben oder Gewalt erleiden müssen.
Gefechtsstress lässt sich ohnehin nur unvollständig simulieren.
Ereignisse wie schwere Verwundungen oder, mit Blick auf Bosnien,
eine nachgestellte Vergewaltigung müssen durch psychologische
Gespräche vertieft werden. Und die Soldaten müssen sich freimachen
von dem schönen Motto, das Verteidigungsminister Volker Rühe den
Soldaten für Somalia mit auf den Weg gegeben hatte: Schützen,
retten, helfen. Die Parole ist zwar insofern zutreffend, als die
Vereinten Nationen bei ihren Aktivitäten immer eine humanitäre
Absicht verfolgen. Die soldatischen Tätigkeiten bei einem
Nato-Einsatz für die UNO beschreibt ein solcher Leitsatz jedoch
nicht. Dennoch hält er sich naturgemäß vor allem unter
Wehrpflichtigen." (Rundfunkbericht vom 19. 4. 96 im NDR 4)
Reale Kriegsnähe hat mit Humanität nichts zu tun, ein wichtiges
Eingeständnis. In der Infanterieschule Hammelburg werden
Vergewaltigungen nachgestellt - im Rahmen der Erziehung zum
Kämpfertum. Das war über ein Jahr lang durchaus bekannt, bis dann
Videos auftauchten, die Bundeswehrsoldaten bei den nachgestellten
Grausamkeiten zeigten - ergänzt durch faschistisches Gebrüll. Die
Aufregung war groß - nicht wegen der einschlägigen Übungen in
Hammelburg, sondern wegen der Verbreitung von Videos, die diese
darstellten. Zusätzlich wurde gemeldet, dass die Absolventen der
Infanterieschule von Hammelburg, genannt "Adolf Heusinger
Kaserne", aus Schneeberg in Sachsen kamen, was sofort in das
Bild von der rechtsextremistischen DDR-Jugend passte, das weit
verbreitet wurde. Was nicht bekannt war: Die Ausbilder von
Hammelburg und Schneeberg stammten nicht aus der DDR, sondern aus
der alten Bundesrepublik. Zu ihnen gehörte auch der Oberst Reinhard
Günzel, der später als Brigadegeneral das Kommando Spezialkräften
KSK anführte und der abgesetzt wurde, nachdem er den
antisemitischen Ausfällen des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann
zugestimmt hatte.
Die Schneeberger waren zunächst Jäger, dann ab Mitte der 90er
Jahre - als die Nazivideos angefertigt wurden - allesamt Angehörige
der Gebirgstruppe. Und das kam so: Mitte der 90er Jahre war Oberst
Reinhard Günzel Chef der Jägerbrigade 37 "Freistaat
Sachsen" in Schneeberg geworden. Damals traten Vertreter der
Gebirgstruppe an ihn heran und baten ihn um Unterstützung für den
Plan, auch in der ehemaligen DDR die Gebirgstruppe zu stationieren.
Auch gegenüber dem Minister traten die Gebirgstruppler fordernd
auf. Obgleich er sie mit einem Kampfauftrag beim Einsatz im
ehemaligen Jugoslawien auszeichnete, hatten die Gebirgsjäger von
Volker Rühe, CDU-Wehrminister, immer mehr und mehr verlangt. Sie
wollten auch im Erzgebirge und Vogtland, in der ehemaligen DDR, ihre
Einheiten stationiert haben. So gelangte das ins Gerede gekommene
GebJgBtl 571 nach Schneeberg/Westerzgebirge. Dort wurden zwei
Bataillone den Gebirgsjägern zugeschoben. Im Bericht des
Verteidigungsausschusses zur Untersuchung rechtsextremer
Vorkommnisse bei der Bundeswehr hieß es dazu im Sommer 1998 auf S.
281: "Das Jägerbataillon 517 befand sich in den Jahren
zwischen 1993 und 1995 in einer schwierigen Umbruch- und
Aufbauphase. Zwei Jägerbataillone wurden zum neuen
Gebirgsjägerbataillon 517 umstrukturiert. Damit war über längere
Zeit eine erhebliche Personalfluktuation verbunden. Bei den
Zugführern, Kompaniefeldwebeln und Kompanietruppführern erfolgte
ein reger - nahezu jährlicher - Personalwechsel." Personal aus
dem Westen, vor allem Gebirgsjäger aus Bayern strömte ein. Die
Gebirgskameradschaft Westerzgebirge und ihre bayerischen Kameraden
waren eng vernetzt.
Die Sache mit den Videos
"Wenn demnächst Gebirgsjäger der Bundeswehr in die
Jägerkaserne Schneeberg einziehen, werden sie erkennen, dass die
'alten Jager' hier schon Fuß gefasst haben." Mit diesen Worten
waren im Juni 1995 die Ausstellungsstücke der Gebirgsjäger aus
Bayern im neuen Traditionszimmer der Gebirgskameradschaft in der
Jägerkaserne Schneeberg angebracht worden. Schon vor der Umwidmung
der Kaserne in Schneeberg von der Unterkunft einer
Mot.Schützen-Einheit der NVA der DDR (die Nationale Volksarmee
hatte keine Gebirgsjäger) zur Gebirgstruppenunterkunft haben die
Aktiven der Kameradschaft seit 1992 in Schneeberg gewirkt.
Spätestens ab 1995 erhielten sie dann die volle Unterstützung der
Bundeswehr. "Durch weitere Bemühungen unseres Vorstandes, dem
auch Kamerad Hauptfeldwebel Ihl angehört, ist es uns gelungen, beim
Kasernenkommandanten Oberstleutnant Faustmann die Genehmigung zu
erhalten, den Nebenraum des Uffz-Heimes gleichzeitig für uns als
Traditionszimmer zu nutzen," berichtete stolz der
Kameradschaftssprecher Paul Wunderlich. "Zu allen
Anlässen" würden der Kameradschaft seitens der
Kasernenkommandanten Oberst Möhnle und Oberstleutnant Sehmrau sowie
des Kommandeurs des Jägerbataillons 571, Oberstleutnants Rather,
die kulturellen Einrichtungen des Standortes zur Verfügung
gestellt. Soweit ein Bericht vom Export des völkischen
Rechtsextremismus nach Sachsen und zurück nach Hammelburg in
Bayern.
