30.05.06
Regierung unterstützt
Kriegsverbrechertreffen:
Mittenwald: Beendigung der geschichtsrevisionistischen
Traditionspflege der Bundeswehr gefordert
Das letzte Wochenende inklusive „Vatertag“ wurde in den
Medien ein „deutsches Wochenende“ genannt. Es gab viele Gründe,
kanzleramtlicherseits gewalttätige neonazistische Untaten zu
verurteilen. Doch der eigene Anteil der Bundesregierung an braunen
Aktivitäten blieb weitgehend unkommentiert. Zum 49. Mal wurden in
Mittenwald/Oberbayern durch Regierung, Truppe und
Wehrmachtsveteranen die Kriegsverbrecher aus der Gebirgstruppe
geehrt, die von 1939 bis 1945 unvorstellbare Verbrechen an der
Zivilbevölkerung der von Hitlerdeutschland überfallenen und
besetzten Länder begangen haben.
Mehr als 300 zumeist junge Antifaschisten haben dagegen in
Mittenwald protestiert – einem Aufruf der Historikergruppe „Angreifbare
Traditionspflege“ und der VVN-Bund der Antifaschisten folgend. Sie
warfen dem von der Bundesregierung und der Heeresführung
unterstützten völkisch-reaktionären „Kameradenkreis der
Gebirgstruppe“ vor, in seinen Reihen schwer belastete Täter
geduldet zu haben oder noch zu dulden, so die Angehörigen von an
Judendeportationen beteiligten Polizeigebirgseinheiten sowie der
Gebirgsdivision 1 aus Mittenwald, die Tausende unbewaffnete
italienische Kriegsgefangene und Einwohner in Hunderten griechischen
Dörfern ermordeten.
Auf eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag hatte das
Verteidigungsministerium vor dem Treffen erklärt, der soldatische
Schulterschluss sei nicht zu beanstanden: "Bei der Gedenkfeier
wird der Gefallenen und Toten der Kriege und der ums Leben
gekommenen Bundeswehrsoldaten gedacht“, vor diesem Hintergrund sei
die Beteiligung der Bundeswehr „angemessen". Es werde auch
"in angemessenem Verhältnis" an die Opfer der
Nazi-Kriegsverbrechen erinnert, behauptete die Bundesregierung,
obgleich sich der Kameradenkreis bisher jeder Mithilfe an der
Aufklärung der Verbrechen und der Bestrafung der Täter aus seinen
Reihen entzogen hat. Die Protestierer forderten daher:
Entschädigung der Opfer, Bestrafung der Täter und Beendigung der
geschichtsrevisionistischen Traditionspflege der Bundeswehr.
Die ehemaligen Partisanen Prof. Iwan Kristan aus Slowenien und
Max Tzwangue aus Frankreich bekräftigten das Vermächtnis „Nie
wieder!“ des europäischen Widerstandes und riefen die jungen
Zuhörer auf, es nicht den Nachfahren der profaschistischen
Kollaborateure zu überlassen, wie das Europa von morgen gestaltet
wird. Der Theresienstadt-Überlebende Ernst Grube (VVN-BdA)
verurteilte die dreiste Missachtung der Rolle der Roten Armee bei
der Befreiung Europas und des Arbeiterwiderstandes in der
Gedenkarbeit in Deutschland.
Ulrich Sander
|