Auch mit dem Brigadekommandanten Oberst Reinhard Günzel, später
Brigadegeneral der von der Regierung genehmigten geheimen
Untergrundarmee "Kommando Spezialkräfte", die in
Afghanistan bisher nicht enthüllte Aktivitäten unternahm, kam es
schon in Schneeberg zu allerlei Merkwürdigkeiten. Im Oktober 1996
hatte seine Brigade trotz eindringlicher Proteste von
Umweltverbänden, Anwohnern, Urlaubern und Politikern im
Nationalpark Sächsische Schweiz die Übung "Jäger 90"
abgehalten. In der Antwort der Bundesregierung vom 24. Juli 1997
(Drucksache 13/8055) auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 13/7684)
heißt es, während dieser Übung sei es zu "konfrontativen
Begegnungen zwischen Bundeswehrvertretern und Demonstranten"
gekommen. Die "Sächsische Zeitung" hatte am 17. Oktober
1996 eine öffentliche Stellungnahme von Oberst Günzel zitiert:
"Das waren ein paar motivierte, übermotivierte Leute und ein
paar Berufschaoten", hatte er damals gemeint. Und er bekannte
freimütig, er habe in jener Situation um "professionelle
Gelassenheit" gerungen. O-Ton Günzel: "Wir hätten das
Problem schnell gelöst, wenn wir nicht sehr, sehr an uns gehalten
hätten". Laut Mitschnitt der Pressekonferenz sagte der Oberst:
"Wir wollen eben nicht diese Bilder in der Presse. Wir wollen
uns nicht mit der Bevölkerung anlegen."
Auf die Frage, wie die Bundesregierung diese Äußerungen eines
offiziellen Vertreters der Bundeswehr bewerte, antwortete das damals
noch von Volker Rühe (CDU) geleitete Verteidigungsministerium, der
Einsatz von Fallschirmjägern gegen friedliche Demonstranten sei
"tatsächlich zu keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen
worden". Die Äußerungen des Obersten "in der
dargestellten Form" müßten jedoch "eindeutig mißbilligt
werden". Da der Brigadekommandeur bereits am Folgetag seine
Äußerungen in einer Presseerklärung "mit größtem
Bedauern" zurückgenommen habe, sei die Angelegenheit
"für die Bundesregierung erledigt" gewesen. Es habe
jedoch "keine Veranlassung zu einer disziplinären Maßregelung
bestanden".
Der Fall eines Gebirgsjäger- und
KSK-Kommandeurs
In einem weiteren Teil der Kleinen Anfrage wird nachgeforscht, ob
Günzel "Teil der für besonders heikle Konfliktregionen
vorgesehenen Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr" ist oder
war und ob die Bundesregierung "militärischen
Führungspersonen, die bereits in einer Situation mit ca. 50
gewaltfreien Demonstranten zur gewaltsamen Eskalation neigen, die
Verantwortung für den Einsatz in weit sensibleren Konflikten"
anvertraue. Antwort der Regierung: "Teile der Brigade"
seien "zukünftig als Krisenreaktionskräfte (KRK)
vorgesehen". Die Unterstellung, dass Oberst Günzel zur
Eskalation neige, sei "ungerechtfertigt".
Trotz allem bekam Günzel im Jahre 2000 als Brigadegeneral das
Kommando über die neue Truppe "Kommando Spezialkräfte".
Die dreijährige Führungstätigkeit Günzels in dieser
"verschworenen Gemeinschaft", die "grundsätzlich
verdeckt" arbeite und sich "parlamentarischer und erst
recht öffentlicher Kontrolle" entziehe, habe zweifellos Spuren
hinterlassen, stellte der Bundesausschuss Friedensratschlag aus
Kassel nach Günzels Absetzung im Zuge der Hohmann/Günzel-Affäre
fest.
Mit dem Videoskandal von Schneeberg und Hammelburg hätte
eigentlich das Gerede von den rechtsextremistischen Einzeltätern,
die zu zudem noch von der DDR geprägt seien, der Vergangenheit
angehören müssen. Doch das wichtige Detail - dass die Quelle des
Rechtsextremismus aus Bayern floss - blieb weithin unbekannt.
Unter den Gebirgsjägern geben die Mitglieder des
völkisch-reaktionären Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.,
d.h. aus Bayern stammende Vorgesetzte und Offiziere, als
Mitverantwortliche der Videos den Ton an. Es liegen Mitgliederlisten
des "Kameradenkreises" vor, die die Herkunft vieler
Schneeberger Jäger aus Westdeutschland belegen. Dem einflussreichen
Kameradenkreis der Gebirgsjäger gehörten Mitte der 90er Jahre rund
zehntausend Wehrmachts- und SS-Veteranen sowie Bundeswehrsoldaten
und Reservisten an. Der oberste Gebirgsjäger Generalmajor Rainer
Jung, der sich bis zuletzt gegen Umbenennungen von nach NS-Größen
benannten Kasernen in Bayern wehrte, hat den Kameradenkreis als
"die Verbindung zwischen den aktiven und nichtaktiven
Angehörigen der Gebirgstruppe" bezeichnet. In seiner Rede vor
der Gebirgstruppe und dem Kameradenkreis im Mai 1997 beim
Pfingsttreffen auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald würdigte
General Jung die Gebirgsjäger, die heute "als unsere Truppe in
Bosnien an erster Stelle" ihren Auftrag erfüllen und im
Zweiten Weltkrieg sich "für das Vaterland geopfert"
hätten. Die "Niederlage" von 1945 sei
"demütigend" gewesen, die Soldaten hätten ihre Pflicht
getan und "womöglich" für eine falsche Sache Opfer
erbracht. Die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht
kritisierte Jung: "Bestimmte Leute stellen nicht die Wahrheit
dar, weil sie sie nicht kennen und auch nicht kennen wollen."
Der General verwies auf die verlogenen Aussagen der
Spätheimkehrer aus der Sowjetunion von 1955 in Friedland,
"dass wir nicht gemordet, nicht geschändet und nicht
geplündert haben. Wenn wir Leid und Not über andere Menschen
gebracht haben, so geschah es nach den Gesetzen des Krieges."
(zitiert nach "Gebirgstruppe" Nr. 4, Aug. 1997)
Ungeachtet dessen proben Gebirgsjäger und andere Infanteristen
der Bundeswehr wieder Rassismus, Mord, Schändung und Plünderung,
wie die Videos von Hammelburg und Schneeberg zeigen.
Zwar soll die rechtsextremistische Entwicklung in der Bundeswehr
seit der Zeit der "Vorfälle" 1995-1997 und ihrer
parlamentarischen Untersuchung im Jahre 1998 nach Auskunft der
Hardthöhe zurückgegangen sein. Es gibt allerdings Hinweise, dass
die Zahl der "Vorfälle" auf hohem Niveau blieb, jedoch
sei die Zahl der Meldungen dieser Vorfälle an die Vorgesetzten
rückläufig.
Neonazis werden zur Bundeswehr
gerufen
Es existiert ein älterer Aufruf der Neonazis zum Dienst in der
Bundeswehr, der noch immer gilt. Es ist ein Aufruf zur Bewaffnung
und Gewaltvorbereitung, der seit Jahren in der Neonaziszene
kursiert. Er richtet sich an "junge Kameraden und Kameradinnen,
die vor der Berufswahl stehen, unbelastet, intelligent und sportlich
sind." Sie sollen sich getarnt zu "einer Ausbildung bei
Bundeswehr und Polizei" melden, "mit dem Ziel, sich in
besonders qualifizierten Spezialeinheiten (!) das nötige Wissen und
Können anzueignen."
Der Initiator des Aufrufs ist Steffen Hupka, ehemalige
Mitarbeiter des verstorbenen Neonaziführers und Leutnants a.D.
Michael Kühnen. Er gehörte zur rechtesten Ecke in der NPD und
tritt oft gemeinsam mit den militantesten AntiAntifa-Schlägern in
Erscheinung. Hupka: "Widerstand, der auf die Beseitigung
eines volksfeindlichen Systems zielt, muß professionell geplant
sein." (So heißt es in dem Papier "Umbruch" aus
dem Jahr 1995, herausgegeben von Hupka). Der Aufruf war erfolgreich.
Und so kam es zu sogenannten Einzelfällen wie diesen
(zusammengestellt von der Zeitung "Freitag"):
- 3. Dezember 1993 - vor Hitler-Bildern und der
Reichskriegsflagge feiern Unteroffiziere in der
Franz-Josef-Strauß-Kaserne Altenstadt den Geburtstag des
"Führers". Militärische Jahrestage werden dort seit
1990 begangen, dekoriert mit Nazi-Fahnen.
- 7. November 1994 - ein Bundeswehrsoldat sticht im hessischen
Rotenburg einen jungen Polen nieder und verletzt dessen Freund.
Der Soldat trägt ein T-Shirt mit aufgedruckter
Reichskriegsfahne. Der Täter wird nicht verhaftet und nicht
bestraft; der junge Pole aus der Antifaszene stirbt.
- 24. Januar 1995 - "Roeder-Affäre": Der
Rechtsterrorist Roeder referiert an der Führungsakademie der
Bundeswehr über die "Ansiedlung von Russland-Deutschen in
Königsberg". Niemand der 30 Teilnehmer nimmt daran
Anstoß.
- 30. Januar 1996 - die Bundeswehr entlässt einen
Unteroffizier, der Soldaten befohlen hat: "Katholische
links raus - Evangelische rechts raus - Juden unter die
Dusche!"
- 17. März 1997 - fünf Bundeswehrsoldaten greifen zwei Türken
und einen Italiener mit Messern und Baseballschlägern an und
verletzen sie. Zuvor jagen die 20 und 21 Jahre alten Soldaten
die Ausländer durch Detmold.
- 19. März 1997 - an diesem Tag wird bekannt, dass Soldaten
während einer Ausbildung für Kriseneinsätze 1996 in
Hammelburg Videos mit abstoßenden Gewalt- und Naziszenen
gedreht haben.
- 26. Oktober 1997 - Ergebnisse einer "Studie über die
politische Grundeinstellung von Offiziersstudenten" (1995)
werden bekannt. Über die Hälfte stuft sich politisch rechts
ein. Jeder Fünfte der angehenden Berufssoldaten gibt an,
national-konservativem Gedankengut anzuhängen. (Aktuelle
Studien aus dem Jahr 2003 und 2004 bestätigen diese
Angaben.)
- 28. November 1997 - die grüne Bundestagsabgeordnete Angelika
Beer registriert im Traditionsraum der Luftlandetruppe in
Büchel Wehrmachtserinnerung: Vitrinen mit Medaillen, Orden,
Abzeichen mit und ohne Hakenkreuz. Auf einer Karte sind
Einsatzräume der Wehrmacht in der UdSSR eingezeichnet.
- Mai 2001 - der Staatsschutz in Niedersachsen ermittelt wegen
Volksverhetzung gegen einen Soldaten des Jagdgeschwaders 71
"Richthofen" in Wittmund. Er soll über den
Internetsender Radio Wolfsschanze vier Sendungen mit
rechtsradikalen und antisemitischen Inhalten verbreitet
haben.
- 2003: 110 rechtsextremistische Vorkommnisse in der Armee
(leichte Steigerung gegenüber 2002); gemeldete Fälle durchweg
Propaganda-Delikte, unter anderem das Grölen rechtsradikaler
Lieder.
(Aus: "Freitag" 47, 14. November 2003)
Der Bericht des
Untersuchungsausschusses
Im Bericht des Verteidigungsausschusses des Bundestages vom 18.
Juni 1998 "zur Abklärung tatsächlicher und behaupteter
rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr" wird
festgestellt: Nachdem Rechtsextreme zu Beginn der 90er Jahre den
Wehrdienst verweigerten, "weil die Bundeswehr als Armee eines
demokratischen Staates und Bündnisarmee abgelehnt worden sei,"
gebe es seit jüngerer Zeit eine Gegenbewegung mit dem Ziel des
verstärkten Eintritts in die Bundeswehr. Der Chef des
Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Dr. von Hoegen, sagte laut
Bericht (S. 50): "Aus der Sicht dieser jungen Leute sei die
Bundeswehr eine ausländerfreie Männergesellschaft, in der es eine
hierarchische Ordnung und ein Führerprinzip gebe. Nach deren
Auffassung könne man in der Bundeswehr das Waffenhandwerk
lernen." Gewünscht sei von den Rechtsextremisten eine
Verwendung im Heer, "denn das Heer stelle in der Vorstellung
der Rechtsextremisten die ‚Kämpfer' dar. Innerhalb des Heeres sei
die Luftlandetruppe und die Grenadiertruppe bevorzugt. Die
Krisenreaktionskräfte übten auf freiwillig Längerdienende aus dem
rechtsextremistischen Spektrum eine große Anziehungskraft
aus."
Konkret wird in dem Bericht ausgeführt, dass ab 1995 bei den
Fallschirmjägern eine erhöhte Zahl von
"Verdachtspersonen" festgestellt worden seien. In mehreren
Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss wurde - z.B. von
Oberstleutnant Krauss vom MAD - von der großen Anziehungskraft der
Fallschirmtruppe für Rechtsextremisten gesprochen. Oberstleutnant
Krauss weiter: "Problematisch sei die Erkennung derjenigen
Soldaten mit rechtsextremistischem Gedankengut, die nicht durch ihr
äußeres Erscheinungsbild auffielen. Diese gehörten im Dienst
häufig zum ersten Leistungsdrittel ihrer Einheit. Sie wollten
möglichst lange in der Bundeswehr bleiben, um dort führen zu
lernen und um später möglicherweise in einer Wehrsportgruppe eine
Führungsrolle übernehmen zu können. (Seite 228/229)
Die heutige Durchdringung der Truppe mit der rechtsextremen
Ideologie ähnelt historischen Vorlagen. In dem Buch aus dem
NSDAP-Verlag von 1939 "Partei und Wehrmacht" heißt es: "Mag
die internationale Judenschaft Deutschlands Emporwachsen mit Hass
und Vernichtungswünschen beobachten und neidisch den Erfolgen
nationalsozialistischer Staats- und Wirtschaftsführung zusehen! Wir
Deutsche wollen Frieden für uns und die kommenden Geschlechter, und
wir werden ihn zu schützen und notfalls zu erkämpfen wissen"
(Seite 112). Das war die Definition vom Frieden, der erst durch
Krieg erreichbar ist. Und die ist auch heute noch - oder schon
wieder - gebräuchlich - und zwar nicht nur in Neonazischriften: "Nach
Ende der Ost-West-Konfrontation ist Europa in eine Phase
eingetreten, in der sich der Frieden in geringerem Maße als früher
durch Kriegsverhütung gewähren lässt."
("Information für die Truppe", Januar 1992). Denn: "Der
Krieg behauptet sich nach wie vor als Instrument im Arsenal der
Politik." (IfdT, Mai 1991).
Wieder einmal: Der Krieg gegen die
Untermenschen
Rechtsextreme Ideologie, die nicht in die Bundeswehr
eingeschleppt ist, sondern hervorgebracht wurde aus der Truppe
heraus, wird belegt mit einem ausführlichen Zitat, das hier
weitgehend unkommentiert stehen soll. Es stammt von einem Offizier,
der in "intensivem Gedankenaustausch mit Mitgliedern
insbesondere der US-amerikanischen Military Intelligence Community
steht", von Oberstleutnant Reinhard Herden. Er schrieb in der
Bundeswehrzeitschrift für die Erziehungsarbeit und Ausbildung der
Soldaten "Truppenpraxis/ Wehrausbildung" Nr. 2/3 1996 zum
Thema "Die neue Herausforderung - Das Wesen künftiger
Konflikte":
"Die Erkenntnis hat sich mittlerweile durchgesetzt, dass
dem Ost-West-Konflikt nicht der unbeschwerte Genuß einer
Friedensdividende nachfolgt, sondern weltweit zunehmende
Instabilitäten und Risiken." Es gäbe wieder brutale
Feinde, auf sie seien Bundeswehrwehr und Politik nicht vorbereitet,
dies sei eine "Realitätsverdrängung", die u.a. zu
Verweichlichungen wie dem "Kriegsvölkerrecht
westlich-humanitärer Prägung" führte und zukünftig "weder
Verhaltenssicherheit noch das Überleben garantieren".
Weiter: "Wenn die heute noch latenten Konflikte in offene
Gewalt einmünden, dann werden Zivilisationskriege die
vorherrschende Konfliktform des nächsten Jahrhunderts sein."
Und: "Wenn es eine Kraft gibt, die der Westen unterschätzt,
dann ist es die Kraft des kollektiven Hasses." Dem "zivilisierten
westlichen Soldaten" steht der "rohe, barbarische fremde
Krieger" gegenüber, der "dem Proletariat"
entstammt. "Das Verständnis ganz primitiver menschlicher
Beweggründe, z.B. sexueller Frustration, ist bedeutsam für die
Beurteilung des Kriegers als Gegner des Bundeswehrsoldaten."
Der Feind wird dämonisiert: "Für den Soldaten der
westlichen Demokratie mit seinem ethischen und moralischen
Prinzipien ist der Krieger ein gefährlicher Feind ...
Bundeswehrsoldaten haben keine Vorstellung von der Grausamkeit, zu
der diese Art Krieger fähig sind."
Weiter: "Es wäre ... unklug, sie (die
Bundeswehrsoldaten) nicht für die brutalen kleinen Kriege gegen die
kleinen bösen Männer auszubilden. Deutschland wird um eine
Beteiligung an diesen Kriegen gebeten werden."
Vor der militärischen Ausbildung für diese Bedrohungen müssen
jedoch noch einige heikle Fragen beantwortet werden, meint Herden. "Sind
die Menschen wirklich die Geschöpfe, so wie Rousseau sie sah und
die Bennetton-Reklame sie sieht, die nur auf den Zusammenbruch
böser Staaten warten, um ihre Friedensliebe und Güte zeigen zu
können? Oder sind sie blutrünstige Bestien, die sich nur
widerwillig in eine Zivilisation einordnen, weil die Alternative
gegenseitige Vernichtung und Anarchie ist? Sind Deutschland und die
Bundeswehr wirklich mit aller Konsequenz bereit, sich auf Gegner
einzulassen, die nichts zu verlieren haben? Sie werden auf einen
Gegner treffen, der Gefallen am Töten gefunden hat, der sich nicht
rational verhält (sein Verhalten entspricht zumindest nicht dem
westlichen Verständnis von Rationalität), der zu unbeschreiblichen
Greueltaten fähig ist und seine Landsleute opfert, um zu
überleben. Verrat ist ihm zur zweiten Natur geworden. Von
halbherzigen Demonstrationen der Stärke mit restriktiven
Verhaltensregeln lässt er sich nicht beeindrucken."
Ein Höchstmaß an Brutalität wird von der Bundeswehr verlangt: "Ist
die Bundeswehr bereit und legitimiert, dieser Bedrohung notfalls
auch mit brutaler Gewalt zu begegnen? Nicht immer wird man die
Schmutzarbeit den Partnerländern überlassen können." Das
Szenario sieht so aus: "Einsätze im erweiterten
Aufgabenspektrum der Bundeswehr lassen sich in der Regel nicht
schematisch auf immer genau die gleiche Weise bewältigen. Meistens
ist ein zweifacher Ansatz notwendig - man muss versuchen, die
betroffene Bevölkerung auf die eigene Seite zu bringen, und man
muss Warlords und ihre Söldner erbarmungslos bekämpfen. Man kann
nicht mit ihnen verhandeln oder Kompromisse schließen. Man kann
ihnen auch keine ‚Lektion erteilen' (es sei denn, man glaubt, dass
Saddam Hussein oder General Aidid lernfähig wären). Auf dieser
Ebene des Krieges geht es nur um Sieg oder Niederlage. Man braucht
Mut und Entschlossenheit, das Spiel zu gewinnen."
Die Bundeswehr wird aufgefordert, an den rassistischen Krieg
gegen die kleinen bösen Männer teilzunehmen. Erinnert das nicht an
den Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941 des Oberkommandos der Wehrmacht
zur Ermordung sowjetischer Kommunisten und
jüdisch-bolschewistischen Offiziere?
Darin hieß es, es sei "eine hasserfüllte, grausame und
unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen zu erwarten ... In
diesem Kampf ist Schonung und völkerrechtliche Rücksichtnahme
diesen Elementen gegenüber falsch. Sie sind eine Gefahr für die
eigene Sicherheit und die schnelle Befriedung der eroberten Gebiete.
... Die Urheber barbarischer asiatischer Kampfmethoden sind die
politischen Kommissare. Gegen diese muss daher sofort und ohne
weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden. Sie sind daher, wenn
im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der
Waffe zu erledigen..."
Barbarisch, grausam, ohne völkerrechtliche Rücksichtnahme - die
faschistische Sprache der Wehrmachtsführung ist in der Bundeswehr
wiederzufinden.
Detlef Balds Enthüllungen vom
"Kämpfertyp"
Ziemlich am Ende der Legislaturperiode des 13. Bundestages, am
18.06.1998, legte der Verteidigungsausschuss, der als
Untersuchungsausschuss tätig war, zu den rechtsextremen Vorfällen
in der Bundeswehr seinen Abschlußbericht vor. Er wurde von der CDU,
CSU und FDP getragen.
Im Informationsteil des Berichtes finden sich auch bemerkenswerte
Fakten und Bewertungen, die nicht zum abschließenden
verharmlosenden Kommentar aus CDU, CSU und FDP passen. Sie stammen
vom freien Autor Dr. Detlef Bald, bis 1996 Wissenschaftlicher
Direktor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr, dort
nach Schwierigkeiten ausgeschieden. Er arbeitet jetzt als
Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und
Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Dr. Detlef Bald
führte zur Sprache und zu Begriffen in der Truppe Entlarvendes aus.
Zum Sprachgebrauch des "Kämpfers" befragt, sagte Dr.
Bald, zunehmend werde dieser Begriff verwendet. Auch vor 1990 seien
Soldaten zum Kämpfen ausgebildet worden, ohne dass der "Kämpfer"-Begriff
um sich griff. Das heutige Bild des "Kämpfers" müsse
also mehr bedeuten. Der "Kämpfer", "der ganze
Mann", der "Robuste" solle neue Tugenden wecken und
stärken. Der Einstieg in diese Begrifflichkeit sei 1991 erfolgt,
vorher habe es geheißen "Kämpfen können, um nicht kämpfen
zu müssen" (ein Wort des Generalinspekteurs Admiral
Wellershoff, des Vorgängers von Klaus Naumann, der als Schöpfer
der neuen aggressiven Bundeswehr anzusehen ist). In verschiedenen
Publikationen von Generälen seien dann Formulierungen wie "der
Krieg ist der Ernstfall" und "Kämpfen können und
kämpfen wollen" aufgetaucht, sagte Bald. Diese Formulierungen
seien willentlich gegen die alte Formulierung gesetzt worden, die
bis dahin in der Bundeswehr gegolten habe. In einer Zeit, in der
kontinentweit keine Bedrohung mehr vorhanden sei, werde eine Sprache
gewählt, die eine ernstere Bedrohung suggeriere als tatsächlich
vorhanden sei. Die Bundeswehr habe nach der Entscheidung des
Parlaments Friedenseinsätze vor sich, nicht Kriegseinsätze, meinte
der Experte; auffällig sei, dass dennoch das Kämpfenkönnen und
Kämpfenwollen neu betont werde. Die Betonung des Kämpfens erhalte
dann eine besondere Bedeutung, wenn mehr und mehr Hinweise
auftauchen, dass die alten Bedingungen der Zentralen
Dienstvorschrift zur Inneren Führung als verpflichtende Vorgabe
für das Handeln aller Soldaten abgelöst würden, die die
Förderung der Integration der Bundeswehr in Staat und Gesellschaft
vorsahen.
Hart ging Dr. Bald mit der Offiziersausbildung zur politischen
Bildung ins Gericht, die nicht den dazu erlassenen
Dienstvorschriften entspreche. Er sah seine Kritik belegt durch den
1997 vorgelegten Jahresbericht des Zentrums Innere Führung, in dem
es heiße, die Entscheidungen im Ministerium, das Soldatenbild und
das Berufsprofil zu eng, robust und kriegsnah zu bemessen, hätten
zur Entwicklung eines apolitischen Soldatentypus geführt. Der
Bericht sage weiter aus, es fehle den Soldaten an Hintergrundwissen
zur Geschichte. Ausbildung in der Bundeswehr werde durch einen
Rückzug auf das Handwerkliche, auf technische Fertigkeiten
begrenzt. Er sehe immer wieder erschreckende Mängel in der
politischen Bildung bei Diskussionen mit jungen Offizieren an der
Bundeswehruniversität.
Zum Traditionsverständnis der Bundeswehr bemängelte Dr. Bald,
er vermisse darin vieles von den liberalen Werten, die seit über
200 Jahren in den Verfassungen des christlichen Abendlandes
festgelegt seien. Ein im Beruf des Militärs begründeter
"neuen Traditionalismus" mache sich breit. Das sei eine
"verkappte, verknappte, zurechtgebaute Tradition". Dieser
Traditionalismus werde von höchsten Soldaten in der Bundeswehr
vertreten. In der Tendenz verwässere er die Grundlagen der Inneren
Führung.
Im Widerspruch zur Zentralen Dienstvorschrift "Innere
Führung 10/1" und seiner Vorgabe, "die Integration der
Bundeswehr und des Soldaten in Staat und Gesellschaft zu
fördern", sieht Dr. Bald die Weisung des Inspekteurs des
Heeres vom 29. Juli 1994 "Anforderungen an den Offizier des
Heeres". In ihr werde der Offizier der Reserve zum Bindeglied
zwischen Bundeswehr und Gesellschaft erklärt, dies sei eine
wichtige Aufgabe. In einer weiteren Weisung werde auf die für
Gesellschaft und Militär unterschiedlichen Wertehierarchien,
Leitbilder, Normen und Verhaltensweisen abgestellt. Diese Weisung
enthalte keine Forderung nach Integration in die Gesellschaft. Bald
sagte, er sehe darin den Versuch der Absonderung des Militärs und
der Unterscheidung von der Gesellschaft. Er erkenne aus der
Verkürzung des Sinns der Zentralen Dienstvorschriften eine Tendenz
zum Primat des Militärischen.
Nach Meinung Balds kann man von einer Tendenz zur sozialen
Abkapselung und einer allgemeinen Abgrenzung der Bundeswehr von der
Gesellschaft sprechen. Dafür nannte Bald als Beispiel das Thema
eines Vortrages vor Bundeswehroffizieren "Die Rolle von
Streitkräften in einem sich verändernden Europa". Darin werde
eine Eigenentwicklung des Militärs, eine Suche nach einer eigenen
Ordnung gefordert, und dies sei antiliberal, antipluralistisch und
stelle das Spektrum der parlamentarischen Parteien in Frage. Es
müsse erwartet werden können, dass sich Offiziere gegen solche
Forderungen erhöben und dies auch dienstlich bekannt machten.
Im Binnenbereich der Bundeswehr, so Bald, sei das
"Kämpferbild" als oberstes Ideal des Soldaten mit einem
ganz bestimmten "Wehrmachtskonstrukt" (von der sauberen
Wehrmacht) für die Verwässerung der Grundsätze der Inneren
Führung mitverantwortlich. Die Realität der Inneren Führung und
die Tradition sieht Bald als die zwei Pole an, die der Bundeswehr
Sinnvermittlung gewährten. Beide Bereiche litten unter Defiziten,
die den Alltag der Truppe wie den der Stäbe durchzögen. Eine
Gefährdung der demokratischen Grundlagen des Binnenverhältnisses
der Bundeswehr gehe mit einem Sonderweg außerhalb des Pluralismus
einher und sei gegen die Integration in die Gesellschaft gerichtet.
Eine historische Legendenbildung, das Konstrukt einer "sauberen
Wehrmacht" spiele dabei eine große legitimatorische Rolle.
Bald warf der politischen und militärischen Leitung der Bundeswehr
vor, in der Gegenwart dieses Konzept des neuen Traditionalismus mit
dem Kämpferbild des Soldaten vorangetrieben zu haben. Erstmals in
der Geschichte der Bundeswehr würden neue historische Bezüge mit
einander verbunden: "Wehrmacht, von Seeckt, saubere Wehrmacht,
saubere Schlachten, große Schlachten". Unter den Zeichen des
Neotraditionalismus könne man heute mit feinen Formulierungen
hierüber wieder publizieren.
Es müsse immer auch "über den fürchterlichen Krieg"
gesprochen werden, verlangte Bald, dies Thema in der Bundeswehr
offenbar vermissend. Wenn solche Ausführungen nicht gemacht
würden, dann führe das genau zu den Verunsicherungen, die
Unklarheiten zuließen: Nämlich zu denken, die Wehrmacht sei gut
gewesen. Darin sieht Bald offenbar einen Rückschritt hin zu den
50er und 60er Jahren, in denen es klar gewesen sei, dass der 20.
Juli 1944 "kein Vorbild" gewesen sei; das seien
"Verräter" gewesen, mit denen die Bundeswehr nichts zu
tun haben wollte. Nachdem diese lange für die Bundeswehr nicht mehr
galt, sieht Bald nun "Unschärfen im gesamten sinnstiftenden
politischen Klima der Bundeswehr". Verantwortliche Offiziere
verwendeten Formulierungen, die in Teilaspekten noch haltbar seien,
die aber insgesamt eine "deutliche Verzerrung" der
bisherigen Realität der Bundeswehr oder "der normativen
Realität der Bundeswehr" zuließen. Diese Tendenz und ihre
Verbindung mit zufälligen Einzelfällen erzwinge eine notwendige
Diskussion über den zukünftigen Zustand der Bundeswehr.
Die "Lücken in den Geschichtskenntnissen" könnten
größere Bedeutung erlangen, nachdem von Entscheidungsträgern in
der Bundeswehr Bezüge hergestellt würden, die in der deutschen
Vergangenheit ihre eigene Geschichte erlangten und weder mit dem
Geist des Grundgesetzes, noch mit der Inneren Führung vereinbar
seien, führte Bald vieldeutig aus. Er halte es auch für eine nicht
zu entschuldigende Formulierung, wenn von einem Bundeswehrgeneral
die gesamte Tradition des preußisch-deutschen Generalstabes für
den Generalstabsdienst der Bundeswehr als vorbildlich erklärt
werde. Es müsse die Einschränkung erfolgen, dass dies im
Zusammenhang mit einem verbrecherischen Krieg zu sehen sei. Das
gelte selbst dann, wenn die Aussage auf die Arbeitsweise des
preußisch-deutschen Generalstabes relativiert werde. Jedoch: Ein
noch so gut funktionierendes System sei nicht gut, wenn die Ziele
negativ seien. Die Aussage, die gesamte Tradition des
preußisch-deutschen Generalstabes sei vorbildlich, seien der
Inneren Führung und den Erlassen zur politischen Bildung nicht
zuträglich.
Schweigen zu den Erkenntnissen des
Wissenschaftlers
Die Antwort auf diese bemerkenswerten Ausführungen des Dr.
Detlef Bald, die hier ausführlich zitiert wurden, bestand in der
vollkommenen Missachtung seiner Hinweise - sowohl in der Bundeswehr
als auch bei der Ausschussmehrheit. Nichts davon machte sich die
Ausschussmehrheit im Teil "Schlussfolgerungen" zu eigen.
Im Teil zu den Schlussfolgerungen aus dem Untersuchungsbericht
wird eine Trennung "rechtsextremer Vorfälle" als Ausdruck
des Bösen oder als Taten von Verrückten oder Betrunkenen von der
übrigen und an sich guten Bundeswehr vorgenommen. Damit konnte die
eigene Politik der damaligen Mehrheitsfraktion CDU/CSU vor der
Auseinandersetzung mit den "rechtsextremen Vorkommnissen"
bewahrt werden. Diese Tendenz der Reduzierung des Rechtsextremismus
auf seine extremsten Ausdrucksformen, wie beispielsweise die Gewalt
in Detmold oder die extrem brutalen Videos von Hammelburg und
Schneeberg, hat zur Folge, dass Rechtsextremismus, wenn er in einer
anderen Form sich ausdrückt, wie z. B. im Fall Roeder in der
Führungsakademie, überhaupt nicht als Rechtsextremismus
wahrgenommen wird. Erst wenn er die allgemeine Ruhe und Ordnung oder
das eigene Ansehen beeinträchtigt, wenn er als Skandal an die
Öffentlichkeit gelangt, wird der Rechtsextremismus überhaupt
wahrgenommen.
"Rechtsextremes" ist
allein Sache der Gesellschaft und nicht der Bundeswehr?
Abweichend von den Bewertungen durch SPD, Bündnis 90/Die Grünen
und PDS war für die Mehrheitsfraktion klar, dass es keine
"rechtsradikalen Tendenzen" oder "rechtsradikale
Strukturen" in der Bundeswehr gibt. Zudem gehe die "ganz
überwiegende Zahl der Vorfälle" auf Wehrpflichtige zurück,
die "teilweise bereits vor ihrer Zeit in der Truppe mit
rechtsradikalen Kreisen und Gedankengut in Berührung gekommen
seien." ("Heute im Bundestag", 19. 06. 1998). Dieses
Mehrheitsvotum zur Einordnung der untersuchten "Vorfälle"
lehnte sich an die Stellungnahmen des Verteidigungsministers an. Die
Aussage "Es gibt keine rechtsradikalen Tendenzen",
verbunden mit dem Hinweis, das habe man schon immer gewusst,
vermittelt den Eindruck, dass jede weitere Kritik oder Untersuchung
überflüssig sei und dass die damalige Koalition mit ihrer
Ablehnung einer Untersuchung schon immer im Recht war. Der Verweis
auf die Wehrpflichtigen, die schon vor der Bundeswehrdienstzeit
rechtsextrem waren, wird hier auch als Entlastung bzw. Freisprechung
der Bundeswehr angeführt. Die Frage, warum gerade Rechtsextreme
sich für die Bundeswehr und speziell für die Ausbildung für
Auslandseinsätze zur Verfügung stellen, wie beispielsweise in
Detmold, hätte auf diese Stellungnahme zwar logisch folgen müssen,
wurde jedoch nicht gestellt.
Im Teil der "Feststellungen des
Untersuchungsausschusses", das heißt die Darstellung der
ermittelten Sachverhalte durch den Untersuchungsausschuss, begegnen
den Lesern wiederholt Begriffe wie "Einzelfälle",
"Bundeswehr ist nur ein Spiegelbild der Gesellschaft",
"zu viel Alkohol", "die Vorfälle sind lange
her", "die Verantwortlichen waren naiv", "die
Zeugen sind unglaubwürdig", "es gibt immer ein paar
Idioten", "Offiziere sind überlastet", "die
Personalfluktuation ist zu hoch", "Ministeriumsmitarbeiter
waren überlastet", "ehemalige Soldaten sind aus
Rachegefühlen als Zeugen an die Öffentlichkeit getreten",
"die Soldaten haben zu viele Pausen", "die Soldaten
können nicht immer bewacht werden" (vgl. Deutscher Bundestag
18.06.1998, 21-136).
"Zu viele Pausen" gab es demnach für die Soldaten in
Hammelburg. Ihr Einsatz bei einer Übung als Heckenschützen, die
einen IFOR-Konvoi beschießen, umfasste sechs mal fünfzehn bis
zwanzig Minuten täglich. Ihr rassistisches Video drehten sie
jeweils in der "lang andauernden Mittagspause". Die
Wehrbeauftragte sagte dazu, dass es aus Organisationsgründen zu
"Gammel-Phasen" gekommen sei, in denen sei der nämliche
Videofilm gedreht worden, "um so Emotionen und Aggressionen
abzureagieren ..." (vgl. Bericht Deutscher Bundestag, 18.6.98,
S. 134). Alkohol als Begründung für rechtsextreme Exzesse wird
ebenfalls von einigen Zeugen bzw. vom Untersuchungsausschuss selber
explizit genannt, beispielsweise im Zusammenhang mit der Gewalt in
Detmold, mit diversen Hitler-Feiern, mit dem Hitler-Gruß (vgl.
Bericht Deutscher Bundestag, 18.6.98, S.119, 130,167).
Die Lieferungen von Material an das "Deutsch-Russische
Gemeinschaftswerk" von Roeder sei begründet in der
Arbeitsbelastung im Verteidigungsministerium (vgl. ebd.). Zur
Problematik des Traditionsverständnisses hält es die
Mehrheitsfraktion für erforderlich, dass "pauschale
Behauptungen" zum Thema Wehrmacht unterlassen werden, denn:
"Sie spielt denen in die Hände, die sich selbstgerecht über
die Kriegsgeneration erheben, anstatt das Gespräch zwischen den
noch lebenden Kriegsteilnehmern und der jungen Generation zu
fördern." (Bericht Deutscher Bundestag 18.06.1998,141).
Diese Beispiele aus der Bewertung durch die Mehrheitsfraktion des
Untersuchungsausschusses sind symptomatisch für ihre gesamte
Bewertung und verdeutlichen, dass dieser Teil des
Untersuchungsausschusses sich unumwunden in erster Linie - oder auch
ausschließlich - als Anwalt der Bundeswehr verstand. Bis heute sind
die Gründe, die 1998 zur Untersuchung durch den Bundestag führten
nicht wirklich beseitigt.
Die Fälle Hohmann und Günzel
An sämtliche Kritikpunkte aus den Erörterungen der
"Vorkommnisse" von 1995 bis 1998 werden wir mit der
Hohmann-Günzel-Affäre erinnert. Der Chef des Kommandos
Spezialkräfte, Brigadegeneral Reinhard Günzel, hat im Herbst 2003
zum Entsetzen seiner Vorgesetzten das ihm auferlegte Schweigen
gebrochen, das ihm besonders hinsichtlich seiner kleinen
Untergrundarmee befohlen worden war. Er schrieb dem Abgeordneten
Martin Hohmann (MdB der CDU) einen zustimmenden Brief zu dessen
Thesen von den Juden als Tätervolk im Rahmen des Bolschewismus und
der Oktoberrevolution sowie von den guten Symbolen, unter denen die
"braunen Horden" marschierten. Günzel nannte Hohmanns
Rede mit den entsprechenden Äußerungen eine ausgezeichnete
Ansprache mit "Mut zur Wahrheit und Klarheit", wie man sie
in Deutschland "nur noch sehr selten hört und liest". Man
werde mit solchen Aussagen zwar von den Medien in die
"rechtsradikale Ecke gestellt", aber man spreche damit
"der Mehrheit unseres Volkes eindeutig aus der Seele".
Hohmann solle mutig weiter Kurs halten und sich nicht durch
"Anwürfe aus dem linken Lager" beirren lassen.
Minister Struck sagte, es handelt sich bei Reinhard Günzel um
einen einzelnen "verwirrten General, der einem noch
verwirrterem CDU-Abgeordneten aufgesessen ist". Dazu könnte
doch die Frage aufkommen: Soll hier von den verwirrten SPD-Ministern
und Verteidigungsausschussmitgliedern abgelenkt werden, die einem
solchen General freie Hand ließen? Niemand weiß, was er mit seiner
KSK in den "Kampfeinsätzen" trieb. Die Abgeordneten
verzichteten gar auf Nachprüfungen. Die Fallschirmjäger, die
ursprüngliche Truppe des antisemitischen deutschen Generals, sie
drucken in Werbebroschüren das alte Nazi-Liedgut wie "Rot
scheint die Sonne", das Göring so gern hörte, sie feiern die
Siege von Monte Cassino und Kreta. Schon lange vor der KSK-Gründung
übten sie den "Einsatz hinter feindlichen Linien". Nun
musste der Brigadegeneral aus der vorderen Linie abgezogen werden.
Es hätte viele Gründe gegeben, ihn dort nie zu platzieren.
Günzel hat die ansonsten streng abgeschirmte KSK-Truppe in Calw
für seine sehr weit rechts stehenden Freunde geöffnet. Aus
Fallschirmjägereinheiten - Günzel selbst war als 19jähriger
Jäger 1963 im Fallschirmjägerbataillon 261 in Lebach/Saar ins
Berufsleben eingetreten - und aus Gebirgsjägerverbänden bezog er
vor allem seine Freiwilligen. Dass diese Freiwilligen bei den
Jägern aller Einheiten nur zu oft junge Nazifans waren, ist
spätestens seit den Untersuchungen der "Vorkommnisse" von
1998 bekannt. Der Major der Reserve Martin Hohmann (MdB der CDU)
durfte im August 2001 bei der KSK-Truppe eine Wehrübung
absolvieren. Aus der Zeit stammen die engen Kontakte Günzels zu
Hohmann. Andere Kontakte zu einflussreichen Rechten in Uniform baute
Günzel in der Clausewitz-Gesellschaft auf, wo er im Frühjahr 2003
einen Vortrag über die Aufgaben der KSK halten durfte.
Als der erzkonservative Fuldaer Bischof Johannes Dyba, der
zugleich auch Militärbischof war, den Oberst Reinhard Günzel
einmal bei der Truppe besuchte, klagte dieser, es falle zunehmend
schwer, einer Bevölkerung zu dienen, die ein gestörtes Verhältnis
zur Bundeswehr habe. Auf Traditionspflege aus Respekt komme es ihm
an, so die stramme Aussage Günzels. Für Günzel ist klar: Das Lied
aus der Nazizeit "Rot scheint die Sonne" werde fälschlich
als Nazilied diffamiert. In dem Lied heißt es: "Startet los,
flieget ab, heute geht es zum Feind ... Wir fliegen zum Feind,
zünden dort das Fanal... Wir wissen nur eines, wenn Deutschland in
Not, zu kämpfen, zu siegen, zu sterben den Tod. An die Gewehre, an
die Gewehre. Kamerad, da gibt es kein Zurück." Seinem
Offizierskameraden und Reserveoffizier Christian Epp erklärte
Günzel, was er von seiner Truppe erwarte: "Disziplin wie bei
den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS."
Nach dem Hohmann/Günzel-Skandal wurde vorübergehend wieder nach
einer Untersuchung in der Bundeswehr gerufen. Wir haben erlebt, wie
die letzte Untersuchung dieser Art ausging: Kurt Rossmanith, Obmann
für Sicherheits- und Verteidigungspolitik der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, legte den Untersuchungsbericht vor und
befand: Alles in Ordnung. Im Plenum lehnte die Unions-FDP-Koalition
Anträge der Grünen und der SPD ab. Diese Anträge haben SPD und
Grüne später, als sie an der Regierung waren, nie wieder gestellt
- und sich auch nicht danach gerichtet. Weder wurde das Verhältnis
Bundeswehr/Wehrmacht zweifelsfrei geklärt, noch wurde den alten
Traditionsverbänden der Stuhl vors Kasernentor gestellt.
Vom traurigen Ende eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses
Der bisherigen unionsgeführten Bundesregierung wurde in dem
Antrag der Grünen vorgeworfen, sie habe "es bewusst
unterlassen, das Verhältnis von Bundeswehr und Wehrmacht
zweifelsfrei und verbindlich zu regeln."
Klipp und klar sollte es nach Meinung der Grünen von 1998 in
einem Beschluss des Bundestages heißen: "Die Wehrmacht als
eine der tragenden Säulen des NS-Regimes kann keine Tradition der
Bundeswehr begründen." Dies wurde nicht verwirklicht.
Weiter verurteilten die Bündnisgrünen "die Tendenz, die
Umsetzung des Leitbildes vom ,Staatsbürger in Uniform' zugunsten
einer Ausbildung von entschlossenen universellen Kämpfern zu
opfern." Ein Jahr später setzten die Grünen diesen
Kämpfer universell ein.
"Der Deutsche Bundestag sollte die Bundesregierung - nach
Wunsch der Grünen - auffordern, das "Leitbild des
Staatsbürgers in Uniform durch eine Intensivierung der politischen
Bildung, eine Verbesserung der Rechtsausbildung und eine gelebte
Innere Führung in die Realität umzusetzen." Doch die
politische Bildung geht immer mehr zu Lasten der Einübung des
Kämpfers.
Weiter sollte der Bundestag beschließen, er sehe "in der
Namensgebung von Kasernen und Schiffen einen wichtigen Beitrag für
eine glaubwürdige demokratische Traditionspflege. Er fordert die
Bundesregierung auf, die gegenwärtigen Kasernen- und Schiffsnamen
auf ihre zeitgemäße demokratische Leitbildfunktion hin zu
überprüfen."
Nichts dergleichen geschah. Bis auf eine Umbenennung blieb es
noch 2003 bei den alten Namen der Kasernen, blieb es bei den
antisemitischen und faschistischen Vorbildern wie Fritsch und
Mackensen. Am Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion
waren viele Kasernen-Patrone der Bundeswehr beteiligt.
Der Deutsche Bundestag sollte 1998 nach Meinung der Grünen
außerdem die Bundesregierung auffordern, "bestehende
Patenschaften zwischen Bundeswehr und ehemaligen Verbänden der
Wehrmacht offenzulegen und aufzulösen". Auch das
unterblieb. Während das Darmstädter Signal, eine kritische
Soldaten- und Offiziersgruppe, bestehend vorwiegend aus Reservisten,
faktisch Hausverbot bei der Bundeswehr hat, genießen die
Traditionsverbände alle Freiheiten. Als die VVN-BdA und junge
Historiker aus der Gruppe "Angreifbare Traditionspflege"
wiederholt zu Pfingsten in Mittenwald Gäste aus den Orten in
Griechenland eingeladen hatte, die im Krieg von der Gebirgstruppe
der Wehrmacht grausam heimgesucht worden waren, da boten sie der
Bundeswehr an, diese Gäste in die Kasernen der heutigen
Gebirgstruppe zu entsenden. Die Divisionsleitung in Sigmaringen
lehnte ab, das Ministerium schwieg. Die zuständige 10.
Panzerdivision betreute hingegen zu Pfingsten 2003 das Treffen des
berüchtigten völkisch-nationalistischen Kameradenkreises der
Gebirgstruppe, in dem sich zahlreiche mutmaßliche Täter
gegenseitig ihre Unschuld beeiden. (Diese Betreuungsarbeit hält
an.)
"Der Deutsche Bundestag", so sollte nach Meinung
der Grünen 1998 weiter beschlossen werden, "fordert die
Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass alle Traditionsräume
den Anforderungen der Traditionsrichtlinien aus dem Jahr 1982
entsprechen und bei Nichtbeachtung die zuständigen Kommandeure zur
Verantwortung gezogen werden." Ein Bericht, was daraus
wurde, liegt nicht vor. Es liegen jedoch stolze Berichte in
Blättern der Traditionsverbände vor, in denen geschildert wurde,
wie während der Untersuchungen des Bundestages in Kasernen die
äußerlich sichtbaren Merkmale der Traditionsarbeit korrigiert
wurden, um hinterher wieder in den alten Zustand versetzt zu werden.
Was geschah also mit den Forderungen aus dem Antrag von 1998,
nachdem die Grünen in der Regierung saßen? Fast nichts. Ihr Antrag
wurde nie wieder hervorgeholt. Und an der Traditionsarbeit der
Truppe änderte sich nichts, jedenfalls nichts zum Besseren. Die
gesamtdeutsche Militärkonzeption, maßgeblich von den Militärs in
den Jahren von 1990 bis 1998 erarbeitet, wurde vollinhaltlich
beibehalten. Bereits am 3. 10. 1990 hatte die Bundeswehr das
NVA-Verteidigungsministerium der DDR übernommen, und ein
stellvertretender Oberkommandierender Bundeswehr-General, Werner von
Scheven, versicherte den Soldaten aus Ost und West, die Bundeswehr
wolle "nicht hinter den Leistungen der Wehrmacht
zurückstehen" ("loyal" 12/1990) Der Geist, der aus
diesen Worten sprach, wurde nicht als alarmierend empfunden und
ernst genommen.
(abgeschlossen 2005)
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